COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Länderreport Berlin vor der Wahl Bleibt alles wie gehabt? Am kommenden Sonntag ist es soweit: knapp 2,5 Millionen Berlinerinnen und Berliner können ein neues Abgeordnetenhaus wählen. In den letzten zehn Jahren wurde die Hauptstadt von rot-rot unter Führung von Klaus Wowereit regiert. Der 57jährige ist nach wie vor in der Wählergunst ganz oben. Seine Herausforderin Renate Künast hat es schwer. Autorinnen van Laak, Claudia / Jung, Dorothea Redaktion Wimmersberg, Heidrun Sendung 12.09.2011 (13 Uhr 07) MANUSKRIPT BEITRAG 1 Atmo Bibliothek Guten Tag, hallo, Autorin: Es ist einer der vielen Wohlfühltermine im Wahlkampf von Klaus Wowereit, heute im Ostberliner Bezirk Lichtenberg. Vor ein paar Tagen war er schon einmal in Lichtenberg, im Tierpark. Dort streichelte er ein gerade geborenes chinesisches Maskenschwein. Das Foto mit dem Ferkelchen war ein Renner. "Wowi hat Schwein" - lauteten die Bildunterschriften. Die PR-Strategen der SPD rieben sich die Hände. Heute nun: eine frisch sanierte Bibliothek. 2 Atmo/Gespräch in der Bibliothek Wir gucken dann mal rüber in den Kinderbereich, aber erstmal hier, das ist gut gelungen. Wo ist die nächste Bibliothek? Autorin: Klaus Wowereit fragt nach den Sanierungsarbeiten, nach der Zahl der Mitarbeiter. 3 Atmo hoch Gibt´s ein verändertes Medienverhalten..... Autorin: Plötzlich stürmen 3, 4 weibliche Teenager auf Klaus Wowereit los, zücken ihre Fotohandys. Bislang wirkte der Regierende Bürgermeister nur mäßig interessiert, plötzlich fangen seine Augen an zu blitzen. 4 Atmo/Dialog Dürfen wir ein Foto von Ihnen machen? Klick, klick, vielen Dank. Autorin: Autogramme geben, für gute Stimmung sorgen, bloß keine kritischen Themen - Wowereit schmust sich durch den Berliner Wahlkampf und hat damit Erfolg. Dass im Bezirk Lichtenberg von ursprünglich 12 öffentlichen Bibliotheken nur noch 4 übrig geblieben sind - geschenkt. Dass die heute besuchte Bücherei zwar frisch saniert ist, das Hallenbad nebenan aber schon seit zwei Jahren geschlossen - kein Thema für den Regierenden Bürgermeister. Aber für die Wählerinnen und Wähler. 5 Wählerin Ick will den nicht. Wissen Sie warum? Weil ick keene Schwimmhalle hier habe, dit kriegen die nich in die Reihe. zwei Jahre ist die Schwimmhalle zu, nichts. Ick bin ne olle Frau, ick brauch die Schwimmhalle. Autorin: Klaus Wowereit ignoriert die Kritik, eilt vor zur SPD-Bühne, die eingezwängt ist zwischen vietnamesischen Billighändlern und einem Stand mit Groschenromanen, das Heft zu 80 Cent. Die farbigen Papp-Hocker vor der Bühne sind alle besetzt, der Marktplatz voll, das Publikum SPD-freundlich. 6 Kundgebung (Applaus) Klaus Wowereit, da kommen wir zum 18. September 2011, was bedeutet für Sie dieser Tag? Na ja, erstmal Ende des Wahlkampfs, (lacht), das ist schon mal ganz gut. Obwohl, mir macht ja Wahlkampf Spaß, das ist ja eine gute Herausforderung. Dann guckt man auf den Balken nach 18.00 Uhr und ich geh mal davon aus, dass ich mich freuen werde. Autorin: Auch am Ende der Kundgebung hat der SPD-Spitzenkandidat allen Grund zur Freude. Viele Hände recken sich nach oben, als Klaus Wowereit gemeinsam mit den Lichtenberger Kandidaten für das Abgeordnetenhaus Plüschtiere in die Menge wirft. 