COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Länderreport Grüß Gott im ANTiStADL - Wenn Jugend in Bamberg Volxmusik macht - Autor Michael Watzke Red. Claus-Stephan Rehfeld Sdg. 03.01.2013 - 13.07 Uhr Länge 19.43 Minuten Moderation Volksmusik war früher. Heute ist Volxmusik mit x geschrieben, sie wird gespielt und gekauft von Jugendlichen mit gepiercten Lippen und Tatoo, die daheim gerne auf karierten Tischdecken vor Blümchentapeten und Edelweiß-Bildern Mamas Schweinsbraten essen. Die neue "Volxmukke" mit x verbindet bayerische Blasmusik mit Mariachi-Sounds, Großvaters Marschrhythmen mit afrikanischen Trommelklängen und Polka mit Techno. Da ist also eine Generation am Werke, die in der Welt daheim ist und sich gerade deshalb nach einem Zuhause sehnt, nach Zuverlässigkeit und Ordnung. Michael Watzke hat der neuen Volxmusik nachgehört: bei Münchner Plattenlabels, in Bamberger Szenekneipen und beim "Woidwind"-Festival im tiefsten Oberpfälzer Wald in Loifling bei Cham. Ein Lauschangriff also. -folgt Script Beitrag- Script Beitrag 1 - LIED "Servus, Grüezi und Hallo" "Servus, Grüezi und Hallo! Julerei dulliöh! / Gute Laune sowieso, denn Musik macht alle froh! / Wir singen Servus, Grüezi und Hallo!" Autor Willkommen im Anti-Stadel. Dem verrücktesten Volksmusik-Fest Deutschlands. 1 - LIED "Servus, Grüezi und Hallo" "Wir singen heute ein schönes Liedel, und gar zünftig muss es sein. / Und wer nicht so wie wir empfindet, der geht halt einfach raus zum Speien." Autor Der Anti-Stadel gastiert im Morph-Club, einer Studenten-Spelunke in einem dunklen Keller der Bamberger Altstadt. Auf der Bühne schunkelt ein Moderatoren-Pärchen, das in Dirndl und Lederhose an Marianne und Michael aus dem Fernseh-Musikanten-Stadel erinnert. 2 - MARIHUANE & KIFFAEL "Servus, des klappt ja wie eh' und je. Die Marihuane und i - Ihr kennt's ja die Marihuane, meine reizende Gattin. Und i, i bin der Kiffael. Einen Applaus für meine reizende Gattin Marihuane!" 3 - LIED "Das Madla von der Gma" "Lalalalalaaaa, eins, zwei drei! Autor Wer den Antistadel in Bamberg besucht, erlebt einen wilden Ritt durch die neue deutsche Volksmusik. Zwischen Ironie und Wahnsinn. Etwa beim oberfränkischen Volkslied vom Mädchen mit den weißen Beinen. 3 - LIED "Das Madla von der Gma" "Des Madla von der Gma (Gemeinde) hat schöne weiße Baa (Beine) / hat schöne weiße Unterröck' und Spitzenhösle a. / Das Madla von der Gma hat schöne schwarze Baa / und willst Du sie vernaschen, musst Du sie erstmal waschen." Autor Das junge Publikum tanzt, johlt, tobt wie bei einem Punk-Konzert. Die Band namens "Kapelle Rohrfrei" spielt einen Mix aus Balkanbeats, jiddischen Klängen, deutscher Volksmusik und russischem Sprechgesang. 3 - LIED "Das Madla von der Gma" "Lalalalalalala. Alle mitsingen! Der Text ist nicht so schwierig!" Autor Was die dreihundert Zuschauer hier erleben, ist die Renaissance der deutschen Volksmusik. Obwohl der Bamberger Musiker David Saam, der den Anti-Stadel organisiert, lieber von Musik mit Wurzeln spricht. 4 - DAVID SAAM "Weil wir schreiben Volxmusik ja mit X. Und dieses X steht für Kreuzung der Stile. Dass das auch erlaubt ist. Man muss es nicht machen, aber es ist erlaubt. Dass sich das weiterentwickelt. Denn das bedeutet Tradition ja letztendlich. Dass Du immer wieder einen Schritt weitergehst." 