Deutschlandradio Kultur Länderreport Wiege des Tierlebens Renthendorf und die Brehms Autor Lindner, Konrad Redaktion Stucke, Julius Länge 18'28'' Sendung 13.07.2012 - 13 Uhr 07 Das Pfarrhaus in Renthendorf war durch den Vogelpastor Christian Ludwig Brehm (1787 - 1864) ein Ort, wo junge Zoologen ein und ausgingen. Vater Brehm weihte auch seinen Sohn Alfred (1829 - 1884) in die Tierbeobachtung ein, der später die bis heute erfolgreichste Tierenzyklopädie verfasste. Die Tierbeobachtungen der beiden Brehms im Thüringer Wald wurden ein Stück Weltliteratur. Selbst Charles Darwin (1809 - 1882) stützte sich auf die subtilen Verhaltensbeobachtungen der beiden Zoologen. Im Zeitalter von Klimawandel und Artensterben sind das tierkundliche Erbe von Renthendorf und die Brehm-Gedenkstätte aktueller denn je... M A N U S K R I P T B E I T R A G Dietrich von Knorre Wir sagen ganz klar, dass Christian Ludwig Brehm zu den Altvätern der deutschen Ornithologie gehört. Uns bewegt es gegenwärtig ganz gewaltig, dass die Brehmgedenkstätte in Renthendorf in große existentielle Gefahr gekommen ist. Es kann nicht sein, dass so eine kleine Gedenkstätte vom Ach und Weh einer Gemeinde abhängig ist, die einfach unter den heutigen Situationen nicht mehr in der Lage ist, die Geldmittel aufzubringen, um diese Gedenkstätte zu pflegen. Sprecherin: Der Ornithologe Dietrich von Knorre aus Jena. Schildert er bei seinen Exkursionen die Lebensweise von Drossel oder Nachtigall, dann ist er allein schon durch die lateinischen Doppelnamen der gefiederten Tierchen schnell bei Vogelpastor Christian Ludwig Brehm aus Renthendorf angelangt. Die Singdrossel hat Vater Brehm entdeckt: Turdus philomelos Brehm. Aber auch die Bestimmung der berühmten Nachtigall geht auf Alfred Brehms Vater zurück: Luscinia megarhynchos Brehm. Am 1. April 2012 - erstmals nach 66 Jahren - wird die Brehm-Gedenkstätte in Renthendorf geschlossen. Dem Leiter der Gedenkstätte wird gekündigt. Nicht weil er schlecht gearbeitet hat, sondern weil kein Geld da ist. Mit dieser Situation findet sich weder der Verein Thüringer Ornithologen noch der Förderkreis der Brehm-Gedenkstätte ab. Im Frühjahr hagelt es Proteste. Ab Juni ist die Gedenkstätte wieder offen, aber ihre Zukunft ist noch lange nicht gesichert. Daher mischt sich auch Dietrich von Knorre ein. Der Biologe im Unruhestand gehört dem Förderkreis der Brehm-Gedenkstätte in Renthendorf an, der 1990 gegründet wurde. Gemeinsam mit vielen weiteren Brehm-Freunden innerhalb und außerhalb von Thüringen setzt sich der Biologe vehement, aber auch mit Fingerspitzengefühl dafür ein, die Gedenkstätte am authentischen Ort zu erhalten. Dietrich von Knorre Die Brehm-Gedenkstätte ist eigentlich eine Gedenkstätte von nationalem Rang. Es muss endlich mal an höherer Stelle begriffen werden, dass Deutschland nicht nur Goethe, Bach ist und Luther, sondern dass es, auch für die Biodiversität, gerade wenn es um die Biodiversität geht, es Vorläufer gibt, die in Thüringen uns die Augen geöffnet haben. Und da zählt Christian Ludwig Brehm auf dem Gebiet der Ornithologie zu einem ganz gehörigen Maß mit dazu und andererseits sein Sohn Alfred Brehm, der als populärer Schriftsteller gerade für die Arbeiterbildungsvereine eine entscheidende Rolle gespielt hat, der die Natur den Menschen nahe gebracht hat mit seinen vielen Aufsätzen und mit seinem "Tierleben". Zitator: Es ist ein eigenes Geschick, dass sein thatkräftiges und arbeitssames Leben, während dessen er vier Erdteile gesehen und durchforscht hatte, an demselben kleinen Orte im grünen Thüringerlande erlosch, an welchem er einst geboren wurde. Sprecherin: Für