COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Länderreport Mag. 20.1.2011 Flucht und Verteilung - Flächenfraß in Rheinland Pfalz Autor: Lutger Fittkau Red. C. Perez Atmo Baustelle Bauarbeiten an einer Landstraße mitten in der Eifel. Hier wird eine Einfahrt zu einer künftigen Feriensiedlung asphaltiert. Durch Straßenbau, neue Feriensiedlungen sowie Wohn- und Gewebeflächen am Rande bestehender Siedlungen wird in Rheinland-Pfalz ständig an Wald- und Agrarflächen geknabbert. Oberhalb von Cochem an der Mosel haben etwa niederländische Investoren ein Ferienzentrum für 1500 Gäste gebaut. Die Touristen aus dem dicht besiedelten Nachbarland kommen wegen der intakten Natur in Rheinland-Pfalz - und verbrauchen sie gleichzeitig: O-Ton Niederländer Die Natur ist sehr schön, das Wasser ist sehr schön und die Atmosphäre. Immer neue Feriendörfer in den waldreichen Landschaften von Eifel und Hunsrück sorgen für Flächenfraß, beklagt der Bund Umwelt und Naturschutz Rheinland-Pfalz. B.U.N.D. -Landesvorsitzender Dr. Bernhard Braun kritisiert auch die Versiegelung von Landschaft in der Nähe der Ballungsräume: Der Flächenverbrauch in Rheinland-Pfalz beläuft sich zurzeit täglich auf 5 Fußballfelder. Das heißt, wir haben in Rheinland-Pfalz, wenn wir so weitermachen, in Zukunft keine natürlichen Flächen zur Verfügung. Die Umweltschützer fordern die Politik im laufenden Landtagswahlkampf auf, endlich zu handeln und keine neuen Ferienanlagen mehr zu genehmigen. Wertvolle Biotopflächen gingen verloren, und der Boden wird täglich mehr zubetoniert. Bei Starkniederschlägen, wie sie nun infolge der Klimaveränderung sicher immer öfter auftreten, können dadurch Hochwässer in noch größerem Maße zu Schäden führen. Die Parteien reagieren und versprechen Abhilfe. Eveline Lemke, Sprecherin der rheinland-pfälzischen Grünen: Wir wollen die Flächenversiegelung auf Null reduzieren, dass heißt, wenn irgendwo Fläche versiegelt werden soll, dann muss woanders entsiegelt werden und wenn man das zu ende denkt, dann bedeutet das wirklich eine geänderte Raumplanung. Das sieht auch die politische Konkurrenz so. Julia Klöckner, die Spitzenkandidatin der rheinland-pfälzischen CDU hat sich mit dem Thema Flächenfraß schon als parlamentarische Staatsekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium auseinandergesetzt: Diese Fläche ist wichtig für den Klimaschutz, für die Landwirtschaft und für nachwachsende Rohstoffe. Und da sehen wir, dass es Konkurrenzen gibt um die Fläche. Diese Konkurrenz gibt es vor allem im Pfälzer Wald auch zwischen Mensch und Tier. Gemeinsam mit den Nordvogesen ist der Pfälzer Wald eines der größten zusammenhängenden Waldgebiete Westeuropas. Ein UNESCO-Biosphärenreservat. Heimat von seltenen Tieren wie Luchsen und Wildkatzen. Doch die Tiere sind vor allem durch den Straßenausbau im Wald gefährdet. Vanessa Zürrlein arbeitet als Umweltwissenschaftlerin im Biosphärenhaus Pfälzer Wald: Das ist mitunter der größte Faktor, warum Wildkatzen dezimiert werden. Also nicht die Natur, sondern Straßenunfälle. Die Umweltverbände drängen deshalb darauf, beim Straßenausbau darauf zu achten, dass die Tiere durch Ausgleichsflächen eine Überlebenschance bekommen. Vanessa Zürrlein: Der BUND selbst hat jetzt die Aufgabe, Vorschläge für Wildkatzenkorridore zu schaffen und der Hunsrückverein richtet eine Wildkatzenauffangstation ein. Gundolf Bartmann ist Leiter des Forstamtes Trier. Er betont, dass es nicht nur darum geht, den Wald zu erhalten und deswegen den Flächenverbrauch zu vermeiden. Sondern es gehe auch darum, wie der Wald bewirtschaftet werde. Um die Artenvielfalt zu erhalten, müsse der Wald ökologisch bewirtschaftet werden, fordert Förster Bartmann: Zunächst einmal umfassend ist die politische Orientierung in Deutschland ja Gott sei Dank so, auch bedingt durch die Zertifizierung, dass nachhaltige Waldwirtschaft