COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Länderreport / 21.4.2010 Die Krise und die Werften in Bremerhaven Autorin: Christina Selzer Red.: C. Perez Vier Jahre lang boomte der Schiffbau in Deutschland. Doch seit dem vergangenen Jahr, seit der Finanzmarktkrise, hat sich die Lage der Werften verschlechtert. O-Ton Lüken Die Krise hat den deutschen Schiffbau voll erwischt. sagt Werner Lüken, Geschäftsführer der Lloyd-Werft in Bremerhaven. Lüken ist schon lange im Geschäft, und er hat schon einige Höhen und Tiefen erlebt. Aber die aktuelle Krise ist schlimmer, sagt er: Der Abschwung im Welthandel und die Finanzkrise sind zusammen mit großer Geschwindigkeit über die Schifffahrt hereingebrochen. Und ein Ende ist nicht in Sicht. O-Ton Lüken 2009 war ein schlimmes Jahr, 2010 wird schlimmer. Als Vorsitzender des Verbandes für Schiffbau und Meerestechnik hat er die Lage in ganz Deutschland im Blick. Und die ist nicht rosig. Die Reeder bestellen keine neuen Schiffe mehr. Sie stornieren Aufträge. Die Bestellungen sind um 80 Prozent eingebrochen. Das hat natürlich auch Bremerhaven hart getroffen, das ohnehin stark gebeutelt ist, und unter hoher Arbeitslosigkeit leidet. Doch schon vor Ausbruch der Krise hat Werner Lüken Weitsicht bewiesen und ein neues Geschäftsfeld für die Lloyd-Werft gesucht. Er verabschiedete sich vom Schiff- Neubau und konzentriert sich jetzt auf das Reparaturgeschäft: O-Ton Lüken Die Lloyd-Werft hat sich auf Umbau, Reparatur und Fertigbau spezialisiert. Wir haben in drei Sparten gearbeitet, wobei durch die Krise der Neubau weggebrochen ist. Wir hatten keine Neuaufträge mehr. Wir versuchen uns jetzt auf Reparaturen und kleinere Umbauten zu konzentrieren, nicht in dem Umfang, wie wir es gerne hätten, aber damit können wir unsere reduzierte Mannschaft beschäftigen. Bremerhaven hat aus der Not eine Tugend gemacht und hat sich zu einem Zentrum für Schiffsreparaturen und Umbauten entwickelt. Denn nicht nur die Lloyd-Werft, auch die drei anderen kleineren Werften haben sich auf Reparatur spezialisiert. Sie leiden daher nicht an großem Auftragsmangel wie die Neubauwerften. O-Ton Lüken Wir sehen als Umbauwerft wesentlich rosiger in die Zukunft als die Neubauwerften, weil in den letzten Jahren viele Schiffe gebaut worden sind, teilweise leider weit über den Bedarf hinaus. Aber all diese Schiffe werden ja repariert und gewartet werden müssen, optimistisch in die Zukunft. Nach einem langen Winter gibt es zwar im Moment wieder viel zu tun: In den Docks und an den Kajen im Überseehafen von Bremerhaven liegen so viele Schiffe wie lange nicht. Mindestens zehn werden gerade umgebaut oder repariert. Doch das Reparaturgeschäft ist nicht einfach. Es gibt kein langfristiges Auftragsbuch. Die Aufträge kommen kurzfristig, man lebt von der Hand in den Mund. Und das macht die Situation für die Arbeiter schwieriger. 500 feste Mitarbeiter arbeiten auf der Werft, insgesamt sind es mehr als 1500, denn ein großer Teil davon sind Leiharbeiter. Doch Werner Lüken steht zu seiner Strategie. Die Lloyd-Werft schreibt immerhin schwarze Zahlen, und darauf ist er stolz. Um das zu schaffen, habe er im vergangenen Jahr 96 Stellen streichen müssen. Dafür habe es viel Kritik gegeben, doch anders sei die Werft nicht zu retten. Die Hochzeit des Schiffbaus sei nun einmal vorbei, und das liege nur zum Teil an der Finanzkrise. Containerschiffe werden in Zukunft in China und Südkorea gebaut. O-Ton Lüken Wir hoffen aber, dass