3 - LIED "Das Madla von der Gma" "Eins, zwei, drei, vier..." 4 - DAVID SAAM "Und das ist dann ein total irres Gefühl, wenn Du da oben stehst und denkst: ,Hey, wir haben auf diesem Plakat ,Volxmusik' stehen - und da kommen lauter junge Menschen, und die hopsen jetzt wild rum zu irgendwelchen Polkas, Rheinländern, Zwiefachen.' Das ist ein irres Gefühl." 3 - LIED "Das Madla von der Gma" - ENDE 6 - ATMO "BAMBERGER DOMGLOCKEN" Autor David Saam steht im leichten Schneetreiben auf den Stufen des Bambergers Doms. Der Musiker mag diesen Ort. Nicht weil Saam besonders religiös wäre. Sondern weil der Dom das Herz der Weltkulturerbe-Stadt Bamberg ist. 7 - DAVID SAAM "Für mich ist es eines der spannendsten Gebäude der Stadt. Ich musste mal angeben: "Wenn ich ein Gebäude wäre, dann wäre ich...?" Da hab ich hingeschrieben: "Der Bamberger Dom". Weil ich das spannend finde, dass dieses Gebäude hier seit 1000 Jahren steht. Und der hat so viel erlebt! Was sich alles verändert hat! Häuser werden abgerissen, wieder aufgebaut - aber der Dom steht, verstehst Du?" Autor Der Dom bedeutet Heimat für David Saam, 35 Jahre alt. Dabei hat sich der Oberfranke lange gegen jede Form regionaler oder gar nationaler Zugehörigkeit gewehrt. 8 - DAVID SAAM "Als ich Jugendlicher war und wir damals in unserer Punk-Band geschrubbt haben, da hat doch keiner was mit dem Begriff "Heimat" anfangen können. Da haben wir alle Pickel gekriegt, wenn wir das gehört haben. Ich weiß noch: wir hatten sogar ein Lied, das hieß "Heimat". Und da hieß es: "Heimat, was soll das sein?" Das war dann auch gerade so die Zeit, wo in Rocstock-Lichtenhagen die Asylantenheime gebrannt haben. Und da dachten wir: was ist das für eine Heimat, wenn alles brennt? Aber damals war das halt noch so ein rechtslastiger Begriff für uns. Und das hat sich gewandelt, der Begriff." Autor Der Wandel in Davis Saams Heimatverständnis fand erstaunlicherweise nicht in Deutschland, sondern im Ausland statt. Als junger Musik-Ethnologie-Student verbrachte Saam ein Studienjahr in Finnland, um skandinavische Volksmusik zu erforschen. 9 - DAVID SAAM "Dadurch kam ich eigentlich überhaupt erst auf die eigene Musik. Weil ich während des Studiums dort ein Jahr absolviert habe. Um mir anzuschauen: was machen die dort mit ihrer traditionellen Musik? Mein Forschungs-Interesse lag auf den neuen Formen, die die da entwickelt haben. Da gab es Typen, die haben das mit Free Jazz verbunden. Wo Du dachtest: das ist krass. Allein die Volksmusik an sich ist schon für manche Menschen gewöhnungsbedürftig. Aber jetzt noch mit dem Free-Jazz dazu, das ist schräg. Eine andere Band hat es mit Drum and Bass oder mit Pop vermischt. Das fand ich so toll, dass ich dachte: wenn ich jetzt heimkomme, dann muss ich mir mal überlegen: vielleicht haben wir auch so eine Musik mit Wurzeln, mit der man irgendwas machen kann." 10 - LIED "Dunnerwedder Marcharedd" "Dunnerwedder Marcharedd, aha, aha, I like it." Autor Die fränkische Soul-Polka "Dunnerweddar Marcharedd", zu deutsch: Donnerwetter Margarethe. Gesungen von der "Kapelle Rohrfrei", mit Anleihen bei der "KC and the Sunshine Band". 