Deutschlandradio Kultur / Die Reportage 11. November 2012 13.05 Uhr Windrad im Sturmtief - Der schleppende Ausbau der Offshore-Anlagen in Deutschland Autor: Axel P. Schröder Atmo 1 Wasserplatschen Atmo 2 Motorendröhnen Das Ungetüm speit Wasser, steht auf seinen vier mächtigen Stahlbeinen tief im Schlick, an einer Kaikante in Cuxhaven. Die "Seajacks Leviathan" ist eine Mischung aus Hochseeplattform und Schiff, so groß wie ein Fußballplatz. An allen vier Seiten schießt das Kühlwasser aus Öffnungen in der leuchtendroten Bordwand, angesaugt wird das Nordseewasser über dicke Rüssel, die zehn Meter hinunter reichen, bis in die braune, salzige Brühe im Hafenbecken. Atmo 3 Sprechfunk Benannt ist Schiff nach dem Leviathan: einem biblischen Seeungeheuer, einer Mischung aus Riesenkrokodil und Drache, Seeschlange und Walfisch. Die "Leviathan" ist ein Spezialschiff, mit dem weit draußen vor der deutschen Küste der Windpark "Meerwind Süd/Ost" aufgebaut werden soll, ein Errichterschiff. Atmo 3 Sprechfunk Die Männer an Deck sind Briten. Ölverschmierte Overalls, Bauhelme, coole Schutzbrillen. Profis aus Schottland, Wales oder Irland. Für Interviews haben sie keine Zeit. Ihr Kapitän, Rob Clarke, will noch heute Nacht auslaufen. Mit der Flut auf die Nordsee. Die Männer arbeiten konzentriert, strahlen Ruhe aus. Geübte, routinierte Handgriffe. Jeder hat seinen Platz, seine Aufgabe, während das signalgelbe, 300 Tonnen schwere und 30 Meter lange Stahlrohr an Bord gehievt wird. Ein so genanntes "Transition-Piece", ein Turmstück, das draußen - 30 Kilometer vor Helgoland - auf die schon eingerammten Fundamente, die Monopiles gesetzt werden soll, als unterstes Turmstück der 90 Meter hohen Anlagen: OT Assheuer: Der Plan ist, dass wir den Transition Piece als erstes auf die Leviathan draufsetzen. Und dann die Transition Piece 31 ebenfalls auf die Leviathan installieren. Dann fahren wir raus und nehmen die Transition Piece 31 auf den bereits installierten Monopile oben drauf. Jens Assheuer steht oben auf der Brücke, den schwebenden Metallkoloss immer im Blick. Der Zwei-Meter-Mann ist Geschäftsführer von "Wind MW", 38 Jahre alt, Bauhelm, Warnweste. Assheuers Firma hat die "Seajacks Leviathan" für die nächsten 14 Monate gechartert. Und die Crew gleich mit: 50 Männer und eine Frau arbeiten auf dem Schiff, die meisten von ihnen bringen jahrzehntelange Erfahrung aus der britischen Öl- und Gasindustrie mit. Atmo 4 Sprechfunk II Dass Briten und Dänen den Deutschen im Geschäft mit der Offshore-Windkraft voraus sind, weiß Assheuer. Über ihm flattert die Fahne mit dem Firmenlogo. OT Assheuer: Die Herausforderung, die wir in Deutschland haben: wir haben einfach eine deutliche größere Entfernung zur Küstenlinie! In den anderen Ländern, in Dänemark und England, bauen die sehr küstennah, in Wassertiefen zwischen sechs und dreißig Metern. Und wir haben die Herausforderung, dass wir hundert Kilometer weit rausfahren müssen und Wassertiefen in der Offshore-Industrie in Deutschland haben zwischen 20 und ungefähr 45 Meter. Atmo 4 Sprechfunk II Das erhöht den logistischen Aufwand um ein Vielfaches, sagt Assheuer. Vor der britischen Küste stehen schon über 700 Windkraftwerke. In beiden Ländern gibt es jahrzehntelange Erfahrungen mit der Öl- und Gasförderung auf hoher See. In der deutschen Ostsee steht dagegen mit "Baltic 1" erst ein einziger Windpark. Und im deutschen Teil der Nordsee drehen sich gerade mal zwölf Rotoren im Test- und Forschungsfeld "Alpha Ventus". Weit draußen, 60 Kilometer vor der Küste, hängt die Emdener Firma Bard dem Zeitplan für ihr Projekt "Bard