die Tätigkeit im Neubau bald wieder zunimmt. Aber in Deutschland müssen wir damit rechnen, dass wir keine Serienschiffe wie Container mehr bauen werden. Dafür sind unsere Kostenstrukturen zu hoch. Das kann man in Fernost wesentlich billiger machen. Zu diesem Ergebnis kommt auch die aktuelle Schiffbaustudie der Universität Bremen. Dafür werden jedes Jahr die Betriebsräte von 37 deutschen Werften befragt. Das Fazit: Aus Mangel an Aufträgen mussten im vergangenen Jahr sechs Werften Insolvenz anmelden, erklärt Jochen Tholen vom Institut für Arbeit und Wirtschaft der Universität Bremen: Es gab keinen einzigen Neuauftrag für Container, weltweit, in den ersten 8 Monaten des vergangenen Jahres gab es weltweit nur Aufträge für 5 Containerschiffe. Nach Ansicht von Jochen Tholen können die Werften nur dann überleben, wenn sie verstärkt auf Spezialschiffe setzen. Dazu gehören etwa Schiffe, die gebraucht werden, um Offshore-Anlagen im Meer aufzustellen. Außerdem Kreuzfahrtschiffe und Jachten, Fähren und Polizeischiffe. Doch auch auf dem Markt der Spezialschiffe wird es irgendwann eng werden, glaubt Werner Lüken. Denn auch die Konkurrenten aus Südkorea und China werden sich, um ihre Werften auszulasten, bald auf diesem Markt tummeln. In der Hochphase des Schiffbaus war die Hälfte der Kapazitäten mit dem Bau von Containerschiffen ausgelastet. Das ist durch Spezialschiffbau nicht zu ersetzen, mahnt Werner Lüken. Deshalb können nicht alle Werften gerettet werden. Der Schiffbau hat schon viele Krisen mitgemacht und ist immer wieder aufgestanden mit neuen Kräften, und so wird es auch nach der Krise sein: Der deutsche Schiffbau wird anders aussehen als vor der Krise, aber er wird nach wie vor bestehen. Mitten in der Krise sucht Lüken einen Käufer für die Lloyd-Werft. Der Mehrheitseigner, der italienische Konzern Fincantieri will aussteigen. Auch die anderen Eigner, das Land Bremen und die Geschäftsführer wollen ihre Anteile verkaufen. Doch die Werft hat schon zwei Insolvenzen überlebt und auch diese Krise wird sie überleben, hofft Werner Lüken. Die Flagge der Lloyd-Werft soll auch in vielen Jahren noch in Bremerhaven flattern. Länderreport / 21.4.2010 Werftenkrise in Wismar und Rostock Autor: Peter Marx Red.: C. Perez Regie: Atmo Schweißen Detlef Groß bückt sich nach vorne, zieht die Schweißnaht langsam nach vorne. Um ihn herum blitzen Sterne auf und die Stahlrohre im Unterdeck des Fährschiffes leuchten blau: Nach ein paar Sekunden nimmt er einen kleinen Hammer, schlägt damit auf die Schweißnaht. Perfekt. Wieder ist ein Stück Schiff zusammengebaut. Detlef Groß arbeitet auf der Wadan-Werft in Wismar. Und "sein Schiff" ist möglicherweise das letzte Schiff, das er baut und das noch vom Stapel in der großen Werfthalle läuft. Aber diese Beschreibung gefällt ihm nicht. "Nein!" So darf das Ende der Wismarer Schiffsbau- Tradition nicht aussehen, sagt er. Nicht nach über 30 Jahren Arbeit auf der Werft, die für den Schweißer "die Familie" darstellt und "sein Leben": Regie: O-Ton 1 Aber mein Vertrag geht bis Ende mai und ich nehme mal an, wieder das positive Denken, das das mal weitergeht. Aber wie gesagt. Ich glaube dran, dass es weitergeht. Damit geht es Groß jedenfalls besser als Michael Treinies. 