zunächst einmal im Vordergrund steht. Und die stoffliche Verwertung, dass heißt, wir wollen Holz in Bauten, in Balken, in Möbeln binden und damit auch CO 2 binden und weniger die energetische Versorgung aus dem Wald zu einem absoluten Schwerpunkt machen. Das heißt, die Waldwirtschaft orientiert sich im Rahmen des naturnahen Waldbaus, dass heißt wir haben viel mehr Deckung, vielmehr Baumvielfalt, Artenvielfalt insgesamt, es nutzt auch dem Wild, das Wild hat bessere Lebensräume. Flächenverbrauch droht aber nicht nur im Wald durch Straßenbau und neue Feriensiedlungen. Auch landwirtschaftlich genutzte Flächen vor allem im Speckgürtel der Ballungsräume sind ständig in Gefahr, versiegelt zu werden. In Rheinland-Pfalz betrifft das vor allem auch die sogenannten "Streuobstwiesen" in den fruchtbaren Flussniederungen. Um den Wert solcher ortsnaher Flächen für die Artenvielfalt zu vermitteln, setzen die rheinland-pfälzischen Naturschutzverbände zunehmend schon bei den ganz Kleinen an. Naturschützer Frank Vogtländer: Wir müssen aktiv in Schulen und Kindergärten gehen und müssen die Kinder aktiv an die Natur wieder heranführen. Da gibt es schon verschiedene Initiativen (...) Lernort Natur zum Beispiel, wo wir so ein "Erlebnismobil Wald/Wild" haben, wo zahlreiche Präparate drin sind, womit wir in Schulen und Kindergärten gehen und die Kinder wieder an die Natur heranführen wollen. Die rheinland-pfälzischen Grünen haben gute Chancen, ihre Forderungen für eine konsequentere Politik der Vermeidung des Flächenverbrauchs in die nächste Landesregierung einzubringen. Zurzeit werden sie von CDU und SPD als möglicher Koalitionspartner umworben. Grünen-Spitzenkandidatin Eveline Lemke skizziert, wie sie dieses Thema in der Landespolitik angehen will. Innenentwicklung - also die Pflege und Sanierung der Dorfkerne statt neuer Wohn- und Gewerbegebiete außen am Ortsrand - soll im Zentrum einer künftigen Raumplanungspolitik für Rheinland- Pfalz stehen: Wir wollen das natürlich raumplanerisch machen und vor allem dafür sorgen, das eine stringentere Umsetzung erfolgt. Schon jetzt steht im Landesentwicklungsprogramm drin, das man eigentlich eine Innenentwicklung fördern will und keine Außenentwicklung, die soll es nicht mehr geben, aber es gibt jede Menge Ausnahmetatbestände. Und diese Ausnahmen, da muss es also ein Ende mit haben, da kann man nicht so Laissez-Faire das Handhaben und immer nur Gutmensch sein wollen, das funktioniert nicht. Und da werden wir sicher ein bisschen stringenter sein, als die Landesregierung das jetzt ist. Baulärm Politische Versprechen. Doch die Realität sieht bis auf weiteres anders aus: im Augenblick werden in Rheinland-Pfalz immer noch jeden Tag fünf Fußballfelder versiegelt. Viel zuviel für einen nachhaltigen Landschaftsschutz. Flucht und Verteilung - Flächenverbrauch in Hamburg Autorin: Verena Herb Red.: C. Perez Atmo Hammern Baustelle Es ist die größte innerstädtische Baustelle Europas: Hamburgs Hafencity. 3,3 km erstreckt sie sich von Westen nach Osten, 1,1 km von Norden nach Süden. Das Areal reicht von der spektakulären Elbphilharmonie an der Spitze des Dalmannkais im Westen bis zum Baakenhafen ganz im Osten. Berühmte Architekten wie Philippe Starck, David Chipperfield oder Herzog und de Meuron haben Häuser entworfen - kein Gebäude ist wie das andere. Nicht nur das macht die Wohnfläche im neuen Stadtteil so kostspielig, erklärt Professor Thomas Krüger, Stadtentwicklungsexperte von der Hamburger Hafen City Universität, kurz HCU: O-Ton In der Hafencity zu bauen ist sehr teuer aufgrund der physikalischen Rahmenbedingungen. Wir bauen im Grunde in einem Flusstal. Man muss alle Gebäude tief gründen, wir haben Hochwasserproblematiken, usw., usw..das ist also sozusagen ziemlich unvernünftig dort zu bauen. Doch wer direkt am Wasser leben will, nimmt das gerne auf sich: Wohnen an der Waterfront für derzeit 1500 Menschen. 