Offshore 1" hoffnungslos hinterher: von 80 geplanten Anlagen liefern erst zwei Dutzend Strom an Land. Weil das Wetter weit draußen einfach schlechter sei, werden auch die Zeitfenster, in denen gebaut werden kann, immer kleiner, so Assheuer. OT Assheuer: Ist für die Bauphase natürlich eine gewaltige Herausforderung. Auf der anderen Seite baut man aus genau diesen Gründen ja an dieser Stelle. Denn wenn der Windpark gebaut ist, möchte man natürlich auch die maximale Energie aus dem Wind herausholen und deshalb geht man gerade in diese Regionen in der Nordsee, wo man eine sehr starke Windgeschwindigkeit hat. Atmo 4 Sprechfunk II Die maximale Energie steht am Ende für maximale Erträge, größtmöglichen Profit. Immerhin soll sich die Investition von rund 1,2 Milliarden Euro pro Windpark auch lohnen. Soviel ist nötig für sechs Dutzend Fundamente, Stahltürme á 90 Meter Länge, für die passenden Rotoren und Maschinenhäuser, in denen mächtige Generatoren Wind in CO2-freien Strom umwandeln. Atmo 4 Sprechfunk II Atmo 5 Schritte durch Gänge im Schiff Hinten, auf dem Heck des Schiffs stehen jetzt zwei der gelben Turmstücke. Mehr kann auch das stählerne Seeungeheuer nicht aufs Meer verfrachten. Vorn ragen die Schiffsaufbauten in die Höhe, weiß lackierter Stahl vor einem von Stunde zu Stunde immer dunkleren Himmel. Auf vier Stockwerken sind Schlafkojen untergebracht, ganz unten der Speisesaal, daneben ein großer Fitnessraum, gut besucht von Männern mit trainierten Oberarmen. Aber auch die einzige Frau an Bord geht hier Joggen, auf dem Laufband, Kilometer um Kilometer. Braungebrannt, tiefschwarze Locken, schwarzer Sportdress, wache Augen. Vivienne Davidson ist Schiffsärztin auf der Leviathan. Atmo 6 Einweisung Vivienne Zu allererst gibt sie eine Einweisung in die Sicherheitsregeln auf dem Schiff. Vivienne - an Bord sprechen sich alle mit Vornamen an - zeigt auf die beiden Rettungsboote, die Kisten mit den Überlebensanzügen und all jene Orte, an denen Schwimmwesten lagern. Dann führt sie runter aufs Hauptdeck, zu ihrem Arbeitsplatz. OT Vivienne (Voice-Over): Hier sind wir in der Krankenstation an Bord der "Leviathan". Wir arbeiten nach den Standards der Öl- und Gasindustrie. Da vorne haben wir eine Liege, auf der wir die Patienten untersuchen können. Rechts davon ein Gerät, mit dem wir EKGs schreiben können und das Herz der Leute wieder in Gang setzen können, wenn es aufhört, zu schlagen. Wir können die Leute hier inturbieren, sie also beatmen, wenn sie es brauchen. Und wir haben Infusionen, mit denen wir Verletzte versorgen können, die viel Blut verlieren. Atmo 7 Krankenstation Auf ihrem Schreibtisch: Unterlagen, Statistiken und ein kugelrundes Goldfischglas: "Leviathan" und "Zaratan" schwimmen darin, ziehen ihre Bahnen zwischen bunten Plastikalgen. Die "Zaratan" ist das Schwesterschiff der "Seajack Leviathan", benannt nach einer märchenhaft großen Riesenschildkröte. Atmo 7 Krankenstation Rechts an der Wand liegen in einem Glasschrank: Kopfschmerztabletten, Pillen gegen Durchfall, Fieber, gegen Seekrankheit und Asthmaanfälle. Im Raum daneben ein typisches Krankenbett: mit Rollen, sehr hoch, reserviert für Schwerverletzte, die intensivmedizinisch versorgt und überwacht werden müssen. OT Vivienne (Voice-Over): Und hier, im nächsten Raum haben wir ein Badezimmer. Aus zwei Gründen: einmal für stationäre Patienten, die im Krankenzimmer liegen. Zweitens für Menschen mit Unterkühlungen. Dafür haben wir eine Badewanne, um ihn aufzuwärmen. Atmo 7 Krankenstation Im Winter, erklärt die Ärztin, reichen schon wenige Minuten im eisigen Nordseewasser, um an