32 Jahre arbeitete er auf der Wadan- Werft in Warnemünde. Jetzt sitzt der Schiffsschlosser zu Hause, kocht für die zehnjährige Tochter und kümmert sich um den Haushalt. Ende Januar verließ der letzte gebaute Frachter den Rostocker Hafen; seither drehen vor allem noch Wachmänner einsame Runden auf dem riesigen Werftgelände. Die Maschinen der Werft stehen still. Und Michael Treinies steht draußen vor der Werfttür, geparkt in einer Beschäftigungsgesellschaft, in der die rund 2400 Mitarbeiter der früheren Wadan-Werft nach deren Insolvenz aufgefangen wurden. Und auch Michael Treinies hofft, dass diese Krise vorbeigeht und er wieder Schiffsrohre bauen darf, durch die später Öl, Wasser und Treibstoff fliesen. Und so wie er, denkt auch sein Kollege Detlef Groß: Regie 2. O-Ton Groß Richtig, ich will meine Arbeit behalten. Habe mir einen gewissen Lebensstandard aufgebaut und den möchte natürlich halten. Familie rechnet auch damit, möchte ihren Standard auch behalten. Und das geht nicht nur mir so, dass geht auch den anderen Kollegen so, allen so. Viele haben ein Haus gebaut, also. Ines Scheel sitzt im zweiten Stock eines gelbblassen Verwaltungsbaues in Wismar. Die Farbe ist schon etwas verwittert, trotzdem wirkt der DDR-Standard-Plattenbau wie eine freundliche Insel in dieser sonst freudlosen, fast düsteren Umgebung. Von den karg eingerichteten Büros der Transfergesellschaft Küste hat Scheel eine gute Sicht auf die große überdachte Werfthalle der Wadan-Werft, die seit August 2009 als Nordic-Yard-Werft firmiert. Eine der vielen Namensänderungen in den vergangenen Jahren. Die kräftige Frau mit der schmalen Brille war früher Betriebsratsvorsitzende auf der Werft und hilft jetzt ihren ehemaligen Kollegen bei Anträgen auf Fortbildung und Kurzarbeitergeld. So spürt sie "noch den Puls der Kollegen", wie sie sagt, doch der schlägt immer langsamer: Regie 3. O-Ton Scheel Wir als ehemalige Betriebsräte haben es schwer, die Leute, die auf der Werft noch arbeiten, zu motivieren im Moment. Wir versuchen es weiterhin, aber es hängen auch deren Arbeitsplätze davon ab, ob die Transfergesellschaft verlängert wird und ob es Unterstützung der Landesregierung für die Finanzierung geben wird. Ich habe allerdings auch den Eindruck, dass einige, die auch in der Transfergesellschaft sind, so langsam resignieren und die Hoffnung, dass alles noch ein gutes Ende nimmt, aufgeben. Aber da sind die bei mir an der falschen Stelle, das sage ich den Leuten auch klipp und klar. Denn wer nicht kämpft hat schon verloren und wir müssen im Moment alle Mittel ausnützen, die uns bleiben. Zum 31. März sollten die Transfergesellschaften in Wismar und Rostock aufgelöst werden. Alle Mitarbeiter hätten sich dann arbeitslos melden müssen und hätten Arbeitslosengeld bekommen, deutlich weniger als in der Transfergesellschaft: Regie 4 O-Ton Scheel Wir bekommen in der Transfergesellschaft. Transfer-Kurzabeitergeld, das liegt bei 60 bis 70 Prozent des letzten Netto-Verdienstes. Je nachdem ob man noch ein Unterhaltspflichtiges Kind hat oder nicht. Und dann bekommen wir noch einen Zuschuss von 9 Prozent. Also kann man sagen, dass liegt zwischen 70 und 80 Prozent des letzten Netto-Einkommens Nun hat die Landesregierung die Transfergesellschaft um drei Monate verlängert, nachdem Werftbesitzer Witaly Jussufow einen Auftrag an Land gezogen hat - den ersten für Wismar seit zwei Jahren. Ab Juli soll in Wismar mit dem Bau eines Spezialtankers für den russischen Rohstoffkonzern Norilsk Nickel begonnen werden. Ein Auftrag mit einem Wert von 100 Millionen Euro. Seither treibt es die ehemaligen Werftmitarbeiter immer wieder an den hohen Maschendrahtzaun, nur um zu sehen, ob sich schon was