Deutschlandradio Kultur Länderreport COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Ärger auf Hiddensee - Vom Streit um einen alten Pfarrer und um ein neues Kino - Autor Alexa Hennings Red. Claus Stephan Rehfeld Sdg. 06.09.2011 - 13.07 Uhr Länge 19.00 Minuten Wortende: 18'56" Moderation Die Urlaubssaison ist vorbei, nicht aber der Streit dort auf Hiddensee. Neben Wind und Wellen sorgen die streitenden Parteien für grummelnde Geräusche. Die sind mittlerweile unüberhörbar, haben also mit grundsätzlichem Verständnis von diesem und von jenem Sachverhalt zu tun. Ein Streitpunkt reicht in die Nazizeit zurück, der andere in die DDR- Zeit. Beide Streitthemen sind jetzt aufgebrochen und lassen schwerlich ein Gefühl der Beschaulichkeit bei Insulanern und Besuchern aufkommen. Alexa Hennings setzt uns in Bild. -folgt Script Beitrag- Script Beitrag- Atmo Meer, Möwen, Pferde 1.20 Sprecherin Eigentlich neigt man ja auf Hiddensee der Beschaulichkeit zu. Als Insulaner und als Gast. Pferde statt PS, Wellen statt Wahnsinn. Hier erholt sich traditionell besonders der Osten der Republik. Was noch eine gewisse Rolle spielen wird in dieser Geschichte. Atmo hoch Sprecherin Genau genommen sind es zwei Geschichten. Die eine handelt von drei Männern und einem Buch - wobei der eine Mann schon tot ist. Die andere handelt vom Kino - wobei das Kino schon tot ist. Gemeinsam ist beiden Geschichten, daß sie für Ärger sorgen auf der beschaulichen Insel. Atmo Pferdegetrappel 0.50 Sprecherin weiter Abends geht, radelt - wahlweise auch kutschiert oder reitet - man also auf Hiddensee den kulturellen Höhepunkten entgegen. Zum "Faust" als Puppenspiel in die Seebühne, zum Liederabend in die Kirche, zum Kabarett ins Gerhardt-Hauptmann-Museum oder zur Lesung ins Kulturhaus der Insel. Atmo Meer 1.20 Darauf Sprecherin Owe Gustavs ist mit dem Fahrrad unterwegs. An einem kühlen, windigen Sommerabend kämpft sich der 72jährige die vier Kilometer von Kloster nach Vitte. Owe Gustavs ist ein kleiner, schmaler Mann, auf dem Kopf eine Helmut-Schmidt-Mütze, Cordhose, Pullover, Regenjacke. Wenn Urlaubssaison ist, radelt er einmal im Monat am Meer entlang nach Vitte, dem Ort in der Inselmitte zum Kulturhaus der Insel. Atmo vor Lesung, Stimmen 0.30 Darauf weiter Sprecherin Der Name Gustavs ist bekannt auf Hiddensee - nicht nur bei den Einwohnern, sondern auch bei den kulturbeflissenen Gästen der Insel. Arnold Gustavs war der wohl berühmteste Insel- Pfarrer von Hiddensee mit der legendär langen Amtszeit von 1903 bis 1948. Die Mitarbeiterin der Inselinformation muß immer noch mehr Stühle heranschleppen. Das Publikum: Generation 50 plus. Atmo Frau, Begrüßung 1.00 Liebe Gäste, herzlich willkommen. Dr. Owe Gustavs liest aus seiner Dokumentation "Reichsgottesdienst auf Hiddensee 1933-1942 ... Sprecherin Seit zwei Jahren liest Owe Gustavs, Sprachwissenschaftler und Übersetzer, hier regelmäßig aus seinem Buch "Reichsgottesdienst". Er ist der Enkel von Arnold Gustavs, Als er nach seiner Pensionierung endlich Zeit hatte, räumte er den Dachboden im Hiddenseer Familiensitz auf. So entdeckte er den Nachlaß seines Großvaters mit