COPYRIGHT: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von DeutschlandRadio / Funkhaus Berlin benutzt werden. Länderreport / 16.11.2010 (1) Am Ende steht oft ein Untersuchungsausschuss - Der "Nürburgringskandal" und seine Folgen Autor: Ludger Fittkau Redaktion: C. Perez Anmoderation 370 Millionen Euro hat der sogenannte "neue Nürburgring" bis heute gekostet. Öffentliche Mittel, die ursprünglich nie fließen sollten, stecken nun in einer riesigen Einkaufs-Mall, die halb leer steht oder in einer Achterbahn, die seit der Einweihung vor mehr als einem Jahr still steht. Längst ist aus dem "neuen Nürburgring" ein Skandal geworden, über den ein Minister gestürzt ist und der seit Langem einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, Staatsanwaltschaften und den Rechnungshof des Landes Rheinland-Pfalz beschäftigt. Beitragstext: Eigentlich will im Winter niemand in die Eifel. Fast niemand. Wer dort nicht lebt, keine Leidenschaft für das "trefflich rauh Land" hat, wie es ein lokaler Schriftsteller mal nannte, will da im Winter nicht hin. Denn außer kahlen Höhen und Kälte gibt es da nicht viel. Das Beste sind Gaststuben zum Aufwärmen. Schon im Herbst kann es beispielsweise bei einer Veranstaltung in einer ungeheizten Halle am Nürburgring schon empfindlich kalt sein, stellen die Eifelaner Theo Schäfges und Alexander Habanek unumwunden fest: O-Ton Collage: Und es ist noch nicht kalt in der Eifel. Es wird noch kalt in der Eifel und da müssen sich natürlich die Veranstalter ihre Gedanken dazu machen. Ich selber bin der Meinung, der Nürburgring wird immer in Verbindung mit Rennsport gesehen und das ist halt im Winter nicht machbar. Im Winter liegt die Autorennbahn still. Bei Eis und Schnee fahren dort keine schnellen Autos. Es herrscht Ruhe. Normalerweise. Doch damit sollte es nun vorbei sein. Die Leute sollen auch im Winter in die Eifel kommen. Zur Autorennbahn. Doch nicht um Rennfahrer in ihren pfeilschnellen Boliden hinterher zu jubeln, sondern um einzukaufen. Oder Achterbahn zu fahren. Oder zu tanzen. Oder in einem Technikmuseum zu flanieren. Neben der Rennbahn. Im neuen Freizeitzentrum. Alles überdacht. Gegen die Kälte. So dachte die Politik. Finanzieren sollten dieses neue Eifel-Wintervergnügen Privatleute. So dachte die Politik. Doch daraus wurde nichts. Es fand sich kein Privatinvestor. Gebaut wurde trotzdem - mit öffentlichen Mitteln. Ein Skandal - sagt die Opposition. Der Nürburgring-Finanzskandal. 370 Millionen öffentliche Mittel seien zum größten Teil sinnlos verbraten worden, schimpft Christian Baldauf, Fraktionschef der CDU im rheinland-pfälzischen Landtag: O-Ton Baldauf: Zunächst einmal stelle ich fest, nachdem das ja eine Investition war, die zwischenzeitlich rein vom Steuerzahler getragen wird, dass ein Land mit Zockern Geschäfte gemacht hat. Das gehört sich nicht. Das ist unanständig, das ist gegenüber dem Steuerzahler unredlich. Was man alles mit 370 Millionen hätte machen können! Es gäbe keinen Unterrichtsausfall, viele andere Dinge wären erledigt, die Straßen wären in besserem Schuss. Gezockt hat wohl vor allem Professor Ingolf Deubel. So heißt der ehemalige Finanzminister des Landes - zurückgetreten wegen der gescheiterten Privatfinanzierung des Nürburgrings. Der Teufel hat ihn geritten. Der Teufel in Gestalt des Finanzkapitalismus. Frei flottierendes