4000 Menschen arbeiten hier. 2025, wenn der komplette Stadtteil fertig sein soll, werden rund 12 Tausend Menschen dort leben. Die Baukarawane zieht munter weiter gen Osten: Derzeit ist das Überseequartier die größte Baustelle mit 7,9 ha. Die Zahlen sind imposant, doch die Kosten pro Quadratmeter Wohnfläche eben auch. Dass auf dieser Basis Wohnungen für einkommensschwächere Teile der Bevölkerung oder gar "Durchschnittsverdiener" kaum geschaffen werden können, prägt das Image dieses Stadtteils, meint Jochen Menzel, Sprecher des Zukunftsrats in Hamburg und kritisiert: O-ton Das ist eigentlich nicht das, was wir brauchen. Sondern wir haben das Problem bei den günstigen und bei den Sozialwohnungen. Und es gibt keine Sozialwohnungen in der Hafencity bisher. Das sei auch ursprünglich nicht geplant, erinnert sich Jörn Walter, Oberbaudirektor der Freien und Hansestadt Hamburg: O_Ton Walter Wir haben in der Innenstadt einen sehr hohen Anteil an geförderten Wohnungen in der heutigen Hamburger Altstadt. Neustadt und Altstadt. Und deshalb wollen wir auch Gruppen wieder in die Innenstadt ziehen mit dem Hafencity-Projekt, die traditionell eher zu den Abwanderern aus Hamburg gehören. Wenn Sie so wollen - gemein gebräuchlich: Der klassische Mittelstand. Zum Beispiel das Lehrerehepaar Elke und Georg Nadas. Sie sind aus ihrem Haus in Bergedorf, einem Stadtteil ganz im Süden der Stadt, in eine Eigentumswohnung in der Hafencity gezogen. Der Klassische Fall: Kinder aus dem Haus, Haus zu groß - es geht zurück in die Stadt, weil es auf dem Land zu langweilig ist: O-Ton Wenn man in die Hamburger Stadt ziehen will, gibt es eigentlich keine vergleichbaren Objekte, die günstiger sind. Es ist nicht teurer, als wenn man nach Eimsbüttel zieht oder nach Altona zieht. Aber man hat einfach eine bessere Lage. Dass es meist Ältere Menschen sind, die zurück in die Städte ziehen, sei empirisch nicht nachweisbar - weiß Stadtplaner Thomas Krüger von der Hafencity Universität. Stattdessen sind es junge Menschen, die ihre Ausbildung machen oder studieren wollen, die es in die Städte zieht: O-Ton Die jungen Leute haben nun Schwierigkeiten, in den Vierteln "in denen man wohnt" wirklich neue Wohnungen zu finden. Das ist ein ganz großes Problem. Man kann natürlich sagen: Ok, dann geht in andere. Das passiert ja auch. Da sind auch ganz muntere Auseinandersetzungen, die jetzt bei den Bürgerschaftswahlen eine Rolle spielen werden. Und so verspricht Olaf Scholz, Spitzenkandidat der SPD, vor der Wahl am 20. Februar, jährlich 6000 neue Wohnungen zu bauen. Doch wie finanzieren? Und vor allem: Wo bauen ? Betrachtet man das gesamte Stadtgebiet, so ist...... O-Ton .....im Kern die Stadt relativ dicht besiedelt. Wie eigentlich alle deutschen Großstädte auch. So innerhalb des Rings 2, da ist die Stadt dicht bebaut. Dahinter gibt es ganz große ausgedehnte Einfamilienhausgebiete und dazu kommt, Hamburg hat - das wissen viele nicht - hat nen ganz großen ländlichen Raum. An der Elbe, das alte Land und die Vier und Marschlande. Da kommen Sie sich vor wie in Dithmarschen. Doch da kommen die Zuzügler ja her - sie zieht es eher in die Innenstadt. Jochen Menzel vom Zukunftsrat Hamburg hat da eine längerfristigere Entwicklung im Auge : O-Ton Hamburg schrumpft noch nicht, sondern wächst noch. Muss man sagen. Bis ungefähr 2025, 2030. Dann geht die Kurve wieder runter nach der ganzen demographischen Entwicklung eigentlich. Und deshalb wird die - nach Meinung vieler "falsche Stadtentwicklungspolitik" der Metropole Hamburg der vergangenen Jahre nun sichtbar: O_Ton Hamburg hat in den letzten 10 Jahren etwa relativ wenig Wohnungsbau gemacht. Obwohl die Stadt im Hinblick auf die Bevölkerungszahlen deutlich gewachsen ist. Also deutlich heißt dann immer so was wie 3 Prozent. Übrigens anders als andere Städte wie München im