COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandrundfahrt About Germany Ein deutsch-amerikanischer Streifzug Eine Sendung von Eric T. Hansen und Paul Stänner 31. Mai 2014, 15.05 Uhr Ton: Hermann Leppich Regie: Roswitha Graf Redaktion: Margarete Wohlan Eine Produktion von Deutschlandradio Kultur 2014 Regie Kennmelodie Studio-Eric Es fing mit einem Gespräch in Berlin an. Paul fragte mich, was wir Amis überhaupt von Deutschland kennen. Ich sagte: Wenn die typischen Amerikaner an Deutschland denken, denken sie an drei Dinge: bayerische Autos, bayerisches Brauchtum und bayerische Nazis. Studio-Paul Natürlich ist diese Sicht in keiner Weise akzeptabel. Das kann nicht alles sein. Es ist einfach geschichtsvergessen, dass kein Ami an das westfälische Münsterland denkt, wenn er an Deutschland denkt. Als der spätere US-Präsident Thomas Jefferson noch Botschafter in Paris war, ist er eigens ins Münsterland gereist, um sich die Herstellung von Schinken erklären zu lassen. So begann die deutsch- amerikanische Freundschaft. Studio-Eric Aber sie endete in Bayern. Wenn Amerikaner an Deutschland denken, denken sie an Bayern. Was auch der Grund war, warum ich z.B. in München studiert habe. Studio-Paul Der Westfale in mir weigert sich anzuerkennen, dass Amerikaner so klischeeverhaftet denken können. Bayern ist schön, aber Deutschland ist mehr. Sollte es jedenfalls sein - auch für Amerikaner. Sprecherin About Germany Ein deutsch-amerikanischer Streifzug Eine Deutschlandrundfahrt von Eric T. Hansen und Paul Stänner Regie Atmo BMW Welt Eric: Meine Geschwister haben nie Deutschland besucht. Ich habe sie immer eingeladen, mich in Deutschland zu besuchen. Mein Bruder hat einmal gesagt, er kommt nach Europa, eine Woche lang mit der Familie und davon einen Tag nach Deutschland. Entweder kommt er nach Berlin, um seinen Bruder zu besuchen oder er geht nach München, um in die BMW Welt zu gehen. Wetten Sie, was er gemacht hat: Mudelack: Er ist nach München gekommen. Eric: Können Sie mir sagen warum? Mudelack: Ich glaube, dass, wenn der Amerikaner, und ich nehme Ihren Bruder jetzt gerne als den Amerikaner, über Deutschland nachdenkt oder gerne auch über Europa nachdenkt, um nach Europa zu fahren glaube ich, ist die Gedankenkaskade sehr schnell: Ich fahre nach Europa, ich fahre nach Deutschland, ich fahre dahin, wofür Deutschland steht und das ist einfach München und Bayern aus Sicht der Amerikaner wesentlich stärker, als dass es Berlin ist. Musik 1 Titel: Bei mir bist Du schön Interpret: The Andrew Sisters Komponist: S.Secunda, J.Jacobs. S.Cahn, S.Chaplin Label: ZYX, LC-Nr. 06350 Regie Atmo-Wechsel (Margarete schlägt vor: einfach trocken.) Studio-Eric Die BMW-Welt in München ist im Grunde ein riesiger neuartiger Auto-Schauraum. Es ist kein Museum und es findet hier kein Verkauf statt, aber unwahrscheinlich viele Menschen kommen hierher, um die neuen Modelle zu bewundern, und die Kinder freuen sich, wenn ein BMW- Motorrad ab und zu mal die Treppen rauf und runter fährt. Studio-Paul Wir – der Westfale Paul Stänner und der Amerikaner Eric T. Hansen – wollten wissen, warum ein Auto-Showroom so viele Menschen anzieht, vor allem Amerikaner. Das sollte uns der Chef der BMW Welt Thomas Mudelack sagen. Atmo 2 BMW Welt Mudelack Wir haben letztes Jahr 3 Millionen Besucher hier in der BMW-Welt gehabt. Damit sind wir deutlich vor Schloss Neuschwanstein. Wir haben uns ganz klar zu der attraktivsten und meist besuchten touristischen Attraktion auch entwickelt. Das war auch Ziel dieses Hauses hier. Wir wollten für möglichst viele Menschen die Marke BMW und heute jetzt auch mit Mini und Rolls-Royce angreifbar, erfahrbar, erlebbar machen. Wir hatten ursprünglich mit 800.000 Besuchern gerechnet und wir sind natürlich sehr, sehr stolz darauf, dass wir jetzt mittlerweile 3 Millionen pro Jahr haben. Paul Das wäre jetzt für mich der Grund, warum die hierher kommen. Die gehen dann als erstes einmal auf die Autobahn und fahren dann richtig. Mudelack: Na klar. Es hat verschiedene Hintergründe: der eine ist, dass viele Amerikaner ein Mal in das Herz des Unternehmens BMW kommen wollen und das sind wir hier. Das ist die BMW Welt. So verstehen wir uns, Herz der Marke zu sein, BMW so darzustellen, erlebbar, angreifbar, anfassbar zu machen auch über die Menschen, die hier arbeiten, wie wir uns letztlich verstehen. Da möchte der Amerikaner einmal hin, um es live zu erleben. Er möchte natürlich in diesem Ambiente sein Fahrzeug übergeben bekommen. Das ist weltweit die emotionalste und spektakulärste Art und Weise, wie Sie Ihren BMW eigentlich übernehmen können. Eric: Warum nennen sie Ihre BMW’s Beamers? Das Wort verstehe ich nicht. Warum Beamer? Mudelack: Es ist diese „kind of coolness“. Das ist einfach Beamer. es hört sich cool an, es spricht sich cool aus und das ist das, was Sie vorhin auch gesagt haben, warum hat BMW Porsche dort irgendwie in diesem Status auch überholt. BMW ist die coolere Marke in Amerika. Der Beamer bringt dies einfach perfekt zum Ausdruck. Beam me up, Scotti. Wir hatten auch einmal eine schöne andere Bezeichnung, das war auch ein amerikanischer Kunde. Der hat sein Neufahrzeug hier abgeholt zusammen mit seiner Frau und hat ihr einen Hochzeitsantrag gemacht zusammen mit der Fahrzeugübergabe. PAUL Und sie