tut auf dem Gelände. Regie 5 O-Ton Scheel Seit gestern ist die Stimmung unter den Kollegen etwas besser als in den vergangenen Wochen, weil es endlich eine positive Nachricht gibt. Natürlich wissen alle, dass dieser eine Auftrag noch bei weitem nicht ausreicht, um hier die versprochenen 1200 Arbeitskräfte zu beschäftigen Alle sind in froher Hoffnung, dass es in nächster Zeit noch weitere Aufträge geben wird. Und auch in Rostock, wo die Werftarbeiter schon länger auf einen neuen Auftrag hoffen Regie 6 O-Ton Scheel Im Moment gucken die Kollegen noch deprimiert, weil sie davon ausgehen, wenn vielleicht weitere Aufträge folgen, dass dann auch wieder in Rostock Schiffe bzw. Offshore gebaut wird. Regie Atmo Werftgelände Blau gestreift ragt die überdachte Werfthalle rund 70 Meter in die Höhe und versperrt fast auf einen halben Kilometer Länge den Blick auf die Bucht von Wismar und auf die gegenüber liegenden Schiffen am Massengut-Kai. Die modernste Werfthalle Europas ist in der 45 000 Einwohner-Stadt Wismar nicht zu übersehen; mehr als ein städtebauliches Symbol. Man könnte auch sagen: Es ist die wirtschaftliche Herzkammer der alten Hansestadt und der umliegenden Regionen. Regie: Atmo hochziehen Am Ende der Werftpier liegen zwei neue Container-Schiffe und warten darauf, endlich den Hafen verlassen zu dürfen. Allerdings: die rostfarbenen Schiffe werden nicht gebraucht. Seit der Wirtschaftskrise schwimmen zu viele Schiffe auf den Weltmeeren, meistens leer oder nur halb beladen. Der Schweißer Detlef Groß geht täglich an diesen Schiffen vorbei, an denen er selbst mitgearbeitet hat. Für ihn ein trauriges Symbol: Regie 7. O-Ton Groß Eigentlich, die Krise ist ja eine Weltwirtschaftskrise. Und verursacht wurde sie ja von den Banken, weil die nicht mit dem Geld umgehen konnten. Ja ich sag mal, ansonsten, wen will man dafür verantwortliche machen 92. Erst haben die Banken mit Geld um sich geschmissen haben und jetzt sträuben sie sich Objekte zu finanzieren, weil sie auf dem Geld sitzen In der großen Schiffshalle wird die zweite Superfähre für die schwedische Stena-Line Reederei langsam fertig gestellt. Das Schwesterschiff Hollandica ist bereits auf Testfahrt. Zwei, drei Dutzend Arbeiter streichen, hämmern, schleifen und schweißen an der stählernen Außenhaut der Fähre Britannica, die im Herbst Dutzende von Lastwagen und bis zu 1200 Passagiere über den Ärmelkanal bringen soll. Das letzte Großprojekt - im Auftrag des Insolvenzverwalters. Schweißer Detlef Groß, Mitte 40, läuft durch das Trockendock, steigt wieder ein in den 240 Meter langen Schiffsrumpf. Seine graue Pudelmütze leicht schräg auf dem Kopf, darüber die Schweißer-Schutzmaske. Der neue Auftrag macht ihn nicht euphorisch, eher nachdenklich: Regie 8-O-Ton Groß Dieser Auftrag alleine vielleicht nicht, aber ich sage mal, wir haben mit Norilsk Nickel schon gute Geschäfte gemacht. Die waren sehr zufrieden mit unseren Containerschiffen und ich sage mal. Der Frachter basiert mal auf Grund dieser Schiffe. Ich nehme an, da wird noch was kommen. Dies hofft auch die Landesregierung nach dem zweiten Krisentreffen mit Gewerkschaften, Oberbürgermeistern, Betriebsräten, Vertretern der Bundesregierung und der Banken sowie mit Witaly Yussufow. Nach wie vor geht es um die Finanzierung des neuen Auftrages, die nach wie vor unsicher ist, obwohl alle Seiten behaupten: Wir sind auf dem richtigen Weg. Wie immer kommen sie zur viert die Treppe der Staatskanzlei herunter. Ministerpräsident