Andrea Lueg/Kate Maleike Gehirnschmalz statt Grubengold Wie sich das Ruhrgebiet vom Kohlerevier zum Wissenschaftsstandort mausert Dossier, 10. August 2007, 19.15 bis 20.00 Uhr Länge: 44,44 min ----------------------------------------------------------------------------------------------- Musik Glückauf Atmo O-Ton Ruhrtour Gerd Hille ?Hier sind wir also auf der Glückaufstraße, Glückauf ist ja der Bergmannsgruß und hier rechts sehen Sie diese Bergmannssiedlung? Sprecherin: Wenn Gerd Hille, pensionierter Ingenieur und passionierter Führer von Reisegruppen mit Besuchern durchs Revier fährt, dann geht es immer um die Relikte aus der großen Zeit der Montanindustrie: Um Zechen, Fettkohle und Kokerei, um Stahlkocher und Gasometer, um Waschkauen und Fördertürme. Atmo O-Ton Ruhrtour Gerd Hille ?Wenn Sie jetzt mal rechts rüberschauen, sehen Sie den Schacht 128, das ist der Gründungsschacht der Zeche Zollverein, hier fing alles viel früher an, als wo wir hier stehen. Hier wurde 1847 von Haniel ein Grubenfeld gesichert von dreizehn komma zwei Quadratkilometer Grösse. Und 1851 hat er sich dort am Schacht 128 praktisch die erste Kohle geholt, mit Hilfe der Dampfmaschine.?. Sprecherin: Aber es geht auch um viel mehr als um diese vergangene Zeit, als um das Klischee vom Grau inGrau des Ruhrgebiets, wo Männer mit Schmutzresten um die Augen abends ihr Butterbrot aßen und Frauen die Wäsche nur nach draußen hängten, wenn der Wind aus der richtigen Richtung kam, weil sie sonst schneller wieder dreckig als trocken war. Wo das Leben im Grunde unter Tage, unter der Erde stattfand. Atmo/Musik Sprecher: Gehirnschmalz statt Grubengold Wie sich das Ruhrgebiet vom Kohlerevier zum Wissenschaftsstandort mausert Eine Sendung von Andrea Lueg und Kate Maleike Sprecherin: Gerd Hille zeigt was, aus all den verlassenen Bauten der Montanindustrie geworden ist, aus der Zeche Zollverein, einst größte Zeche Europas, heute Design- und Tanzzentrum, Veranstaltungslocation und eine der sogenannten Kathedralen der Industriekultur, die Besucher von nah und fern anlockt. Oder aus dem Gasometer der Gutehoffnungshütte in Oberhausen, aus der Jahrhunderthalle in Bochum, aus dem Landschaftspark im Duisburger Norden, ein stillgelegtes Hüttenwerk. Alles Stationen der Route der Industriekultur, inzwischen ein Klassiker für alle, die das neue Revier kennenlernen wollen. Die Denkmäler der Industriekultur, oft in monumentaler Architektur, sind zu Symbolen für den Strukturwandel im Ruhrpott geworden. Dafür, wie man hier versucht, nach dem Niedergang der Industrie etwas Neues zu schaffen, ohne das Alte zu verleugnen. Atmo O-Ton Ruhrtour Gerd Hille ?Und da hinten haben wir die neue Design Stadt. Also Sie sehen, früher haben wir hier Kohle gewonnen, heute Kunst, Kultur, Konzerte.? Sprecherin: Das Bild vom Ruhrpott als einer einzigen schmuddeligen Grube war schon immer ein Klischee. Es gab mehr als Schächte und Stahlkonzerne, mehr als nur Schuften und schlechte Luft. Aber ein Ort für höhere Bildung, für Universitäten war das Revier nicht. Und mit Forschung verband den Pott ganz zurecht niemand. Atmo Glockenschlagen Schichtbeginn Sprecherin: Historisch war das Ruhrgebiet in Sachen Forschung und Entwicklung lange Zeit gehandicapt. Zweihundert Jahre lang war die Region von der Schwerindustrie geprägt, keinerlei wissenschaftliche Forschungseinrichtung weit und breit. Pott, der Begriff kommt von Pütt, der regionalen Bezeichnung für ein Bergwerk, auf Englisch Pit, die Grube. In der Grube verdiente man sein Geld oder im Stahlwerk und da lag auch lange Zeit die Zukunft. Atmo Ruhrkohle-Chor ?Unter Tage? Sprecherin: Es gab zwar durchaus herausragende Erfinder-Unternehmer wie zum Beispiel Franz Dinnendahl, der 1803 die erste Dampfmaschine im Ruhrgebiet baute. Aber während sich kleinere Residenzstädte oder Bischofsstädte schon längst mit einer Universität schmückten, wollte Kaiser Wilhelm II. im Revier keine wissenschaftliche Einrichtung. Er fürchtete, frische demokratische Ideen könnten auf die Arbeiterschaft im industriellen Zentrum Deutschlands ausstrahlen. Und deshalb entstand die erste wissenschaftliche Einrichtung von Rang erst 1912: das Kaiser-Wilhelm Institut für Kohle-Forschung in Mülheim an der Ruhr. Das besteht übrigens immer noch, unter dem Dach der Max-Planck Gesellschaft forscht man heute im Bereich Katalysatorentechnik. Doch das Institut für Kohleforschung blieb noch lange eine Ausnahme. Wer im Revier lebte, der war im Zweifelsfall Arbeiter. Lebens- und Bildungsläufe blieben über Generationen ähnlich. O-Ton Harry Müller ?Ich heisse Harry Müller und aus der Familie meiner Frau war der Urgroßvater schon Bergmann, Großvater, Vater natürlich und mein Sohnemann fing 1977 hier auf der Zeche an und nach abgeschlossener Lehrzeit gab ich ihm den Rat, schul auf Bergmechaniker um und werd Grubensteiger, was der Alte gemacht hat, das kannst du auch und das hat er dann auch gemacht.? O-Ton Prof. Peter Strohmeier ?Das Ruhrgebiet war traditionell ne Region wo sie mit ner