hat sich für das Auto entschieden? Mudelack - und hat dann auf dem BMW – Logo hat er dann geschrieben: Nicht BMW sondern „be my wife“, und Gott sei Dank, sie hat ja gesagt. Regie Atmo-Wechsel Studio Paul Thomas Mudelack ist ein engagierter Vertreter seiner Marke. Bevor er zu BMW kam, hat er schon für eine Brauerei gearbeitet, Thomas Mudelack vereinigt in seiner Person wesentliche bayerische Kernkompetenzen - jedenfalls aus amerikanischer Sicht. Wer aber Tausende von Kilometern reist, nur wegen eines Auto, das man auch in Amerika kaufen kann, muss schon eine besondere Beziehung zu einem Auto haben - was mir persönlich übertrieben erscheint. Zumal Amerikaner im Regelfall wenig Urlaub haben - man muss sich seine Zeit einteilen. Studio Eric In Amerika sind alle Autos aus dem Ausland exotisch, aber aus anderen Gründen: japanische Autos sind klein und billig, französische Autos sind skurril – nur deutsche Autos werden für ihre überlegene Technik bewundert. Aber sie sind teuer. Das bedeutet, wer sich ein überlegenes deutsches Auto leistet, hat es im Leben zu etwas gebracht. Es ist ein Status-Symbol, vielleicht das Status-Symbol schlechthin in Amerika heute. Regie Atmo Einweisung unterlegen Studio-Paul Zum Beispiel Frau Snyder und ihr Mann. In der BMW-Welt steht glücklich neben ihrem neuen Wagen, in einer sehr exotischen Farbe, April Snyder aus Golden Beach/ Florida - blond, schlank, durchtrainiert, sieht so aus, als habe der BMW-Designer sie gleich mitentworfen, weil sie so gut zum Auto passt. Amerikanischer geht es kaum. Studio-Eric Während ihr Mann in sein neues Fahrzeug eingewiesen wird, hat April Zeit, unsere Fragen zu beantworten. Ich fragte, warum sie so weit gereist sind? O-TON BMW Welt 3 April Snyder Übersetzerin Wir lieben BMW. Wir sind seit 30 Jahren verheiratet und hatten immer nur BMW. Eric Was ist die Reputation von BMW in den USA. Mercedes ist ein gutes Auto, Volkswagen, Porsche, warum wollen die Amerikaner einen Beamer: April Snyder Übersetzerin BMW ist cool. Mercedes ist nicht cool, für mich ist das ein Auto für alte Männer, steif. Ein BMW ist entspannend, er ist cool, er trumpft nicht auf, das ist eine Bombe. (lacht) Mein Mann hatte immer einen M5 und hat mir gesagt: April, ein alter Mann fährt nicht in einem M5, das ist jetzt meine Zeit, ich werde erst 63. - Ich habe ihm gesagt: Dann mach es jetzt! Und deshalb hat er einen neuen M5. Paul Ihr Amerikaner habt ein Problem: Ihr habt diese tolle starke Maschine, aber ihr könnt das Auto nicht fahren, weil ihr keine Autobahn habt. April Snyder Übersetzerin Für mich ist das kein Problem, ich bin eine langsame Fahrerin, sehr vorsichtig, alles was ich brauche sind gute Bremsen. …das ist das Wichtigste. Ich kann es kaum erwarten, ihn zuhause zu haben. Das dauert noch 6 Wochen. Musik 2 Titel: Bei mir bist Du schön Interpret: The Andrew Sisters Komponist: S.Secunda, J.Jacobs. S.Cahn, S.Chaplin Label: ZYX, LC-Nr. 06350 Regie Atmo-Wechsel Studio-Paul Man tritt einen Schritt zurück und denkt: Das ist das klassische amerikanische Ehepaar. Er ist ein erfolgreicher Hautarzt im sonnenüberzogenen Florida, seit 30 Jahren geht jeder Tripper, jeder Fleck eines drohenden Hautkrebses in einen neuen BMW. Studio-Eric Abgesehen von deiner geschmacklosen Betrachtung der Medizin – Paul, es ist ein amerikanisches Denken, sich für harte Arbeit zu belohnen. Er arbeitet wie eine „Maschine“, hat April über ihren Mann gesagt: Das ist in Amerika eine hohe Anerkennung. Wir bewundern Leistung, und wer so gut arbeitet wie eine Maschine, verdient unsere Anerkennung – und als Belohnung eine ebenso gut laufende Maschine. Studio Paul Rührend finde ich, dass Mr. Snyder sich nicht traut, einen neuen BMW zu kaufen, ohne dass seine Frau auch einen bekommt. Auch wenn sie nur eine gute Bremse will. Studio-Eric Unser Besuch in der BMW-Welt sollte keine soziologische Studie werden, aber auch unser zweiter Abholer aus den USA ist ein Arzt, Vincent Widowsky aus North Carolina. O-TON BMW Welt 4 Vincent Übersetzer Ich bin ein großer BMW-Fan, seit ich 30 bin und ich war in der BMW-Fahrschule des BMW-Clubs in Amerika, ich habe mich in die Marke verliebt, dies ist mein 4. BMW. Ich hatte zwei BMW- Motorräder und drei Mini-Cooper. Ich bin so was wie ein BMW-Fan. Paul: An addict? Vincent Übersetzer So könnte man es auch formulieren. Wir haben einen 328d gekauft, weil er einen Dieselmotor hat. Das ist in den USA einer der wenigen Dieselmotoren, und BMW hat mir versichert, man könne ihn auch Bio-Diesel fahren. Das ist für mich einer der wichtigsten Gründe für einen Diesel, denn ich möchte, dass der Kohlenstoff, der bei der Verbrennung entsteht, aus der Atmosphäre entnommen wurde und nicht aus dem Boden, also aus Öl. Wir haben in North-Carolina ein ausgedehntes Netz von Biodiesel-Tankstellen, unser Bio- Diesel wird aus Soja hergestellt, das Protein kann man essen und aus dem Öl macht man Bio-Diesel. Regie Röhren des safety car VINCENT Übersetzer … und ich möchte, dass die Leute diesen Dieselwagen sehen und sagen: Wow! Vielleicht funktioniert das auch mit einem Toyota oder einem Ford, aber ich glaube, mit einem BMW funktioniert das doch besser als mit jeder anderen Marke. Regie Es röhrt VINCENT: Übersetzer Auch wenn das hier der Geburtsort von unserem F31 3 ist, und ich bin