Sellering, sein Wirtschaftsminister Seidel, die Gewerkschaftschefin der IG Metall Küste, Jutta Blankau und der russische Werftbesitzer Witaly Yussufow. Doch diesmal wirkten die Gesichter entspannter als noch vor zwei Wochen, beim ersten Krisentreffen. Für Ministerpräsident Erwin Sellering sind erstmal die gröbsten Hindernisse aus dem Weg geräumt: Regie 9 O-Ton Sellering. Wir gehen davon aus, dass die Finanzierung durchkommen wird. Es gibt positive Signale von der KfW. Mehr war in dieser kurzen Zeit leider nicht möglich. Aber ich habe die feste Erwartung dass es klappt. Entscheidend, so Erwin Sellering, ist dabei, dass die Gewerkschaften einem neuen Beschäftigungspakt zugestimmt haben, nachdem die Landesregierung bereit war, die Transfergesellschaft für die Werftarbeiter bis Ende Juli zu verlängern. : Regie 10. O-Ton Sellerring In dieser festen Erwartung haben wir einen Beschäftigungspakt gemacht. Darum geht es jetzt, um Beschäftigung zu sichern. Dazu gehört, dass die Transfergesellschaften weitergehen. Sie wurden verlängert, soweit das möglich ist bis zum 31.7. Dazu gehört aber auch, dass diejenigen, die dort arbeiten, etwa 760, dass die dort bleiben und wenn keine neue Beschäftigung, dann muss es konjunkturelle Kurzarbeit geben Damit gibt Sellerring seine bislang harte Position auf, die da lautete: Erst ein fertiger Vertrag samt Finanzierung, dann Verlängerung der Transfergesellschaften, für die das Land zusätzliche 8,6 Millionen Euro zur Verfügung stellt. Gleichzeitig will das Land nach einem 60 Millionen Kredit nochmals 20 Millionen für die Zukunft der beiden Werften bereitstellen. Trotzdem ist Ines Scheel, die Ex-Betriebsratsvorsitzende nicht zufrieden und schimpft über das lavieren der Landesregierung. Regie 11. O-Ton Scheel Wir haben gesagt, bisher waren es nur Lippenbekenntnisse von der Landesregierung und das was in der Presse steht, dass die Transfergesellschaften schon mit 16 Millionen Euro vom Land unterstützt werden, da müssen wir widersprechen, das ist einfach nicht so. Ein großer Teil des Geldes ist vom Insolvenzverwalter gekommen und der Rest des Geldes ist vom europäischen Sozialfond gekommen. Also, das was die Landesregierung propagiert, dass Sie uns mit Millionenbeträgen unterstützt, das stimmt so einfach nicht. Und deswegen erwarten wir, dass man zu den Werften steht und das was man auf den Großdemos letzten Jahres gesagt hat. Schiffe sind unsere Autos und da verstehe ich die Landesregierung nicht, dass sie sich immer so sehr zurückhält. Wir haben auch mehrfach den Vorschlag gemacht, man könne doch auch über eine Minderbeteiligung nachdenken, so wie es z.B. in Niedersachsen bei VW ist. Das heißt ja noch nicht, das MV eine Werft kaufen soll. Aber wenn man Einfluss gelten machen will, dass sollte man auch über solche Varianten nachdenken. Schiffe sind in Wismar und Warnemünde wie Autos in Wolfsburg. Vielleicht sogar noch mehr. Denn die Werften sind die letzten großen Betriebe im gesamten Bundesland. Und ihre Bedeutung für das Selbstbewusstsein der Menschen im Bundesland ist immens hoch. Trotzdem - die wenigen Landesmittel komplett in ein Krisengeschäft zu stecken, davon ist die Landesregierung weit entfernt. Was überhaupt nicht notwendig wäre, so Ministerpräsident Sellering, wenn die Banken endlich ihre Verweigerungsposition aufgeben würden. Denn sie mache eine Finanzierung von Schiffsneubauten "fast unmöglich". Vielleicht, fügt Sellering missmutig an, muss man die