Kapital, das war seine Hoffung. Geld auf den Finanzmärkten, das investiert werden sollte. In die Eifel. In das Freizeitzentrum am Nürburgring. In den Versuch, den rauen Ort auch im Winter attraktiv zu machen. Doch Ingolf Deubel bekam das Geld nicht zusammen. In diesem Moment klang der Finanzminister sehr vernünftig: Es ist völlig klar, wenn es in den nächsten Monaten nicht gelingt, einen privaten Investor einzubinden, Nürburgring alleine wird es nicht machen, das ist ganz sicher. Das heißt also, wenn es derzeitig nicht so läuft, wie wir uns das erwarten, dann wird das Projekt auch nicht kommen. Doch dann machte Ingolf Deubel und mit ihm die gesamte rheinland-pfälzische SPD- Regierung unter Kurt Beck einen verhängnisvollen Fehler. Man gab grünes Licht für den Baubeginn, ohne das ein privater Investor da war. Man hoffte auch nach dem ersten Spatenstich, an das Privatgeld heranzukommen. Der Finanzminister beteuerte das immer wieder. Im Parlament. Im Kabinett. In der Presse. Deubel, das weiß man heute, hatte Finanzspekulanten und Hochstapler als Einflüsterer. Und überredete seinerseits seinen Ministerpräsidenten. Kurt Beck war zu dem Zeitpunkt gleichzeitig Bundesvorsitzender der SPD und mehr in Berlin als in seinem Heimatland. Beck ließ Deubel machen. Doch der verzockte sich. Spätestens mit der Weltfinanzkrise verflog die letzte Hoffnung auf reiche Investoren aus Übersee. Nun sitzen die rheinland-pfälzischen Steuerzahler auf einem Freizeitzentrum in der Eifel, das meistens leer steht und auf rund 370 Millionen Kosten. Deubel ist nicht mehr im Amt. Beck auch nicht mehr - als Bundesvorsitzender der SPD. Rheinland- pfälzischer Ministerpräsident ist er weiterhin, will es im Frühjahr 2011 noch einmal werden. Beck bedauert öffentlich, dass er sich zu spät um den Nürburgring gekümmert hat: Wir hätten die Reißleine früher ziehen müssen. Diese Aussage gilt noch heute. Seit gut einem Jahr hat Kurt Beck einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss am Hals. Der erste Kriminalroman zum Nürburgring- Finanzskandal ist seit dem Sommer auf dem Markt. Der Autor: Jacques Berndorff, der meistgelesene deutsche Krimiautor, Schöpfer der Eifel-Krimis. Berndorff sah das Bauprojekt am Nürburgring immer mit kritischem Blick. Der gebürtige Duisburger lebt seit Langem in der Eifel. Natürlich ist da was schief gelaufen. Und zwar eine ganze Menge. ( ... ) Ich muss ja immer darauf achten, wie die Eifel dabei wegkommt. Weil, das habe ich mir geschworen. Die hat mir Asyl gewährt, ich lebe da. Und ich schau schon hin, haben die Eifeler was davon, ja oder nein? Und der neue Nürburgring war ein Ding der Strukturpolitik und er ist es noch. Und er ist unglaublich wichtig für die Leute dort oben. Aber wenn die Leute nicht mehr begreifen, was da läuft, weil es ihnen niemand erklärt und genau das ist mein Strang. Auch nach mehr als einem Jahr bietet der sogenannte "neue Nürburgring" oft ein Bild gähnender Leere. Immer noch läuft die Achterbahn nicht, die die Besucher innen durch den neuen Gebäudekomplex schießen sollte, um auch im Winter für einen Geschwindigkeitskick zu sorgen, wenn draußen auf der Piste der Rennbetrieb still liegt. Seit mehr als einem Jahr steht diese Super-Achterbahn still. Genauer gesagt: Sie ist nie gelaufen. Der "Ring-Racer", wie dieses Ding offiziell heißt, ist längst zum Menetekel für das