relativ einfachen Schulbildung einen sicheren Arbeitsplatz finden konnten, wenn sie ein Mann waren. Das Ruhrgebiet hat traditionell eine sehr niedrige Frauenerwerbsquote gehabt. Man konnte auf der Zeche noch als Ungelernter beginnen und hat dann im Laufe der Zeit seinen Facharbeiterbrief, seinen Hauerbrief erworben, und wenn man das nicht machte, dann war es auch gut.? Sprecherin: Erklärt Professor Peter Strohmeier. Er leitet das Zentrum für interdisziplinäre Ruhrgebietsforschung in Bochum, das sich mit den sozialen Lebensbedingungen im Revier beschäftigt. O-Ton Prof. Peter Strohmeier ?Im Ruhrgebiet ist es so, Sie hatten immer ne kleine Mittel- und Oberschicht und die große Mehrheit lebte in Familien solcher einfacher Arbeiter.? Sprecherin: Und lebte so ganz gut. Ende der 50er Anfang der 60er Jahre ging aber die Nachfrage nach Steinkohle zurück, weil billiges Erdöl auf den Markt kam. Die ersten Zechen wurden stillgelegt ? und die gut organisierten Bergarbeiter marschierten 1959 in die damalige Bundeshauptstadt Bonn. historischer O-Ton Herbst 1959 / Trommeln ?Der Marsch der Bergleute durch Bonn hat begonnen. Vier Trommler eröffnen den Zug und dann folgen dicht aufgeschlossen die Bergleute, die heute aus dem gesamten Revier in einer Sternfahrt nach Bonn gekommen sind. ?Was versprechen Sie sich von diesem Protestmarsch durch Bonn? Ja vor allen Dingen den Ausgleich für die verfallenen Feierschichten und damit die Kündigungen mal aufhören, damit das mal endlich. Vor allem wollen wir wissen, welche Zechen mal stillgelegt werden, damit wir auch wissen wo wir dran sind.? Sprecherin: Als dann in den 70er Jahren auch noch die Stahlindustrie unter Druck geriet, waren die Folgen für das Revier dramatisch. Es gingen mehr Arbeitsplätze kaputt, als sich die Bergarbeiter 1959 in ihren schlimmsten Alpträumen ausgemalt hätten. Hunderttausende. Das Ruhrgebiet fiel in seiner wirtschaftlichen Entwicklung hinter den Durchschnitt im Bundesgebiet zurück. Anstelle der Montanindustrie mußten andere Wirtschaftszweige gefunden und angelockt werden, die neue Arbeitsplätze schaffen konnten. Die Errichtung von Hochschulen war dabei ein entscheidender Schritt. Atmo O-Ton Ruhrtour Gerd Hille ?Wenn Sie jetzt mal rechts rübersehen, der große Vorlesungssaal, dahinter die Universität von Duisburg-Essen. Wir haben aber auch eine Fernuniversität in Hagen und die erste Neugründung auch einer privaten Universität in Witten-Herdecke. Und mit rund 14 Hochschulen sind wir damit die dichtbevölkertste Hochschullandschaft von Europa geworden mit über 200 000 Studenten. Also auch hier ein deutlicher Wandel.? Atmo Auszug/Imagefilm ?Das Ruhrgebiet? Sprecherin: Am 18. Juli 1961 beschloss der Landtag von Nordrhein-Westfalen die Errichtung einer Universität. 1965 nahm die Ruhruni Bochum dann als Erste den Lehrbetrieb auf. Sie ist heute die größte Hochschule des Reviers. Es folgten Dortmund, Duisburg und Essen, mittlerweile fusioniert zur Universität Duisburg-Essen. Hinzu kamen die einzige Fernuniversität und die erste private Universität Deutschlands, zahlreiche kleinere Fachhochschulen, ausserdem drei Max-Planck-Institute, vier Fraunhofer Institute und viele weitere Forschungseinrichtungen. Alle Hochschulen hatten den expliziten Auftrag, den Arbeiterkindern der Region die Chance auf bessere Bildung zu eröffnen. Und bis heute stellen Söhne und Töchter aus der Region das absolute Gros der Studierenden in Duisburg, Dortmund, Essen und Bochum. Atmo Umfrage/ Studierende Warum studieren Sie hier? ?Wir kommen aus der Nähe? weil ich hier wohne? Studienangebot gut? ich find?s schön hier? Sprecherin: Heute ist die soziale Herkunft in Deutschland das bestimmendste Merkmal dafür, ob man eine höhere Bildungskarriere macht oder nicht. Das ist auch im Ruhrgebiet so. Dennoch absolvieren hier heute weit mehr Menschen ein Studium als früher. Die Bildung ist ein entscheidender Aspekt des Strukturwandels. Dort wo neue Arbeitsplätze entstanden, sind es oft solche, die hohe Qualifikation erfordern. Wer im Revier Erfolg und Perspektive hat, hat das aufgrund seiner Bildung. So entwickelt sich eine Mittelschicht . Atmo Auszug/Imagefilm ?Das Ruhrgebiet? Sprecherin: Doch nicht jeder konnte dabei Schritt halten. Genauso wie ein neue Mittelschicht entstand im Pott auch eine neue Schicht von wenig gebildeten und Armen, und die hat mit der Arbeiterschaft von früher nur noch wenig gemein. O-Ton Prof. Peter Strohmeier ?Es gibt heute eine Unterschicht, die nicht nur bildungsfern ist oder mit einer einfachen Schulbildung ausgestattet, wie die Unterschicht noch vor 20/30 Jahren. Es ist heute so dass diejenigen die keine Schulbildung oder eine einfache Schulbildung haben, eine sehr geringe Chance auf nen Arbeitsplatz in der Region habe. Ein Arbeitsplatz ist ja sowas wie ein Platz in der Gesellschaft, woraus man Anerkennung bezieht, an den sich soziale Bindungen und soziale Verpflichtungen anknüpfen. Weil also der Arbeitsmarkt Bergbau und Montanindustrie, der auch offen war für Menschen mit geringer Qualifikation, so gut wie vollständig weggebrochen ist.? Sprecherin: Neue Jobs sind zwar entstanden, doch die reichen bisher nicht aus und vor allem können davon längst nicht alle profitieren. O-Ton Umfrage Duisburg ?Strukturwandel heißt, dass durch die globalisierte, durch die Modernisierung eben die großen Firmen alle wegrationalisiert worden sind. Und dadurch auch sehr viele Arbeitslose entstanden sind. Das ist bei uns auf der Firma auch so gewesen, dass eben die großen Werke in Duisburg alle geschlossen haben,? ne .