glücklich, dass ich das hier sehen kann, sehe ich BMW nicht als deutsche Firma wie auch die amerikanischen Firmen globale Firmen sind - ich glaube, wir alle müssen viel globaler denken, daran, was gut ist für uns alle und nicht nur für ein spezielles Land. Also denke ich nicht notwendig an Deutschland, wenn ich an BMW denke. ERIC: Was assoziieren Sie nicht mit Deutschland? VINCENT: Übersetzer Deutsche sind bekannt für ihre Genügsamkeit. Italiener und Spanier sind bekannt für ihre Leidenschaft, ihre Romantik, ihre emotionalen Einflüsse auf Kunst, Kultur, Gesellschaft. Deutsche sind dafür nicht so bekannt, obwohl es herausragende Künstler gibt. Johann Sebastian Bach zum Beispiel, aber Deutschland ist trotzdem nicht für seine Künstler bekannt, man sucht das nicht in Deutschland. Deutsche sind bekannt wegen ihrer Technik, für die linke Gehirnhälfte und nicht so sehr für die rechte, die künstlerische Gehirnhälfte. So als allgemeiner Eindruck - vielleicht nicht ganz zu Recht - ist das eine zutreffende Aussage. Regie Atmo-Wechsel Studio-Paul Immerhin - was Vincent uns zugesteht, ist, dass wir gutes Bier brauen und Bier - in den richtigen Maßen, wie Vincent betont - ist wichtig. Natürlich ist Bier wichtig, aber man ist schon ein wenig in seinen patriotischen Gefühlen getroffen- und dann noch als Mitarbeiter eines Kulturradios -, wenn einem die rechte Gehirnhälfte abgesprochen wird. Studio-Eric Aber weil Vincent ein guter, nämlich sehr höflicher Amerikaner ist, bekommt er doch noch die Kurve. O-TON BMW Welt 5 Vincent Übersetzer Um ein großartiges Fahrzeug zu entwerfen, bedarf es natürlich auch eines großen Maßes an Leidenschaft, aber es ist eine andere Art von Leidenschaft, als die Leidenschaft für Musik, anders als für etwas, was man gemeinhin als Kunst ansieht. Doch die Leute, die dieses Auto entworfen haben, haben es in ein Kunstwerk verwandelt. Musik 3 Titel: Jonny und Joe Interpret: The Supremes Komponist: Holland, Dozier, K. Feltz Label: Bear Family Records, LC-Nr. 05197 Paul Na bitte, geht doch! Regie Musik frei, dann Atmo-Wechsel Studio-Eric In der BMW-Welt zweifelten die beiden Mitarbeiter der PR- Abteilung an meiner Einschätzung, dass die meisten Amis Deutschland auf drei Dinge reduzieren, die alle in Bayern zu finden sind: Nazis, Brauchtum und Autos. Ich fand das lieb von ihnen, dass sie glaubten, die Amis würden Deutschland differenzierter sehen. Aber sie als PR-Profis unterschätzten die Macht einer Marke. Bayern ist die Marke Deutschlands. Ich komme zum Beispiel aus Hawaii, da wissen wir viel mehr über Samoa, die Philippinen, Japan und sonst Asien als über Europa. Viele meiner Kommilitonen aus der Schule konnten nicht mal sagen, wo Berlin liegt. Aber was das Oktoberfest ist, dass wussten sie schon. Studio-Paul Ich bin sogar der Meinung, dass solche Klischees eine Aufgabe erfüllen: Sie geben einem Land und einem Volk ein Profil, auch für diejenigen, die sich sonst nicht mit dem Land beschäftigen würden. Immerhin kennen viele Deutsche von Amerika nichts mehr als die Klischees: Cowboyhüte, Rap- hosen, Coca-Cola und Rock & Roll. Und natürlich tragen alle übergewichtigen Amerikaner großkalibrige Schusswaffen und ballern in ihren dunklen Garagen lustvoll Austauschschüler ab. Das ist ihr Brauchtum. Studio-Eric Viele Deutsche – wie auch Du, Paul – haben echt ein Problem mit Bayern, weil manche Brauchtumsdinge wie Schuhplatteln von außen lächerlich erscheinen. Doch die Bayern nehmen sie sehr ernst. Und wir Amis lieben es. Studio-Paul Wenn ihr es also liebt, dann müssen wir es sehen. Und ich dachte: Mit solchen Leuten müssen wir reden, und wir fanden sie auch – in Berchtesgaden im Hofbräuhaus saß Herbert Moderegger beim Bier und wartete geduldig. O-TON Schuhplatteln 1 PAUL Ich möchte, dass Sie ihm den Grundschritt des Schuhplatteln beibringen. Er ist Hawaiianer, sie haben Kriegstänze dort, er wird das können. Moderegger: Das Schuhplatteln zu lernen ist nicht unbedingt in einer Stunde möglich. Man kann es lernen. Es kann ein jeder lernen, aber es sollte ordentlich und sauber gemacht werden und nicht nur nachgemacht und meinen, einen oder drei Schläge und lapidar, sondern es sollte eine gewisse Haltung und ein gewisses Musikgehör dazu gehören. Man sollte sich ein bissl damit in Verbindung bringen, damit man das auch machen kann. Weil, wenn man oft sieht, die Norddeutschen wollen das nachmachen und stehen da und klopfen auf den Schenkeln und meinen, das ist Schuhplatteln, das ist kein Schuhplatteln. Das muss man üben, man muss gewisse Grundschläge machen, gewisse Grundbegriffe und Schläge kennen. Ansonsten kann man es nicht recht lernen, aber es ist lernbar, aber nicht so schnell. Paul Probieren Sie es an ihm aus. Moderegger Es gibt verschiedene. Man fängt mit einem sogenannten Dreierschlag an. Man steht auf den Zehenspitzen, die Versen sind in der Luft, man hebt die Hände in einem rechtwinkligen Arm ab, eins, zwei, drei, eins zwei, drei. Das ist der Grundschlag. Dann gibt es den Fünferschlag, dann gibt es den Achterschlag, den Zwölferschlag und so addiert sich das auf. Paul Ich glaube, die ersten 3 waren schon zu viel. Eric Du glaubst, ich bin jetzt schon überfordert? Paul Wenn ich das richtig sehe - eins, zwei drei, eins, zwei, drei, eins zwei drei, eins, zwei drei. Moderegger Rechtes