COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Sendereihe: Zeitreisen Datum: 26. Juni 2013 Zeit: 19:30 Uhr Titel: "Man of Tomorrow?". 75 Jahre Superman Autor: Martin Zeyn OT 1 ZUSPIELUNG Hörspiel Superman (http://archive.org/details/Superman_otr) Presenting a new exciting radio program, presenting an amazing and incredible personality. OT 2 Opening Morales Oh, from the very beginning ... no. 1. SPRECHER OV Von Anfang an hatte ich eine spezielle Beziehung zu Superman, ich bekam fünf Cent an der Schule, wenn ich Mitschülern zeigte, wie man Superman zeichnet, dann die Zeichentrickfilme, sodass er der Grund ist, warum ich Zeichner wurde - für mich ist Superman die Nummer eins. OT 3 ZUSPIELUNG Hörspiel Superman (http://archive.org/details/Superman_otr) Boys and girls. Your attention please. SPRECHERIN Kapitel 1. Ein Held, der vom Himmel fiel. Die Entstehung von Superman. SPRECHER 2 MITTE Mitte [A. K.: 50 Klassiker Comics. Gerstenberg Verlag, Hildesheim, 2004] "Ich lag im Bett, als es mich plötzlich wie ein Schlag traf", erinnerte sich Siegel an die Nacht im Jahr 1934, in der Superman geboren wurde. "Ich sah eine Figur vor mir wie Samson, Herkules oder einen der anderen starken Kerle, von denen ich gehört hatte, nur noch stärker. Ich sprang aus dem Bett und schrieb das auf, dann ging ich wieder ins Bett, dachte zwei Stunden lang nach, stand wieder auf und schrieb. Das ging die ganze Nacht so weiter, bis ich am Morgen die ganze Story hatte." Dann rannte er rüber zu seinem Freund Joe Shuster, der eben ein Kunststudium angefangen hatte, und sah ihm zu, wie der im ersten Bild eine weit entfernte Welt zerbersten ließ. Es gibt nur einen Überlebenden, und der wird auf der Erde ausgesetzt. SPRECHER 1 HALB LINKS Andreas Knigge in seinem Buch "50 Klassiker Comics". OT 04 Frahm Alien halb rechts Ein wichtiger Grund für den Erfolg ist, dass Superman ein ewiger Einwanderer ist. SPRECHER 1 HALB LINKS Ole Frahm, der in seiner Habilitationsschrift über Superman geforscht hat: OT 05 Frahm Alien halb rechts D.h., der für alle Amerikaner eine Identifikationsfigur bildet, also wirklich jenseits aller ethnischen Differenzen ist er ein prototypischer Amerikaner, nämlich mit nichts zu kommen, in dem Fall als Baby, und dann in der Gesellschaft als Reporter Anerkennung zu finden als dann auch noch Gaben zu haben, die aber versteckt werden müssen, da die die Gesellschaft selbst sie gar nicht aushalten könnte. SPRECHER 2 MITTE [Michael Chabon: Die unglaublichen Abenteuer von Kavalier und Clay, Kiwi, aus dem Amerikanischen von Andrea Fischer] Obwohl er eigentlich als Zeitungsheld angelegt war, kam Superman zwischen den Deckblättern eines Comic-Hefts zur Welt, wo er wuchs und gedieh, und nach dieser wunderbaren Entbindung erhob sich die Form langsam aus ihrem zwischenzeitlichen Sumpf und setzte sich selbst ein Ziel auf dem Markt der Zehn-Cent-Träume: Sie wollte dem Wunsch nach Macht und der grellen Mode eines machtlosen Menschenschlages Gestalt verleihen, dem nicht gestattet war, sich selbst einzukleiden. SPRECHER 1 HALB LINKS "Die unglaublichen Abenteuer von Kavalier und Clay". Ein Roman von Michael Chabon über die Entstehung der Superheldencomics. OT 06 Seeßlen "3fach" halb rechts Also die Besonderheit liegt darin, dass er dreifach auftritt. SPRECHER 1 HALB LINKS Georg Seeßlen, Jahrgang 1948, der sich seit Jahrzehnten kritisch mit Comics beschäftigt. OT 07 Seeßlen "3fach" halb rechts 0:42 Einerseits ist er ein gefallener Gott, ein Alien, er kommt von einem fremden Planeten, zum zweiten ist er der klassische strahlende Held und zum dritten hat er diese secret identity, also ein