// ?Ich sehe da sehr große Probleme.Wenn man zum Beispiel den neuesten Sozialbericht der Stadt sieht mit 72.000 betroffenen Leuten, die von Arbeitsosigkeit betroffen sind, mit ihren Angehörigen von Hartz IV leben und das Durchschnitteinkommen der Duisburger bei 15.000 Euro liegt, im Jahr, dann finde ich das sehr dramatisch.//In arbeitstechnischen Dingen, da musse sagen: Wo willse hier in Duisburg noch Arbeit finden. Dat is enttäuschend für mich.? O-Ton Prof. Peter Strohmeier ?Die Tragik dieser Region ist eigentlich, dass Sie einen besonders hohen Anteil an Bevölkerung mit ner relativ geringen Qualifikation haben. Das trifft die vielen Migranten, türkischstämmige Migranten, die also ursprünglich hier im Bergbau gearbeitet haben. Der Bergbau ist weg, aber die Migranten und ihre Kinder sind noch das. Es betrifft den Nachwuchs der Generation von Bergleuten und Hüttenarbeitern, die so ähnlich wie ihre Eltern überwiegend eben auch nur eine einfache Schulbildung haben. Bildungsabschlüsse werden immer noch in Familien sehr stark vererb. Und für dieses einfache Qualifikationsniveau gibt es als Begleiterscheinung des Strukturwandels, der ne Menge qualifizierter Jobs geschaffen hat, gibt es tatsächlich zuwenig Arbeitsplätze in dieser Region.? Musik Ruhrpott-Rap Sprecherin: Wie man die Ghettoisierung der bildungsfernen Familien aufhalten, wie man den Jugendlichen ohne Schulabschluss eine Perspektive eröffnen kann, dafür hat niemand ein Patentrezept. Aber klar ist: Bildung ist der Schlüssel, um Chancen aufzutun. Und es muss darum gehen, Kindern möglichst früh, möglichst gute Bildung zu verschaffen und zwar in allen Teilen der Städte. Strohmeier setzt hier auf die im Ruhrgebiet traditionell starke Solidarität unter den Bewohnern. Es gebe immer mehr Bildungspatenschaften erzählt er zum Beispiel, in denen Akademiker jungen Leuten ohne Ausbildung helfen. Und man arbeitet an einer sinnvollen und fördernden Ganztagsbetreuung in den Schulen. Atmo Auszug/Imagefilm ?Das Ruhrgebiet? Sprecherin : Der Pott hat keine große Bildungstradition, aber man hat erkannt, daß das Revier mehr zu bieten hat, als beeindruckende Industriearchitektur, als die Nostalgie von Schacht und Schicht. Bildung, Forschung und Entwicklung sollen in einer wissensbasierten Wirtschaft zum Jobmotor werden. Und dabei orientieren sich die Hochschulen an Schätzen und Grundlagen, die es in der Region aufgrund ihrer Geschichte und bisherigen Entwicklung gibt. Und setzt an manchen Stellen noch eins drauf. Atmo O-Ton Ruhrtour Gerd Hille ?Die Verkehrsdichte ist hier sehr groß, wir haben zum Teil auf der A40 im Bereich Essen, Bochum 130.000 Kraftfahrzeugeinheiten pro Tag.? Sprecherin: Es gibt viel mehr, voraus man schöpfen kann im Ruhrgebiet, als um die Kohle und Stahlindustrie. Atmo O-Ton Ruhrtour Gerd Hille ?Wir haben ausch ein ausgedehntes Schienennetz und ein groß angelegtes Wassernetz. Und hier überqueren wir den Rhein Herne Kanal und parallel dazu die Emscher... Sprecherin: Zigtausende Kilometer Autobahn, ein riesiges Verkehrsnetz aus Schien und Wasserwegen. Nicht von ungefähr ist Logistik deshalb ein klares Forschungsfeld der Zukunft. An der Uni Duisburg-Essen gibt es bundesweit den einzigen Lehrstuhl für die Physik von Transport und Verkehr. Hier sitzt nicht nur Deutschlands bekanntester Stauforscher. Viele der größten Logistik-Unternehmen im Land sind hier angesiedelt und geben vielen Menschen Arbeit. Der Dienstleistungsbereich entwickelt sich ebenfalls positiv als Jobmotor, bestätigt Bernhard Lagemann vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung in Essen O-Ton Bernhard Lagemann ?Es sind also in den Dienstleistungssektoren Arbeitsplätze entstanden, erstaunlicherweise ist aber auch in einigen Bereichen des verarbeitenden Gewerbes in jüngster Zeit eigentlich eine ganz positive Entwicklung zu beobachten, verarbeitendes Gewerbe wie Maschinenbau beispielsweise.? Sprecherin: Punkten, wenn auch nicht mit neuen Arbeitsplätzen, kann der wachsende Wissenschaftsstandort Ruhrgebiet mit einer Reihe von Orchideenfächern. Unter einem Dach findet man einige von ihnen im DBM, dem Deutschen Bergbaumuseum in Bochum. Hier hält man nämlich nicht nur das Leben unter Tage für die Nachwelt lebendig, sondern beschäftigt sich parallel dazu wissenschaftlich mit dem, was der Bergbau hinterlassen hat. Auf den Spuren des frühen Bergbaus findet begegnet man den Wissenschaftlern des DBM inzwischen weltweit. Sie erforschen aber zudem die