Bein, rechte Hand, rechter Oberschenkel, da bleibt er drauf stehen, eins, zwei, drei. Man hebt das linke Bein auf, linker Oberschenkel, linke Hand, Fußsohle rechte Hand. Paul Kann das sein, dass du ein rechts/links-Problem hast? Eric Es kann sein. Moderegger Eins, zwei drei auf der anderen Seite. Machen Sie nur eine Seite. Rechte Hand, rechter Oberschenkel, das rechte Standbein bleibt stehen. Auf den rechten Oberschenkel drauf, linkes Bein anheben mit der linken Hand auf den linken Oberschenkel und dann mit der rechten Hand auf die Fußsohle. Dazwischen hebt man immer wieder die Hand. Eins, zwei, drei, eins, zwei drei. Das ist der Rhythmus. Eric Moment, ich habe es fast. Paul Ich bestreite, was Sie gesagt haben, dass das jeder lernen kann. Bei Eric sieht das ein bisschen aus wie ein hawaiianischer Kriegstanz. Moderegger Bei Eric sieht das aus wie ein 6-jähriger, der zum ersten Mal zum Schuhplatteln geht. Der steht nicht recht viel anders da, aber er tut sich im Alter natürlich wesentlich schwerer, weil er nicht mehr so gelenkig ist wie ein junger. Daher tut er sich viel schwerer als ein junger oder einer, der es schon beherrscht. Regie Atmo Wechsel Studio-Eric Wir Amerikaner lieben das Brauchtum. Natürlich haben wir selbst unsere Eigenarten - in Texas tragen wir riesige Hüte, auf Hawaii bunte Hemden und im Wald karierte Hemden. Wir finden so etwas schön, weil man Menschen damit leicht identifizieren kann. Studio-Paul Ich als Nach-68iger dagegen habe meine Probleme mit dem deutschen Brauchtum, weil die Nazis es für ihre Ideologie ausgenützt haben. Für mich in meiner Jugend und Studentenzeit hatte Brauchtum immer einen sehr erdig- braunen Anstrich. Regie Schuhplatteln Eric Sie haben gesagt, man lernt es von der Kindheit an. Wie werden die Jugendlichen an das Brauchtum herangeführt? Moderegger Über die Eltern. Die Kinder werden ans Brauchtum über die Eltern herangeführt, indem sie praktisch im Kindesalter mit 4, 5 Jahren die Bräuche schon lernen, sprich: Herrgottswinkel, Kirche gehen, Ostern, Palmbuschen binden, Palmtragen, dann die Bekleidung schon haben. Es wird denen schon die Lederhose gekauft, es wird ihnen der Hut gekauft. Eric Meine Theorie wäre, dass das Brauchtum, Weihen, so stark sind, weil man es gezielt pflegt und die Kinder reinbringt. Man hat das Ziel, das Brauchtum zu pflegen und es nicht eine Sache, die man nebenbei macht, sondern intensiv. Kann das sein? Moderegger Ja, das ist richtig. Zumindest in unserer Region kenne ich das sehr stark, ich weiß nicht, wie es in anderen Regionen ist. Ich kann mir vorstellen, dass es in den Alpenregionen von Garmisch bis ins Berchtesgadener Land dürfte es überall so sein, dass die Kinder gezielt auf das Vereinsleben sprich auf das gemeinsame Leben mit der Tracht, mit der Örtlichkeit vertraut ist und aufwächst und weiß, was es in der Heimat zu sein heißt. Eric Können Sie sich vorstellen, warum die Amerikaner das bayrische Brauchtum als etwas sehen, was für ganz Deutschland steht? Dass sie andere Brauchtumarten in Deutschland nicht sehen, sondern nur das bayrische Brauchtum und das ist für sie Deutschland. Wie ist das gekommen, was meinen Sie? Moderegger Ich könnte mir vorstellen, dass der Amerikaner das Brauchtum hier in Bayern so sieht, weil es für ihn neu ist. Es ist eine Art Zusammenleben, die er nicht kennt. Es ist für ihn eine Lebensart, die er nicht hat. Ich weiß, es gibt viele Bayern, die nach Amerika abgewandert sind und dort aber auch Vereine gegründet haben und diese Kultur mitgenommen haben und dort weiter führen, aber es ist eine andere. Amerika ist eine andere Region, ist ein anderes Land, hat andere Sitten und Gebräuche, eine andere Kultur. Und durch diese fremde Kultur ist das für sie etwas Neues, etwas Außergewöhnliches, wobei die Gemütlichkeit, die Geselligkeit auch eine Rolle spielt und nicht nur die Kleidung. Da sind Aufführungen genau so wie in Amerika Aufführungen von Ureinwohnern gemacht wird, was wir kennen oder wie ich es kenne. Das ist für sie etwas anderes und somit kennen sie Deutschland und über Bayern und sagen, in Deutschland ist der Bayer zu Hause. Musik 4 Titel: Wer kennt den Weg Interpret: Johnny Cash Komponist: Johnny Cash, Günter Loose Label: Bear Family Records, LC-Nr. 05197 Studio-Eric Das Adlerhorst ist für Amerikaner vielleicht der wichtigste Ort im 2. Weltkrieg. Für uns war es angeblich das Hauptquartier der Nazis, es war der Ort, wo Hitler hoch auf einem Berg mit Adleraugen auf Europa herunterschaute und seine Pläne für die Eroberung der Welt schmiedete. Studio-Paul So ähnlich hat es auch die Nazi-Propaganda inszeniert. Studio-Eric Zumindest sehen viele Amerikaner das sogenannte Adlerhorst so. Jetzt zeige ich als Ami dir – dem Deutschen – das Adlerhorst… Studio-Paul Was so nicht geht: Die ausgedehnte Nazi-Anlage am Obersalzberg oberhalb von Berchtesgaden gibt es nicht mehr. Auf seinem Lieblingsberg hatte sich Adolf Hitler ein riesiges Nazi-Resort erbauen lassen mit einem großen Wohnhaus für sich, mit einer Kaserne für seine Beschützer, mit Häusern für seine engsten Gefolgsleute, mit einer kleinen Reichskanzlei. Der größte Teil davon ist bei Bombenangriffen und später nach der Kapitulation zerstört worden. Heute gibt es hier ein Dokumentationszentrum mit einem Teil der Bunkeranlage, daneben