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Abgefragt wurden dabei Beschwerden, die als typische Stresssymptome gelten: Unter anderem Kopf-, Rücken- und Bauchschmerzen, Schwindel, Gereiztheit, Schlafprobleme, Nervosität und Niedergeschlagenheit. Das Ergebnis lässt aufhorchen: Fast jeder dritte Schüler leidet danach unter Stress, sagt Silke Rupprecht, die die Studie mit durchgeführt hat. RUPPRECHT Insgesamt berichten 30 Prozent der befragten Schüler von regelmäßigen Beschwerden, also regelmäßig zwei oder mehr Beschwerden, jeder zehnte Schüler sagt sogar, dass er täglich zwei oder mehr Beschwerden hat in der Schule und die häufigsten Beschwerden, die die Schüler nennen, sind Gereiztheit, Einschlafprobleme und Kopfschmerzen. Nach der Studie, die im Auftrag der Deutschen Angestellten Krankenkasse im vergangenen Jahr erstellt wurde, scheinen Mädchen anfälliger für Stress-Symptome zu sein als Jungs. Schülerinnen berichten fast doppelt so häufig wie ihre männlichen Klassenkameraden von Beschwerden: Fast 40 Prozent der Mädchen geben an, demnach mehrmals die Woche etwa unter Kopfschmerzen zu leiden, bei den Jungs sind es 21 Prozent. Dies muss jedoch nicht zwangsläufig heißen, dass Jungs tatsächlich weniger Stress erleben, räumt die Diplompädagogin ein. Möglicherweise drücken sich die Anzeichen geschlechtsspezifisch unterschiedlich aus. RUPPRECHT Es scheint so zu sein, dass Mädchen so eine bestimmte Tendenz auf Belastungen eher mit internalisierenden Störungen zu reagieren, wozu jetzt diese Beschwerden gehören würden, d.h. sie fressen das eher ins sich hinein. Während Jungen eher dazu neigen, das nach außen zu agieren, also beispielsweise haben Jungs ja auch häufiger Verhaltensprobleme. Bei den Mädchen fällt auf, dass die Beschwerden ab dem 15. Lebensjahr offenbar kontinuierlich ansteigen, während sie bei Jungen ab dem zwölften Lebensjahr nicht weiter zunehmen. Insgesamt zu beobachten ist, dass die körperlichen und psychischen Probleme, die auf Stress hindeuten, vor allem in der Pubertät und beim Übergang in den Beruf auftreten. Spielt es beim Stressempfinden eine Rolle, welche Schule die Jugendlichen besuchen? Bis auf Förder- und Grundschulen wurden in der Studie der Universität Lüneburg alle Schulformen berücksichtigt. Befragt wurden Jugendliche an Haupt- und Realschulen, Gesamtschulen, Gymnasien und berufsbildenden Schulen. Dabei haben die Wissenschaftler der Uni Lüneburg eine erstaunliche Entdeckung gemacht. RUPPRECHT Was wir gefunden haben, ist, dass Gymnasiasten über alle Altersstufen und auch über die Geschlechter hinweg seltener von Beschwerden berichten als die Schüler, die auf andere Schulformen gehen und zwar auf alle anderen. Das ist auch so eine Frage, die immer wieder kommt: An den Gymnasien herrscht doch soviel Stress - warum haben die dann weniger Stress-Symptome? Weil sie vielleicht einen anderen Umgang damit haben. Stress an sich, sagt Silke Rupprecht, müsse nicht immer negative Auswirkungen haben - das gelte auch für Schüler. Wer zum Beispiel von Eltern oder Lehrern gelernt habe, mit Stress etwa durch Entspannungsübungen umzugehen, der leide weniger unter Kopfschmerzen, Niedergeschlagenheit oder Gereiztheit. Da gucken sich die Kinder ganz viel ab, so Rupprecht. Eine große Rolle in Zusammenhang mit Stress spielt offenbar auch das Klassenklima. Herrscht zwischen den Schülern Konkurrenz, gibt es eine starke Cliquenbildung, ein hohes Aggressionspotential oder werden Jugendliche diskriminiert, kann dies laut Studie auch psychosomatische Folgen für den Einzelnen haben. RUPPRECHT Das heißt, es passiert irgendwas in der Schule, was den Schülern die Lust an der Schule verdirbt und das kann Einfluss darauf haben, wie häufig ich Beschwerden hab. Natürlich wissen wir nicht die Wirkrichtung, also wir wissen jetzt nicht: Was war zuerst da? Erst die Beschwerden, dann die Schulunlust oder erst die Schulunlust und dann die Beschwerden, aber es gibt einen Zusammenhang zwischen beiden. Die Studie der Universität Lüneburg entstand im Rahmen der DAK-Initiative "Gemeinsam gesunde Schule entwickeln". Dabei begleiten und beraten die Wissenschaftler inzwischen bundesweit 30 Schulen und greifen in Projekten Probleme wie Stressbewältigung oder Prüfungsangst auf. Dabei gibt es, sagt Hella Thomas Präventionsreferentin der DAK, auch konkrete Lösungsansätze, z.B. zum Thema Klassenklima. THOMAS Eine Lösung ist zum Beispiel, dass die Klassen sich bestimmte Vereinbarungen geben. Das heißt, die werden wirklich auf ein Plakat geschrieben und hängen dann im Klassenzimmer: Wenn das und das auftritt, gehen wir als Lehrkräfte als Schüler wie folgt miteinander um. Und wenn dann wirklich kritische Situationen auftauchen, ist dieses Plakat sozusagen jederzeit sichtbar und kommt dann wieder auf eine Ebene, auf der man diese Probleme gut angehen kann.