Brehm-Freunde in aller Welt ist Renthendorf ein besonderer Ort. Die Wiege von "Brehms Thierleben". Der Ornithologe und Mitbegründer des Naturschutzbundes Nabu, Josef H. Reichholf, schreibt in dem Buch "Brehms verlorenes Tierleben". Zitator: "Brehms Tierleben" hat erstmals eine wirklich große neuzeitliche Zusammenfassung des Wissens über die Tierwelt angeboten. Sprecherin: Global denken und lokal handeln, ist die Devise der Brehms in Renthendorf. Damals schon. Bereits sie erkennen, dass man sich mit der Ausrottung der Arten durch den Menschen nicht abfinden kann. Doch erhalten kann man nur, was man begriffen und gesehen hat. Deshalb ist es von Kindheit an wichtig, die Artenkenntnis zu entwickeln. Bereits Pastor Brehm leitete sowohl seine Söhne als auch viele weitere Tierfreunde bei der Beobachtung der Natur an. Wer es zu Beginn des 21. Jahrhunderts ernst meint mit der Erinnerung an die Entdeckung der biologischen Vielfalt, der wird einmal in seinem Leben den Landsitz Down von Charles Darwin in England besuchen, der sollte aber auch Renthendorf - die Wirkungsstätte von Christian Ludwig Brehm - in Thüringen aufsuchen. In den Wäldern von Ostthüringen kann man heute wieder den Singvogel belauschen, den Vater Brehm besonders gern hatte Zitator: "Der Kolkrabe", sagt mein Vater, welcher ihn vor nunmehr fast sechzig Jahren in noch unübertroffener Weise beschrieben hat, "lebt gewöhnlich, also auch im Winter, paarweise. Die in Nähe meines Wohnortes horstenden Paare fliegen im Winter oft täglich über unsere Thäler weg und lassen sich auf den höchsten Bäumen nieder. Hört man den einen des Paares, so braucht man sich nur umzusehen: der andere ist nicht weit davon. Sprecherin: Alfred Brehm zitiert im Porträt des Kolkraben ausführlich seinen Vater. Er zieht im Vogelband des "Thierlebens" das frühe Werk seines Vaters "Beiträge zur Vögelkunde" aus dem Jahr 1822 heran. Über Jahrhunderte wurde der Kolkrabe als angeblicher Schädling der Landwirtschaft und Jagd rücksichtslos verfolgt, wogegen die Brehms leidenschaftlich stritten. Umso erfreulicher ist, dass in den letzten Jahrzehnten diese stattlichen Vögel von Osteuropa her bis nach Thüringen einwanderten. Um die Gedenkstätte im idyllischen Renthendorf hat sich in den zurückliegenden 20 Jahren ihr Leiter Jörg Hitzing mit großem Einsatz gekümmert. Dem gebürtigen Renthendorfer gelang es, die Sammlung der Briefschaften von Alfred Brehm zu vervollständigen. Mit Erfolg bemühte er sich darum, möglichst alle Drucke von "Brehms Thierleben" zusammen zu tragen und in seinem Heimatdorf anschaulich zu versammeln. Jörg Hitzing Wir haben hier - bei uns in der Ausstellung zu sehen - die Exemplare, die sechs Bände, die Alfred Brehm selber gehabt hat von seiner ersten Auflage. Mit seinen handschriftlichen Korrekturen, dann auch schon in Gabelsberger Stenographie, und unterschiedlich gebunden, weil nämlich die erste Auflage ist dann wie die zweite und viele andere Sammelwerke dieser Zeit in Einzelheften erschienen. Und das ist aber so ein Punkt, der mit dazu bei getragen hat, dass eben Brehms Tierleben mit zu einem Volksbuch geworden ist. Weil diese Einzelhefte, das konnten sich viel mehr Leute leisten als diese gebundenen Exemplare. Sprecherin: Das Handexemplar des "Illustrirten Thierlebens" von Alfred Brehm ist eine Buchrarität aus dem 19. Jahrhundert, die kein Museum der Welt vorzuweisen hat und die allein in Renthendorf besichtigt werden kann. Zu den Schätzen in der Brehm-Gedenkstätte gehören aber auch originale Möbel. Zum Beispiel der Schreibtisch von Brehms Frau, Mathilde Elise Reiz. Jörg Hitzing Das ist der Schreibtisch seiner Frau. Die eben hier