COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Länderreport vom 19.01.2010 Wir leben getrennt - Geteilte Orte landauf, landab - Autor Michael Frantzen (Beitrag 1 - 2'01") Barbara Roth (Beitrag 2 - 2'51") Uschi Götz (Beitrag 3 - 2'18") Christoph Gehring (Beitrag 6 - 1'49") Claus Stephan Rehfeld (Beitrag 4 - 2'05" / Beitrag 5 - 2'42") Sprecher Frank Stöckle (Beitrag 5 - 2'42") Red. CS Rehfeld Sdg. 19.01.2010 - 13.07 Uhr Länge 18.39 Minuten Moderation Während vielerorten die deutsche Einheit feiermäßig vorbereitet wird, haben wir heute etwas Trennkost im Programm, denn die örtliche Einheit lässt hier und da noch etwas zu wünschen übrig. Die Liste geteilter Orte in dieser unserer Republik ist erstaunlich lang, nennt überraschend viele Ortsnamen, die doppelt auftauchen, weil: die eine Hälfte des Ortes liegt in dem Bundesland, die andere Hälfte woanders. -folgt Script Sendung- Script Sendung M 01 ErkMu REGIE Musik kurz frei & unter Moderator legen Moderator Wir leben getrennt. Geteilte Orte landauf, landab. Am Mikrofon begrüßt Sie Claus Stephan Rehfeld. REGIE Musik kurz frei & unter Moderator weg Während vielerorten die deutsche Einheit feiermäßig vorbereitet wird, haben wir heute etwas Trennkost im Programm, denn die örtliche Einheit lässt hier und da noch etwas zu wünschen übrig. T 01 (Frau) "Ja! Ahö. Ahö. Ahö!" Die Liste geteilter Orte in dieser unserer Republik ist erstaunlich lang, nennt überraschend viele Ortsnamen, die doppelt auftauchen, weil: die eine Hälfte des Ortes liegt in dem Bundesland, die andere Hälfte woanders. Ja, innerdeutsche Grenzerfahrungen kann man noch viele machen. T 02 (Mann) " ... die geteilte Stadt, die amputierte Stadt. Die können Sie nennen, wie Sie wollen!" M 01 kurzer Musikakzent Ja, Grenzen sind rücksichtslos, machen auch vor einem Haus keine Kurve. Sind sie erst mal durch das Haus durch, dann herrscht in der einen Haushälfte die Landesregierung, in der anderen Hauhälfte jene, weil der Teil gehört zu dem Bundesland, der andere ... Sie wissen schon. Herrschen in einer Familie zwei Regierungen, dann ist das für die Ehe meistens etwas arg strapaziös. Aber manchmal ist es auch unterhaltsam. Ravensmühle / Frantzen - 2'01" E 01 (Herr Lade) "Die Grenze geht genau durchs Wohnzimmer durch." AUT Die Grenze. Bei den Lades zu Hause. Tiefste Provinz. In Ravensmühle sind die Straßen holprig und die Jalousien im Winter meist um halb fünf runter. Eigentlich nichts besonderes, wenn da nicht die Sache mit der Grenze wäre: der innerdeutschen. E 02 (Frau Lade) "Die Ecke vom Wohnzimmer praktisch." AUT Liegt seit der Wiedervereinigung in: E 03 (Frau Lade) "In Mecklenburg." AUT Hier hat Frau Lade das Sagen. E 04 (Herr Lade) "In Mecklenburg sind 47 Quadratmeter." AUT Vom Grundstück. Ihr Gemahl mag es großzügiger. E 05 (Frau Lade) "657" AUT ... vom Grundstück sind in Brandenburg. Ist Herr Lades Domäne. Im Sommer ist Herr Lade oft draußen: Kartoffeln, Radieschen, Blattsalat. Alles made in Brandenburg. Genau wie die: E 06 (Frau Lade) "Fußböden. Decken. Wände. Dach. Fassade." AUT Alles Brandenburg. Laut Grundbucheintragung, jedenfalls der in Pasewalk, also in: E 07 (Frau Lade) "Mecklenburg." AUT Und der in Prenzlau, sprich in: E 08 (Herr Lade) "Brandenburg." AUT Das teilt die Lades manchmal. E 09 (Frau Lade) "Wenn du aktuelle Grundbuchauszüge brauchst. (Herr Lade) "Joi!" (F. Lade) "Musst zu beiden fahren, beiden bezahlen. Watt hat datt gekostet? 