Geschichte des Montanwesens in Deutschland, im Siegerland etwa und an der Ruhr. Sie kümmern sich aber auch um die Dokumentation und den Erhalt von Kulturdenkmälern. All dies geschieht eng verzahnt mit der Ruhr-Universität in Bochum, erzählt Museumsdirektor Prof. Rainer Slotta. Man unterhalte nicht nur einen Kooperationsvertrag, der das Zusammenarbeiten und die gemeinsame Forschung regele. Zusätzlich gebe es ? O-Ton Prof. Rainer Slotta ?eine gemeinsame Berufung, das heißt der Forschungsbereichsleiter Montangeschichte am Bergbaumuseum ist gleichzeitig der Inhaber des Lehrstuhls für archäologische Wissenschaften an der Ruhr-Universität. Darüber hinaus haben wir einen gemeinsamen Studiengang eingerichtet, Rohstoff-Archäologie, in den also mehrere Mitarbeiter unseres Hauses eingebunden sind und auch dort Vorlesungen halten. Der Leiter unseres Bergbau-Archivs lehrt an der Ruhr-Universität Archivkunde. Und so sind also 5-6 unserer wissenschaftlichen Mitarbeiter doch ständig in die Universität eingebunden.? Atmo/ Labor Präparator Sprecherin: Erdgeschoss? im Haus 5 des Deutschen Bergbaumuseums. Hier landen verschiedenste Proben der internationalen bergbaulichen Forschungsprojekte auf dem Tisch von Andreas Ludwig, dem geowissenschaftlichen Präparator. Er bereitet die Proben für die Untersuchungen der Wissenschaftler vor, sägt, schleift, klebt, montiert sie hauchdünn auf Glästräger O-Ton Andreas Ludwig ?Das ist eine Grabung im Siegerland, die die Montanarchäologen zur Zeit durchführen. Das sind überwiegend Schlacken und Ofenwandungen und richtige Verhüttungsprodukte, die dann auch untersucht werden und Erzproben.? Atmo ? Treppengetrampel Sprecherin: Professor Thomas Stöllner, der Montanarchäologe, hat sein Büro ein Stockwerk höher. Der gebürtige Österreicher fühlt sich wohl im Ruhrgebiet und hat auch beruflich gesehen in Bochum eine gute Adresse gefunden. Denn seine kleine Wissenschaftsdisziplin hat hier ein international anerkanntes Hauptquartier gefunden. O-Ton Prof. Thomas Stöllner ?Man kann sagen, das Deutsche Bergbaumuseum als Forschungsinstitut ist die einzige Institution, wo es so etwas institutionalisiert gibt. Wir haben natürlich eine Reihe von Kollegen, die weltweit in diesem Arbeitsfeld arbeiten. Und natürlich Bochum wird dann immer so als eine dieser zentralen Stellen angesehen, wo es eben so ein bißchen systematischer betrieben werden kann, durch verschiedene Zeiten mit verschiedenen Projekten.? Sprecherin: Spektakuläre Erkenntnisse erwarten sich die Bochumer Montanarchäologen momentan von Grabungen, die sie in Georgien durchführen. Ein Goldbergwerk aus der Frühbronzezeit haben sie dort entdeckt und sie vermuten nun, das es sich um das älteste der Welt handelt. Mit beteiligt an dieser vielversprechenden, ?goldigen? Forschungsarbeit ist auch Prof. Andreas Hauptmann. Er untersucht als Archäo-Metallurge die gefundenen Metallreste und folgert dann, wie sie verwendet wurden und woher sie stammen. Diese Analysen führt er heute wie selbstverständlich in einem hochmodernen Labor durch. Das war aber auch mal anders. Denn angefangen hat er mit einem alten Geologenhammer, dem traditionellen Spezialwerkzeug, mit dem Gestein per Hand untersucht werden kann. O-Ton Prof. Andreas Hauptmann ?Das ist direkt Strukturwandel, der Aufbau dieses phantastischen Laboratoriums, dieser phantastischen Forschungsstelle. Und das hat mich fasziniert und das hat mich hier im Ruhrgebiet letztlich gehalten. Heute fühle ich mich als Bochumer und zwar ganz einfach deswegen: Was hier an kulturellen Angeboten sich entwickelt hat, durch den Strukturwandel, durch die Kulturpolitik, die Industriekultur, das ist so faszinierend und so vielfältig. Das ist Avantgarde, das man sonst in Deutschland in dem Ausmaß, in der Intensität, nicht wiederfindet.? darüber Sprecherin: Auf der anderen Straßenseite, ganz nah an den Ausstellungsräumen des Deutschen Bergbaumuseums, hat Eva Koch, die Pressesprecherin, ihr Arbeitszimmer. Die studierte Museumspädagogin war schon vor Jahren davon überzeugt, dass sich mit Tourismus im Ruhrgebiet ein Zukunftsmarkt erschließen lässt. Sie arbeitete deshalb mit an der Entwicklung und Gestaltung der ?Route der Industriekultur?, die inzwischen viele Touristen anlockt. O-Ton Eva Koch ?Das ist das Langziel. Es gibt ja auch viele andere Dinge, dass die Leute halt im Ruhrgebiet auf einer anderen Basis ihren Lebensunterhalt verdienen müssen. Und die Forschung, die hier betrieben wird, ist ja nur ein Beispiel ? wenn auch ein sehr wichtiges wie ich finde. Es gibt da ja auch viele anderen Themen, Dienstleistungen, Logistik, Zukunftstechnologien usw. Aber die Zahl der Leute, die aus touristischen Gründen ins Ruhrgebiet kommen, ist gestiegen und ich denke, vor etlichen Jahren wäre das nicht so zu denken gewesen.? Das Ruhrgebiet , das haben sich im vergangenen Jahr 2,8 Millionen Menschen als Reiseziel gesteckt. Gut 4 Prozent mehr kamen damit als 2005 und jeder Fünfte war ein Gast aus dem Ausland. Atmo/Geräusch Aufzug??. Führung