an diesem Schreibtisch auch unwahrscheinlich mit zugearbeitet hat, mit unterstützt hat, dass das 'Brehms Tierleben' erscheinen kann. Denn wenn er vormittags seinen Direktorengeschäften nachgegangen ist, hat sie das früh Diktierte von ihr in Stenografie Geschriebene in Langschrift übertragen, was Brehm am Nachmittag noch mal korrigiert hat. Sprecherin: Nach dem 1. April 2012 war erst einmal alles dicht. Keine Führungen mehr durch die Brehm-Gedenkstätte. Dafür aber viel Sorge bei nicht wenigen Brehm-Freunden. Großer Redebedarf. Auch große Unsicherheit. Im Juni zeichnete sich ein Um- und Durchbruch ab. Der Museumsverband Thüringen tagte in Renthendorf. Die Bürgermeister der Region begannen zu handeln. Sechs Gemeinden im Umfeld von Renthendendorf schlossen sich zum Zweckverband Brehm-Stätte zusammen. Zum Chef des Verbandes wurde Volker Bauer gewählt. Der Bürgermeister von Tautendorf. Auf dem Hof der Familie Bauer in Tautendorf gibt es wie überall in den Tälerdörfern bis heute Brehmspuren. Volker Bauer Meine Ururgroßmutter stammte ehemals aus Renthendorf. Eine geborene Ida Weiser. Mein Großvater erzählte mir immer - in frühester Kindheit; da war ich auch schon in der Brehm-Gedenkstätte -, dass die Ida Weiser - 1866 nach Schönborn geheiratet und 1842 geboren - beim Christian Ludwig Brehm in die Konfirmandenstunde gegangen ist. Sprecherin: Eine Lösung für das Problem hat der Zweckverband Brehm, den Volker Bauer leitet, nicht in der Tasche. Dazu ist die Angelegenheit zu kompliziert, auch zu teuer. Aber der geschlossene Bund der Gemeinden verkörpert den politischen Willen der sechs Tälerdörfer im Umkreis von Renthendorf. Volker Bauer Die Gemeinde Renthendorf konnte die finanzielle Last des Ganzen nicht mehr tragen. Und drum haben wir uns als Dörfer der oberen Tälerdörfer zusammen gefasst, um das auf breitere Schultern zu fassen und dort eine Lösung zu finden, dass wir auch dauerhaft dieses wichtige kulturelle Erbe für die Region und für Thüringen erhalten können. Sprecherin: Fährt Volker Bauer nach Renthendorf, ist das immer auch eine Fahrt in seine Kindheit. Hier ging er in die Brehm-Schule, heute ein Schullandheim. Von dort führt der Weg hinauf zum Friedhof und zur Kirche. Rechter Hand das Pfarrhaus, in das Christian Ludwig Brehm Ende 1812 einzog. Auf einer Tafel: die Lindenrede, die Alfred Brehm seinem Geburtsort Renthendorf gewidmet hat. Zitator: Im grünen Thüringerlande liegt ein Kirchdorf, unweit der Kirche steht das Pfarrhaus; neben ihm erhebt sich eine uralte Linde. In dem Pfarrhaus bin ich geboren; unter der Linde habe ich die Spiele der Kindheit gespielt. Im Hause und unter der Linde hat der Mensch, welchen ich am höchsten verehre, mein unvergesslicher Vater, mich gelehrt, unterrichtet, erzogen, unter ihr von mir Abschied genommen, wenn ich auszog, unter ihr mich begrüßt, wenn ich heimkehrte. Die Linde ist für mich zum heiligen Baum geworden. Sprecherin: Der Weg hinauf zur Kirche atmet Geschichte, denn Alfred Brehm machte aus Renthendorf nicht weniger als Weltliteratur. Seine große Tierenzyklopädie wurde in fast alle Sprachen Europas übersetzt und erreichte das breite Publikum von Spanien bis Russland. Alfred Brehm schrieb nicht nur in der Sprache der Wissenschaft über das Verhalten der Tiere. An vielen Stellen seiner Tierbände berichtet er über das Dorfleben in Renthendorf - Episoden aus dem Alltag. Aus einem Dorf in Ostthüringen und aus dem bäuerlichen Umgang mit Haustieren machte Brehm nicht nur einen Sachbericht, sondern auch volksnahe Poesie. In seinem Porträt der Hauskatze erzählt er zum Beispiel, dass die Katze seiner Eltern im Mai 1859 geworfen