7 Wowi-Bär Der Wowi-Bär 11, Berlin verstehen, und den gibt´s nur bei mir jetzt hier. Wir werfen den jetzt einfach in die Menge. Die die ihn bekommen, können sich freuen, die anderen haben Pech gehabt. Wurf frei. Autorin: Beim Plüschtier-Werfen Bella Figura machen, kein anderer Spitzenkandidat kann das so gut wie Klaus Wowereit. Und kein anderer ist so beliebt. 10 Jahre lang ist Wowereit bereits Regierender Bürgermeister in Berlin, jeder zweite möchte, dass es so bleibt - glaubt man den Umfragen. Diese sagen auch seiner SPD den ersten Platz in der Wählergunst voraus, mindestens 30 Prozent der Stimmen. Hier in Lichtenberg, im Osten Berlins, wünschen sich viele eine Fortsetzung von rot-rot. 8 - 9 Umfrage Die haben´s ja nicht schlecht gemacht, sowohl das eine als auch das andere, auf jeden Fall er ist oben. Ich finde, der sollte in der Koalition weitermachen, die passen gut zusammen, haben viel erreicht. Autorin: Die SPD setzt in ihrer Wahlkampagne ganz und gar auf den Spitzenkandidaten. "Berlin verstehen" lautet der Slogan. Die schwarz-weißen Plakate zeigen Schnappschüsse - oder sind es Inszenierungen? - von Klaus Wowereit. Der Regierende Bürgermeister, an der Hand eine hutzelige alte Dame, die ihn bewundert ansieht. Der Regierende Bürgermeister im Kindergarten - ein kleines Mädchen patscht ihm gerade ein Stoffkrokodil ins Gesicht. Die konkurrierenden Parteien ärgern sich maßlos über diese Wohlfühl- Kampagne. Die grüne Herausforderin Renate Künast: 10 Künast: Der Regierende Bürgermeister drückt sich ja leider vor Diskussionen über Leistungsbilanzen und Inhalte, was mich nicht wundert bei der niederschmetternden Bilanz der letzten 10 Jahre. Autorin: In zehn Jahren rot-roter Regierung sind die Schulden Berlins um ein Drittel gewachsen - auf mehr als 60 Milliarden Euro. Im Vergleich zu den anderen Ländern hat die Hauptstadt die höchste Arbeitslosenquote und den größten Anteil an Hartz IV-Empfängern. Auch bei Bildungsvergleichen schneidet Berlin schlecht ab, viele Schulen müssen dringend saniert werden. Trotzdem ist keine Wechselstimmung spürbar. Sympathie, Charisma, Metropolentauglichkeit - das scheint für die Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner wahlentscheidend zu sein. Wie schrieb eine Kolumnistin im Tagesspiegel: "Wowereit versteht Berlin nicht nur, nein, er ist Berlin." 11 - 12 Umfrage: Weil er sympathisch ist und besser als die Künast, dass die nicht rankommt. Auf keinen Fall die Grünen, Künast mag ich nicht, die gehört nicht nach Berlin. 13 Atmo Werkshalle innen Maschinengeräusch Autorin: Betriebsbesuch der grünen Spitzenkandidatin. Renate Künast in der Werkshalle der BAE Batterien GmbH in Berlin-Oberschöneweide. Atmo hoch Autorin: In großen Öfen wird Blei geschmolzen, gefühlte 35 Grad sind es in der Werkshalle, Renate Künast wischt sich den Schweiß von der Stirn. Ein Mitarbeiter kommt mit einem blauem Schutzkittel, damit die weiße Bluse der Spitzenkandidatin nicht verdreckt. Eine fürsorgliche Geste, doch Renate Künast fertigt ihn unwirsch ab. Situationen wie diese gibt es einige im Wahlkampf, auch mit Journalisten gerät die grüne Spitzenkandidatin aneinander. 