normaler Bürger und mehr als das, das Negativ des Helden, feige, intellektuell, was in Amerika schon immer ein Schimpfwort war, Brille, das sagt ja schon alles, wenn ?nen Tpy ?ne Brille hat. Schon in der ersten Geschichte geht es darum, dass er in seiner menschlichen Identität von der Frau verachtet wird, in seiner Superheldenidentität angehimmelt wird. SPRECHER 2 MITTE Superman, der einzige Überlebende des Planeten Krypton, wird vor dessen Kollaps als Baby in einer Raumkapsel zur Erde geschickt. Er wächst als Findelkind bei dem Ehepaar Kent in Smallville, Kansas, auf und entdeckt bald seine außergewöhnlichen Fähigkeiten. In einer zweiseitigen origin story, die 1939 im ersten Superman-Heft seine Herkunft erläuterte, definieren seine Adoptiveltern [...] die Moral der Serie: "Du musst deine Kräfte vor den anderen Menschen verbergen, da sie sich sonst vor dir fürchten", mahnt der Vater, und die Mutter ergänzt: "Wenn aber die Zeit dafür kommt, musst du sie einsetzen, der Menschheit zu dienen." Nach dem Tod der Kents wird Metropolis, ein idealisiertes New York City, zu Supermans Wirkungsstätte. Als der schüchterne, kurzsichtige Clark Kent ist er in seiner bürgerlichen Existenz Reporter beim Daily Planet, doch sowie Katastrophen drohen, reißt er sich, bevorzugt in Telefonzellen, Hut, Brille und Mantel vom Leib, um als Superman in Aktion zu treten. OT 08 Frahm Erfolg halb rechts Ich glaube, der wichtigste Grund ist, dass Superman eine Formel entwickelt, die jedermann als Superheld erscheinen lassen kann. Clark Kent ist zwar nicht jedermann, der ist ja erfolgreicher Reporter, ein sehr sichtbarer Bürger, der aber gekleidet ist wie ein Jedermann, er hat einen grauen Flanellhut auf, eine runde Brille, einen Anzug, sodass seine Kräfte durch nichts zu erkennen sind. Interessanterweise hat er ja die Gabe, gute Reportagen schreiben zu können, er ist auch in Konkurrenz mit Lois Lane, also auf jeden Fall ein mächtiger Mann des Wortes. SPRECHER 2 MITTE [Michael Chabon: Die unglaublichen Abenteuer von Kavalier und Clay, Kiwi, aus dem Amerikanischen von Andrea Fischer] Der Zeichner, Joe Shuster, war technisch zwar nicht sonderlich versiert, hatte aber offenbar von Anfang an begriffen, dass die große rechteckige Fläche des Comic- Heftes Möglichkeiten der Tempoführung und Komposition eröffnete,[...] er verband drei Bilder vertikal zu einem, um den gleichnishaften Schwung von Supermans patentierten Hochhaushüpfern darzustellen (der Mann aus Stahl konnte am Anfang seiner Karriere noch nicht richtig fliegen), er wählte Perspektive und Figurenanordnung mit einem gewissen filmischen Gespür. Der Texter, Jerome Siegel, schmiedete mit der schmelzofenartigen Heftigkeit seiner fanatischen Liebe zu Billigromanen [...] und seinem enzyklopädischen Wissen eine magische Legierung mehrerer bekannter Figuren und Archetypen von Samson bis Doc Savage. OT 09 ZUSPIELUNG RAGS MORALES "Joe Shuster" halb rechts OV SPRECHER Der Comiczeichner Joe Kubert sagte einmal, all diese Zeichner, so einfach sie auch zeichneten, seien Weltklassekünstler. Und wenn man sich anschaut, was sie außerhalb der Comics machen, wäre man komplett begeistert. SPRECHER 1 HALB LINKS Rags Morales, der aktuelle Superman-Zeichner des DC-Comic-Verlags. OT 10 ZUSPIELUNG RAGS MORALES "Joe Shuster" With that in mind... 0:49 OV SPRECHER So gesehen, jedes Mal, wenn ich mir Joe Shusters Arbeiten anschaue, sehe ich, es gab viel mehr, was sich hinter seinem Bleistift abspielte und was auf dem Papier erschien, was er im Kopf hatte. Man muss sich ins Gedächtnis rufen, wie schwierig es damals war, sein Geld damit zu verdienen, so etwas