Unterkühlung zu sterben. Benutzt wurde die Wanne, in ihren sechs Berufsjahren an Bord, aber noch nicht. Bei Unfällen auf den Offshore-Baustellen sind meistens Beine und Arme betroffen, erzählt sie. Brüche, Verstauchungen, Quetschungen. Sind Errichterschiffe mit Notfallstationen in der Nähe, können Vivienne und ihre Kollegen auf den anderen Plattformen schnell helfen. Sind die Windparks aufgestellt, kann es Stunden dauern, bis Notärzte per Helikopter an Ort und Stelle sind. Für solche Fälle stehen dann rund um die Uhr Rettungshubschrauber bereit. Und Forscher entwickeln Kamera- und Funksysteme, mit denen Ärzte schon aus der Ferne den medizinischen Laien auf See im Ernstfall erste Ratschläge übermitteln können. Telemedizin für den Offshore-Einsatz. Trotzdem gibt es - wie auf Baustellen an Land - immer wieder Fälle, in denen jede Hilfe zu spät kommt: OT Vivienne (Voice-Over): Der schrecklichste Unfall passierte, als ein Rotorblatt auf einen Arbeiter fiel. Er wurde in zwei Hälften gehackt. War sofort tot. Und auch sein Kollege bekam was ab: die Spitze vom Rotorblatt hat ihn getroffen, er musste auf die Intensivstation, hatte Lungenverletzungen. Aber das waren wirklich die dramatischen Fälle... Zuletzt brach sich jemand den Rücken und musste ausgeflogen werden. Aber meistens geht es um Kleinigkeiten: Schnittwunden, eine Beule oder Prellungen. Die Leute kommen mit Kopfschmerzen und manchmal - mit Durchfall... Atmo 8 Krankenstation II Vivienne zuckt die Schultern, lächelt. Lange Jahre hat sie an Land gearbeitet, sich auf die Behandlung schwerer Verletzungen spezialisiert, in Notfallambulanzen gearbeitet. Ein Patient aus der Öl- und Gasindustrie gab ihr den Rat: jemand wie sie gehört auf ein Schiff, aufs Meer, eine Arbeitsplattform. Heute arbeitet sie zwei Monate am Stück auf den zwei Schiffen ihrer Firma, in rauer, nasskalter Umgebung. Dann erholt sie sich zuhause, im Süden Spaniens, wärmt sich auf, bevor es wieder raus geht. Atmo 9 Vivienne telefoniert Viviennes Telefon klingelt. Kapitän Rob Clark meldet sich von der Brücke. In sechs Stunden soll die Leviathan auslaufen. Wind und Wellen aber - das meldet der Seewetterbericht - werden heftiger. Atmo 11 (Archiv?) Schritte in Halle, Steinfußboden Weit entfernt vom Öl und Schmutz, von verletzten Gliedern und Wellengang arbeitet Annette Schmitt. Schmalgeschnittener heller Anzug, Nadelstreifen, Einstecktuch, das graue Haar ganz kurz. Bei der Frankfurter Unternehmensberatung KPMG analysiert sie die Märkte für Offshore-Windfarmen, die Chancen und Risiken von Investitionen in diesem Bereich. Die nötige Begeisterung für die Kraftwerke auf hoher See, für "Baltic 1" oder den Testpark "Alpha Ventus" bringt die Business-Frau mit: OT Schmitt: Wir wollen mit dem Team zum Beispiel auch mal rausfahren nach "Alpha Ventus". Da gibt es ja Katamaranfahrten, mit denen man rausfahren kann. Das wollen wir einfach mal machen, um das zu sehen. Weil es gigantische industrielle Dimensionen sind. Das ist eben nicht einfach nur ein Elektron, was durch eine Leitung durchfließt oder irgendwas Virtuelles, was man nicht ansehen kann... Da wird richtig Pionierarbeit geleistet. Ein anderer Teil der Faszination ist, dass man mit Offshore-Wind bei der Hauptsäule der Energiewende in Deutschland dabei ist: ohne Offshore-Wind keine Energiewende! Da darf nichts schiefgehen...! Deshalb kann man auch beobachten, dass die Politik immer wieder nachjustiert. Atmo 12 (Archiv?) Büro Schmitt sitzt im Besprechungsraum von KPMG, in einem futuristischen Neubau über dem Frankfurter Flughafenbahnhof. Draußen vor dem Fenster gleitet im