10 Euro? 15 Euro? Watt waren datt?" (H. Lade) "Zehn Euro." AUT Frau Lade ist, anders als das Haus, ungeteilter Meinung. E 10 (Frau Lade) "Ditt kann ja wohl nich wahr sein! Nä, Danke!" (lacht) AUT Das geteilte Wohnzimmer sollte nämlich mal GANZ an Brandenburg fallen. E 15 (Herr Lade) "Na, ich sach mal: Lieber schon mal in Mecklenburg-Vorpommern bleiben." AUT Ist auch besser so. Um des lieben Friedens Willen. E 16 "Von daher Mec-Pom." AUT Ist ihr nämlich ans Herz gewachsen - der Frau Lade: Ihr Mecklenburg. Besonders abends, wenn sie ihren kleinen Grenzverkehr betreibt: Bier aus der Brandenburger Küche holen, sich vor den Brandenburger Fernseher hocken, vorzugsweise "Deutschland sucht der Superstar", und einfach die Seele baumeln lassen. Das aber bitte schön in Mec-Pom - auf der Dreier-Sitzecke. E 17 (Herr Lade) "Joi! Das ist ihr Stammplatz. Und die Kinder sitzen mit mir auffem Zweier." AUT Sprich in: E 18 (Herr Lade) "Brandenburg." AUT Halten sich alle penibel dran. Wenn schon Grenze, dann aber richtig. E 19 (Frau Lade) "Ja! Ahö. Ahö. Ahö!" -ENDE Ravensmühle / Frantzen- M 01 kurzer Musikakzent Moderator In einer guten Beziehung teilt man sich den Wohnraum, in einigen Ortschaften den Bindestrich. Er deutet dem Unkundigen an, dort wurde zusammengefügt, was früher auseinander lag. Dem Ortsfremden mag davon schwindlig werden, sieht er dann so einiges doppelt: zwei Kirchen, zwei Feuerwehren, zwei ... Er kann noch so nüchtern sein, es werden nicht weniger ... in dem Ort der Grenzgänger. Garmisch-Partenkirchen / Roth - 2'51" G 01 Bach AUT Garmisch-Partenkirchen trennt nicht nur ein Bindestrich. Die Marktgemeinde am Fuße der Zugspitze trennt auch ein kleiner Fluss: Die Partnach. E 01 (Mann) "Garmisch ist cool. Und da drüben wohnen die Bauern." AUT Eine Brücke über die Partnach verbindet Garmisch mit Partenkirchen. Und doch bleiben es zwei Welten. E 02 (Staudacher) "Partenkirchen ist historisch durch die Römer entstanden, Garmisch 700 Jahre später. Es sind zwei verschiedene Volksstämme. Die Generation meiner Eltern hat sich zum Teil noch die Köpfe eingehauen. Da gab es wirklich noch welche, die sie aus der Wirtschaft rausgeschmissen haben." AUT Erzählt der Hotelier Peter Staudacher aus Garmisch. E 02 (Staudacher) "Die junge Generation frotzelt darüber: Kommst aus Garmisch, kommst aus Partenkirchen? Aber natürlich ist es heute noch gang und gebe zu sagen im Gemeinderat: Kriegen das die Garmischer? Dann wollen wir es auch. Beispiel Partenkirchen hat ein Parkhaus bekommen, hat es Garmisch auch gekriegt. In Partenkirchen kriegt die Feuerwehr was, dann die in Garmisch auch." AUT Und so gibt es vieles zwei Mal: Den Trachtenverein in Garmisch, den Trachtenverein in Partenkirchen. Zwei Fußgängerzonen, zwei Kirchen, zwei Skiclubs, zwei Feuerwehren. E 03 "Deren jede personell und materiell und maschinell so gut ausgestattet ist, wie sonst in allen Orten der Bundesrepublik Deutschland in dieser Größenordnung von 26-27tausend Einwohnern eine Feuerwehr ausgestattet ist. AUT Alois Schwarzmüller, einst SPD-Gemeinderat, räumt ein: Es sind faktisch zwei Dörfer - noch heute. 