Dt. Bergbaumuseum ? Dann geht?s jetzt auf den Turm ?. darüber Sprecherin: Einer, der täglich vielen Touristen begegnet, ist Bernhard Scholten. In dunkelgrauer traditioneller Bergwerksuniform führt er seit fünf Jahren die Besucher im Deutschen Bergwerksmuseum - hinunter ins Anschauungsbergwerk und auch hinauf, auf den Förderturm. Bernhard Scholten ist eigentlich Ingenieur, stammt aus Mülheim an der Ruhr. Nicht weit von seinem jetzigen Arbeitsplatz, an der Fachhochschule in Bochum gegenüber, hat er ursprünglich Bergtechnik studiert und als Steiger einige Zeit unter Tage gearbeitet. Mit seinem Wechsel ins Museum wollte er sich eine sichere Standortperspektive schaffen: O-Ton Bernhard Scholten ?Auf den Bergwerken, auf denen man ist. Man bekommt da zwar immer weiterhin Arbeit, aber man wird eventuell verlegt. Und so ist es auch mit meinem Bergwerk passiert. Das ist jetzt vor zwei Jahren geschlossen worden. Und ja, als das abzusehen war, hatte ich mich dann eben mal erkundigt oder umgeschaut, wo man woanders ?was bekommen kann. Und da wurde hier eben gerade eine solche Stelle angeboten und da habe ich dann eben zugegriffen.? Sprecherin: Der erste Bergmann sei er in seiner Familie gewesen, sagt Bernhard Scholten und fügt er lachend hinzu ?auch der letzte. Atmo Aufzug O-Ton Bernhard Scholten ?Dann geht es jetzt ins Bergwerk 1350 cm unterhalb der Erdoberfläche?. Atmo ---Gang durch den Stollen Sprecherin: Trotz allen persönlichen Veränderungen, den Wandel zum Wissenschaftsstandort begrüßt der frühere Bergwerks-Ingenieur ausdrücklich O-Ton Bernhard Scholten ?Es gibt viele Ingenieure und auch Wissenschaftler hier in dem Bereich und es gibt eben auch viel zu erforschen. Jetzt nicht nur an neuen Technologien, sondern oder eben auch in dem Bereich, dass man erforscht, wie man denn Denkmäler zum Beispiel schützt..? Sprecherin: Ingenieurswissenschaften haben im Ruhrgebiet schon seit der Gündung der ersten Hochschulen in den 1960-er Jahren eine starke Wurzel. Schon damals prägten sie das Profil des akademischen Angebotes und sind heute noch starke, breitaufgestellte Säulen ? nicht nur für Forschung und Lehre, sondern auch für den Arbeitsmarkt. Mit Lebenswissenschaften, Biologie, Biochemie, Nanotechnologie und Medizintechnik sind in den letzten Jahren weitere profunde Schwerpunkte dazugekommen, die den Wissenschaftsstandort Ruhrgebiet auszeichnen und befördern. Nicht zu vergessen die Materialforschung. Hier, sagt NRW- Innovationsminister Pinkwart, sei das neue Institut für Werkstoffsimulation in Bochum ein Beispiel dafür, wie Wissenschaft und Wirtschaft gemeinschaftlich klug agieren können: O-Ton Prof. Andreas Pinkwart ?Es wird maßgeblich unterstützt von Thyssen-Krupp, von Unternehmen wie Bosch, wie Bayer, aber auch wie Salzgitter. Und dieses Insitut wird ein Europa-führendes Institut sein. Weltweit eines der ganz wenigen Spitzen Insitute für Werkstoffsimulation, einem völlig neuen Forschungs- und Arbeitsgebiet auch für die Wirtschaft.? Atmo Auszug/Imagefilm ?Das Ruhrgebiet? Sprecherin: Um europäische Spitze bemühen sich Hochschulen und Forschungseinrichtungen im Pott außerdem vielversprechend auf dem Feld der Energie. Denn die Region versteht sich auch in der Nach-Kohle-Ära als ausgesprochene Energie-Region. An die Stelle von Kohle und Stahl treten jetzt Sonne und Wind, Erdwärme, Wasserstoff und Biomasse. Das Ruhrgebiet hat die neuen zukunftsweisenden Energietechnologien bereits vielversprechend für sich entdeckt, Gelsenkirchen etwa hat den Beinamen ?Solar City?. Weltweit finden sich hier die modernsten Produktionsstätten für Silizium-Solarzellen und Solarmodule. Aber auch der richtige Umgang mit Energie beschäftigt die Forschung, erzählt Dr. Görge Deerberg. Der Chemie-Ingenieur ist stellvertretender Leiter des Fraunhofer-Institutes für Umwelt, Sicherheits- und Energietechnik ? kurz UMSICHT - in Oberhausen. O-Ton Dr. Görge Deerberg ?Das Thema Energieeinsparung, Energieeffizienz ist sicherlich ein ganz wichtiges Thema. Denn eine der größten Energiequellen wir haben ist im Prinzip die Einsparung. Wir beginnen da mit Kooperationen von verschiedenen Universitäten, in denen wir dann in Projekten Krankenhäuser oder Computerarbeitsplätze uns anschauen, um zu gucken, ob wir hier Energieeinsparungen mit einfachen Methoden realisieren können. Und damit kann man also zum Beispiel am Computerarbeitsplatz schon den Energiebedarf bis 52 Prozent reduzieren. Und bei der Vielzahl der Arbeitsplätze, die wir haben, macht sich das am Ende natürlich schon bemerkbar.? Atmo Auszug/Imagefilm ?Das Ruhrgebiet? Sprecherin : Der Wunsch nach Kooperation und gemeinsamer Identität scheint im Revier in letzter Zeit deutlich gewachsen zu sein. Überall an den Hochschulen gedeihen zum Beispiel Forschungsprojekte, an denen verschiedene Partner beteiligt sind, so wie beim Forschungsverbund demografischer Wandel in Dortmund und Bochum. Und die Städte stoßen nun nicht mehr nur geografisch aneinander, sondern wollen offenbar auch mehr zusammenwachsen. ?Metropole