Predigten, Zeitungsartikeln und Briefen. Und erschrak. O-Ton Gustavs 0.42 Soweit aus den erhaltenen Dokumenten ersichtlich ist, erklärt Gustavs in einer Predigt zum 1.Mai 1933 erstmals öffentlich seine Zustimmung zum nationalsozialistischen Staat. Er spricht in dieser Predigt vom "Neubau des Volkes und Reiches", dessen Führer wüßten, daß an Gottes Segen alles gelegen sei. In einer Predigt am 30. Januar 1934, dem ersten Jahrestag der Machtergreifung - wie gesagt ist das ja kein kirchlicher Feiertag - hielt Gustavs eine Predigt in der Kirche, in der er erstmals davon spricht, daß Hitler als Führer den Deutschen von Gott gesandt wurde. Sprecherin So geht das, 450 Seiten lang. Solche Töne hatte man vom alten Inselpfarrer Arnold Gustavs noch nie vernommen. Fast ist er so etwas wie ein Inselheiliger: Ein großer Bücher- und Heimatfreund sei er gewesen, sagt man, ein Kenner der Regionalgeschichte und Alt- Orientalist. Sprachgenie. Und ein Freund Gerhardt Hauptmanns, er beerdigte ihn auf dem Inselfriedhof und kümmerte sich um die Erhaltung des Hauptmann-Hauses. Arnold Gustavs Bücher über die Insel sind noch immer Bestseller in den Buchlädchen von Hiddensee. Zu Recht, wie Konrad Glöckner findet, Generationen später Gustavs Nachfolger im Amt. O-Ton Glöckner 0.20 Er ist für die Menschen hier sehr prägend gewesen. Pastor Gustavs hat seinen Pfarrdienst hier auf der Insel sehr redlich und den Menschen zugewandt ausgeübt. Hat mit den Menschen hier gelebt und hat bei den Insulanern bis heute einen ausgesprochen guten Ruf. Sprecherin Der heutige Inselpastor findet, der Enkel habe ein tendenzielles Werk geschrieben. Zu wenig eingebettet in den damaligen Zeitgeist. sei das, es fehlten die Aussagen der nationalsozialistischen Führer, die geschichtliche Einordnung in größere als Kirchenzusammenhänge. Das Buch sei nicht wissenschaftlich, so sein Vorwurf, sondern polemisch, O-Ton Glöckner 0.36 Die These des Buches von dem Enkel Arnold Gustavs ist zu zeigen , wie Arnold Gustavs selber Werbeträger und Leitfigur des Nationalsozialismus hier auf der Insel war. Und damit verbunden wäre ja die Aussage, daß Arnold Gustavs aus dem Geist des Nationalsozialismus heraus gelebt gedacht, gepredigt und seine Arbeit mit den Menschen hat bestimmen lassen. Und das finde ich in keinem der Zeugnisse, die hier vorliegen, wieder. Sprecherin Das sieht Owe Gustavs nun mal anders. Ganz anders. O-Ton Gustavs 0.32 Sicherlich hat er mehr gemacht, als verlangt wurde. Er hätte seinen ganz normalen Gottesdienst machen können. Er war beseelt, und dahinter stand letzten Endes die Hoffnung, daß die Kirche wieder mehr Einfluß und Geltung in der Gesellschaft erhält. Dieses, ich nenn's ganz deutlich: Machtstreben der Kirche. Er war überzeugt davon bis 1937, daß das das Richtige, das Gegebene ist. Sprecherin Seit der Veröffentlichung ist für Owe Gustavs nichts mehr, wie es war. Die Familie ist zerstritten. Von seinem Bruder Arne Gustavs muß er sich - öffentlich im Internet auf der von Arne Gustavs betreuten Seite über Arnold Gustavs - vorwerfen lassen, er habe eine "unwürdige Schrift ohne wissenschaftlichen Wert verfaßt". O-Ton