noch ein Lokal und dann, nur mit dem Bus zu erreichen, das Kehlsteinhaus mit einem fabelhalten Blick über den Königssee - wenn der Nebel nicht gerade dicht ist wie eine Wolkenwand. Mit dem Aufzug geht es nach oben. Atmo: Fahrstuhl Studio-Paul (über Aufzug-Atmo) Nach dem Krieg war das Kehlsteinhaus eine Messe für amerikanische Offiziere. Im Zentrum der Messe stand - und steht noch heute - ein großer Kamin, dessen Umfassung aus Marmor einen merkwürdig abgenagten Eindruck erweckt. Norbert Eder ist der Pächter des Bergrestaurants Kehlsteinhaus und hat die Geschichte. Atmo KEHLSTEINHAUS, RESTAURANT Eder Das ist die Teehalle, früher war das die Konferenzhalle. Da ist für die Amerikaner, entschuldigen, das Wichtigste der Kamin. Der war früher richtig eckig. Die fehlenden Stücke befinden sich jetzt in Privatbesitz in den Staaten. Man kann teilweise noch sehen, wo sich die Soldaten mit dem Namen und dem Datum eingeritzt haben. Da findet man auch die Jahreszahl 1945. Das ist der wichtigste Einrichtungsgegenstand in dieser Halle. Eric Mich interessiert, warum die Amerikaner das hier sehen wollen. Eder Ich mache das wieder fest am Militär. Der Obersalzberg war ja ein Hauptangriffsziel zum Kriegsende. Die amerikanischen Einheiten waren die ersten hier oben und die werden sicher diese Brücke zur Geschichte haben, dass dies das Headquartier von Hitler war. Und deshalb war viel amerikanisches Armeepersonal hier oben und das hat das hinausgetragen. Dann hat es diese Filme gegeben, Band of Brothers. Es gibt Reiseveranstalter in den Staaten, die fahren diese Tour, Landung in der Normandie, nach und die haben auch noch Veteranen dabei. Die werden leider immer weniger. Man hat da schon diese Verbindung. Paul Aber hat man ihnen schon mal etwas davon erzählt, also ist da jemand auf sie zugekommen und hat was erzählt aus eigenem Erleben oder haben Sie da eigene Erfahrungen? Eder Ich habe schon immer wieder Kontakte gehabt zu Veteranen, die dann alte Fotos dabei haben, wie das eben beim Einmarsch 1945 ausgeschaut hat. Die eventuell auch noch verschiedene Einrichtungsgegenstände haben. Letztes Jahr ist einer gekommen mit einer Tischdecke vom Kehlsteinhaus, die er 1945 hier vorgefunden hat und er hat die jetzt zurückgegeben. Also so etwas gibt es schon noch. Paul Ich glaube auch, dass ihr euch in Amerika gar nicht vorstellen könnt, was für zufriedene Verlierer wir sind. Eric Das stimmt schon. Paul Ansonsten würden wir hier stehen und müssten Herrenrasse mimen. Wer will das schon? Eric Das ist wahr, ich fühle mich nicht bedroht, ich habe nicht das Gefühl, dass man mich komisch ansieht. Eder Wir sind ja auch zu zweit. (Gelächter) Paul Du bist schon unterlegen. Eder Was mich speziell hier oben wieder beeindruckt, das ist, wie international heute dieser Berg ist. Da sitzen auf der Terrasse jetzt Engländer, Amerikaner, Deutsche, da sitzen Israelis, Araber, da sitzen Russen, Ukrainer, Polen. Wir haben sehr viele Gäste aus den ehemaligen Ostblockstaaten. Die trinken bei mir Kaffee und zu Hause würden sie sich vielleicht die Köpfe einschlagen. Regie Atmo im Gang Paul Jetzt kannst du mir erklären, während wir zurückgehen, wie dein persönlicher Sieg über Adolf Hitler am Obersalzberg dich begeistert hat. Eric Es gibt drei verschiedene Möglichkeiten aus amerikanischer Sicht, den Krieg zu sehen. Die klassischen Sachen, Auschwitz oder Holocaust insgesamt, Normandie und das Kehlsteinhaus. Auschwitz ist natürlich Horror, Normandie ist großes Opfer, patriotisches Opfer von Amerikanern, Engländern von allen, um etwas Gutes zu erreichen. Das Kehlsteinhaus ist eine Art Sieg. Das Gefühl, dass irgendwelche dahergelaufenen amerikanischen Jungs im Herzen von Europa irgendwie eingedrungen sind, ihren Weg gefunden haben und es geschafft haben, hier etwas zu tun, was eigentlich nur die Europäer tun sollten, weil es ihr Gebiet ist. Paul Dieser Dreisprung, Normandie, Auschwitz, Adlernest, das ist auch immer noch eine amerikanische Erzählung, das ist fest, wird in Schulen erzählt, das gehört zur amerikanischen Mythologie? Eric Ja und nein. In den Schulen gibt es natürlich richtigen Geschichtsunterricht und es wird auch mehr oder weniger aus amerikanischer Sicht erzählt, aber es wird mehr oder weniger erzählt, was passiert ist. Aber wenn wir Dinge aus dem Krieg nehmen, die verfilmungswürdig sind, die erzählungswürdig sind, die mythologisierungswürdig sind, dann sind es diese drei Dinge im Grunde. Die Filme, die wir in Hollywood machen, über uns und unser Selbstverständnis über das, was es bedeutet, Amerikaner zu sein, wir haben diese drei Punkte. Weil: Diese drei Punkte machen Amerika groß. Im Grunde, und das ist das, was die Deutschen an den Amerikanern unterschätzen. Die Deutschen haben aus ihrem letzten Krieg gelernt, dass Krieg schlecht ist und ihr Spruch ist: Nie wieder Krieg. Regie Schritte frei Eric Wir Amerikaner aber haben aus Kriegen etwas Anderes gelernt und zwar aus drei Kriegen: Unabhängigkeitskrieg, Bürgerkrieg und 2. Weltkrieg, dass man durch Krieg, durch großes Opfer und auch, obwohl Krieg ganz schlimm ist, etwas Gutes erreichen kann. Paul Jetzt stehen wir hier am Kehlsteinhaus, im Nebel und es gießt. Regie Atmo Regen, ein, zwei Jodler von Lexa Regie dann Atmo-Wechsel Studio-Eric Auch das Jodeln wird von außen