gescheiterte Bauprojekt geworden. Jacques Berndorff hat für diesen trostlosen Ort nur eine Bezeichnung: Ich will nur darauf aufmerksam machen, dass das, was am Nürburgring aufgeführt wird, für mich ein Betongebirge ist, das ein paar Nummern zu groß ist. Und wie geht es jetzt weiter in Mainz, in der Politik? Schließlich hat das Land Rheinland-Pfalz als Besitzer den Nürburgring nahezu allein am Hals. Der Bund war klug genug, sich in Wendezeiten als Mitbetreiber der Rennbahn zurückzuziehen. Rund 370 Millionen stehen für das Bauprojekt bis jetzt zu Buche, die Opposition rechnet noch mit weit höheren Kosten, die beim Steuerzahler hängen bleiben. Ingolf Deubel und andere handelnde Personen am Nürburgring sind ausgewechselt worden. Aber gegen manchen, der noch im Amt ist, wird noch staatsanwaltlich ermittelt. Auch gegen den Düsseldorfer Geschäftsmann Kai Richter , den das Land erst nach dem Rückritt Ingolf Deubels zu einem der Mitbetreiber des Freizeitzentrums an der Rennbahn gemacht hat. Richter wird aber nun vorgeworfen, sich in der Anfangsphase des Bauprojektes durch Grundstücksgeschäfte und Finanztransaktionen an öffentlichen Mitteln über die Maßen hinaus bereichert zu haben. In Jacques Berndorffs Roman gibt es eine Figur namens Claudio Bremm - Ähnlichkeiten mit Richter oder anderen Akteuren am Nürburgring wären rein zufällig. Bei der Vorstellung seines Buches in der Mainzer Staatskanzlei liest Berndorff - neben Kurt Beck sitzend - die Stelle seines Buches vor, in dem Claudio Bremm am Nürburgring tot aufgefunden wird: O-Ton Berndorff: Claudio Bremm liegt auf dem Rücken und starrte aus weit offenen Augen in die kalte Novembernässe. Neben ihm lag eine zweiläufige Schrotflinte ungefähr 30 Zentimeter von seinem rechten Arm entfernt. Er trug das filzige Grün der Waidmänner und selbst im Tod sah er richtig schick aus. Ein oder zwei Kugeln hatten ihn am Hans erwischt, es sah so aus, als sei er fast geköpft worden. Aber sein Haar saß noch sehr adrett. Seine rechte Hand fiel mir auf. Sie lag neben seiner Taille im Novemberdreck und sie sah so aus, als könne kein Schmutz der Welt ihr die Eleganz nehmen. Was wusste ich von ihm? Nicht viel, das war sicher. Er war irgendwann als ein Retter des neuen Nürburgrings eingestiegen, er wollte und sollte private Investoren auftreiben, er schaffte keinen Cent heran. Stattdessen bekam er einen staatlichen Kredit über ein paar Millionen, was mit der Weltwirtschaftskrise und all dem Elend unter den Gierigen dieser Welt begründet wurde. Wird Kurt Beck den aktuellen Nürburgring-Mitbetreiber Kai Richter auf Dauer halten können? Was wird der parlamentarische Untersuchungsausschuss zur Nürburgring- Affäre noch herausbekommen? Ein Ende seiner Arbeit ist zurzeit noch nicht abzusehen. Umfragen besagen, dass der Nürburgring-Skandal die Landtagswahl im März 2011 nicht maßgeblich beeinflussen wird. Andere Themen sind wohl wichtiger. Kindergartenplätze, Integrationspolitik, der Arbeitsmarkt in den Ballungsräumen. Der Nürburgringskandal rückt nach gut einem Jahr schon fast wieder in den Hintergrund. Doch jede neue Landesregierung wird noch lange an den Kosten tragen. Und das Geld wird fehlen: Für Kindergartenplätze, für Sprachkurse und sinnvolle Industriepolitik. Die Landtagswahl ist am Ende des nächsten Winters. Eines Winters, in dem wieder niemand in der Eifel gewesen