aufs Papier zu bringen. Sie mussten sich erst ein Publikum schaffen und sie arbeiten hart daran. Es war so, als würde sie etwas an die Wand werfen und sehen, was kleben bleibt. Später bemühten sich dann andere Künstler darum, die Akzeptanz für Comichefte zu vergrößern. Denn sie galten ja als kindisch, weil es sich darin um Leute dreht, die mit Umhängen herumlaufen und lange Unterwäsche tragen. Aber wie auch immer, sie arbeiteten hart und waren Weltklasse-Künstler. SPRECHER 2 MITTE [A.K.: 50 Klassiker Comics. Gerstenberg Verlag, Hildesheim, 2004] Action Comics Nr. 1 erschien im Juni 1938 und zeigte auf dem Titelbild einen blau kostümierten Muskelmann mit einem roten Cape, der ein Gangsterauto samt Insassen gegen einen Felsen schleudert. Der Verlag sorgte sich, dass die Leser den neuen Helden als zu "unwirklich" empfinden könnten, und verbannte ihn für die nächsten Ausgaben ins Heftinnere. Doch [...] schon von der vierten Ausgabe wurden fast eine halbe Million Exemplare verkauft, doppelt so viel, wie von anderen Heften. Bald sollte Action Comics nie wieder ohne Superman auf dem Cover erscheinen. Im Sommer 1939 bekam er zusätzlich ein nur seinen Abenteuern gewidmetes Heft, von dem im Jahr darauf jeden Monat 1,25 Millionen Exemplare gedruckt werden mussten. SPRECHER 1 HALB LINKS Der langjährige Carlsen-Cheflektor Andreas Knigge über den Erfolg von "Superman". SPRECHERIN MITTE Zweites Kapitel. Der Mann, der Hitler beinahe einen semitischen Kinnhaken verpasst hätte. Oder: Ist Superman ein Jude? SPRECHER 2 MITTE Clark Kent, nur ein Jude kann sich so einen Namen für sich selbst aussuchen. SPRECHER 1 HALB LINKS Sagt der Romancier Michael Chabon, der sich in mehreren Romanen mit Fragen jüdischer Identität auseinander setzte. Dieser Zuschreibung widerspricht Georg Seeßlen: OT 11 SEESSLEN 0:09 Ich würde dem entgegen halten, dass jüdisch sein auch ne Fiktion ist. Wer sagt wem, ob er ein Jude ist oder nicht. SPRECHER 2 MITTE [Das Schwarze Korps, 25.4.1940, S. 8] Jerry Siegel, ein geistig und körperlich Beschnittener, ist der Erfinder einer malerischen Figur, die sich eines blühenden Aussehens, eines kräftigen Körperbaus, einer roten Badehose und der Fähigkeit erfreut, mit Hilfe eines weißen Mantels durch den Äther zu fliegen. SPRECHER 1 HALB LINKS "Das Schwarze Korps" - die Zeitung der SS kommentierte 1940 unter dem Titel "Jerry Siegel greift ein!" einen Superman-Comic, in dem der Superheld Hitler einen "ganz und gar un-arischen" Kinnhaken androht und ihn vor ein Gericht des Völkerbunds zerrt. SPRECHER 2 MITTE [Das Schwarze Korps, 25.4.1940, S. 8] Diesen Segler der Lüfte, dem die gütige Natur an Stelle des Verstandes eine übermäßig entwickelte Muskulatur verliehen hat, nennt der erfinderische Israelit den "Superman" beziehungsweise den "Übermenschen". SPRECHER 1 HALB LINKS Ein farbiges Superman-Heft hatten die SS-Journalisten offenbar noch nicht gesehen, ebenso wussten sie nichts davon, dass auch der Zeichner Joe Shuster einer jüdischen Familie entstammte. SPRECHER 2 Mitte Supermans Name auf dem Planeten Krypton "Kal-El" ähnelt den hebräischen Worten für "Stimme Gottes". Das Suffix "El", das "von Gott" meint, gibt es auch bei den Namen von Engeln, zum Beispiel Gabriel oder Ariel, die wie Superman fliegende humanoide Agenten Gottes sind. SPRECHER 1 HALB LINKS Wikipedia.org - wo sich überaus detaillierte Angaben zu Superman finden. OT 12 ZUSPIELUNG Hörspiel Superman http://archive.org/details/Superman_otr Up in the sky, look: It's a bird. It's a plane. It's Superman! SPRECHERIN MITTE Drittes Kapitel. 