75 Jahre nach der Zwangsfusion. Ein Jubiläum, das sich zum 1. Januar jährte; das man übrigens nicht feierte. E 04 (Schwarzmüller) "Die Nazis haben es angeordnet. Von Berlin über München wurde die Vereinigung erzwungen." AUT Wegen der Olympischen Spiele im Jahr 1936 befahl Hitler die Fusion der beiden Dörfer. Die damaligen Gemeinderäte wollten aber nicht so recht. Wohl ein Grund, warum sich die Menschen in Garmisch und Partenkirchen bis heute nicht leiden können. Immer wieder brechen die alten Eifersüchteleien auf. Sie mögen sich einfach nicht und sind auf die anderen vor allem eines: neidisch. E 05 (Schwarzmüller) "Diese Widerstände sind ja über Generationen hinweg entstanden. Die Partenkirchner waren ja die ursprünglich reicheren. Bei ihnen hat sich der Tourismus, die Sommerfrische als erstes niedergelassen. Und in Garmisch wächst und entwickelt sich momentan ein neues Geschäftszentrum, das wohl die Kaufkraft sehr stark bindet wird vor allem in den Ortsteil Garmisch hinein." AUT Alois Schwarzmüller greift zu einem Buch. Geschrieben von Fritz Müller um die Jahrtausendwende. Die Geschichte so aktuell wie einst. Der Titel: "Das verkaufte Dorf" - gemeint Garmisch-Partenkirchen. E 06 (Schwarzmüller) "Weil sie beide eine Post und einen Bahnhof haben, meint man dass sie eins sein könnten? Doch der Bindestrich dazwischen ist ein frommer Wunsch. Ich weiß noch gut die fremdenlose Zeit, wo es für einen Sepp von drüben ein Messer zwischen der dritten und vierten Rippe bedeuten konnte, wenn ihm eine herübene Zinzi gut war ..." -ENDE Garmisch-Partenkirchen / Roth- M 01 kurzer Musikakzent Moderator Es ist schon ein paar Jahrzehnte her, da gingen sie den Städtebund ein: Villingen und Schwenningen. Der Bindestrich band den schaffigen Schwaben und den lebensfrohen Badener aneinander. Die Diskussion im Gemeinderat um ein gemeinsames Stadtwappen währte denn auch nur drei Jahrzehnte. Kein Stadtteil wollte sein Wappentier missen, also fanden der Schwenninger Schwan und der Villinger Adler einen schönen Kompromiß und strecken sich nun auf dem gemeinsamen Wappen die Zunge raus. Villingen-Schwenningen / Götz - 2'18" E 01 (Frau) "Die Mentalität ist etwas anders. Das ist eine Beamtenstadt mehr oder weniger in Villingen und mir sind eine Arbeiterstadt in Schwenningen." E 02 (Frau) "Wissen Sie, Villingen ist eine gegründete Stadt von den Zähringern. Und Schwenningen war früher immer ein Kuhdorf." E 04 (Mann) "Ich habe gewählt und könnt mir heute noch den Schuh in den Hintern schlagen ... der Stil passt nicht." E 05 (Frau) "Ich sag immer: Sind die arm ... geistig!" AUT Zwei Stämme, zwei Welten in einer Stadt. Zwischen den Menschenschlägen steht mehr als der Bindestrich bei Villingen-Schwenningen. E 06 (Heizmann) "Mir haben den Auftrag gekriegt, den schwäbischen Charme in das badische Villingen rüberzubringen und die umzupoolen ..." AUT Seit 1972 gehören sie ... "zusammen" wäre zuviel gesagt, gehören sie einer Stadt aus vormals zwei Städten an: die Villinger und die Schwenninger. Die Hügelkette zwischen den Stadthälften ist geblieben, geographisch und mental. E 07 (Heinzmann) "In Villingen sind drei Musentempel, das ist natürlich auch ein