sein wird. Fast niemand. Denn was soll man dort schon im Winter? Das Freizeitzentrum am Nürburgring jedenfalls gibt auf diese Frage keine Antwort ... . (2) Am Ende steht oft ein Untersuchungsausschuss - das Berliner Spreedreieck Autorin: Katja Bigalke Red.: C. Perez Anmod: Etwas anders sieht die Situation in Berlin aus. Berlins Nürburgring ist das sogenannte Spreedreick. Ein Filetgrundstück zwischen Bahnhof Friedrichstraße und Spree, das der Investor Harm Müller-Spreer in den Nullerjahren mit einem zehnstöckigen Bürogebäude bebaute. Im Gegensatz zum Nürburgring, herrscht hier zwar durchaus Betrieb. Das internationale Beratungsunternehmen Ernst und Young ist eingezogen, ein durchaus solventer Mieter also. Und trotzdem hat das noch so junge Gebäude schon jetzt seinen Ruf als Albtraum der Berliner Stadtplanung weg. Das eigentlich gute Geschäft mit dem Spreedreieck kam die Stadt nämlich am Ende richtig teuer zu stehen und endet in einem Untersuchungsausschuss. Katja Bigalke berichtet: Atmo Spreedreieck Autorin Es ist ein prominenter Standort, an dem sich Berlin jüngster Immobilienskandal abspielte. Für das Grundstück zwischen Bahnhof Friedrichstrasse und Spree entwarf Mies van der Rohe schon 1921 einen gläsernen Wolkenkratzer. Der wurde zwar aus Geldmangel nicht gebaut, ging aber als kühne Architekturvision in die Kunstgeschichte ein. Nun steht hier seit knapp zwei Jahren ein eher mittelmäßig und plump wirkender Neubau, den Kritiker als "Blutwurst" oder "späte Rache der DDR" verhöhnen. O-Ton Bekannt unter dem Namen Spreedreieck: schwarz, unheimlich und sehr massig Autorin beschreibt ihn Jochen Bäumel, von der Antikorruptionsorganisation Transparency International, die die Abwicklung der Transaktion genau verfolgt hat. O-Ton Das ist eine lange Geschichte... Autorin Der komplizierte Fall beginnt mit einem Gebäude, das mit dem Spreedreieck überhaupt nichts zu tun hat: Das Deutsche Theater nämlich, auf der anderen Seite der Spree. Bevor das berühmte Haus von den Nazis in Beschlag genommen wurde, gehörte es dem jüdischen Theaterunternehmer Max Reinhardt, dessen Erben nach dem Fall der Mauer einen Restitutionsantrag stellten. Der Wert der Immobilie wird auf 63 Millionen DM beziffert - eine Schätzung, die zwar fraglich ist, Ende der 90er aber dazu führt, dass das notorisch klamme Berlin unter Druck gerät. Die Stadt, die das Theater gerne weiter betreiben, aber für das Grundstück nicht zahlen möchte, bietet ein Tauschgeschäft an. Statt Geld offeriert man den Erben ein anderes landeseigenes Grundstück: das Spreedreieck. Der Erbengemeinschaft ist das zu kompliziert, sie will lieber ausgezahlt werden. Eine vertrackte Situation, in der sich der Investor Harm Müller Spreer als Vermittler einschaltet. Er bietet den Reinhardt-Erben 31 Millionen DM für ihr Anrecht auf das Spreedreieck, womit sich diese - überraschend - zufrieden geben. Der Stadt zahlt Müller Spreer auch noch mal 3 Millionen DM - und so geht das Grundstück, frei von Belastungen an den Investor. Ein gutes Geschäft, das CDU Finanzsenator Peter Kurth da im Jahre 2000 für die Stadt zum Abschluss bringt: Wäre da nicht der wunde Punkt mit der Lastenfreiheit, so Jochen Bäumel: O-Ton Das haben natürlich alle gewusst, dass hier eine S-Bahn war. Hier geht ein S- Bahntunnel durch und dann haben sie quer dazu einen Verbindungstunnel und einen