Glöckner 0.25 Wenn eine einseitige Lesart in dieser häufigen und regelmäßigen Weise immer wieder mit der Förderung von öffentlichen Räumen in die Öffentlichkeit dringt, halte ich es für schwierig. Weil ich darin auch eine systematische Verunglimpfung eines Menschen sehe, der zu den Menschen gehört, die ja von öffentlichem Interesse hier auf der Insel sind. Sprecherin Glöckners Vorgänger hatte Gustavs vor mehr als zehn Jahren untersagt, Einsicht ins Kirchenarchiv zu nehmen - nach 14 Monaten mußte er einen Rückzieher machen. Gustavs recherchierte, veröffentlichte das Buch und macht seitdem regelmäßig Lesungen auf Hiddensee. Das stand unlängst auf der Kippe. Gustavs wurde vor den Hiddenseer Kunst- und Kulturausschuß geladen. O-Ton Gustavs 0.44 Wo man mir eröffnete, daß man mir den Kulturraum der Gemeinde im Henni-Lehmann-Haus, in dem ich in den letzten Jahren Lesungen gehalten habe aus meiner Dokumentation, in Zukunft nicht mehr zur Verfügung stellen wolle. Die Begründung war, ich gebe ein einseitiges Bild, ein verfälschtes, verzeichnetes Bild , so wörtlich, von Arnold Gustavs. Es ist, so wörtlich, nicht im Interesse der Insel, daß das von mir gegebene Bild von Arnold Gustavs öffentlich transportiert wird. Es wäre dies Negativwerbung, das Wort fiel auch, für Hiddensee. Atmo Beifall nach Lesung Sprecherin Negativwerbung? Die meisten Besucher der Lesung zollen Owe Gustavs Respekt. O-Ton Besucherin 0.25 Ich wollte sagen, daß er eigentlich der Insel einen Gefallen tut, indem er das macht. Und eher ein Herr Dr. Glöckner - also, da schäme ich mich dafür, wenn ich höre, daß jemand den Mund verbieten will, der was aufdeckt, was wahr ist. Und ich hätte eher ein schwieriges Gefühl, diese Insel hier zur Sommerfreude zu besuchen, wenn es nicht erlaubt ist, sowas öffentlich zu machen. O-Ton Gustavs 0.26 Am nächsten Tag hat mir der Pastor Glöckner mitgeteilt, der Kunst-und Kulturausschuß hätte dann beschlossen, mir die weitere Nutzung des Hauses für diese Lesung weiter zu genehmigen. Er ist praktisch mit seiner Initiative nicht durchgekommen. Das ist natürlich schon erst mal gut so. Atmo Meer Sprecherin So hat die Geschichte von den drei Männern, wovon einer schon tot ist, ein vorläufiges Ende gefunden. Ganz im Gegensatz zu der Geschichte vom Kino, das auch schon tot ist, aber wieder auferstehen will. Bei Kinos soll das ja möglich sein. Atmo Möwen, darunter Filmjingle 1.20 Sprecherin Es gab einmal eine Zeit, da konnte man auf Hiddensee Kino gucken und gleichzeitig Meer und Möwen hören. Seit 1964 stand ein Zeltkino 20 Meter vom Strand in zentraler Insellage in Vitte. Die schiefen Windflüchter um das Kino herum hießen "Kinowäldchen". Nach der Wende war das Zeltkino - im Osten Deutschlands durchaus üblich - plötzlich eine Besonderheit. Überall wurden sie abgerissen, das auf Hiddensee blieb. Und wurde betrieben mit aller Schöpferkraft, die Geldmangel und Insellage so herausfordern. O-Ton Gottschalk 0.20 Da gibt es so 'ne Sachen, daß Projektoren ausfallen, da muß man ganz schnell mal als Ersatzvariante auf ´nen Staubsauer zurückgreifen. Da wird mal mit dem Staubsauer projiziert. Oder es