Banken häufiger daran erinnern, dass sie gerade mit Milliarden von Steuergeldern gerettet wurden. Regie 12. O-Ton Sellerring Die Banken verlangen eine ungeheuer weitgehende Sicherheit. Im Grunde: Risiko Null, bei möglichst hohen Zinsen. Und das ist etwas, was so nicht gehen kann. Und wir haben dazu weitgehende Hilfen übernommen. Wir haben z.B. eine neue Darlehenszusage gegeben. Natürlich ist klar, dass wir alle darauf hoffen, dass wenn die nächsten Aufträge kommen, es dann letztendlich leichter geht. Einen Auftrag so zu finanzieren in dieser Art, das können wir nur einmal. Ins gleiche Horn stößt auch die IG-Metall-Küstenchefin Jutta Blankau, die wie Sellerring mehr Unterstützung der Bundesregierung für die deutschen Werften fordert Regie 13. O-Ton Blankau Ich hatte mir gewünscht, dass wir schon zu anderen Ergebnissen gekommen wären. Die Finanzierungsmodalitäten, die wir zurzeit vorfinden für den deutschen Schiffbau müssen überdacht werden und es müssen bessere Möglichkeiten den Werften zur Verfügung gestellt werden, damit Aufträge akquiriert werden können. Nur eine Nebenrolle spielte bei der Präsentation der Ergebnisse des zweiten Krisengipfels der russische Werfteigentümer Witaly Yussufow. Er hat alle finanziellen Forderungen an ihn erfüllt und hofft jetzt, dass ihn die Banken, die über zehn Prozent Zinsen für die Schiffbau-Finanzierung verlangen, ihn nicht hängen lassen. Wie immer nach den bisherigen Krisengesprächen deutet Yussufow Fortschritte an und gibt mantra-artig zu verstehen, dass alles sich gut entwickelt. Regie 14. Ton Yussufow. Wir haben uns gemeinsam für die nächsten Schritte entschieden, die gemacht werden müssen, damit wir die Finanzierung für den ersten Auftrag hinbekommen. Und ich glaube, dass wir heute, unter Einbeziehung des Landes und des Bundes, sehr gute Schritte definiert haben, die uns zu einer Entscheidung führen werden. Regie Atmo Demo Was keiner der Vier von der Staatstreppe schafft ist, die demonstrierenden Werftarbeiter von der Tür zufrieden zustellen. Sie sind nach einer jahrzehntelangen Hängepartie mit unterschiedlichen Spielern am Ende ihrer Nerven. Auch der sonst optimistische Schweißer Detlef Groß: Regie 15. O-Ton Groß Es geht um die Arbeitsplätze, nicht um den Standort der Werften. Wir befürchten, wenn die Fähren fertig sind, ist Schluss mit Lustig. Mein Vertrag bis Ende mai. Fähren noch nicht ganz fertig. Ein Ende ist abzusehen. Dieses Jahr auf jeden Fall. Und seine Kollegen aus Wismar und Warnemünde schlagen mit den Fäusten in die offenen Hände, nicken und ergänzen, was ihr Schweißerkollege sagt: Regie 16. O-Ton Umfange Streik-Mitarbeiter 11 700 Menschen haben nach der Wende auf der Warnemünder und Wismarer Werft gearbeitet, aktuell sind es noch ein paar Hundert. Tendenz fallend. Die erste Krise kommt Anfang der 90ziger Jahre. Die ehemalige VEB Mathias-Thesen-Werft wird von der Bremer Vulkan-Werftgruppe übernommen. Die geht pleite und die norwegische Aker-Gruppe übernimmt die Werften in Wismar und Warnemünde. Es waren aus heutiger Sicht die "guten Jahre" sagt Ines Scheel, denn das Werftgeschäft boomte. Bis zu 20 Schiffe wurden jährlich gebaut, darunter Container- und Kreuzfahrtschiffe. Sogar lukrative Aufträge wurden ablehnt oder weitergereicht an andere Werften. Als sich 2008 die Wirtschaftskrise abzeichnet, verkauft Aker die Werften an den russischen Investor Andrej Burlakow für 240 Millionen Mark. Ein Schaumschläger, so Ines Scheel, der die Werften