75 Jahre und immer super. Inhaltsangaben berühmter Hefte. SPRECHER 1 HALB LINKS 1963 "Beauty and the Super Beast Superman"‚Heft 165 SPRECHER 2 Um Superman zu helfen, verwandelt sich eine Frau vom Saturn in die Zauberin Circe. Gegenüber einem Haufen seiner Feinde behauptet sie, den Mann aus Stahl verzaubert zu haben. Der hat auf einmal einen Löwenkopf und Pranken anstelle von Händen. OT 13 Frahm Überbietung Das liegt daran, dass es keine Heldengeschichte ist, sondern die Geschichte einer Überbietung. Also eine Überbietung von Unwahrscheinlichkeiten. Von Möglichkeiten des Spaßes. Und das sich die Superhelden in den ersten 10,15 Jahren gar nicht so ernst genommen haben, sondern mit Figuren wie Mighty Mouse sich auch selbst Ironisierungen vorgenommen haben. Das ist vergessen worden und das hat zu einem relativ langweiligen Pubertäts-Jungen-Genre geführt. SPRECHER 1 HALB LINKS 1978: Superman gegen Muhammad Ali. SPRECHER 2 Der Inhalt: Außerirdische, die sich Scrubbs nennen, verlangen einen Kampf Mann gegen Alien, sonst würden sie die Erde auslöschen. Um den besten Kämpfer im vorab zu ermitteln, treten Ali und Superman gegeneinander an - auf einem anderen Planeten, auf dem Superman keine besonderen Kräfte hat. Der Kampf wird live in der gesamten Galaxis übertragen. Ali gewinnt diesen Fight und auch den gegen den stärksten Außerirdischen, Superman sabotiert derweil die Alien-Raumschiffe. OT 14 Seeßlen "Amerikanertum" 0:05 Superman ist auch der Typ, der das Amerikanertum definieren muss, in all seinen Krisen und Widersprüchen. Das ist der Grund, warum er nicht nur Heldenkrisen hat, sondern auch ökonomische Krisen hat, dass sich das nicht so gut verkauft. SPRECHER 1 HALB LINKS 1986. Was passierte mit dem Mann von Morgen? SPRECHER 2 Superman weiß nicht weiter. Seine Gegner bringen einen Freund um und bedrohen seine Freundin und seine Eltern. Er, der nie tötet, bringt einen Bösen um. Und bestraft sich für den Verrat an den eigenen Idealen, indem er Selbstmord begeht. Scheinbar. In Wahrheit lebt er als einfacher Automechaniker mit seiner großen Liebe Lois zusammen. Und die Bösen lassen die Welt in Ruhe. Denn wo kein Superheld, da ist auch kein Superschurke. OT 17 Interview Rag Morales Well, Superman has a templaid ... OV Sprecher Superman ist eine Schablone. Jeder füllt die aus und versucht sich seine Nische zu schaffen. Es war am schwierigsten, meine Nische zu finden, die akzeptabel war, ohne etwas zu machen, das schwächer war als die Arbeit meiner Vorgänger. SPRECHER 1 HALB LINKS 1992: Der Tag, an dem Superman starb. Der wohl größte kommerzielle Erfolg mit fünf Millionen verkauften Heften. SPRECHER 2 Superman trifft auf Doomsday. Der ist so stark wie fünf Superhelden zusammen. Fast stärker als Superman. Doch dann erkennt der Stählerne die Schwäche des Bösewichts. Endlich - nach 160 Seiten - kann er ihn besiegen. Doch dabei ... den Rest hat der Titel schon verraten. OT 16 Seeßlen Tod Er ist ja nicht zufällig der Superheld, der am meisten gestorben ist. Es gibt einen großen Zyklus, wo es um seinen Tod geht, aber im Grunde genommen stirbt er eigentlich immer. Er ist ein Profi des Heldensterbens sozusagen. Oder des Verschwindens. Eigentlich möchte er auch ein ganz normaler Spießer sein und ein Vorstadthäuschen haben, was Batman niemals in den Sinn käme. SPRECHER 1 2004: Identity Crisis, der erste Superheldenband gezeichnet von Rags Morales. SPRECHER 2 Sue Dibny, die Frau eines Helden, wird umgebracht. Alle Superhelden suchen nun gemeinsam nach dem Täter, um ihre Familien, Freunde und Angehörigen zu schützen. Am Ende kommt raus, dass es kein Feind war, der die Ehefrau getötet hat. Es war Jean Loring, die Ex-Frau von Atom, einem Superhelden. Sie