wird Popcorn mit ´nem Akkuschrauber gemacht. Das sind alles Kleinigkeiten. Als gelernter DDR-Bürger fällt einem da immer was ein! Sprecherin Thomas Gottschalk ist die Hiddenseer Wetten-das-Variante. Mit dem Namen eines Fernseh- Stars wirkt der langhaarige Typ - Latzhose, Nickelbrille - auf Hiddensee für die große Filmkunst. Leben kann er davon nicht, aber Gottschalk ist nicht nur gelernter DDR-Bürger, sondern auch gelernter Koch und ungelernter Hausmeister, und so bringt er sich übers Jahr. Irgendwann aber zerfetzte ein Sturm das ohnehin schon ein wenig löchrige Zeltkino und die Gemeinde baute ein neues. Das war jedoch schon kein Zeltkino mehr, sondern ein Wellblechkino. Doch der Name Zeltkino blieb. Dann bekam plötzlich jemand im fernen Amerika genau das Stück Land zurück, worauf das Kino stand. Als nächstes flogen den Hiddenseern die neuen Bauvorschriften für "Fliegende Bauten" um die Ohren. Kurz, das Ding mußte weg. Atmo Film, Kino Feuerwehrhaus 1.20 Sprecherin Das Kino ist tot, es lebe das Kino. Seit drei Jahren kämpft Gottschalk in Ausweichspielstätten um die Filmkunst. Zwei Jahre saß er in einem baufälligen, leerstehenden Hotel in Vitte. Dort fand sich jetzt ein Investor - für ein Hotel natürlich, nicht für ein Kino. Nun hat es Gottschalk nach Neuendorf verschlagen, ins Feuerwehrhaus. Atmo hoch Sprecherin weiter Seitdem sieht es besonders mau aus in der Kinokasse. Es läuft der "Chinesische Trommler". Anspruchsvolles Programmkino, Blockbuster sind weniger beliebt beim traditionell ostdeutschen, traditionell gebildeten Hiddenseer Publikum. Doch heute ist ein verregneter Tag, wie so viele in diesem Sommer. Und Neuendorf liegt im südlichsten Zipfel der Insel, 10 Kilometer von Kloster entfernt und fünf von Vitte - und dort wohnen nun mal die meisten Urlauber. Der Zustrom ist - verhalten. O-Ton Gottschalk 0.18 Na ja, schleppend, Ist nicht so wie erwartet. Hätte mehr sein können. Das kommt, weil es weitab vom Schuß ist, nicht zentral gelegen. Das Zentrum Vitte fehlt halt. Sprecherin Dazu kommt: Klappstühle, Mini-Leinwand und DVD statt 35 mm-Kinotechnik. Nichts für Fans. O-Ton Zuschauerinnen 0.34 Rein vom Faktor Freude ist die Lösung jetzt mit dem Feuerwehrhaus überhaupt nicht zu vergleichen. Das Zeltkino hatte natürlich einen ganz anderen Charme. / Es müßte ein Kino gebaut werden an einem machbaren Ort, der für alle angenehm ist für alle. Und das muß sich doch finden lassen auf der Insel! Und wenn es nicht das Wäldchen ist, was schade ist, aber eben unmöglich. Also, wir drei wollen ein Zelkino - lachen... Sprecherin Die drei Frauen aus (Ost)Berlin haben natürlich auch den Aufruf unterschreiben, der überall ausliegt auf Hiddensee, in Kneipen und Läden: Initiative zum Erhalt bzw. Neubau eines Zeltkinos auf Hiddensee, steht darüber. Initiator ist der ebenfalls (Ost)Berliner Hiddenseefan Michael Päch, der wie viele andere Stammgäste der Insel einfach nicht auf das Zeltkino verzichten möchte. Die halbe Berliner Volksbühne und das Deutsche Theater unterschrieb schon, Berlinale-Chef Dieter Kosslick, Musiker, Künstler. Gottschalk macht, dies betreffend, einen eher uninformierten