14 Künast Klaus Wowereit ist eben ein charmanter Mann. So. Bei mir muss man eben zweimal hingucken, bis man´s sieht. Das ist eben der Typunterschied. Autorin: Klaus Wowereit lächelt, Renate Künast kämpft. Doch die Umfragen legen nahe: die Berliner wollen ein lächelndes, kein kämpfendes Stadtoberhaupt. Wohl auch deshalb wirkt Renate Künast ein wenig trotzig in diesen Tagen. 15 Künast Ich bin ich. Ich hab mein Leben, meine Erfahrungen. Ich bin in einer Familie aufgewachsen, in der ich von Anfang an um alles kämpfen musste. Ich habe als Frau beruflich und in der Politik Situationen erlebt, in denen ich immer von Männern umgeben war. Vielleicht prägt das auch ein bisschen. Ich bin meinen Weg gegangen, und deshalb bin ich so wie ich bin. Autorin: Bei der letzten Abgeordnetenhauswahl in Berlin machten 13 Prozent der Wählerinnen und Wähler ihr Kreuz bei den Grünen. Aktuelle Umfragen sehen die Ökopartei bei rund 20 Prozent. Ein Plus von 7 Prozentpunkten, das allerdings kaum jemand wahrnimmt. Im Gegenteil. Alle erinnern sich an die Umfragen vom November letzten Jahres - damals überholten die Grünen die SPD, nachdem Renate Künast nach langem Schweigen ihre Bereitschaft zur Kandidatur erklärt hatte: 16 Künast: Meine Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde. In den letzten Monaten ist mir ja immer die gleiche Frage begegnet, und ich will sie heute beantworten. Ich bin bereit, ich kandidiere für das Amt der Regierenden Bürgermeisterin von Berlin, eine Stadt für alle (rasender Applaus) Autorin: An diesem Abend Anfang November ist die 55jährige frühere Bundesverbraucherministerin ein Star. Aber schnell verstolpert sie sich im Gestrüpp der Berliner Landespolitik. Vielleicht nimmt es der eine oder die andere der Spitzenkandidatin auch übel, dass sie nichts anderes als Chefin werden will im Roten Rathaus. Nach dem 18. September wird es weder eine grüne Senatorin noch eine Oppositionsführerin namens Renate Künast geben. 17 Künast Ich habe 5 Jahre lang ein Ministerium mit 5000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geleitet, ich war zwischen Berlin und Brüssel unterwegs, ich habe 40 Prozent des Brüsseler Haushalts mit umgeschichtet. Das ist dann eben Künast gegen Wowereit. Und das ist dann eben so, das bringt ja auch nichts, darum rumzureden. Autorin: Das klingt nach großer Politik. Aber Renate Künast musste im Laufe der letzten Monate lernen, dass der Wahlkampf in Berlin eher von Kiezthemen bestimmt ist als von globalen Herausforderungen. Die fehlende Ampel ist wichtiger als der Klimaschutz, der nicht gestrichene Schulflur bedeutsamer als die hohen Schulden des Landes. Und das große Thema Integration? Die Sarrazin- Debatte? Wird in Kreuzberg ganz entspannt verhandelt, von den türkisch- stämmigen Kandidaten. 18 Atmo Klingeln, "Hallo?" "Guten Tag Ertan Taskiran mein Name, Kandidat der CDU" Türdrücker , Treppensteigen ///////blenden/////// Autorin: CDU-Direkt-Kandidat Ertan Taskiran beim Häuser-Wahlkampf im nordwestlichen Quartier von Kreuzberg, Berlins Wahlkreis 3. Hier wohnen, im vierten Stock eines Altbaus, türkisch-stämmige Berliner mit deutschem Pass. Und Ertan Taskiran weiß: Vier davon sind wahlberechtigt. Da macht es Sinn, sich seinen möglichen Wählern persönlich vorzustellen - als einer von ihnen gewissermaßen - und ihnen eine CDU-Broschüre mit seinem Foto dazulassen. Sowie ein kleines Tütchen mit Kaffee, Schokolade und Kugelschreiber. Schwarz, natürlich. 