wollte wieder mit ihm zusammen sein. SPRECHER 1 Rags Morales zeichnet einen Superman, der eine Latzhose trägt bei der Feldarbeit auf der Farm seiner Adoptiveltern. OT 18 Interview Rag Morales "Jeans" 1:10 They use it quite a lot ... made absolutely sense. OV Sprecher Zu meiner Überraschung benutzt der DC-Verlag das Bild sehr oft. Eigentlich habe ich es nur gemacht, um zu zeigen, ob Superman in Arbeitskleidung zur Figur passt. Auf dem Bild steht er im Schatten, man sieht sein Gesicht nicht, und hält einen riesigen Felsen über seinem Kopf. Wenn man drauf schaut, dann sieht man, es ist der alte Superman, bevor der Comic Code von 1954 ihn langweilig gemacht hat. Ich habe mich an der Ikonografie des Cartoonisten Al Capp orientiert. Vor die Aufgabe gestellt, Superman in Jeans zu zeichnen, kam mir sofort seine Witzbildchen über den Hinterwäldler Li'l Abner [sprich Little] in den Sinn. Das ist ein cooler Look, der große, starke, eingeschnürte Bauernjunge. Und diese Verbindung ergab Sinn. SPRECHERIN Viertes Kapitel: Der arme Superheld. Oder: Wem gehört Superman? OT 19 Dylan Horrocks DC 0:19 OV Sprecher 2 /LACHEN/ Die meiste Zeit war das Comicmachen eine große Freude. Aber leider ist es ziemlich schwierig, Comics zu machen. Am schlimmsten war es, als ich Superhelden-Comics gezeichnet habe, was ich nicht wirklich mochte. Geschichten zu schreiben, die man nicht mag, das kann einem das Herz brechen. SPRECHER 1 HALB LINKS Dylan Horrocks. Comiczeichner, schrieb die Skripte für über 50 Hefte im Verlag DC, der die Rechte für Batman und Superman hält. In seiner Graphic Novel "Hicksville" entwirft er die Figur des Dick Burger, der es durch das Kopieren und Ausbeuten anderer Zeichner schafft, ein reicher und anerkannter Magnat zu werden. Und warum ging der neuseeländische Indie-Zeichner Horrocks dann zu DC? OT 20 Dylan Horrocks DC 1:20 OV Sprecher 2 DC zahlte gut. /LACHT/ Schauen sie, mit meinen kleinen alternativen Comics hatte ich nicht mal hundert Dollar verdient - damals war es ziemlich schwierig, von Comics zu leben, heute ist es einfacher. Als ich die Figur Dick Burger entwarf, ging es mir darum, einen Charakter zu schaffen, der die Natur der amerikanische Comic- Industrie offenlegt. Also von Leuten, die uns mit Batman, X-Men usw. versorgen. Mir ging es darum, das Ausmaß an Korruption im Zentrum dieser Industrie zu zeigen. Viele der Figuren, die uns vertraut sind, wie Superman, Batman oder all die anderen, wurden von sehr spannenden Cartoonisten am Beginn und in der Mitte des 20. Jahrhunderts geschaffen. Und die Verleger behandelten sie sehr schlecht, obwohl sie hunderte Millionen Dollar mit deren Kreationen verdienten. Das Fundament der kommerziellen Comicindustrie fußt also auf einer Art von Verbrechen. Das wollte ich zeigen und die Konsequenzen daraus. SPRECHER 2 MITTE Nach Berichten über die ärmlichen Verhältnisse, in denen Shuster und Siegel lebten, verpflichtete sich 1975 der neue Rechteinhaber Warner Bros. eine jährliche Pension über 20.000 Dollar auszuzahlen und außerdem für die Krankenversicherung aufzukommen. Jay Emmett, der damalige Vizepräsident von Warner sagte der New York Times, es gebe zwar keine rechtliche Verpflichtung, aber doch eine moralische. SPRECHER 1 HALB LINKS Aus der englischsprachigen Wikipedia SPRECHER 2 MITTE Das Linsengericht der Comic-Geschichte ist auf der Speisekarte mit 130 Dollar ausgewiesen. Für diese Summe verkauften die beiden damals vierundzwanzigjährigen Comic-Autoren Jerry Siegel und Joe Shuster dem New Yorker Verlag Detective Comics im Jahr 1938 ihren Superman. Das wussten sie vielleicht nicht einmal. Aber in dem