Süden Deutschlands. Der Zukunftsrat Hamburg untersucht seit vielen Jahren wie nachhaltig Hamburg seine Flächen nutzt. Seit 2006 beobachtet Jochen Menzel eine besondere Entwicklung in diese Richtung: O-Ton Die Bemühungen, schon erschlossene Flächen für neue Wohn- und Gewerbeprojekte zu nutzen ist stärker ausgeprägt. Was man aber noch nicht geschafft hat, ist ausreichend Wohnraum zu schaffen pro Jahr, neu - für die wachsende Bevölkerung. Also Alt- oder Konversionsflächen nutzen anstatt auf dem grünen Feld zu bauen - so der Vorschlag, der zwischenzeitlich auch bei Stadtplanern auf offene Ohren stößt. Thomas Krüger von der HCU allerdings rechnet vor, dass es in Hamburg zwar Konversionsflächen gibt, die aber längst nicht ausreichen, um den Bedarf zu stillen. O_Ton Ich glaube, dass man bei der Frage des Neubaus, den es weiter geben wird und auch des Siedelns von jungen Haushalten gut beraten ist, sehr intensiv mit dem Hamburger Umland zusammen zu arbeiten. Also sprich mit den Gemeinden im sogenannten Speckgürtel. Regional zu denken, überregional planen. So könnte die Siedlungsentwicklung und die Gestaltung von Lebensräumen in einer Zusammenarbeit zwischen Stadt und Umwelt organisiert werden. Flucht und Verteilung - Flächenverbrauch in Schleswig-Holstein Autor: Matthias Günther Red.: c. Perez Direkt am Hof von Martin Hitz in Daldorf im Kreis Segeberg verläuft die Autobahn 21. Als sie vor einigen Jahren gebaut wurde und man auch viel Platz für eine Auf- und Abfahrt brauchte, da war ihm klar, dass er einige Flächen hergeben musste. Aber jetzt soll er auch noch Flächen abgeben für die A 20, die mehr als zehn Kilometer weiter südlich gebaut wird - so genannte Ausgleichsflächen, also Flächen, die für den Naturschutz zur Verfügung gestellt werden als Ausgleich für den Autobahnbau. Dabei will Martin Hitz seinen Betrieb gerade erweitern und hat schon 20.000 Euro für die Planung eines neuen Kuhstalls investiert: "Die Baugenehmigung habe ich im Sommer 2009 bekommen, dass wir jetzt loslegen können. Und für diesen Bau brauche ich eine gewisse Flächenausstattung, damit ich meine Gülle loswerden kann. Und wenn dann 10 Prozent Fläche fehlen, kriege ich schon Probleme. Die Genehmigung habe ich nur daraufhin bekommen, dass ich entsprechend Flächenausstattung habe." Von 93 Hektar Eigenfläche solle er zehn Hektar abgeben, von 50 Hektar Pachtfläche sechs Hektar. Martin Hitz befürchtet, dass er seinen neuen Stall dann nicht voll auslasten darf - die Investition würde sich nicht rechnen. Deshalb weigert er sich, Flächen für den Naturschutz an das Land abzutreten. "Entweder ziehen die zurück, oder die müssen mir die Flächen enteignen. Also ich werde da nicht zurückweichen, das geht nicht, denn wenn ich die Flächen loswerde, dann kann ich meinen Betrieb dicht machen, also kann ich auch eine Enteignung erstmal abwarten." So weit wird es nicht kommen, versichert Berthold Pechan, der zuständige Referent im Landwirtschafts- und Umweltministerium in Kiel. "Der Bauer braucht auf gar keinen Fall Angst zu haben, enteignet zu werden. Alle naturschutzrechtlichen Kompensations- und Ausgleichsflächen werden immer freiwillig herangezogen. Es hat noch nie eine Enteignung dort gegeben, und wir werden auch nie den Weg einer Enteignung einschlagen, weil wir bisher immer auf der freiwilligen Ebene zum Ziel gekommen sind." Beim Bauernverband Schleswig-Holstein ist man dennoch besorgt. Dietrich Pritschau vom Vorstand beklagt, dass Landwirte oft vor vollendete Tatsachen gestellt würden. "Wir bewirtschaften ja nur noch etwa 50 Prozent der Flächen im Eigentum. Der Rest sind Pachtflächen. Und der praktizierende Landwirt kriegt von diesem Flächenerwerb oft gar nichts mit, sondern es werden die Verpächter angeschrieben, und die Flächen werden dann erworben. Man bekommt eine Pachtaufhebungsentschädigung, und das war es dann für den