10 - LIED "Dunnerwedder Marcharedd" - ENDE Autor Ortswechsel. Im oberpfälzischen Loifling, 200 Kilometer östlich von Bamberg, findet das Woidwind-Festival statt. Woidwind nennt man im bayerischen Wald die frische Luft, die dann und wann durch abgestandene Stuben weht. In Loifling treffen sich jedes Jahr die angesagtesten Bands moderner Volksmusik. Das Publikum kommt aus ganz Bayern. Denn... 11 - VRONI "Volksmusik ist einfach geil" Autor Vroni ist 18 Jahre alt. Sie und ihr Freund Peter tanzen gerade im rosa Hasenkostüm durchs Publikum. Woran man merkt, dass die beiden Volxmusik nicht mit k, sondern mit x schreiben. 12 - VRONI, PETER "Oder haben Sie schon mal jemanden mit einem Hasenkostüm über ein Volksmusik-Festival hoppeln sehen? Des is natürlich was ganz was anderes!" / "Wir wollten halt ein Festival-Outfit für des Festival heit. Deswegen hammer halt a Hasenkostüm o'zogn." / "Aber man muss erwähnen, dass das im Schritt scho ganz schön zwickt!" Autor Beim Dirndl von Volxmusik-Sängerin Maria Reiser zwickt es höchstens oben, beim tiefen Ausschnitt. Die schwarzhaarige Niederbayerin absolviert gleich gerade ihr Set auf der Woidwind-Bühne: 13 - MARIA REISER "Traditionell rotes Dirndl, Schürze. Schwarzes Karo. Was man halt aus Bayern so kennt, gell? Sexy, schneidig. Da kann ich meine Heimat leben." Autor Heimat. Dahoam. Diese Worte fallen in fast jedem Interview und jedem Lied auf dem Woidwind-Festival, etwa in "Mama's Hüttn" von Maria Reiser. 14 - LIED "MAMA'S HÜTTN" "Mama lacht und Mama wärmt / Mama nährt, und wenn sie singt, kemmers hearn. / Mama is überall dahoam / liegst Du verlorn am Wegrand, trägt sie Dich in d'Hüttn hoam..." Autor Die Sehnsucht nach Zuhause. Nach Zuverlässigkeit und Ordnung. Auf dem Woidwind-Festival im oberpfälzischen Loifling ist sie überall zu spüren. Etwa am Stand vom Seppi, dem Souvenir- Händler. Er verkauft den jungen Festival-Besuchern vor dem Zelt Wandteller, Zinnkrüge und Hirschgeweihe mit Glocken. ATMO GLOCKE 15 - SEPPI, REPORTER "Was ist das?" / "Eine Vierklangglocke! Die kannst an die Haustür hängen." / "Früher haben sich junge Leute so was doch nicht an die Haustür gehängt!" / "Heut san's Junge und Ältere." / "Der Geschmack hat sich wohl geändert?" / "Des sowieso. Letztes Jahr hab ich alle 14 Tag einen neuen Karton mit Glocken gebraucht, für 250 Euro!" 16 - VRONI "Im Zeitalter der... Welt... wo alles eins wird, da besinnt man sich als Jugendliche scho irgendwie drauf, wo man herkimmt. Und da versucht man halt, das Althergekommene zu verbinden mit dem Jugendlichen." Autor Auch Florian Zack verbindet Altes mit Neuem. Er trägt braune Lederhosn, ein weißes Muskelshirt und spielt auf seinem Akkordeon, als sei er auf Drogen: 17 - LIED "I will hoam" Autor Das Lied heißt - wie könnte es anders sein? - "I will hoam". Es tönt nach Balkan-Beat, nach mexikanischem Mariachi-Sound, sogar jamaikanischer Reggae klingt darin an. Aber Florian Zack singt in tiefstem Tirolerisch, wie zerrissen er sich fühlt - und dass er endlich nach Hause will. 17 - LIED "I will hoam. Zu meiner Mama, hey! I will hoam, zu meinem Papa, hey! Ich will hoam zu mei'm Computerspiel. I will hoam, i hab da so a G'fühl!" Autor Ist das ernst? Oder ironisch? Die Grenze verläuft fließend. Maria Reiser hat vor kurzem ein Konzert in Berlin gegeben. Viele Fans kamen in Tracht. Nicht nur Exil-Bayern, sondern auch "Saupreissn", wie Reiser sagt. Und die Preissn hätten keinen Karneval feiern wollen. 