belächelt, doch in Bayern gibt es viele Menschen, die es ernst nehmen. Im Gegenteil, auf eine bescheidene Art und Weise feiert das Jodeln ein Comeback. Studio-Paul Wobei das Jodeln immer ein Ernsthaftigkeitsproblem hat, weil kein Jodellehrer so gut sein kann wie die Parodie von Loriot. Sagt der Westfale. Atmo BARBARA LEXA BRINGT ERIC JODELN BEI Lexa Beim Jodeln kommt es darauf an, dass man die Bruststimme mit der Kopfstimme so verbindet, dass man diesen Übergang hörbar macht, als einen Kehlkopfschlag, als etwas, das sich so überschlägt. Da sagen wir Bayern: Das schnackelt so über. Das machen viele Völker. In Lappland, Georgien, auf den Philippinen, Polynesien, auf Hawaii, da wird das so praktiziert. Es ist also nicht etwas typisch Bayrisches, sondern die Bayern haben es gut vermarktet. Paul Wir haben das Glück, dass wir einen Hawaiianer bei uns haben. Eric, du wirst es lernen müssen. Regie Atmo-Wechsel Studio-Eric Wir sind in Wolfratshausen bei Barbara Lexa. Sie ist Kabarettistin und Lehrerin für das Jodeln. Studio-Paul Die Wohnküche ist nicht allzu groß, ein durchschnittlicher Jodler, der ja eigentlich mehr ein Berg-und-Tal-Instrument ist, könnte hier schon beträchtlichen Schaden anrichten. Eric wird als hawaiianischer Berg-Bruder das bayerische Jodeln lernen müssen, und ich bin froh, dass ich aus dem flachen Münsterland bin. Atmo BARBARA LEXA BRINGT ERIC JODELN BEI 2 Eric Wie würden Sie es mir in 5 Minuten beibringen? Lexa Zuerst würden wir einmal versuchen, einen tiefen und einen hohen Ton zu verbinden, dass man nicht „häh“ und „üh“ einzeln singt, sondern hähüh. Eric versucht zu "jodeln". Lexa Es klingt bei allen zuerst wie ein Esel. Das ist normal. Es geht nicht anders. Eric versucht zu „jodeln“ Lexa Es ist schon der richtige Weg. Es ist genau wie mit einem Instrument. Die Stimme ist wie ein Instrument, eigentlich das erste Instrument der Menschheit. Ich kann Ihnen jetzt auch irgendein Instrument in die Hand drücken und sagen, blasen sie mal hinein, dann wird das auch fürchterlich klingen, und sie werden erst einmal 2 oder 3 Jahre lernen und üben, bis das nach etwas klingt. Auch beim Jodeln ist das so. Es kann nicht in 5 Minuten funktionieren, sondern es ist wirklich eine Übungssache. Es ist eine Kunst. Eric Ich muss sagen, wenn ich es richtig herauslasse, oder was auch immer, es ist ein Loslassen. Man kann etwas rauslassen, es ist nicht mehr höflich und nicht mehr innen im Raum und Leute gucken zu. Ich hätte Lust. Lexa Wenn Sie probieren „Holareieiiii“ Eric versucht zu „jodeln“ Regie Atmo-Wechsel Studio-Paul Natürlich ist es rührend, wenn ein Hawaiianer in Bayern das Jodeln erlernt, das er auf Hawaii nie betrieben hat. Bei allem Respekt vor Erics Versuchen, sich durch das Jodeln zu befreien und etwas herauszulassen, was unter Umständen besser in ihm verborgen bliebe - wir schwenken mal über auf eine kommerzielle Einspielung, um zu erfahren, was Hawaiianerinnen anders machen als Bayerinnen. Musik 5 Titel: Cowboy Hula Interpret: Nani Lim Yap Komponist: Nani Lim Yap, Jim Ed Norman Label: Warner Bros., LC-Nr. 00392 Regie Überblenden in Fahrgeräusche Atmo Eric und Paul im BMW, Fahrgeräusche 1 Paul Eric, du fährst im Regen an Herrenchiemsee vorbei, in einem BMW, als wärest du ein reicher Mittelstands- Amerikaner. Würde dir das Spaß machen? Eric Das macht total Spaß, vor allem, es gibt auf der Autobahn keine Tempobegrenzung hier, die ich sehe. Ich fahre und fahre und drücke auf die Tube. Und ich fahre an anderen Leuten vorbei und es ist toll. Ich fühle mich wie ein Mann, wie ein richtiger Mann, wie ein richtiger deutscher Mann. Ich bin eifersüchtig auf diese Deutschen, die auf der Autobahn fahren können. Ich will so etwas auch zu Hause haben. Paul Das gibt mir die Gelegenheit zu fragen, ob wir Deutschen mit solchen Autos und solchen Autobahnen nicht in amerikanischen Augen ein glückliches Volk sind. Und wenn du dann rechts auch noch diese wunderschöne Landschaft siehst, ihr müsst doch platzen vor Neid. Eric Die deutsche Autobahn ist legendär in Amerika. Der Mythos deutsche Autobahn ist, dass man so schnell fahren kann, wie man will. Man stellt es auch als eine Strecke dar. Als ich nach Deutschland gekommen bin habe ich gefragt: Wo ist die Autobahn? Die Leute haben gesagt, überall. Die A6, die A5, die A4, die A dies und das. Ich habe gefragt, welche von diesen Highways ist die Autobahn? Ich will auf der Autobahn fahren. Wir wussten nicht, dass es ein anderes Wort für Highway ist. Wir dachten, es ist eine ganz bestimmte Strecke, wahrscheinlich von Hamburg nach München, gerade aus, 10-spurig, wo man wie die Wilden hin und her fahren kann und keinen Zwischenhalt einlegt. Paul So ganz falsch sind die amerikanischen Klischees ja nicht. Selbst, wenn man unterstellt, Neuschwanstein und Obersalzberg und was weiß ich, Schuhplatteln, also alles das, was Amerikaner mit Deutschland verbinden, ist ja von Deutschland auch nicht weit entfernt. Eric Ich glaube ja, das ist nicht falsch. Die Heimatliebe der Bayern, die paar Bayern, die wir gesehen haben, die sind fest verwurzelt in ihrer Heimat, in ihrer kleinen Region, viel fester, als die Amerikaner. Das ist etwas, was es überall in Deutschland gibt. Ich glaube, die meisten Deutschen, die auf dem Land leben oder in kleinen Orten, die meisten