S-Bahnausgang auf dem Grundstück und in den Vertrag hat man geschrieben, dass das Grundstück frei von Belastungen ist. Autorin Sprich: frei auch von der Benutzung durch Dritte. So ignoriert der Kaufvertrag schlichtweg die Tatsache, dass die Deutsche Bahn längst ebenfalls die Rückgabe aller Bahnanlagen juristisch eingefordert hat. Mit dem Spreedreieck, das ganz offensichtlich von der Bahn als Bahnhofseingang genutzt wird, wird also ein Grundstück samt Baurecht verkauft, das dem Land gar nicht ganz gehört. O-Ton Die Stadt konnte nicht mehr liefern. Das wurde abgewälzt auf einen Oberamtsrat, den hat man schwören lassen, dass er nichts wusste von dem Urteil - man kann sich nicht vorstellen, dass das in einer Verwaltung möglich ist. Autorin Ob aus gutem Glauben oder schlechter Vorbereitung - jedenfalls fühlte sich der Investor durch die nachträglichen Ansprüche der Bahn schwer geschädigt. Da er nicht bauen konnte, wie ihm ursprünglich zugesichert, verlangte er Schadensersatz. 28 Millionen Euro. Vier Jahre später - inzwischen wird Berlin von einer rot-roten Koalition regiert - kommt es zum Vergleich: Das Land erstattet Müller Spreer 8,7 Millionen Euro zurück. Außerdem gesteht es ihm 2500 Quadratmeter mehr Bruttogeschossfläche zu. Müller Speer darf nun einen 39 Meter hohen Gebäudekomplex mit zehn Stockwerken und 17.500 Quadratmetern Nutzfläche errichten. Und weil er für diese größeren Dimensionen mehr Fläche benötigt, packt die Stadt noch gratis obendrein zwei Nachbargrundstücke drauf mit einem Verkehrswert von 730.000 Euro. So wird das ohnehin schon gute Geschäft für den Investor immer besser und besser. Die Baugenehmigung soll im Eilverfahren erteilt werden und Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer will sich auch nicht lumpen lassen und genehmigt noch einmal zusätzliche 3000 Quadratmeter Geschossfläche. Einfach so - ohne Gegenleistung. Doch die Probleme sind damit nicht aus der Welt. Weil das Büroensemble die eigentlich festgelegte Traufhöhe an der Friedrichstrasse nun um neun Meter überschreitet, ziehen nun die Eigentümer vom Melia-Hotel gegenüber vor Gericht. O-Ton Als der Bebauungsplan ausgelegt worden ist, hat das Hotel Einspruch erhoben wegen Verschattung... Autorin Der Einspruch hat Erfolg: 2007 kippt das Oberverwaltungsgericht den Bebauungsplan, ein Jahr später ziehen die Hotelbetreiber gegen eine Entschädigungszahlung von vier Millionen Euro aus dem Landeshaushalt ihre Klage zurück. Es ist der Zeitpunkt, an dem Haushaltspolitiker der Opposition die Taschenrechner zücken und zu dem Ergebnis kommen, dass das einst als vorteilhaft verkaufte Grundstücksgeschäft das pure Gegenteil ist - nämlich ein Schlag ins Kontor der Stadt Berlin. Ein Untersuchungsausschuss wird eingesetzt. Atmo Blättern Autorin Zwei Jahre, 38 Tagungssitzungen und 68 Zeugenvernehmungen später, blättert Jochen Esser, finanzpolitischer Sprecher der Berliner Grünen, durch den gut 500 Seiten dicken Band, der die Arbeit des Untersuchungsausschusses dokumentiert. Das überraschende Ergebnis des Aufklärungsmarathons: Ganz so schlimm missgewirtschaftet wie angenommen, habe der Senat dann doch nicht. Das Wichtigste - die Schadensbegrenzung für die Stadt - sei gelungen und sogar noch ein Gewinn von 4 Millionen Euro erwirtschaftet worden. Esser kann über soviel Schönfärberei nur den Kopf schütteln: O-Ton