19 Atmo (kürzbar) Hallo, ist Papa oder Mutti zu Haus? Hallo, Marsallah! // Marsallah! // Ertan Taskiran mein Name. Sie haben ja bestimmt meine Bilder gesehen // Ja. // Am 18. September sind ja Wahlen. // Ja, dankeschön! // Und ich würde mich freuen, wenn Sie mich unterstützen würden. // Okay, dankeschön // Ja, gehen Sie auch wählen? // Doch, doch, ich hab -, ja die Familie hat, ja.... // Würde ich mich freuen, erstens wenn Sie wählen gehen und zweitens, wenn Sie mich ankreuzen würden. Okay? // Ja // Marsallah! // Marsallah // ///////blenden/////// Autorin: Der Industriemechaniker Ertan Taskiran kam vor vielen Jahren als Schulkind mit seinen Eltern aus der Türkei nach Berlin. Aber der CDU-Kandidat ist in diesem Wahlkreis nicht der einzige Türkisch-Stämmige, der ins Berliner Abgeordnetenhaus will. Alle vier großen Parteien, CDU, SPD, die Grünen und die Linke, schicken in diesem Wahlkreis Migranten ins Rennen. CDU-Kandidat Taskiran ist überzeugt, dass sein muslimischer Glaube und sein Migrationshintergrund für die Wählerinnen und Wähler keine besondere Rolle spielen. Der 41 jährige bezeichnet stattdessen steigende Mieten, Bildungsdefizite von Jugendlichen und die Drogenprobleme in Kreuzberg als die zentralen Probleme seines Wahlkreises. Themen, die Schnittmengen aufweisen zu Turgut Altug von den Grünen, aber der setzt noch ein paar Umweltthemen dazu. 20 Turgut Altug Mietensteigerung in den letzten Jahren; Verdrängung, davon sind Migrantinnen und Migranten betroffen, aber nicht nur; ein weiteres Thema ist Bildung; auch der Lehrermangel, Radwege; mehr Grünflächen im Kiez, aber nicht von oben herab, sondern mit den Menschen, die dort leben. Autorin: Der 46-Jährige Direktkandidat der Bündnisgrünen hat in Agrarwissenschaften promoviert und in Kreuzberg vor drei Jahren das erste deutsch-türkische Umweltzentrum Berlins gegründet. Auf seinem Bürotisch liegen Anti- Atomkraft-Buttons und Baumwolltaschen mit dem Aufdruck 'Geiler Sack'. Turgut Altug trägt Jeans und Pullover und einen grauen Pferdeschwanz. Neulich hat ihm ein Berliner am Wahlkampf-Stand geraten, er soll doch dahin verschwinden wo er hergekommen sei. Dabei ist Turgut Altug aus der Türkei in die Bundesrepublik gekommen, weil er mit der damaligen Militär-Regierung in Ankara nicht einverstanden war. Hinter seiner neuen Heimat Deutschland steht der grüne Kreuzberger hingegen ohne Wenn und Aber. 21 Turgut Altug Ich finde es wichtig, dass man der Gesellschaft auch was zurückgibt, von der man was bekommt, nämlich dass man studiert, dass man Schulen benutzt, dass man Krankenhäuser benutzt, Straßen, und, und, und. Dass man den Menschen zeigt, egal, wo man herkommt, dass man sich in Deutschland sich einbringen kann. Autorin Turgut Altug, dessen Eltern arm waren und Analphabeten, glaubt, dass er mit seiner Kandidatur und seinem politischen Engagement für viele Einwanderer ein Vorbild ist. 22 Altug Aber man sollte das nicht so überbewerten; sondern sollte Normalität sein. Weil Statistiken sagen, dass in Großstädten wie in Berlin wir in den in den nächsten 10 Jahren unter zwanzig fast 50 bis 60 Prozent Menschen haben werden, deren Eltern woanders her abstammen. 