sind fest verwurzelt mit ihrer Heimat, ob das Bayern ist oder Hessen oder egal wo. Das würde man in Amerika nicht so finden. In Amerika steht man immer mit einem halben Bein auf dem Highway und würde, wenn man seinen Job verliert, nach Kalifornien oder nach New York ziehen. Regie Fahrgeräusche, Atmo -Wechsel Studio-Paul Schloss Neuschwanstein - man muss schon Bayer sein, um diesem Gebäude mit warmherzigen Gefühlen zu begegnen. Von außen ist es Zuckerbäcker-Kitsch, von innen eine einzige Düsternis aus dunklen Hölzern, drängenden Wagner- Figuren und lichtdichten Vorhängen - wer noch gut beisammen ist, wird sich um seine geistige Gesundheit sorgen. Andere mögen sich hier wohl fühlen. Studio-Eric Das ist typisch Norddeutsch: Das sind die vergeistigten Deutschen, die Protestanten, die eine Wand schon für geschmückt halten, wenn sie weiß gestrichen ist - und auf der anderen Seite die Bayern, die Freude daran haben, etwas völlig Sinnloses zu bauen wie zum Beispiel eine Burg auf einem Berg, als kein Mensch mehr Burgen brauchte. Studio-Paul Und genau deshalb sind die Bayern den Norddeutschen immer etwas verdächtig - weil sie diesen Hang zu sinnloser Exzentrik haben. Zum Beispiel trinken sie Bier aus unförmigen Gefäßen, aus denen wir in Westfalen unsere Pferde tränken. Studio-Eric Die Bayern sind aber immerhin ehrlich: Wenn sie über ihr Brauchtum, ihre Werte, ihre Kultur sprechen, geben sie zu, dass es immer wieder um das Wichtigste kreist: Bier. Also setzten wir uns in einen bayerischen Biergarten und bestellten ein Weißbier, das übrigens nicht weiß ist. Atmo Paul und Eric im Biergarten Paul Jetzt sitzen wir zu Füßen von Schloss Neuschwanstein und haben gerade die Amerikaner erlebt, mit denen wir dort oben waren dieses Schloss, was ich übrigens eine Grauen finde. Und als Münsterländer muss ich dir sagen, so etwas haben wir im Münsterland nicht. Unsere Schlösser sind heller, lichter. Das ist verglichen mit diesem düsteren bayrischen, neugotischen, katholischen Kram ist das blanke Aufklärung. Bei uns leuchten helles Licht und reiner Geist, will ich mal sagen. Eric Das ist aber euer Nachteil. Denn es ist genau diese bayrische Liebe zu Kitsch und Übertreibung und auch zu Spielerei, die man in diesem Schloss sieht, und in Ludwig sieht man auch und in dem ganzen bayrische Brauchtum sieht, das die Bayern berühmt gemacht hat. Keiner weiß, was ein Münsterländer Schloss, wie ein Münsterländer Schloss aussieht oder was ein Münsterländer eigentlich will. Aber die ganze Welt interessiert sich für die Bayern, weil die Bayern den Mumm haben zu Kitsch, Mut zu Kitsch. Das hat die Bayern berühmt gemacht. Paul Ist es das, was die Amerikaner in Bayern suchen, dieser Kitsch? Eric Es ist ja Kitsch. Das Brauchtum würde ich hier so nennen. Es ist Kitsch, den wir lieben. Wir verstehen auch Kitsch. Disney ist z.B. ein uramerikanischer Künstler gewesen und er war ein Kitschkünstler. Er hatte Kitsch produziert, aber auf höchstem Niveau, richtig gutes Zeugs. Alles, was er gemacht hat, kommt aber auch auf die Deutschen zurück. Paul Ich möchte aber mal darauf hinweisen, dass die amerikanische Verbindung zu Deutschland begann mit Thomas Jefferson, der damals Botschafter im aufgeklärten Frankreich war und deswegen nicht nach Bayern gereist ist, sondern ins Münsterland gereist ist und sich dort hat erklären lassen, wie man Schinken herstellt: Das heißt, am Anfang war das Münsterland das Land der Sehnsucht der Amerikaner. Eric Das ist nicht ganz richtig. Jefferson, seine Seele ruhe in Frieden. Er war kein Mensch des Volkes, er war ein Snob, er war ein Pseudo-Adliger und er hat Dinge verstanden, die auf sehr hohem Niveau funktionieren. Aber was er nicht verstanden hat, ist, dass es im Volk nicht zu verkaufen ist. Dem Volk kann man nicht einen todes Wein verkaufen sondern gutes Bier. Bier, Schnitzel, Würstchen, das kann man dem Volk verkaufen. Es ist ebenso mit Kitsch. Eine ganz komplizierte Oper von Schönberg, das kommt beim Volk nicht an, aber Schuhplatteln, das kann das Volk verstehen. Deswegen hat Jefferson in dieser Beziehung leider versagt. Paul Wenn ich das jetzt als Bilanz herausziehe: Wir haben auf der einen Seite die Technologiebegeisterung der Amerikaner, die sie wiederfinden bei den Deutschen, die technologisch hochstehende Produkte bauen und auf der anderen Seite die Romantik, also zwei Punkte, die eigentlich überhaupt nicht zusammen passen, aber die die Punkte sind, die sie in Bayern sehen. Atmo Neuschwanstein Bushaltestelle CAROL Übersetzerin Meine Eltern wurden hier geboren, aber nicht genau hier. Dies ist der schöne Teil von Deutschland. Wir genießen Bayern. PAUL Ich stamme aus dem nördlichen Teil von Deutschland. Ich fühle mich schon ein wenig beleidigt, wenn Sie sagen, dies hier sei der schöne Teil von Deutschland. CAROL Übersetzerin Das muss ich erzählen: Wir haben einen Amerikaner hier getroffen und der sagte, der Norden sei auch schön - aber von einer anderen Art Schönheit. ERIC Das ist so, als würde man von einer Frau sagen, sie habe eine "eigene Art von Schönheit" - das ist nicht wirklich ein Kompliment. CAROL Übersetzerin Oder "interessant" - das ist auch so ein Wort. ERIC Oder "special", wie wir sagen. Unsere Theorie ist, dass wenn der durchschnittliche Amerikaner an Deutschland denkt, dann