Zwei-Minuten-Takt die Zukunft vorbei: rote und blaue Gondeln bringen Frauen in Kostümen, Männer in perfekt sitzenden Anzügen lautlos vom nahegelegenen Parkhaus ins Büro. Dass die Briten und Dänen mit ihren Offshore-Parks schon viel weiter als die Deutschen sind, liegt vor allem an den Wassertiefen, in denen die hiesigen Parks entstehen sollen. An der Politik und falschen Rahmenbedingungen würde es dagegen - ausnahmsweise - nicht liegen. Zurzeit, erklärt Annette Schmitt, tüftelt die Bundesregierung vor allem an der Haftungsfrage: wer zahlt, wenn ein Krabbenkutter-Kapitän mit seinem Anker versehentlich genau das Stromkabel beschädigt, durch das der Strom aus den Parks an Land gepumpt wird? Wenn der Strom, der pro Kilowattstunde immerhin 15 Cent einbringt, nicht abtransportiert werden kann? OT Schmitt: So ein Kabel kann ein halbes Jahr down sein. Muss nicht, aber kann. Und dann hat ein projektfinanzierter Windpark ein halbes Jahr kein Geld, um seine Bankenfinanzierung zu bedienen und das ist nicht gut!! Und es ist natürlich auch bei den konzernfinanzierten Parks nicht gut! Atmo 12 (Archiv?) Büro Deshalb wird in Zukunft, so sieht es der Gesetzentwurf vor, den das Bundeskabinett schon beschlossen hat, im Falle solcher Havarien der Stromkunde zur Kasse gebeten. Zusätzlich zu den schon bestehenden Kosten für die Vergütung des Ökostroms. Langfristig, analysiert Annette Schmitt, wird sich der Aufbau der Offshore-Stromversorgung aber auszahlen: knapp 4.000 neue Arbeitsplätze sind durch die neue Kraftwerkstechnik schon heute entstanden, zukünftig könnten - bei Zulieferfirmen, Wartungs- und Reparaturbetrieben bis zu 20.000 neue Jobs entstehen. Und nicht nur im Norden, sondern in der gesamten Republik: denn die Getriebeteile und Generatoren, die Hightech-Filter und Hydrauliksysteme stammen aus Fabriken in Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Eine Garantie auf ein Jobwunder durch Offshore-Wind gibt es allerdings nicht, warnt Schmitt. Wer beim Aufbau eigener Offshore-Industrien das Rennen macht, ist noch nicht ausgemacht. OT Schmitt: Wir sind in Deutschland in so einem Zeitfenster: wir sind zwischen den frühen Offshore-Windmärkten - Holland, Dänemark, Großbritannien, die ersten Projekte - und dem riesigen britischen Markt - der nennt sich "UK Round 3" - wo große, große Entwicklungsgebiete als Lizenzen vergeben wurden. Das sollte mal ursprünglich anfangen 2016, 2017. Wenn das anfängt, zieht das alles Kapital, Eigenkapital, Fremdkapital, alle Errichterschiffe, alle Turbinenherstellungskapazität, alle Manpower zieht das Großbritannien, weil es einfach der Markt ist und jeder muss da sein. Der größte Offshore-Windmarkt weltweit. Atmo 13 Sirene, Hupen Atmo 14 Übung Der schrille Alarm bringt die Männer auf der "Seajacks Leviathan" nicht aus der Ruhe. Die einen sammeln sich an Steuerbord, die anderen an Backbord, gleich neben den schmutzig-orangen Rettungsbooten. Wie riesenhafte Zigarren sehen sie aus, bieten Platz für jeweils sechzig Personen. Die Arbeiter klappen weiße Kisten auf, verteilen Schwimmwesten. Einer kämpft mit einem viel zu großen Überlebensanzug. Der schützt viele Stunden vor Unterkühlung, das grelle Orange soll die Rettungshubschrauber bei der Suche leiten. OT Instructor (Voice-Over): Guckt Euch ruhig mal Finn an: mit diesen dicken Handschuhen ist es kaum möglich, diese klobigen Fußteile anzuziehen. Also helft Euch gegenseitig, zieht die Dinger so schnell es geht an. Eigentlich soll das nur ein paar Minuten dauern!! Atmo 14 Übung Der Übungsleiter steigt die weißen Gitterstufen hoch, öffnet die Einstiegsluke ins