18 - MARIA REISER "Also ich hatte nicht das Gefühl, dass die Berliner das verkackeiern. Sondern die haben sich drauf gefreut, ein Dirndl anzuziehen. Und damit auszugehen. Was auch immer in den Köpfen vorgeht, ich weiß es nicht. Vielleicht so ein Heimatgefühl oder Traditionsbekenntnis, das sie selbst vielleicht nicht haben, aber andere in einer anderen Ecke Deutschlands schon... Ich hab nicht das Gefühl, dass das Verarsche ist." 19 - LIED "D'Sun scheint Jodler" "Wieder dahoam. Wie ich's mag. Am liebsten jeden Tag. Wir liegen in der Sonn!" Autor Volxmusik - mit x - liegt im Trend. Sie bildet derzeit das Lebensgefühl vieler junger Menschen ab - zumindest im Süden Deutschlands. Was sie von Volksmusik - mit k - unterscheidet, ist der Beat. Was sie gemeinsam hat, ist ihr Bestreben, unpolitisch sein zu wollen: 20 - UMFRAGE "Naa, also mit Politik hat das ganze überhaupt nix zu tun. Es gibt ein Sprichwort: Du kriegst vielleicht den Bayer aus dem Wald raus. Aber nicht den Wald aus dem Bayer." / "Politisch sehe ich das jetzt nicht. Ich sag eher: man steht zu was. Man steht zu seiner Heimat. Das hätt' ich vor zehn Jahren nicht singen können." Autor Aber ist nicht gerade DAS höchst politisch? Wenn Maria Reiser über "die Bolizei" singt, dann wünscht sie die "Bolizisten" nicht zur Hölle, sondern zu Hilfe. 21 - LIED "DIE BOLIZEI" "Uuuh-uuhhh, da brauch' mer die Bolizei, brauch' mer die Bolizei, die Bolizei, Bolizei!" Autor Maria Reiser verdankt ihre deutschlandweite Bekanntheit vor allem einem Musik-Video. Darin räkelt sie sich in einem bayerischen Dirndl auf einem amerikanischen Straßenkreuzer vor der mexikanischen Pazifikküste. "Mo's Wong" heißt der Song, was wie eine Mischung aus afrikanisch und asiatisch klingt, tatsächlich aber tiefstes Niederbayrisch ist und nichts anderes bedeutet als "Das Auto von meinem Mann". Mo's Wong verbindet sowohl sprachlich als auch musikalisch ganze Kontinente. 22 - MARIA REISER "Was ja gerade im Trend ist, ist Balkanmusik, à la LaBrassBanda. Das hat ja so den Trend geweckt. Florian Zack, den ich gerade gehört habe, der war lange in Südamerika unterwegs. Da spürt man Einflüsse aus Brasilien. Bei mir ist es überwiegend Popmusik, ich hör gern Reggae, Ragga, Dancehall- Musik. Auch Hiphop. Ich hab lang in München gelebt und war da in der Hiphop-Szene unterwegs. Einfach Beats, Erdigkeit, Trommeln. Afrikanisches taugt mir. Bobby McFerrin. Auch Beat Box, also von Hand gemacht, vom Mund gemacht." Autor Vor einigen Jahren noch, sagt Maria Reiser, sei sie im Plattenregal entweder unter "Schlager" oder unter "volkstümlicher Musik" abgelegt worden. Es habe lange gedauert, bis sie und andere Volksmusiker sich eine eigene Nische erkämpft hätten. Der Münchner Musikwissenschaftler und Arrangeur Alexander Krampe glaubt, dass diese eigene Plattform für die neue Volksmusik essentiell ist: 23 - ALEXANDER KRAMPE "Ich würde ganz stark warnen davor, Volksmusik und volkstümliche Musik zu vergleichen. Volkstümlich Musik ist sicher der kommerzielle Abklatsch von Volksmusik. Ich bin fest