hatte. Zitator: So mochten ungefähr drei oder vier Wochen hingegangen sein, da erscheint sie plötzlich bei meiner Mutter, schmeichelt und bittet, ruft und läuft nach der Thüre, als wolle sie den Weg weisen. Meine Eltern folgten ihr nach, sie springt erfreut über den Hof weg, verschwindet auf dem Heuboden, kommt über der Treppe zum Vorscheine, wirft von oben herab ein junges Kätzchen auf ein Heubündel, welches unten liegt, springt ihm nach und trägt es bis zu meiner Mutter hin, zu deren Füßen sie es niederlegt. Sprecherin: Die kleine Straße zur Kirche, in der Vater Brehm predigte und in der sein Sohn Alfred 1829 getauft wurde, ist nach wie vor von Linden umrahmt. Rechts unten das geräumige Pfarrhaus, das nicht nur die vielköpfige Familie, sondern auch die große Vogelsammlung von Christian Ludwig Brehm beherbergte. Links oben die gut restaurierte Pfarrscheune. Ein Stückchen weiter höher dann das Haus, das Alfred Brehm nach dem Tod des Vaters für die Mutter bauen ließ. Volker Bauer - Bürgermeister von Tautendorf - öffnet die Pforte zum Friedhof und tritt im Schatten der Bäume an eine Grabstelle. Volker Bauer Wir stehen an ganz historischer Stätte. Dies ist das Familiengrab der Familie Brehm. Hier sind der Vogelpastor, Alfred Edmund Brehm und weitere Angehörige beerdigt. Sprecherin: Volker Bauer, der Chef des Zweckverbandes Brehm, bringt am Grab der Familie Brehm auf den Punkt, worauf es ihm und dem Zweckverband ankommt. Volker Bauer Die Brehms haben hier nicht nur Regionalgeschichte geschrieben. Sie haben auch Thüringer Geschichte geschrieben. Ich denke zu einem großen Teil fast auch Weltgeschichte. Im Rahmen ihrer Tätigkeit für die Ornithologie und die Tierkunde weltweit bekannt geworden. Sprecherin: Und deshalb will der Zweckverband die Brehm-Gedenkstätte erhalten und für die Besucher attraktiver machen. Das geht nicht ohne bauliche Sanierung, aber auch nicht ohne geistige Investition. Aus dem inzwischen verstaubten und altbackenen Museum muss erst einmal eine moderne Gedenkstätte werden. Beim Maibaumsetzen Pfingsten 2012 reden die Renthendorfer über die Brehms und vor allem über die Zukunft der Gedenkstätte. Arnfried Richter. Arnfried Richter Wenn ich zum Beispiel im weit entfernten Grieben in der Uckermark, in diesem Nationalpark Unteres Odertal, das Museum anschaue, dann finde ich Querverweise zu Christian Ludwig Brehm. Der Begründer der Ornithologie. Wenn ich in Berlin-Friedrichsfelde das Raubtierhaus anschaue, dann sehe ich das Brehm-Haus. Nach Alfred Edmund Brehm benannt. Und hier an der ursächlichen Wirkungsstätte müsste mehr Engagement von vielen, vielen Seiten eingebracht werden, dass dieses Haus in seiner Bedeutung erhalten bleibt, erst mal. Das ist erst mal das Vordringlichste. Sprecherin: Die Bürgerinnen und Bürger in Renthendorf müssen nicht über die Bedeutung der Brehms aufgeklärt werden. Aber sie sind auch nicht zufrieden mit der Qualität und Wirksamkeit der Gedenkstätte. Johannes Richter wohnt nicht mehr in Renthendorf, aber er ist hier geboren und ging hier in die Brehmschule. Seine Meinung zur Schließung. Johannes Richter Auf der einen Seite ist es natürlich ärgerlich für die Brehm-Gedenkstätte, auf der andern Seite ist es meiner Meinung nach verdient. Weil so ein Museum sich ein bisschen den Gegebenheiten anpassen muss. Und wenn sich die Inhalte über Jahrzehnte kaum ändern, dann ist es natürlich nicht mehr so attraktiv. Sprecherin: In der Gedenkstätte werden beide Brehms in Text und Bild anschaulich und gut vorgestellt. Aber es fehlt das Element der Unterhaltung. Die modernen Naturkundemuseen setzen auf Interaktion und Spiel bei der Auseinandersetzung