Vertrag, der ihnen für ihre erste Geschichte zehn Dollar pro Seite garantierte, war auch die Abtretung der Autorenrechte geregelt. Dabei waren zehn Dollar pro Comic-Seite 1938 eine exzellente Entlohnung. Drei Jahre später setzte Detective Comics 2,6 Millionen Dollar im Jahr um, der größte Teil davon entfiel auf die Superman-Hefte und die Lizenzgebühren von jenen Firmen, die die Popularität von Superman für ihre Produkte nutzen wollten. Aber Siegel und Shuster bekamen keinen Cent mehr als ihre festgeschriebenen Seitenhonorare. Als Jerry Siegel im Jahr 1943 zum Militärdienst eingezogen wurde - Shuster blieb seiner Kurzsichtigkeit wegen verschont -, merkte Detective Comics erst recht, wie leicht die Erfinder von "Superman" zu ersetzen waren. SPRECHER 1 HALB LINKS Andreas Platthaus, Comicspezialist, auf faz.net. Der Original-Scheck über 130 Dollar, den Siegel und Schuster für die Rechte an Superman erhielten, wurde übrigens 2012 für 160.000 Dollar versteigert. SPRECHER 2 MITTE Nachdem der Verlag 1948 die Zusammenarbeit aufgekündigt hatte, brachten Siegel und Shuster keinen erfolgreichen Comic mehr zu Papier und lebten an der Armutsgrenze. Erst 1978, als dem ersten Kinofilm durch den Fall schlechte Presse drohte, bewilligte der Verlag ihnen eine jährliche Rente in Höhe von 24.000 Dollar und nennt sie seitdem auch wieder als Schöpfer von Superman. Joe Shuster starb am 30. Juli 1992, Jerry Siegel am 28. Januar 1996. SPRECHERIN MITTE Sechstes Kapitel. Was ist aus dem Mann von Morgen geworden? Oder: Warum schwächelt die Ikone Superman? OT 21 Thomas v. Steinaecker 0:09 Also Superman und Thomas von Steinaecker. Ich kann dazu nicht viel sagen, was aber natürlich auch schon eine Aussage ist. SPRECHER 1 HALB LINKS Der Schriftsteller Thomas von Steinaecker rezensiert für die Welt und die Süddeutsche Zeitung Comics. OT 22 Thomas v. Steinaecker 1:12 Also im Vergleich zu Batman fehlen Superman die Fassetten und dunklen Seiten. Der Relaunch, der Batman in den 80er gelungen ist, der ist Superman eben nicht gelungen. Insofern ist er seiner Zeit sehr verhaftet. Er kommt aus einer Zeit, als Amerika sich gegen seine Feinde rüsten wollte und eine Figur brauchte, die mit Superkräften ausgestattet ist und die Nazis in die Flucht schlagen kann. Da sind wir ideologisch und auch ästhetisch weiter. Wir wollen auch die dunklen Farben und nicht nur die grellen Superhelden-Farben. Und diesen Wechsel hat er eben nicht geschafft. Es ist immer noch schönes Popcorn-Kino - er hat ja wie viele andere Superhelden den Wechsel ins Kino geschafft - aber bezeichnenderweise nicht so erfolgreich wie andere Superhelden. SPRECHER 2 MITTE [Wired, Juni 2006] Er ist kein Superheld, er ist ein Halbgott. Supermans wirkliche Gegner sind Katastrophen wie Erdbeben oder Hurrikane, Flugzeuge, die vom Himmel stürzen, riesige Meteore, die Städte verwüsten würden. Superman steht zwischen der Menschheit und einem kapriziösen Universum. Andere Helden geben das nur vor: Peter Parker spielt Spider-Man; Bruce Wayne spielt Batman. Für Superman ist der sanftmütige Reporter Clark Kent eine Verkleidung - etwas, wonach er sich sehnt, was er aber nie sein kann. Er ist dieser Held, er wird nie einer von uns sein. Aber wir lieben ihn dafür, dass er es versucht. Wir lieben ihn für sein Begehren, uns vor allem zu beschützen, seine eigene Transzendenz eingeschlossen. SPRECHER 1 HALB LINKS schreiben Neil Gaiman und Adam Rodgers in der Zeitschrift "Wired". OT 23 ZUSPIELUNG DVD KILL BILL 2 + OV When Superman wakes up in the morning, he is Superman. Wenn Superman morgens aufwacht, dann ist er Superman. His alter ego is Clark Kent. Sein