23 Muharrem Aras Atmo Guten Tag, ich bin der Muharrem Arras, ich bin der SPD-Kandidat für den Wahlkreis 3 hier. // Ja, ja kenn ich, SPD, ist meine ...//...Ihre Partei? // Genau!// Haben Sie schon gewählt? // Ja, ja ich habe auch Familie, meine Familie auch SPD Partei, ///Iyi Günler! Muharrem Arras.Nasilin? (weiter auf türkisch... ) /// blenden ///// Autorin: Szenenwechsel: ein Nachbarschaftsheim der Arbeiterwohlfahrt in Kreuzberg. Der Direktkandidat der Sozialdemokraten besucht einen Aktionstag der AWO. Es geht um das kommunale Wahlrecht von Ausländern. Muharrem Aras hat hier ein Heimspiel; fast alle Anwesenden sind Genossen, viele kennen den 39- jährigen Anwalt, der seine Kanzlei mitten im Kreuzberger Kiez hat, persönlich. Und viele haben ihm schon per Briefwahl ihre Stimme gegeben. 24 Besucher Wenn SPD, Linke und Grüne die Stimmen verteilen, dann CDU wird stärker auftreten, deswegen habe ich SPD gewählt, erste Stimme. // Richtig! Wer Grün wählt, kriegt am Ende Schwarz ! ///// blenden ////// Autorin: Muharrem Arras kam mit acht Jahren aus der Türkei nach Deutschland, wuchs in Hamburg auf und zog erst durch sein Studium nach Berlin Kreuzberg. Für den Juristen, der aus einer Arbeiterfamilie stammt, kam keine andere Partei als die SPD in Frage. 25 Muharrem Aras Mein Vater ist Gewerkschaftsmitglied gewesen, meine Schwester hat ein Stipendium über die Friedrich-Ebert-Stiftung gekriegt; also, da war schon die Nähe zur Sozialdemokratie da. Und mal ganz ehrlich: Die sind ja auch viel realistischer an den Problemen! 26 Atmo Das Bezirksprogramm der Partei die Linke - Bitteschön!// Dankeschön// Das Bezirksprogramm der Partei die Linke ... . /////// Blenden/////// Autorin: Auf dem Wochenmarkt am Lausitzer Platz in Berlin Kreuzberg bekommen die Passanten rote Broschüren und kleine rote Gummi-Herzen in die Hand gedrückt. Ansonsten unterscheidet sich das, was die linke Kandidatin Figen Izgin den Kreuzbergern anzubieten hat, nur wenig von dem, was ihre drei politischen Konkurrenten im Wahlkreis präsentieren. Nach ihrem Migrationshintergrund wird sie im Wahlkampf von den Berlinern fast nie gefragt, versichert sie 27 Figen Izgin Meine bisherige Erfahrung: Leute sehen das ganz normal. Die machen das gar nicht zum Thema. Die gucken, was wir als Partei gemacht haben und machen wollen, und was ich persönlich dazu beitragen werde. Eher inhaltliche Geschichten werden hier zum Thema gemacht. Autorin: Und natürlich die Frage nach einer weiteren Regierungsbeteiligung der Linken. Die tut sich schwer im Wahlkampf: Spitzenkandidat Harald Wolf gilt als spröde. Der Wirtschaftssenator ist ein analytischer Kopf und fleißiger Arbeiter, allerdings fehlt ihm die persönliche Ausstrahlung. Dazu kommen die Querelen an der Bundesspitze: Loblieder auf Fidel Castro und rückwärtsgewandte Aussagen zum Mauerbau von Parteichefin Gesine Lötzsch. Wie groß ist der Ärger von Harald Wolf? 28 Wolf Der ist ziemlich groß, können Sie sich vorstellen. Zum ersten halte ich das für überflüssig. Und zum zweiten regt mich maßlos auf, dass es immer noch Leute gibt, die so denken. Autorin: Das Wahlziel der Linken: im Osten der Stadt stärkste Kraft bleiben, nach dem 18.September wieder eine Koaltion mit der SPD eingehen. 