Ruhr?, der Begriff ist derzeit in aller Munde im Revier, zumindest bei denen, die sich um bessere Vermarktung bemühen. Von der Bevölkerungszahl ist der Pott sicher eine Metropole. Doch die Riesenregion Ruhrgebiet unterscheidet sich sowohl von den neuen Megacities in Südostasien, Südamerika oder Afrika als auch von den Hauptstädten der Industrienationen wie London, Berlin und Paris. O-Ton Prof. KlausTenfelde ?Anders als die Hauptstädte hat die Metropole Ruhr keine eindeutige, zentral gelegene Verwaltungsspitze, von der aus strahlenförmig Ausstrahlung in das Umland passierte, dieses ist der eine wichtige Unterschied.? Sprecherin: Erklärt der Historiker und Ruhrgebietsforscher Klaus Tenfelde O-Ton Prof. Klaus Tenfelde ?Der andere wichtige Unterschied: die Metropole Ruhr ist vielfältig gewachsen, nicht etwa ringförmig um ein Zentrum, sondern sie ist aus vielen Zentren gewachsen, das hing mit der Besiedlung der Region durch den Bergbau und die Hüttenindustrie zusammen, sodaß wir eine Fülle von Vorortstrukturen hatten. Und diese Vorortstrukture - das waren Vororte, die über hundert Jahre selbständig gewesen sind - sind durch die Eingemeindung in die Hellwegstädte, Stück für Stück in die großen Städte aufgesogen worden, ohne dass sie ihren Charakter vollständig verloren hätten. Man spricht, wenn man es negativ ausdrückt von Zersiedelung der Region, wenn man es positiv ausdrückt, sieht man gerade darin einen Vorzug der Region.? Atmo Auszug/Imagefilm ?Das Ruhrgebiet? Sprecherin: An vielen Stellen geht es in dieser Hinsicht voran. Und meistens auf ehemaligen Industriegeländen Atmo Musik Esbjörn Svensson Sprecherin: Im Duisburger Innenhafen entstand eine maritime Büro-, Wohn- und Ausgehmeile mitten in der Stadt. Der Londoner Stararchitekt Norman Foster entwarf ein Konzept mit dem die bisher triste Innenstadt mit dem Innenhafen architektonisch und stadtplanerisch verbunden werden soll. In Dortmund wird auf einem 96 Hektar großen ehemaligen Stahlstandort, dem Phönix- Gelände ein See angelegt und ein urbaner Stadtteil neu geschaffen. Atmo Musik Esbjörn Svensson Sprecherin: Die Probleme sind alt und beginnen damit, dass zum Beispiel die Trennlinie zwischen Rheinland und Westfalen mitten durchs Ruhrgebiet verläuft, ungefähr bei Bottrop. Zudem ist es in drei Regieurngsbezirke zerschnitten: Arnsberg, Münster und Düsseldorf. Es gibt auf der Höhe Bottrop/Oberhausen eine Stelle, erzählt Tenfelde, an der man alle drei Regierungsbezirke mit zwei Schritten durchwandern kann. Einen Regierungsbezirk Ruhrgebiet gibt es nicht. Er soll zwar kommen, nur wann, das weiß keiner so genau. Doch Tenfelde sieht auch Fortschritte: O-Ton Prof. Klaus Tenfelde ?Der Wille ist deutlich stärker geworden, das hängt damit zusammen, dass die öffentliche Meinung deutlich spürbarer geworden ist.? Atmo Musik Fußball-Lied O-Ton Prof. Klaus Tenfelde ?Wenn Sie zwei Fussballmanschaften im Ruhrgebiet gegeneinander kämpfen sehen, Schalke und Borussia Dortmund sind immer die Standardbeispiele, dann hauen die sich das um die Ohren die Fans, wenn aber ein Ruhrgebietsverein gegen Kaiserslautern oder Bayern München spielt, dann brüllen sie alle Ruhrpott.? Atmo Musik Fußball-Lied O-Ton Prof. Klaus Tenfelde ?Man hat seine Feindbilder und man hat seine Inklusions- und Exklusionstechniken und bis in die unteren Schichten ist inzwischen die Überzeugung durchgedrungen, dass wir im Ruhrgebiet doch eine Bevölkerung besonderer Art sind, unterschieden etwa vom Münsterland oder von Ostwestfalen oder vom Rheinland usw.? Sprecherin: Die Gründe haben mit der neuen Struktur des Ruhrgebiets zu tun, und die wiederum mit mehr Bildung. Seit die große Zeit der Arbeiter und der Arbeiterbewegung vorbei ist, hat sich etwas herausgebildet, was Tenfelde eine Ausbildungsmittelschicht nennt. Und die hat ganz andere Beziehungen zum Revier und auch andere Ansprüche an die eigene Identität. Atmo Auszug/Imagefilm ?Das Ruhrgebiet? O-Ton Prof. Klaus Tenfelde ?Das Ruhrgebiet hat heute weniger Arbeiter, als einige umgebende Landkreise, wie etwa Arnsberg oder Borken. Zumal mit den Universitätsgründungen hat sich auch eine gebildete Mittelschicht etabliert, mit Karrieretypen, Akademikern, Rechtsanwälten, Ärzten, die wir jetzt selber produzieren, während sie früher in das Ruhrgebiet gezogen wurden. Und diese Mittelschichten entfalten ein Bedürfnis für regionale Identität. Sie suchen nach der Geschichte, die bestimmt, was die Region ausmacht und warum sie sich ihr zuordnen sollen. Das ist anders als bei der überwiegenden Arbeiterbevölkerung und ich glaube, dass darin der Hauptgrund liegt, dass wir weit fortgeschritten sind in einem Prozess der regionalen Identifikation, am besten daran zu erkennen, dass die Leute nach der Geschichte fragen und die Industriekultur der Region pflegen und sie als ein historisches Ereignis betrachten.? Atmo Auszug/Imagefilm ?Das Ruhrgebiet? Sprecherin: Vor fünfzig Jahren stand es in der Region noch keine einzige Universität. Doch in den vierzig Jahren, in