denkt er an Lederhosen, Nazis und Bier. Finden Sie das auch? Carol Übersetzerin Was ich in Deutschland gut finde, ist das Ausbildungsprogramm für Lehrlinge. Sie haben ein bessseres Konzept, was man mit Schülern macht, die nicht zur Universität wollen und die trotzdem einen guten Job finden und eine gute Karriere machen können durch diese Lehrlingsausbildung. Eric Das finde ich interessant. Paul Wenn ich mal erklären darf - das liegt an unserer kommunistischen Vergangenheit. Regie Atmo-Wechsel Studio-Paul Normalerweise kann man Amerikaner gut erschrecken, wenn man das Wort "links" oder "kommunistisch" sagt. Aber nein - unsere liberalen amerikanischen Besucher waren im Gegenteil am Beginn des Rundgangs sehr erstaunt darüber, wie großzügig König Ludwig die Räume für die Bediensteten hatte ausstatten lassen. Danach verstummten sie. Studio-Eric In der Cafeteria konnten wir sie dann wieder einholen. Wir versuchten herauszufinden, wie Tory, die als Studentin in Mannheim lebt, die Deutschen sieht. Ein heikles Thema. Atmo Neuschwanstein Cafeteria Paul Du magst keine deutschen Jungs? TORY Übersetzerin Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll: Nach wenigen Tagen sagen sie Dir, dass sie dich lieben, aber offenbar bedeutet das etwas anderes und für uns Amerikaner ist da ein wenig unpassend. Dann ist es so, als ob sie einen nicht kennen. Paul Aber du bist aus New York, du hältst das aus. Eric Was erwartest Du von einer Beziehung? Tory Übersetzerin Ich finde, sie sind sehr direkt, mehr als ich es gewöhnt bin. Ich kann nicht für alle sprechen, aber sie sind ein wenig auf Sex aus und da eher aggressiv, so könnte man es beschreiben. Eric Sie wollen Sex und du nicht? Paul So bauen wir auch unsere BMW. (Gelächter) Eric Ein deutsches Klischee über Amerikaner ist, dass sie prüde sind. Tory Übersetzerin Das habe ich oft gehört. Weil ich Amerikanerin bin, haben sie mich prüde genannt. Ich erfülle wohl auch das Stereotype und bin in ihren Augen prüde. Ich dagegen finde, sie sind zu fordernd. Regie Atmo-Wechsel Studio-Paul Aber dann stellt sich heraus - es ist doch nicht alles schlecht. Trotz der stark unterschiedlichen Vorstellungen von sex and drugs and Rock & Roll, was dem Amerikaner, der Amerikanerin ja wohl nicht so liegt. Studio-Eric Ja, ja, ich weiß - Westfalen dagegen ist voll von Sex und Bier und Rock & Roll. Sehr witzig! Atmo Neuschwanstein Cafeteria 2 TORY Übersetzerin Ich finde, die Deutschen sind sehr gastfreundliche Menschen. Sicherlich mehr als die Amerikaner. Wir haben einen Austausch mit einer Familie. Die haben mich richtiggehend aufgenommen. An Wochenenden fahre ich mit der Bahn zu ihnen und sie waschen meine Wäsche und kochen für mich und das ist wunderbar. Alle Familien, bei denen ich war, sind so gastfreundlich. Und heißen einen willkommen. PAUL Da hätte ich gedacht, das genau ist ein amerikanischer Wert. TORY Übersetzerin Ich war überrascht von der Gastfreundschaft. Sie ist so überwältigend und jenseits von allem, was man erwarten konnte. Regie Atmo-Wechsel Studio-Eric Das ist das Gegenteil von dem Klischee, das die Deutschen haben über sich selbst. Die Deutschen halten sich selbst für ungastfreundlich, aber hier haben wir jemand, der sagt, sie sind gastfreundlicher als die Amerikaner. Es kann sein, dass viele Klischees, die die Deutschen über sich selbst haben, ebenso falsch sind, wie die Klischees, die wir Amis über sie haben. Studio-Paul Und dann müssen sie weiter, es geht zurück nach Mannheim, das vermutlich auf seine Art auch ein schöner Teil von Deutschland ist. Und so verabschieden wir uns von einander. CAROL (dt.) Es hat mir sehr schön hier mit diesen netten Männern gesprochen Studio-Eric Jawohl - das sollte einmal deutlich ausgesprochen werden: CAROL (dt.) Es hat mir sehr schön hier mit diesen netten Männern gesprochen. Musik 7 Titel: I hear a symphony Interpret: The Supremes Komponist: Lamont Dozie Label: Motown, LC-Nr. 0081 Atmo Paul Eric BMW Fahrgeräusche 2 Paul Was würdest du Amerikanern raten, wenn die überlegen, nach Deutschland zu kommen? Ein Amerikaner will sich seinen BMW, den er sich auch zu Hause in Florida abholen könnte, in Bayern abholen. Was würdest du ihm raten? Mache ihm einen Plan. Eric Er weiß schon, was man sehen muss. Man muss München sehen, man muss in eine Bierhalle, deutsches Bier trinken, man muss über die Autobahn brettern, man muss vielleicht Heidelberg sehen, vielleicht Berlin, … Paul Da war eine Geschwindigkeitsbegrenzung. Du musst 120 fahren, nur dass du dir keine Illusion über die Autobahn machst. Eric Wie, es gibt Tempolimit auf der Autobahn? Paul Ja, hier rechts, diese roten Schilder. Eric Diese roten Schilder? Das ist ein Tempolimit? Regie Allmählich kommt die Schluss-Musik hoch Paul Ja. Eric Hier in Deutschland? Paul Und du hast gedacht, das ist die Entfernung bis München. Eric Armes Deutschland, es ist nicht mehr das Land, das ich mir vorgestellt habe. Regie Kennmelodie Sprecherin About Germany Ein deutsch-amerikanischer Streifzug Eine Deutschlandrundfahrt von Eric T. Hansen und Paul Stänner Ton: Hermann Leppich Regie: Roswitha Graf Redaktion: Margarete Wohlan und Ulf Dammann Eine Produktion von Deutschlandradio Kultur 2014 Manuskript und das Audio zur Sendung finden Sie im Internet unter deutschlandradiokultur.de 1