davon überzeugt, dass die eigentliche Volksmusik unser Blues ist. Vor allem im Alpenraum. In Österreich ist es zum Beispiel normal, an Hochschulen und Konservatorien Volksmusik zu unterrichten. Da gibt es ausgezeichnete Musiker, die spielen einfache Volksmusik und gehen mit diesem Erbe kreativ um. Und dieses Erbe drückt sich aus in ihren Versuchen, Volksmusik moderner zu gestalten." Autor Der instrumentale Grundbaukasten bleibt dabei unangetastet. Blechbläser, Kontrabass, Klarinette, Oboe und Akkordeon. Bisweilen ergänzt um Dudelsack, Flöte, Zither oder die Maultrommel, die in den Alpenländern eine jahrhundertealte Tradition als Rhythmus- Instrument hat. ATMO "MAULTROMMEL" Autor Schon im Jahr 1818 findet das Brummeisen in Wien Eintrag in die musikhistorische Literatur. Als Taktgeber. 24 - ALEXANDER KRAMPE "Österreichisch ist natürlich Walzer und Ländler. Und in Bayern die extrem interessanten Zwiefachen. Was man heute so hochintelligent als Poly-Rhythmik bezeichnet. Dass innerhalb eines Musikstück völlig unerwartete Dinge passieren, die in einem witzigen Kontext stehen. Egal ob mit Text oder ohne." 25 - HAINDLING - ZWIEFACHER "So, jetzt zeigen wir Euch mal, wie der geklatscht wird. Und dann machen wir's miteinander. Achtung!" [Klatschen.] Autor Beim Konzert von Haindling, dem Urvater der modernen, alpenländischen Volksmusik, lernt man den Zwiefachen quasi nebenbei. 25 - HAINDLING - ZWIEFACHER Autor Haindling hat bayerische Volksmusik salonfähig gemacht. Er hat ihr neues Leben eingehaucht und eine Coolness verliehen, die sie durch Musikantenstadel und volkdümmliche Schlagersänger wie die "Zipfelbuben" verloren hatte. In München, nicht weit von der Theresienwiese entfernt, steht das Büro von Heimat-PR, einer Agentur, die Volksmusikanten vertritt. Neben Haindling auch die Zipfelbuben. Für Agentur-Chefin Elke Schneider ein Spagat: 26 - ELKE SCHNEIDER "Das ist einfach was komplett anderes. Bei der normalen Volksmusik sprechen wir Yellow Magazine an, da geht's viel um Homestorys, um Privates. Bei der modernen Volksmusik, die möchte in diesen Yellow-Bereich gar nicht so rein. Die möchte von der Musikpresse wahrgenommen werden, von den Feuilletons wahrgenommen werden. Die möchte Werte vermitteln." Autor Kein Wunder, dass die moderne Volksmusik nur einen Bruchteil der Einnahmen erzielt, die mit volkstümlichen Schlagersängern wie Semino Rossi oder den Kastelruther Spatzen zu verdienen sind. Für viele der neuen Volksmusikanten ist das Musik-Business bisher finanziell gesehen ein Nullsummen-Spiel. Die meisten halten sich mit Einnahmen aus Live-Konzerten und Bierzelt-Auftritten über Wasser und hoffen, dass Musikmagazine wie Spex oder der Rolling Stone endlich Notiz von der neuen deutschen Volksmusik nehmen. Bisher vergeblich, sagt Elke Schneider. 27 - ELKE SCHNEIDER "Die Hemmschwelle besteht auf jeden Fall. Und das ist vor allem der Akzent. Wenn da eine österreichische oder eine bayerische band kommt, dann ist das für Berliner oder Hamburger erstmal schwierig. Aber ich glaube, viel kommt dann über eine Trendwelle. Wenn die Musik cool genug ist und sich das rumspricht, dann schaut man vielleicht auch über den Akzent hinweg und mal genauer hin. Dann ist es unter Umständen eine coole Insider-Band, und die kommt dann so zum Erfolg." 