denen sich eine dichte Hochschullandschaft entwickelte, hat diese entscheidend zum Strukturwandel beigetragen. O-Ton Prof. Klaus Tenfelde ?Zunächst mal sind es die Universitäten, welche das Bürgertum erzeugen, die Mittelschicht. Sie sind die großen, sagen wir Qualifikatoren. Nur der Hinweis: von den Abgeordneten zum nordrheinwestfälischen Landtag und zum Bundestag sind unbeschadet der Parteizugehörigkeit zur Zeit die Hälfte an der Universität Bochum ausgebildet worden, bis hin zum Bundestagspräsidenten. Das ist schon beeindruckend, aber dazu bedurfte es eben auch einer 40jährigen kontinuierlichen Bildungsarbeit. Das geht nicht von heute auf morgen. Ein Bürgertum erzeugt man nicht in einem 5-Jahres- Plan? Sprecherin: Als vor vier Jahren die Fusion der beiden Universitäten Duisburg und Essen von der Landesregierung betrieben wurde, da knirschte es ordentlich im Getriebe. Keine der beiden Hochschulen war begeistert, man fürchtete um Einfluß und Kompetenzen, um Stellen und vielleicht sogar um den Erhalt des eigenen Standortes. Doch nun hat ein Sinneswandel stattgefunden. Die drei großen Universitäten, Duisburg-Essen, Dortmund und Bochum, suchen den Segen in der Zusammenarbeit und wollen damit auch Motor sein für das Zusammenwachsen der Region, erklärt Elmar Weiler, der Rektor der Universität Bochum: O-Ton Prof. Elmar Weiler ?Ich denke die Hochschulen können da in gewisser Weise vorangehen, die sind zwar in Städten verankert aber haben nicht primär kommunale Sichtweisen, es hilft sicher auch, dass die Bewerbung der Ruhrgebietsstädte um die Kulturhauptstadt 2010 erfolgreich war, das hilft auch ein gemeinsames Denken, übergeordnete Ziele zu entwickeln.? Atmo O-Ton Umfrage Studierende Bochum ?Ich weiss, weil wir hier Bio studieren, dass es eine der besten Fakultäten ist in Biologie. Es war von vornherein klar, Biologie hier in Bochum das sind die Besten und da wollen wir hin.// Weil?s ne gute Uni ist, ich komm aus Bochum. Ich studiere Elektrotechnik und da ist Bochum sowieso ganz gut dabei und von daher stands für mich jetzt gar nicht in Frage, irgendwie abzuwandern// Ich bin vollkommen zufrieden.? Atmo Ruhruni/blenden Sprecherin: Die Ruhruniversität genießt heute einen sehr guten Ruf, nicht nur bei den eigenen Studierenden. Sie ist in der Endrunde der vom Bund geführten Exzellenzinitiative. Bei den Sonderforschungsbereichen der DFG belegt sie den 2. Platz bundesweit. Trotzdem will sie nicht darauf setzen, sich durch Elite zu profilieren und von den anderen Hochschulen im Pott abzusetzen, sondern möchte vielmehr gemeinsam streiten. Gemeinsam mit DuisburgEssen und Dortmund hat man die Universitätsallianz Metropole Ruhr ins Leben gerufen. Drei Hochschulen mit 89 000 Studierenden, 1250 Professoren und einem Jahresetat von 840 Millionen Euro wollen zusammenrücken, aber dabei eigenständig bleiben. Sprecherin: Zusammenarbeit statt Abgrenzung und sein eigenes Süppchen kochen ? im Ruhrpott weht offenbar ein frischer Wind. Möglicherweise hängt das damit zusammen, dass die Hochschulen seit Jahresbeginn autonomer sind, die Politik ein paar Fesseln beseitigt hat. Und auf der anderen Seite ist da auch die Konkurrenz aus anderen Regionen. O-Ton Prof. Elmar Weiler Wir haben Abstand davon genommen, uns zu profilieren auf Kosten der andren. Die drei Hochschulen in der Region haben alle einzigartige Stärken. Und wenn wir immer aus den besten Modellen für alle etwas lernen, dann können alle Hochschulen dabei nur gewinnen. Ich denke das bringt uns insgesamt voran und ich würde mir ganz gerne wünschen, dass in drei, vier Jahren hier die großen Hochschulen im Ruhrgebiet als die innovativsten im ganzen Lande dastehen. Atmo Auszug/Imagefilm ?Das Ruhrgebiet? Sprecherin: Einen spürbaren Schub für die wissenschaftlichen Ambitionen der Metropole Ruhr erwarten sich viele auch von der Zahlenkombination 20 ?10. Denn in gut zwei Jahren wird das Ruhrgebiet Kulturhauptstadt Europas sein. Sich zu ?Ruhr.2010? verschmelzen: 53 Städte, 5,2Millionen Bewohner und viele Besucher aus aller Welt. Mit einem großen Strauß an Programmen und Projekten soll der kulturelle Strukturwandel ?sinnlich? gemacht werden. Entdecken ? erleben ? bewegen: Alle Kreativ-Kräfte bündeln sich zu einer klaren Botschaft: Bei uns geht was! Für Innovationsminister Pinkwart war es auch gerade dieses gemeinschaftliche Auftreten, als EIN Pott, das bei der Bewerbung um die Kulturhauptstadt überzeugte O-Ton Prof. Andreas Pinkwart ?Ausschlag hat gegeben, daß die Menschen in der Region sich hinter dieses Konzept gestellt haben. Daß die Menschen, die kreativen Köpfe in der Region, gerungen haben um diese Auszeichnung und sie waren erfolgreich. Und ich glaube, die Region ist stark genug, aus diesem Selbstbewußtsein heraus auch ihre weitere Entwicklung dann gestalten zu können.? Sprecherin: Für diese Entwicklung seien auch die zahlreichen Geisteswissenschaften an den Revier- Hochschulen ein wichtiger Motor: O-Ton Prof. Andreas Pinkwart ?Wir haben es geschafft, daß das Kulturwissenschaftliche