Rettungsboot. Und beruhigt: mit dem Boot können wir sogar durch brennende Treibstoffteppiche auf dem Meer fahren. Kein Problem: OT Instructor (Voice-Over): Wir lassen das Boot runter, treffen auf dem Wasser auf. Dann haben wir Sauerstoff für zehn Minuten und die Sprinkleranlage besprüht dann die Außenhaut. In der Zeit kommen wir gut 500 Meter weit. Weit genug, um aus der Hitze, dem Rauch und diesem ganzen Mist rauszukommen. Dann können wir per Funk Hilfe rufen, wir haben Wasser und Essen an Bord. Genug für ein paar Tage... Atmo 15 Übung II ... und meistens, scherzt sein Kollege, haben wir dann sogar vollen Handyempfang und mit etwas Glück auch Satelliten-Fernsehen. OT Instructor: Has anyone got questions? Is everybody happy? Yeah. Cool...! Atmo 16 Treppensteigen Auf dem 3. Oberdeck sitzt Kapitän Rob Clark an seinem Schreibtisch. Er ist 32 Jahre alt, breites Kreuz, vor sich auf dem Computerbildschirm die neuesten Wetterdaten. Noch ist der Kapitän nicht sicher, ob Wetter und Wellen eine Arbeit mit der "Leviathan", draußen auf dem Meer möglich machen: OT Rob Clarke (Voice-Over): Für uns ist es ein Riesenproblem, wenn uns draußen im Baufeld eine ganz bestimmte Dünung erwartet, mit einem ganz bestimmten Abstand zwischen Wellenberg und Wellental. Wenn wir dann nicht aufpassen, beschädigen wir die Mechanik, die uns aus dem Wasser hebt. Also schauen wir uns den Wetterbericht genau an, beobachten auch beim Rausfahren das Wetter und dann, wenn wir unsere Position erreicht haben, fahren wir langsam die Beine nach unten. Wenn sie zu hart auf den Meeresboden treffen, wird das ganze Schiff beschädigt. Aber bis zu einer Welle von zwei Metern können wir das machen. Atmo 17 Brücke Dann, erklärt Clark, heben die Beine die "Leviathan" langsam aus der See. Das Schiff, sagen die Experten, "jackt" sich aus dem Wasser. Und bis zu 17 Meter hohe Wellen können unter dem Schiff hindurch rollen. Der Kapitän der "Leviathan" hat großen Respekt vor der Nordsee: OT Rob Clark (Voice-Over): In den 60er und 70er Jahren kamen die Amerikaner hierher. Wollten die Öl- und Gasfelder ausbeuten. Sie dachten: die Nordsee ist eine Pfütze, kein Vergleich zum Atlantik! Und als sie dann hier waren, merkten sie, wie heftig es hier zugehen kann. Wir wissen das - und auch wenn die "Leviathan" extra für raues Wetter, für Offshore-Baustellen gebaut wurde, kann uns das Wetter einen Strich durch die Rechnung machen. Die Wellen- und Wetterbedingungen können sich hier sehr schnell ändern... und dann kann die Nordsee ein sehr lebensfeindlicher Ort sein... Atmo 17 Brücke ... und ein Ort, an dem der Wind stärker und stetiger bläst als an der Ostsee, als an Land sowieso. Wo es sich lohnt, bei allem Risiko riesige Windfarmen aufzubauen. Rob Clark wirft einen letzten Blick auf den Wetterbericht. Zieht die Brauen hoch. Trifft seine Entscheidung: die "Leviathan" bleibt im Hafen, die Welle im Baufeld misst im Schnitt 2,50 Meter. Das Schiff kann dann zwar die Baustelle anlaufen, sich aber nicht aus dem Wasser heben. Atmo 19 Wasserplatschen, Gischt, Schifffahrt Eine Woche später, sieben Uhr früh. Zwei, drei Windstärken gehen über die Ostsee, Wellenhöhe: gerade Mal ein halber Meter. Vom kleinen Barhöft aus, die Insel Hiddensee liegt ein paar Kilometer entfernt im Morgendunst, startet ein Serviceschiff zum Windpark "Baltic 1". Erbaut im Sommer 2010, als es das Wetter gut meinte mit den Bautrupps: die See war ruhig, die Wellen zahm und 21 Anlagen waren schneller errichtet als geplant. Die 15 bequemen, perfekt gefederten Sitze an Bord sind komplett belegt, Wartungstechniker für die Windräder auf