Irrsinn, gell! Drei Musentempel gibt es in Villingen. Die machen einander Konkurrenz und kosten viel Geld. Und in Schwenningen ist das Eisstadion. Und alles, was ins Eisstadion investiert wird, sind die Villinger dagegen. Und die Schwenninger ... tja ... gut, die sind jetzt nicht ganz ... auf Kultur stehen die nicht ganz so, die Schwenninger. Die sind dann gegen die Kultur, was investiert wird. Und dann wird es gegeneinander ausgespielt." AUT Eisstadion, Landesgartenschau, Rathaus-Neubau. Egal, um was geht: Krach ist inbegriffen. Und immer geht es auch ums Geld. Wer bekommt mehr? Die Villinger rechnen die Schwenninger reich, und die Schwenninger sehen das Geld bei den Villingern. Und putzig wirkt da noch in der Doppelstadt, dass Villinger und Schwenninger nach wie eine unterschiedliche Telefonvorwahl haben. Problematischer ist es, dass die Sportvereine unterschiedlichen Sportbünden, die Kirchengemeinden verschiedenen Landeskirchen beziehungsweise Bistümern angehören. Und Oberbürgermeister Kubon hat auch nur einen Amtssitz - in Villingen. E 08 (Schüler) "Bei mir in der Klasse ist es auch immer so, dass alle immer sagen: Ha, Schwenninger - Schwaben! Und da ist schon immer die Badener Fahne. Ich bin da nicht so der Regionalist oder so." AUT Auch wenn noch nicht alle über die Hügelkette sehen, keimt Hoffung. Allerdings eine, die Jahrhunderte vor Augen hat. E 09 "Was sind schon 35 Jahre für einen Historiker? Da rechnet man in Jahrhunderten." -ENDE Villingen-Schwenningen / Götz- M 01 kurzer Musikakzent Moderator Arg erwischte es Mainz. Dort will die Nachkriegszeit partout nicht aufhören, dort zucken Einheimische heftig zusammen, lässt irgendwer unbedacht das Wort "Einheit" fallen. Bei "Brüdern und Schwestern" schaut der Mainzer mit leidvollem Blick auf heute hessisches Terrain. Bei "Grenzfall" entfährt ihm ein Stoßgebet: Würde er doch endlich geschehen. Mainz wurde geteilt und ist es immer noch. Wir gedenken des historischen und immer noch aktuellen Beispiels sowie des Mainzer Ehrenbürgers Karl Delorme. Mainz / Rehfeld -2'05" E 01 (Delorme) "Das ist wurscht: die geteilte Stadt, die amputierte Stadt. Die können Sie nennen, wie Sie wollen." SPR Geteilt. Nach dem 2.Weltkrieg. E 02 (Delorme) "Durch den Machtspruch eines amerikanischen Offiziers! Der ist da rüber gegangen nach Wiesbaden und hat gesagt: Ich schenke dir Kastel und Kostheim. So flapsig, wie die Amis sind, gell." SPR Die Mainzer Vororte Amöneburg, Kastel und Kostheim - den Wiesbadenern (!) zugeschlagen. E 03 (Delorme) "Sie sind insofern reine Kriegsgewinnler gewesen, die Hessen! Aber das wollen sie heute nicht wissen." SPR Rücken die Werkbank der Domstadt nicht heraus. E 04 (Delorme) "Das ist nach wie vor für mich ein schreiendes Unrecht." SPR Ein Drittel der Bevölkerung, 52 Prozent der Stadtfläche, Wirtschaftskraft und Steuergelder - gekappt. Damals. Bis heute! E 05 (Delorme) "Jedes Jahr, das ins Land geht, (haut auf den Tisch) macht diese Sache unerträglicher!" SPR Der Schurke heißt Wiesbaden und will die drei Mainzer Urgemeinden nicht hergeben. Trotz Befragung und Heimweh. E 06 (Delorme) "Das ist zutiefst undemokratisch!" SPR Mainzer Gebietsforderungen - für die da in Wiesbaden eine "folkloristische Privatangelegenheit"! E 07 (Delorme / sehr erregt) "Das sind dumme Sprüche, die wirklich zu Wiesbaden passen! Erkennen Sie einen Grund, einen triftigen Grund dahinter? Was heißt folkloristische Privatangelegenheit? Pfff! Da fehlen mir die Worte." SPR Für Wiesbaden eine Lokalposse. E 08 (Delorme) "Das ist doch absurd! Das sind dumme Sprüche! Natürlich kann man alles madig machen, aber das entwertet unsere Argumente nicht, sondern wirft ein bezeichnendes Licht auf diese Wiesbadener Amtsträger, die mit Zähnen und Klauen unrecht erworbenes Gut behalten wollen!" SPR Karl Delorme, Lokalpatriot, Verein "Vereintes Mainz". E 09 (Delorme) "Und dieses Unrecht zu ändern, muß unsere Aufgabe der nächsten Zeit sein." -ENDE Mainz/Rehfeld- M 01 kurzer Musikakzent Moderator Nicht nur Flüsse markieren Grenzverläufe, sondern auch Seen, hier nun ein Meer, welches aber See genannt wird: Bodensee. Dort liefern Lindau und Konstanz sich seit Jahren eine Seeschlacht. Ein handfester Streit ist entbrannt und noch nicht gelöscht worden zwischen diesem bayerischen Lindau und dem badischen Konstanz. Der Bodensee gibt die Bühne her für das Stück. Bitte. Lindau-Konstanz / Götz + Rehfeld - 2'42" G 01 Kanonenschuß / Musik SPR Das ist Konstanz. G 01 Kanonenschuß / Tohuwabohu SPR Und das ist Lindau. Und dazwischen liegt der Bodensee. G 02 Stein plumpst ins Wasser SPR Und auf ihm wogt eine Seeschlacht hin und her, her und hin. Keine touristische Maßnahme, sondern so richtig verbissen. G 03 Hund zerrt knurrend an etwas SPR Auf dem See, den die Schwaben gerne als ihr "Meer" bezeichnen. Um den Hafen in Lindau, vor dem ein Löwe, ein bayerischer Leu sitzt. Und da hinten muß irgendwo das badische Konstanz liegen. G 04 Wasser, plätschernd SPR (imitiert weibliche Stimme) "Wir kämpfen wie ein Bär um unseren Löwen und sein Gehege." (normal weiter) Die Lindauer Oberbürgermeisterin, parteilos und die CSU in der Seeschlacht anführend, kämpft wie ein "Bär" um ihren "Löwen"!? Oha. Nur, leider, der Hafen war nie in Lindauer Hand. Hier! Sehen Sie das Dokument?! Kaufvertrag von 2003. Mit Siegel und Unterschrift. G 05 Siegel knallt hart auf Tisch SPR (liest vor) ... kaufen die Konstanzer Stadtwerke die "Bodenseee- Schiffahrtsbetriebe" (buchstabiert) B-S-B ... von der Deutschen Bahn. Und damit auch die Häfen von Friedrichshafen und Ludwigshafen, von Überlingen und Nonnenhorn, von Langenargen und ! L-i-n-d-a-u, Lindau. G 06 Jubel SPR Jubel in Konstanz, Gejammer in Lindau. G 07 Geldstück rollt auf Tisch SPR Die Konstanzer Großzügigkeit, den Löwen für einen Euro zu kaufen, wurde von den Lindauern verschmäht! (imitiert weibliche Stimme) "Wer Eigentümer ist, hat immer mehr Rechte." Die Lindauer Bürgermeisterin sagt es, der Konstanzer Oberbürgermeister hat es. G 08 Fotoapparat SPR Das ist der bayerische Löwe - in badischer Hand. G 08 Fotoapparat SPR Und das ist der einzige Leuchtturm, den Bayern mal hatte, auch. Punktum. G 09 Wellen SPR (imitiert weibliche Stimme) "Da tackern zwei Züge aufeinander." Da tackert überhaupt nichts, Frau Bürgermeisterin Lindau. Nix da. Weil: G 10 beschwingte Musik SPR Der Hafen gehörte noch nie Lindau! (versöhnlich) Der Hafen gehörte einstmals der Königlich Bayerischen Staatseisenbahn, die mal an die Deutsche Reichsbahn ging, dann