mit dem Leben der Tiere in Nah und Fern. Das Wissen über die Vielfalt der Arten und ihre Gefährdung durch Klimawandel und Ausrottung ist nötiger denn je, aber die Präsentation muss auch unterhaltsam sein. Immerhin machte gerade Alfred Brehm aus der Tierbeobachtung ein Abenteuer. Er ahmte zum Beispiel den Kuckuck nach wie kein Zweiter. Brehm reiste 1860 auf Kosten des Journals "Die Gartenlaube" als rasender Reporter zu den Vogelbergen im Hohen Norden von Norwegen. Er verstand es, außerordentlich spannend zu erzählen und er setzte gerade auch im "Thierleben" auf hervorragende Tierzeichner. Der Ende 2010 viel zu früh verstorbene Tierfilmer und Germanist Andreas Schulze über das Prinzip Unterhaltung in "Brehms Thierleben". Andreas Schulze Das Erfolgsgeheimnis von "Brehms Thierleben" ist darin zu suchen, dass es einen unwahrscheinlich suggestiven Stil hat. Hier ist also auf spannende und gut verständliche Art und Weise das Leben der Tiere beschrieben worden. Und "Brehms Thierleben" hat viele Elemente der Trivialliteratur, des Reiseberichts, der Fabel usw. miteinander verbunden und ist deshalb sehr unterhaltsam zu lesen. Sprecherin: Der Ansatz des Zweckverbandes Brehm-Stätte Renthendorf: Die Gedenkstätte soll nicht nur für die Wissenschaft da sein, sondern für eine breitere Öffentlichkeit. Zum Brehm-Gedenken gehört heute eine jugendgemäße natur- und volkskundliche Bildungsarbeit. Wer diesen Ansatz Ernst nimmt, kann bei einem der tüchtigsten Naturforscher der Neuzeit in die Lehre gehen: Bei Charles Darwin. Kaum ein Forscher vor Darwin interessierte sich derart für Sex und Liebe bei Pflanzen und Tieren wie der englische Biologe. Aber auch Pastor Brehm in Renthendorf war kein prüder Mann, sondern ein bodenständiger Protestant, den getreu der Tradition der klassischen Naturgeschichte gerade auch die Annäherung der Geschlechter heftig interessierte. Den Liebestanz des Birkhahns zum Beispiel beschrieb Pastor Brehm in einer Präzision und Anschaulichkeit, die Darwin auf seinem Landsitz Down begeisterte. In seinem Buch über "Die Abstammung des Menschen" von 1871 stützt sich Darwin auf das "Illustrierte Thierleben", um die sorgfältigen Beobachtungen von Vater Brehm in Thüringen weiter zu erzählen. Zitator: Der Vogel bringt fast unaufhörlich die seltsamsten Töne hervor, richtet seinen Schwanz auf, breitet ihn fächerartig aus, steckt Kopf und Hals in die Höhe, wobei die Federn gesträubt sind, und breitet seine Flügel aus. Dann macht er einige Sprünge nach verschiedenen Richtungen, zuweilen im Kreise, und presst den unteren Teil seines Schnabels so fest an den Boden, dass dadurch die Kinnfedern abgerieben werden. Während dieser Bewegungen schlägt er mit den Flügeln und dreht sich rundum. Je erregter er wird, desto lebhafter wird er auch, bis er zuletzt wie toll erscheint. Sprecherin: In Thüringen gab es im 19. und noch im 20. Jahrhundert Birkhühner. Sie besiedelten Reviere der Rhön sowie Kammlagen vom Thüringer Wald und das Schiefergebirge. Der Brehm'sche Schatz an Vogelpräparaten befindet sich heute zu einem Teil in New York im American Museum of Natural History und zum anderen Teil im Zoologischen Forschungsmuseum Alexander Koenig in Bonn. In Bonn können die heimischen Vögel besichtigt werden, die aus den Wäldern um Renthendorf stammen, wo Christian Ludwig Brehm sein Jagdrevier hatte. Inzwischen ist die Brehm-Gedenkstätte wieder geöffnet. Vielleicht können die von Vater Brehm präparierten Kolkraben, die sich noch in New York befinden, und einige der Feldlerchen, die in Bonn aufbewahrt werden, eines Tages auch wieder am Ursprungsort in Renthendorf besichtigt werden. -E N D E- 9