dem Weg zur Arbeit. Dösen vor sich hin, blättern in der Zeitung, unterhalten sich. Eine Dreiviertelstunde dauert die Fahrt zum Park. Die Männer haben große Taschen mit Werkzeug dabei. Alle tragen Klettergurte, Schwimmwesten, Schutzhelm. Atmo 20 Windrad, Zischen, wenn die Blattspitze über uns hinwegsaust Atmo 21 Wellen Das Übersteigen vom Schiff auf die Anlage ist ganz einfach, so sanft sind die Wellen. Ein Drahtseil sichert die Monteure beim Hochklettern, 18 Meter nach oben zum Eingang in den Turm. OT Steffen Dobslaff: Die Anlage hat jetzt eine Nabenhöhe von 67 Metern. Und einen Rotordurchmesser von 93 Metern. Man hat immer so das Gefühl, das Blatt kommt bis zu einem runter, aber das sind noch ein paar Meter bis zur Spitze. Man muss noch nicht den Kopf einziehen. Atmo 20 Windrad, Zischen, wenn die Blattspitze über uns hinwegsaust Atmo 21 Wellen Steffen Dobslaff kümmert sich als Wartungstechniker um die Anlagen im Windpark. Auch er trägt Helm und Klettergurt, Schwimmweste und Sicherheitsschuhe, steht vor dem Eingang in den Turm. Die Blattspitzen des Rotors durchschneiden mit rund 250 Kilometern pro Stunde die milde Ostseeluft, 14 Umdrehungen pro Minute liefern bei Volllast 2,3 Megawatt Strom. OT Dobslaff: Gut, ich schalte die Anlage mal ab und dann gehen wir mal rum. Atmo 22 im Turm Unten im Turm rauscht der Transformator, in grauen Schaltkästen wird der Strom gefiltert und dann über die grellgelbe Umspannplattform aus dem Park an Land geschickt. Angeseilt geht es über eine Leiter auf die erste Etage, zum kleinen Fahrstuhl: OT Dobslaff: Das ist kein Luxusmodell. Du hast gerade genug Platz für zwei Leute. Mit ein bisschen Gepäck noch, aber das war es dann. Atmo 23 Klappern der Rolläden im Fahrstuhl, Surren beim Hochfahren Atmo 23 Ende Fahrstuhlfahrt, raus in Turm Atmo 24 Klettergeschirr Anstrengend ist das Hochklettern, durch eine kleine Luke geht es ins Maschinenhaus, ein enger Schlauch, neonbeleuchtet und warm: OT Dobslaff: Hier HiHier befindet sich die Hauptwelle. Das ist alles gekapselt und abgeschirmt. Man sieht eigentlich nicht wirklich viel von den drehenden Teilen der Maschine. Das ist alles aus Sicherheitsgründen so gehalten, dass man möglichst nirgendwo reinfassen kann oder hängenbleiben kann. Deshalb sieht man nur diese ganzen Bleche vor sich und mehr nicht. Atmo 25 Maschinenhaus Jeden Tag sind die Wartungsteams im Park unterwegs. Ein Dutzend Männer arbeitet dann auf der Umspannplattform oder auf den Anlagen: Dobslaff und seine Kollegen kontrollieren dann die Verschleißteile, alle Schmierstoffe. Und wenn Rotorblätter durch Blitzschläge getroffen wurden, klettern sie raus und seilen sich an den Blättern ab, den Reparaturkoffer immer am Mann, 50 Meter über dem Meer. Im Winter ist Dobslaff froh, wenn er nicht raus muss und im warmen Maschinenhaus arbeiten kann. Atmo 26 Hydraulik, Aufschwenken Bei gutem Wetter, so wie heute, wirft er die Hydraulik an, öffnet die riesigen Deckenluken. Blauer Himmel, frischer Wind, ganz unten die glitzernde Ostsee, ein kleines Transportschiff, das durch die Wellen pflügt. Dobslaff kneift die Augen zusammen, schirmt mit einer Hand die Augen gegen die Sonne ab und grinst breit: OT Dobslaff: Das ist ein Traumjob! Das hat man nicht überall... Allein schon der Weg zur Arbeit hat schon was für sich. Jeden Tag auf See zu sein und die Arbeit mit der Technik ist faszinierend. Weil man aus allen Bereichen was hat: man hat hier diverse mechanische Systeme, man hat elektrische Steuerungen, alles, was man sich nur vorstellen kann. Ein Spielplatz für große Jungs! Atmo 28 Zischen der Rotorblätter 2 1