Eindruck. O-Ton Gottschalk 0.07 Das weiß ich nicht, keine Ahnung, wie der Stand der Dinge ist. Sprecherin Wie alle, die irgendwie im Sold und/oder in der Huld der Gemeinde stehen, will Gottschalk nichts dazu sagen - obgleich es ja um seinen Arbeitsplatz geht. Die Frau im Hauptmann- Haus, die in der Inselinformation - lieber kein Kommentar. Sogar Leserbriefschreiber in den Hiddenseer Inselnachrichten wollen unerkannt bleiben und unterschreiben mit "Ein alter Freund", "Inselfreund" oder einfach nur "Holgi". Auf Hiddensee begegnet man sich eben nicht zweimal im Leben, sondern zweimal am Tag. Das erzieht zur Vorsicht. Und zum Mund halten. Barbara Franks Job ist es nun gerade, den Mund nicht zu halten. Sie gibt die Hiddenseer Inselnachrichten heraus. O-Ton Frank 0.21 Es ist schwierig, wollen wir mal so sagen. Ich bemühe mich ganz sehr, daß ich ---nicht anecke, das ist jetzt blöd, das klingt ja so - ich versuche schon, daß ich möglichst so weitsichtig bin, daß ich niemanden kränke, was ich mal bereuen muß. Sprecherin Seit einem dreiviertel Jahr hat sie in fast jedem ihrer Monatshefte das Thema Zeltkino und Unterschriftenaktion drin. Ein Dauerbrenner. O-Ton Frank 0.17 Da waren jetzt bereits 2189 Unterschriften gesammelt. Und das geht also immer weiter, so daß es sicher ganz lässig zu drei- oder viertausend kommt. Und ich finde, das ist eine Zahl, auf die man schon hören sollte. Sprecherin Die da hören sollten, das ist der Hiddenseer CDU-Bürgermeister Thomas Gens und die neue Gemeindevertretung, - die man auf Hiddensee euphemistisch "Inselregierung" nennt. Seit einem Jahr sind sie im Amt. In Sachen Zeltkino passierte da nicht viel. O-Ton Gens 0.24 Ich hab ja mal gesagt in der Sitzung: Das Zeltkino ist nicht das (dito!) Nabel der Welt. Oder: Kino auf Hiddensee kann nicht Nabel der Welt für die Gemeinde sein. Ich weiß, daß da gleich aufgeschrien wird. Weil das ja gerade so mit dem Demonstrationsterro -tourismus, der ja schick geworden ist seit Stuttgart 21, daß hier versucht wird, auch auf Hiddensee so ein bißchen Stimmung zu erzeugen. Sprecherin Der Bürgermeister legt Wert auf die Feststellung, daß ja nicht er, sondern seine Vorgänger das Zeltkino abgerissen hätten. Und der Bauantrag für ein neues Zeltkino, den noch die Vorgänger gemacht hätten, wurde jetzt vom Bauamt Rügen abgelehnt. Gründe: Feuerwehrzufahrt, Lage im Wald, Deichabstände. Stünde der alte Bau noch, gälte Bestandsschutz. Bei einem Neubau sind die Auflagen jedoch streng. O-Ton Gens 0.20 Da können wir uns auf den Kopf stellen. Da gibt es eine DIN 16, heißt das glaub ich, da ist 16 Tonnen Feuerwehrzufahrt gefordert. Obwohl wir nur ein Feuerwehrauto haben, das sieben Tonnen wiegt. Das interessiert die Bauvorschrift nicht, 16 Tonnen ist zu leisten. Das ist in Deutschland nun mal so. Auch auf Hiddensee muß man sich dran gewöhnen: Eins und eins ist zwei und nicht drei. Sprecherin Hinrich Hagemeier, alteingesessener Hiddenseer, macht nicht den Eindruck, als ob er eins und eins nicht zusammenzählen könnte. O-Ton Hagemeier 0.39 Es sind aber die Hindernisse von so einer Qualität, daß man sie umgehen könnte. Na, nicht