zur Deutschen Bundesbahn wurde. Und die wiederum gliederte die Bodenseeschiffahrtsbetriebe aus ... G 11 Fanfare SPR ... und verkaufte sie an die Stadtwerke Konstanz. "Basta" wie der Schwabe da zu sagen pflegt. -ENDE Lindau-Konstanz / Götz + Rehfeld- M 01 kurzer Musikakzent Moderator Der 20. Jahrestag der deutschen Einheit neuerer Zeitrechnung liegt vor uns, die Geschichte hinter uns. Manchmal erzählen sich die Brüder und Schwestern noch Geschichten von dem Damals - wie das so war oder wie das nicht so war. Wie nah man immer einander war oder auch nicht. Und manchmal erzählt man sich dann auch die Geschichte, die davon handelt, dass hinter Wuppertal alles fremd war. Ostzone / Gehring - 1'49" M 01 Soul Bossa Nova (Quincy Jones) AUT Vom Rheinland aus betrachtet, ist alles jenseits von Wuppertal fremd. Genaugenommen beginnt gleich auf der anderen Rheinseite Sibirien. Und da will der katholische Rheinländer nicht hin. Er reist lieber nach Luxemburg (zum Steuern sparen), nach Holland (das sind zwar auch Heiden, aber sie haben ein Meer mit Strand) oder nach Frankreich. Frankreich - der Traum aller Rheinländer. Aus Frankreich kam der Entwicklungshelfer Napoleon, der das Rheinland mit einem Tritt in den Hintern in die Moderne beförderte. Und nach Frankreich reiste der Rheinländer Adenauer gerne, weil man ihn dort verstand. E 01 (Konrad Adenauer) "Ich habe also mit Herrn de Gaulle die denkbar besten Erfahrungen gemacht." AUT In der anderen Richtung lauerte auch nur... E 02 (Adenauer) " ... Soffjetrussland, das doch bis mitten in Deutschland steht." AUT Anders ausgedrückt: Sibirien beginnt auf dem rechten Rheinufer. Letztlich ist das für den Rheinländer noch heute so: Hinter dem Rhein wird es unrheinisch und damit unschön für den Rheinländer. Von Adenauer weiß man, dass er im Compartement seines Kanzlerzuges die Vorhänge zuzog, wenn er die Rheinbrücke überquerte, weil auf der anderen Rheinseite eben Sibirien beginnt. Oder wenigstens ... E 03 (Adenauer) "... Soffjetrussland ...". AUT Um das Elend keinesfalls sehen zu müssen, ließ sich der Rheinländer Adenauer im Herbst seines Seins in Rhöndorf am Rhein ein Haus bauen, auf dem sibirischen Ufer, zugegeben, aber mit einem perfekten Blick auf das Bundesdorf Bonn und freier Sicht nach Westen - und nicht einem Fenster Richtung Osten, denn an der Ostgrenze des Adenauer-Anwesens beginnt nun wirklich Sibirien. So tickt des Rheinländers Seele bis heute - sie ist gen Osten verschlossen. Wenn schon, dann wäre das Rheinland doch lieber mit Frankreich wiedervereinigt worden. Die Wacht am Rhein, sie ist unsterblich, doch die Macht sitzt jetzt an der Spree, also im tiefsten Sibirien, wo sie sich - seien wir ehrlich - bis heute nicht erholt haben von ... E 04 (Adenauer) " ... Soffjetrussland ..." -ENDE Sibirien / Gehring- M 01 kurzer Musikakzent Moderator Wir leben getrennt. Geteilte Orte landauf, landab. Grenzerfahrungen machten als Autoren Michael Frantzen, Barbara Roth, Uschi Götz, Christoph Gehring und Claus Stephan Rehfeld, der auch die Sendung moderierte. Morgen dann beschäftigt sich der Länderreport mit der Bewegungsfreiheit in Deutschland lebender Ausländer an konkreten Beispielen in Schleswig-Holstein und in Brandenburg. -ENDE Script Sendung- 1