Ich kann nur sagen, wie ich und alle anderen aus der Opposition rechnen. Was ist angefallen, wenn Ausgangsgeschäft korrekt gelaufen wäre? Wenn es dabei geblieben wäre, wäre nie mehr was gekommen. Autorin Unterm Strich errechnen die Grünen aus Entschädigungszahlungen für Investor und Hotel, verschenkten Bebauungs- und im Nachhinein zugestandenen Geschossflächen einen Gegenwert von gut 20 Millionen Euro. Steuergelder, die völlig unnötig verpulvert wurden, wegen eines dilettantisch aufgesetzten Vertrags und seinen nicht weniger mangelhaften Ergänzungen. Ihr Sprecher Jochen Esser: O-Ton Wer ein Grundstück verkauft wird, Fragen, die noch offen sind, vorher klären. Vor allem wenn es die öffentliche Hand ist, die Geld verdienen will, aber auch Baurecht schafft. Autorin In Erwartung eines guten Geschäfts habe sich die Stadt mehrfach über den Tisch ziehen lassen, meint Esser. Für die Zukunft fordert er mehr Sorgfalt: Bebauungspläne sollten möglichst vor dem Verkauf wasserdicht gemacht werden und durch eine Wertsteigerungsklausel ergänzt werden, damit die Stadt, falls höher gebaut wird, daran mitverdient. Außerdem rät Esser von komplizierten Dreiecksverträgen wie beim Spreedreieck ab. Auch bestandskräftige Baugenehmigungen terminlich zu garantieren, sei nicht im Interesse der Stadt, selbst wenn man dadurch Investoren vergraule. Nur weil Berlin arm sei, müsse es sich ja nicht auf schlechte Verträge einlassen. Autorin Neue Verordnungen wird es aber wohl nicht geben. Im Gegenteil: die ganze Aufregung um das Spreedreieck scheint an der Regierungskoalition abzuperlen. Das systemische Versagen, das die Antikorruptionsorganisation Transparency dem Land im Fall Spreedreieck bescheinigt, sehen SPD und Linke allein bei der CDU. Die habe den schlechten Ursprungsvertrag schließlich ausgehandelt, so Torsten Schneider. Der Haushaltsexperte der Berliner SPD rühmt sich den Skandal in einem Satz zusammenfassen zu können: O-Ton Die CDU hat's verzapft und der Rest ist Reparaturbetrieb. Autorin Verträge wie beim Spreedreieck würden heute gar nicht mehr zustande kommen, weil sie im Gegensatz zu früher nun das Parlament passieren müssten. Das habe erst der rot-rote Senat durchgesetzt: O-Ton Wir haben bereits die Landeshaushaltsordnung geändert, die Zahlen herabgesenkt, wo Geschäfte zustimmungspflichtig sind. Wir haben eine andere Sensibilisierung, das sehen sie daran, dass wir Geschäfte auch mal zurückweisen. Wir haben beschlossen, dass mit Bebauungsplänen sensibler umgegangen wird. Ich habe keinen Grund anzunehmen, dass das nicht umgesetzt wird. Autorin Eigentlich - so Schneider - sei schon alles gesagt zum Thema. Das Abgeordnetenhaus tritt in der vergangenen Woche zu später Stunde zusammen um den Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses zu besprechen. Atmo Untersuchungsausschuss Autorin Wie kaum anders zu erwarten, stellt sich die rot-rote Koalition ein gutes Zeugnis bei der Schadensbegrenzung im Fall Spreedreieck aus - während die Opposition zu davon abweichenden Beurteilungen kommt. Jede Partei darf noch einmal in zehn Minuten ihre Sicht auf den Fall und den Untersuchungsausschuss darstellen, dann wird über die unterschiedlichen Anträge abgestimmt. Erwartungsgemäß setzte sich hier Rot-Rot gegen die Oppositionsparteien durch. Damit sind die Akten erst einmal geschlossen. Atmo Abstimmung Ende