28 - LIED "Hans bleib da" Autor Die neue Volksmusik, wie sie von den meisten Musikern verstanden wird, ist handgemacht. In Regionen wie Franken, Altbaiern, Österreich und der Schweiz wachsen viele junge Menschen von Kindesbeinen an mit Musik auf. Mit Blaskapellen, Hausmusik-Abenden, Kirchenchören und Kammerkonzerten. Der reiche Schatz der Volksmusik sind die Musiker, die ihre Instrumente zu spielen verstehen und sie immer neu entdecken, sagt der Bamberger David Saam vom Anti-Stadel. 29 - DAVID SAAM "Und das finde ich auch das Spannende, und den Eindruck habe ich bei vielen meiner Musiker- Kollegen, dass man sich nicht nur auf die eigene Kultur besinnt, sondern dass es ganz viele Gruppen gibt, die was Jiddisches dazu machen oder was Finnisches oder was Schwedisches oder Französisches. Es gibt auch länderübergreifende Kooperationen. Das finde ich das Tolle daran, dass sich alle so wertschätzen." 28 - LIED "Hans bleib da" "Hans bleib da, Du weißt ja nicht, wie's Wetter wird. Hans bleib da. Du weißt ja nicht, wie's wird. Es kann regnen oder schneien, oder auch die Sonne scheinen. Hans bleib da, Du weißt ja nicht, wie's wird." 30 - KIFFAEL "Danke, danke, das war der Bamberger Dreher und eine ganz seltene Gelegenheit, zwei Dudelsäcke gleichzeitig zu hören. Was ihr jetzt erleben dürft: wir spielen jetzt zusammen. Ein echtes Volksmusik- Erlebnis. Wir haben gesagt: Volksmusik probt man nicht. Proben ist was für Feiglinge und Synphoniker. 31 - LIED "O Du alte Semmelfraa" "Sauerkraut, Buttermilch, Sauerkraut, Buttermilch. / Sauerkraut und Buttermilch und 'nei'gebackener Laabla, 'nei'gebackener Laabla, 'nei'gebackener Laabla. / Warum soll ich 'ne Hässliche heiraten? Gibt doch so schöne Madla!" Autor Die neue Volksmusik ist wie das neue Deutschland. Verspielt, ironisch, manchmal melancholisch und noch immer auf der Suche. Die Antworten scheint sie nicht im Nationalen, sondern im Regionalen zu finden. Es gibt die neue Volksmusik überall in Deutschland. Aber im Süden scheint sie stärker zu sein. 32 - DAVID SAAM "Also was man sagen muss: In Bayern und in Franken ist nach dem zweiten Weltkrieg nicht so ein Cut gemacht worden. Da haben die Menschen gesagt: okay, sicher haben die Nazis diese Musik instrumentalisiert. Aber trotzdem ist das ja unsere Musik und nicht die der Nazis gewesen. Also schenken wir die den Nazis auch nicht." Autor David Saam, der mit seinen bunt karierten Hosen und den wild-zerzausten Haaren manchmal wie ein Volksmusik-Kobold wirkt, schnallt sich sein Akkordeon an. Der Balg des Instrumentes sieht wie eine Welle aus. Ist die neue Volksmusik auch nur eine Welle? Eine Mode, die bald wieder vorbeigeht? 33 - DAVID SAAM "Im Moment ist es noch so, dass wir alle so zwischen Mitte 20 und Mitte 30 sind. Das heißt, wir werden noch als junge leute wahrgenommen. Interessant wird es, wenn die nächste Generation dran ist, die ja auch wieder was verschiebt und verändert. Wer weiß, woran die Interesse haben. Wer weiß, wohin die Reise geht. Schwierig zu sagen." Autor Vielleicht weiß der Bamberger Dom die Antwort. Schließlich hört er schon seit 1000 Jahren auf das Echo seiner Glockenmelodie. ATMO BAMBERGER GLOCKEN -ENDE Beitrag- 1