29 Wolf: Die wahrscheinlichste Option für uns ist rot-rot. Wir haben zehn Jahre lang gut miteinander zusammen regiert, und deshalb können wir uns das gut vorstellen, wenn die politischen Inhalte stimmen und wenn wir uns auf ein gemeinsames Regierungsprogramm verständigen können. Autorin: Es könnte allerdings sein, dass es erstens rechnerisch nicht reicht für eine rot- rote Neuauflage - zum Beispiel wenn die Linken verlieren und die Piratenpartei ins Abgeordnetenhaus einzieht. Und sich zweitens Klaus Wowereit einen anderen Koalitionspartner sucht - zum Beispiel die Grünen. Und was ist mit der CDU? 30 Atmo Wahlkampf Henkel/Termin Mieterbeirat Morgen Herr Henkel, na dann sind wir vollzählig, Autorin: CDU-Spitzenkandidat Frank Henkel auf Wahlkampftour. Atmo hoch Autorin: Lichtenrade, im Südwesten der Stadt. Gespräch mit dem Mieterbeirat der John-Locke-Siedlung. 31 Atmo/Mieterbeirat weiter Die ist 1964 entstanden und hat 1800 Wohnungen mit einem noch sehr durchwachsenen Mieterbestand, wir haben einen Ausländeranteil von 12 Prozent.... Autorin: Frank Henkel hört zu, zückt einen Zettel, notiert sich Stichworte. Der 47jährige Spitzenkandidat gibt sich als Sachpolitiker und Kümmerer. Seit 3 Jahren steht er an der Spitze von Partei und Fraktion. Sein Problem: Umfragen zufolge wissen nur 3 von 5 Berlinern, wer Frank Henkel ist. Außerdem galt die Hauptstadt-CDU lange Jahre als zerstritten - den letzten glücklosen Spitzenkandidaten Friedbert Pflüger jagten die Parteifreunde vom Hof. Die Berliner CDU kann ihr Wählerpotential nicht ausschöpfen: Bei Abgeordnetenhaus-Wahlen holt die Union traditionell 5 bis 6 Prozentpunkte weniger als bei Bundestagswahlen. Warum ist das so? Der Spitzenkandidat zuckt mit den Schultern. 32 Henkel Sie haben es gesagt, dass ist eine Tradition, ich habe keine Ursachenforschung betrieben. Autorin: In den letzten Wochen vor der Wahl hat die CDU in den Umfragen zugelegt, von Unbekannten angezündete Autos haben die Berlinerinnen und Berliner beunruhigt. Die CDU hat ein ausgebranntes Autowrack plakatiert und den Slogan: Muss Berlin das verstehen? Frank Henkel. 33 Henkel: Ich will noch einmal daran erinnern, dass das keine Phänomen ist, was wir hier erst seit einigen Wochen erleben, sondern seit fast zweieinhalb Jahren. Und die erste Reaktion der Politik war, übrigens vom obersten Herrn, der für die Sicherheit der Berlinerinnen und Berliner verantwortlich ist, zu sagen, man solle sein Auto nicht provozierend parken. Gemeint war, wer seinen Daimler in Kreuzberg abstellt, ist selbst schuld. Ich finde, dass ist eine absolut unangemessene Reaktion der Politik. Autorin In aktuellen Umfragen liegt die SPD mit weitem Abstand auf Platz 1, CDU und Grüne etwa gleichauf dahinter, die Linke auf dem vierten Platz. Alles deutet daraufhin, dass der alte Regierende Bürgermeister auch der neue sein wird - er heißt Klaus Wowereit. 2 1