ruinierte und unter dessen schlechtem Ruf der heutige Investor Yussufow leiden muss: Regie 17. O-Ton Scheel Man hat uns damals empfohlen Herr Y ist der einzige der beide Werften kaufen will und das ist ein seriöser Geschäftspartner. Und ich kann mich noch an die Worte von Herr Sellerring erinnern, nach der Sitzung im Gläubigerausschuss hat sich abends hingestellt und ihn in den höchsten Tönen gelobt. Und er hat gesagt. Ich weiß gar nicht was ihr wollt. Er bringt in drei bis sechs Monaten mehrere Aufträge. Die Aufträge von Stena brauchen wir nicht. Herr Y. bringt selbst Aufträge und Beschäftigung. Und wenn gerade mal sechs Monate rum sind und kein Auftrag unterschrieben ist, verstehe ich die Skepsis der Landesregierung nicht ganz. 103 Und dann hätte ich erwartet, dass die Landesregierung auf Herr Y. zugeht und fragt, was aus diesem Konzept geworden ist, was er damals vorgesellt hat. Alles besser als hinter verschlossenen Türen über ihn zu reden als mit ihm. "Russe bleibt Russe", heißt es dazu mit bitterem Unterton aus der Belegschaft. Witaly Yussufow wird dargestellt als wäre er ein Pate der russischen Mafia, der nur das Know-how der Werft haben will und an den Menschen kein Interesse hat. "Falsch", sagt Ines Scheel, die dem Sohn des früheren russischen Energieministers ein gutes Leumundszeugnis ausstellt: Regie 18. O-Ton Scheel Wenn man den vorherigen Eigentümer kannte, so wie wir Herr Burlakow, der hier mit goldenen Handys und zehn Ketten angekommen ist und den Versprechungen die er gemacht hat und jetzt der Herr Y als Gegenteil dazu sieht, dann könnte man diesen Eindruck gewinnen, ja 119. Aber ich muss sagen, bisher hat er uns noch nicht belogen. 121 Im Gegensatz zu dem, was Herr Burlakow gemacht hat. Der ist hier angekommen und hat gesagt. Die Schiffe, die ich aus Russland bringe, da reichen die Leute gar nicht, die hier auf den Werften beschäftigt sind, da müssen wir noch ein paar Leute einstellen. Das waren nur Versprechungen. Und bisher hat Herr Y. die Versprechen, die er gemacht hat, eingelöst. Yussufows Problem: Obwohl er fliesend deutsch spricht, findet er nicht die richtigen Worte, um die Belegschaft hinter sich zu ziehen. Mit Schuld daran trägt eine Düsseldorfer PR-Agentur, die ihn nach außen so abschirmt, dass keiner an ihn rankommt und er nicht mitbekommt, was wirklich über ihn gesagt und gedacht wird. Fragen sind nicht erlaubt, Werftbesuche ebenfalls nicht und wer mit Werftarbeitern redet, hat mindestens drei Aufpasser um sich rum. Das Ergebnis: die negativen Gerüchte über den Werfteigner explodierten regelrecht. Und kaum einer glaubt dem russischen Werfteigner noch, wenn er behauptet, die Werften retten zu wollen: Regie 19 O-Ton Yussufow Ich sehe die Zukunft der Werften in der weiteren Entwicklung der Standorte als Schiffbaustandorte und wir wollen uns um Aufträge für beide Standorte weiter intensiv bemühen. Das mag man glauben. Realistisch klingt eher der sogenannte Plan B der Landesregierung. Es bleibt nur die Wismarer Werft übrig, während das Warnemünde Werftgelände zerteilt und an Frachtunternehmen und an Baufirmen vermietet oder verkauft wird. So suchen z.B. die Baufirmen der neuen Fehmarn-Belt-Brücke einen Platz mit direktem Hafenanschluß auf dem sie die riesigen Brückenteile montieren können. Genau das - was das Werftgelände bietet. Für Wismar - ein glückliches Ende, für Rostock-Warnmünde ein schwerer wirtschaftlicher Schlag, wenn auch mit Chance auf eine positive Entwicklung.