praktizierenden Landwirt." In Schleswig-Holstein werden derzeit 70 Prozent der Fläche landwirtschaftlich genutzt. Das ist im Bundesvergleich der höchste Wert, denn das Land hat sehr wenig Wald. Aber weil der Anteil der landwirtschaftlichen Fläche kontinuierlich abnimmt, hat der Bauernverband Alarm geschlagen. Stoppt den Flächenverbrauch, heißt es auf der Internetseite www.wertvollesland.de. Initiator ist Dietrich Pritschau: "Ich sehe in den nächsten Jahrzehnten den Wert unseres Ackerlandes erheblich steigen, weil Nahrungsmittel kostbar werden. Wir sollen in Zukunft mehr als sieben Milliarden Menschen ernähren, die ähnliche Ansprüche haben werden wie wir. Wir haben das zweite Jahr nach 2008, in dem sich die Weizenpreise innerhalb von Wochen verdoppelt haben, und das sind jetzt schon die ersten Vorboten, die ersten Marktausschläge, was auf den Weltmärkten los ist. Und Naturflächen gibt es meiner Meinung nach genügend, aber Ackerflächen sind wirklich kostbar." Derzeit werden in Schleswig vor allem für den Bau der A 20 quer durch das Land und für die Verbreiterung der A 7 landwirtschaftliche Flächen gebraucht. Auch eine neue Eisenbahntrasse als Hinterlandanbindung der geplanten Fehmarnbeltquerung könnte viel Ackerland vernichten. In Deutschland gehen im Durchschnitt täglich 100 Hektar verloren - zum großen Teil dadurch, dass als Ausgleich für den Naturschutz landwirtschaftliche Flächen stillgelegt werden, beklagt Dietrich Pritschau. Berthold Pechan vom Landwirtschafts- und Umweltministerium weist das zurück: "Der große Batzen dieser 100 Hektar, der wird beansprucht von den vielen, vielen, vielen direkten Nutzern, nämlich Infrastruktur, Wohnung und Gewerbe usw., der Anteil des Naturschutzes, das ist ja der Anteil, der das ausgleichen soll, was die andern der Naturfläche entziehen. Und da dem Naturschutz sozusagen die Verantwortung zuzuschieben, zu sagen, er sei der Hauptverantwortliche für den Flächenverbrauch, verkehrt ja die Tatsachen." Dennoch: Die Politik hat reagiert. Das neue Naturschutzrecht soll den Verbrauch landwirtschaftlicher Flächen beschränken. Als Ausgleich für den Bau von Infrastrukturprojekten in die Natur können danach nicht nur bisher bewirtschaftete Flächen stillgelegt werden, auch brach liegendes Land oder bestehende Naturschutzgebiete können als Ausgleich dienen, wenn der Naturschutz dort noch verbessert wird. Auch Truppenübungsplätze, die die Bundeswehr nicht mehr braucht und die ohnehin oft ökologisch wertvoll sind, kommen als Ausgleichsflächen infrage, sagt Berthold Pechan: "Auch dort kann man noch viel verbessern, genau das tun wir dann, und das wird dann angerechnet als Artenschutzausgleich, und es ist gleichzeitig das Ergebnis: es ist keine Betroffenheit der Landwirtschaft da." Es gibt noch eine weitere Möglichkeit, einen Ausgleich für die Natur zu schaffen und dennoch Ackerflächen zu erhalten: bisher intensiv bewirtschaftete Flächen können extensiv genutzt werden. Ein Landwirt verpflichtet sich in dem Fall beispielsweise, eine Fläche nicht zu düngen, dort auch keine Pflanzenschutzmittel zu versprühen und dort nur eine bestimmte Zahl von Rindern weiden zu lassen - und das auch nur zu den Zeiten, in denen etwa am Boden brütende Vögel nicht gestört werden. "Diese Maßnahmen sind übrigens europarechtlich als Landwirtschaft anerkannt. Es gibt dafür weiterhin die Unterstützung aus dem Agrarhaushalt der EU. Und von daher ist das auch für einen Landwirt eine ganz interessante Sache." Denn der Landwirt bekommt eine Vergütung dafür. Beim Bau der A 20 ist dieses Modell schon in vielen Fällen angewendet worden. Der Bauernverband bezweifelt jedoch, dass die neuen Möglichkeiten des Naturschutzrechts in nennenswertem Umfang Ackerflächen verschonen werden. Das Ministerium rät dazu, abzuwarten. Schließlich gilt das neue Recht in Schleswig-Holstein erst seit März vergangenen Jahres.