Institut an die Ruhr- Universitäten übertragen worden ist in eigenständiger Verantwortung aber fest integriert in die drei Ruhrgebietsuniversitäten. Das stärkt die kulturwissenschaftlich, geisteswissenschaftliche Kompetenz und wir haben mit Herrn Leggewie nur wahrlich einen international renommierten Geisteswissenschaftler für dieses Präsidentenamt gewinnen können, für Nordrhein-Westfalen gewinnen können. Und das unterstreicht ja, welche Ausstrahlungskraft die Geisteswissenschaften gerade auch im Ruhrgebiet haben.? Sprecherin: Profitieren will man von dieser Ausstrahlung auch beim Mammutprojekt Kulturhauptstadt 20.10. Hochschulen werden bei vielzähligen Aktionen und Ausstellungen mit-veranstalten und mit-wirken. Doch 2010 ist noch weit. 2007 ist aktuell und damit die Frage: Wo steht der Wissenschaftsstandort Ruhrgebiet im Moment? Auf dem Campus-Süd der Uni Dortmund gibt es dazu gemischte Gefühle. Professor Hans Heinrich Blotevogel betreibt hier Raumplanungs- und Metropolenforschung. Der Strukturwandel, sagt er, sei im Ruhrgebiet zur Hälfte gelungen. Für die zweite Hälfte aber vermisse er eine klare Zielvorstellung davon, wohin die Reise gehen soll, was aus der Region werden kann. O-Ton Prof. Hans Heinrich Blotevogel ?Im Vergleich zu anderen Regionen und Städten ist der Anteil derjenigen im Ruhrgebiet, die höhere Schulen besuchen, immer noch unterdurchschnittlich und der Besuch der Universitäten ist keineswegs überdurchschnittlich im Ruhrgebiet. Also von daher muß hier noch mehr passieren. Die Hochschulen müssen internationaler werden. Es gibt viel zu wenig internationale Studiengänge. Stipendiaten von auswärts besuchen eher Universitäten wie in Bonn, Heidelberg oder Berlin und nicht so sehr die Ruhrgebietshochschulen. Auch da müssten die Hochschulen mehr machen. Also ich kann mir schon einige Maßnahmen vorstellen.? Sprecherin: Auch warnt Blotevogel davor, sich falsche Vorstellungen vom Wissenschaftsstandort zu machen. Er sei nicht die eine große Säule, die der anderen großen Säule folge, die früher mal die Montanindustrie war. Auf Wissenschaft könne das neue Ruhrgebiet zwar aufbauen, aber... O-Ton Prof. Hans Heinrich Blotevogel ?Wenn wir uns anschauen, wie viel Wissenschaftler hier pro Tausend Menschen leben, dann ist das im Ruhrgebiet immer noch unter dem Bundesdurchschnitt. Das heißt also, damit die Wissenschaft wirkliche eine tragende Säule wird, müsste dieser Bereich massiv ausgebaut werden. Es kann funktionieren, wenn die entscheidenden politischen Stellen diese Zukunftsvision ernst nehmen und zwischen Politik, Verwaltung und Wirtschaft gemeinschaftliche Bemühungen in Angriff genommen werden. Denn Wissenschaft basiert ja auch nicht allein nur auf Hochschulen. Fast noch wichtiger ist das an Forschung und Entwicklung, was von den Unternehmen bereitgestellt wird und auch da sieht es bisher keineswegs sehr rosig aus.? Sprecherin: Gelder für diesen Ausbau könnten etwa in Sicht kommen, wenn das Land NRW ab 2014 die Kohlesubventionen einstellt. Statt in Grubengold will die Landesregierung dann nämlich in Innovationen, in Gehirnschmalz investieren, verspricht sie. Von einer Dreiviertel-Milliarde Euro redet Innovationsminister Pinkwart in diesem Zusammenhang, zweckgebunden an Spitzenprojekte und im Wettbewerb vergeben. Denn mit der Gießkanne werde das Geld nicht mehr verteilt. O-Ton Prof. Andreas Pinkwart ?Das Landeskabinett hat festgelegt, daß jeder Suventionseuro, den wir auf dem Weg einsparen, dann auch mit Schwerpunkt für die Metropole Ruhr zur Verfügung gestellt werden soll, um Exzellenzvorhaben ? das ist mir wichtig ? auf diesem Weg zu einer der führenden Innovationsregionen in Europa zu unterstützen.? Atmo Musik untergelegt Sprecherin: Der Minister träumt derweil von einem starken Ruhrgebiet als hochmoderner Technopolis. Mit ihr möchte er seinem Ziel, ganz Nordrhein-Westfalen zum Innovationsland Nummer 1 in Deutschland zu machen, ein großes Stück näher kommen. Andere beurteilen die aktuelle Lage zurückhaltender O-Töne Umfrage ? Ich glaube, dass die Schere zwischen arm und reich größer geworden ist. Die Arbeitslosenzahl ist bedrückend. Dass finde ich ganz schwierig. Das wird eine Dienstleistungs- und Wissenschaftsgesellschaft in der Form nicht auffangen können. Da bin ich auch ratlos.? ?Wir müssen bei diesem Wandel auf Zeit setzen. Wandel braucht Zeit. Und für die Zukunft gerichtet, bin ich ganz sicher, das Beste was wir zu bieten haben, sind intelligente Köpfe. Ich bin auch als Oberbürgermeister viel durch die Welt gekommen. Zusammengefasst: Die Wissenschaft wäre der beste Begleiter für den Strukturwandel in der Zukunft. Ich glaube, dass die Bedeutung wachsen wird.? Sprecher: Gehirnschmalz statt Grubengold Wie sich das Ruhrgebiet vom Kohlerevier zum Wissenschaftsstandort mausert Eine Sendung von Andrea Lueg und Kate Maleike Es sprach: Frauke Poolman, Ton und Technik: Ernst Hartmann und Anne Havemann Regie: Uta Reitz Eine Produktion des Deutschlandfunks 2007 ?Jo, also, bis die Tage!!!? 1