alter ego ist Clark Kent. SPRECHER 1 HALB LINKS Quentin Tarantino lässt den Bösen in "Kill Bill 2" über Superman philosophieren. OT 24 ZUSPIELUNG KILL BILL deutsches OV drübergemischt His outfit with the big red S is the blanket he was wrapped in as a baby when the Kents found him. Those are his clothes. What Kent wears, the glasses the business suit, that's the costume. That's the costume Superman wears to blend in with us. Clark Kent is how Superman views us. And what are the characteristics of Clark Kent? He's weak, unsure of himself... he's a coward. Clark Kent is Superman's critique on the whole human race. OT 25 Zack Snyder 0:29 "There ... make it both". OV Sprecher In diesem Film kann Superman in zwei Welten existieren, in der mythologischen und der realen. Damit schlägt er eine Brücke zwischen diesen zwei Welten, was ihm nie zuvor gelungen ist. In der Vergangenheit war er entweder pure Fantasie oder eine Kino-Ikone. Mir schien es als eine tolle Möglichkeit, beides zu machen. SPRECHER 1 HALB LINKS Regisseur Zack Synder über den neuen Superman-Film "Man of Steel". OT 26 Frahm Tatsächlich ist er ein universeller Held. Das sind die anderen Superhelden, die wir kennen und die ja zum Teil sehr langlebig sind wie Batman z.B., nicht. Das sind Figuren, die haben eine persönliche Geschichte, die von Rache ausgehen, also tatsächlich ein fast psychologisches Motiv für ihre Verkleidung finden. Bei Superman spielt eine Rolle, dass er ein Alien ist und als Alien in diesem neuen Kontext Erde einfach einen Übermenschen darstellt. Und das zum Besten der Menschheit nutzt. Das ist eine - wie ich finde, auch sehr schöne kindliche Phantasie. SPRECHER 1 Der Comic-Kenner und Liebhaber Ole Frahm. SPRECHER 2 MITTE [A.K.: 50 Klassiker Comics. Gerstenberg Verlag, Hildesheim, 2004] Inzwischen ist die Auflage des Comic-Hefts auf monatlich 45.000 Exemplare gesunken. Fast scheint es, als wolle Superman, der größte Held des 20. Jahrhunderts, seinen Vätern bald in die ewigen Jagdgründe folgen. OT 27 Rags Morales Vortrag 0:58 I hated ... no teeth, because his priorities are shifted. OV Sprecher Ich hasste so einiges an Superman. Ich hasste Superman wegen seiner Ausrichtung. Ich hasste ihn, weil er verheiratet war, weil er als zu alt dargestellt wurde. Ich mochte den Superman aus den Zeichentrickfilmen, wo er noch nicht so übermächtig war. Mir kam es vor, als sei er zu stark geworden, es war zu einfach, eine Geschichte zu schreiben, wo er in der Zeit zurückreisen konnte, oder wo er gegen ein Gebirge stieß, um die Erde wieder in ihre Umlaufbahn zurückzubringen. Für mich kam er an einen Punkt, wo er lächerlich wurde, dann heiratete er, was auch lächerlich ist. Das ist ein Gesetz des Geschichtenerzählens, wenn der Prinz die Prinzessin am Ende heiraten, dann ist das das Ende der Geschichte. Dann leben sie glücklich bis ans Lebensende. Der Held hat keinen Biss mehr, weil er sich jetzt für etwas anderes interessiert. OT 28 Frahm Übermensch Superman kann durch die Kraft seines Willens einen Tornado aufhalten. Also eine sehr moderne Vorstellung. Das ist aber auch der Grund dafür, warum man ihn heute ein bisschen antiquiert findet. Also jemand, der die moderne Hoffnung in sich trägt, dass sich die Welt komplett mit technischen Mitteln gestalten lässt. Und diese Moderne ist natürlich in den 70er/80er Jahren in Verruf geraten, weil sie so viel Zerstörungen verursacht hat. OT 29 FRAHM "Snoopy" Ich habe tatsächlich als Kind Superman nicht gelesen, weil ich ihn langweilig fand. Gerade im Verhältnis zu Snoopy, der wie ich glaube, über die größten Superheldenkräfte aller Comicfiguren verfügt. 1