umgehen, aber daß man sich einigen und Kompromisse zu schließen sind. Das wäre alles regelbar. Aber die jetzige Inselregierung hat kein Interesse daran. Die will eher einen gewaltigen Mehrzweckbau stattdessen ins Hafengelände von Vitte stellen. Der sowohl das Kino als auch die Sporthalle für die Schulkinder als auch mögliche Event-Geschichten und vielleicht sogar auch das Puppentheater aufnehmen soll. Sprecherin Das solle an die drei Millionen kosten - und stünde deshalb in den Sternen. Für die multifunktionale Nutzung müßten Fußböden auswechselbar sein, Bühne, Leinwand und Stuhlreihen täglich ummontiert werden - und das alles bei laufendem Turnunterricht. O-Ton Hagemeyer 0.21 Das sind natürlich teure Geschichten, wenn das Haus sowieso schon so viel kostet und dann noch solche Technik einzubauen, wie sie mal im Palast der Republik gewesen ist - dafür werden die Finanzen nicht da sein! Sprecherin Mit 150 000 Euro war der Neubau eines Zeltkinos veranschlagt worden. Nicht nur Hagemeyer, sondern auch all seine langjährigen Hausgäste sind Zeltkino-Freunde. Was die Berliner können, können wir schon lange, sagte er sich und organisiert ein Bürgerbegehren, an dem sich nur Hiddenseer beteiligen können. 10 Prozent der 1000 Insulaner mußten unterschreiben, um damit einen späteren Bürgerentscheid zu erzwingen. Hagemeyer und zwei Mitstreiter befragten rund 150 Hiddenseer. O-Ton Hagemeyer 0.32 Es war so, daß 90 Prozent mit Pauken und Trompeten unterschreiben haben, die voll hinter der Sache stehen. Zehn Prozent waren aus unterschiedlichen Gründen dagegen, auch mit unterschiedlicher Vehemenz. Einer fiel sozusagen über mich her und sagte: Was, biste verrückt, wir brauchen kein Zeltkino, das ist sowieso nur für die Touristen! Von Mai bis Oktober gibt's hier Kino und wenn die Insulaner alleine sind, gibt's keins! Das ist ´ne Diskriminierung und dann brauchen wir auch überhaupt kein Kino - lacht - Sprecherin Ein Bürgerentscheid muß also gemacht werden, eigentlich wollten die Initiatoren ihn gleich an die Landtagswahl im September mit "ranhängen", da ja dann ohnehin fast alle ins Wahlbüro gehen. Doch ein Fehler vom Rügener Amt verhinderte das. Also: Vertagung auf später. Die Chancen, daß Bürgermeister Gens unterschreibt, stehen übrigens schlecht. O-Ton Gens 0.11 Manchmal gibt's im Leben so `ne Situation, wenn einem die Frau wegläuft, dann ist das auch passiert. Und da trauert man vielleicht auch über die schöne Sache, die mal war, aber ein Zurück gibt es da auch nicht. Atmo Pferde Sprecherin In dieser Geschichte von der beschaulichen Insel Hiddensee wollten übrigens gleich vier der Protagonisten lieber vor der Rundfunksendung das Manuskript lesen. Einer bot an, auch den Original-Ton noch mal ändern zu können, dafür gäbe es doch Programme heutzutage. Man hat es schon nicht leicht auf einer Insel namens Hiddensee. O-Ton Hagemeyer 0.17 Es ist schon so, daß, wenn man mit Namen unterschreibt, daß man polarisiert. Es ist zu merken, daß einen Leute entweder nur noch mürrisch grüßen oder gar nicht oder weggucken. Damit muß man dann leben und ich kann damit auch leben. Atmo Meer -ENDE Beitrag-