COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Länderreport, 23.05.2012 Der Grieche hat zu - Die ungewöhnliche Geschichte eines Restaurants in Karlsruhe - Autor Matthias Kußmann Red. Claus Stephan Rehfeld Sdg. 23.05.2012 - 13.07 Uhr WH vom 20.05.2011 - 13.07 Uhr Länge 18.29 Minuten Moderation Es war eine kleine kulinarische Revolution. Anfang der 70er Jahre gründete Christoforos Stefanidis in Karlsruhe ein Lokal, das erst mißtrauisch beäugt wurde, dann aber stadt- bekannt war: "Der Grieche". Endlich eine Alternative zum "Italiener", dessen Pizzen damals die einzige Abwechslung zur schweren badischen Hausmannskost boten. Nun also Gyros als eine weitere Alternative. Und so verschieden die Namen der Taverne über die Jahre, so unterschiedlich die Gäste und die griechisch-deutschen Komödien und Tragödien. Es gab Stammgäste und Rassisten und RAF-Terroristen, die auf ihr Gyros nicht verzichten wollten. Bundeskanzler Willy Brandt aß demonstrativ dort und nicht beim "Deutschen", die ersten Gespräche zur Gründung der "Grünen" fanden ebenfalls beim "Griechen" statt. Vor genau drei Jahren schloß das Lokal, die Döner-Welle war durchs Ländle geschwappt, doch die Geschichten hat Matthias Kußmann für uns festgehalten. -folgt Script Beitrag- Script Beitrag T1: Musik (1 Udo Jürgens, "Griechischer Wein". Intro, dann 1. Strophe: Es war schon dunkel, als ich durch Vorstadtstraßen heimwärts ging / da war ein Wirtshaus, aus dem das Licht noch auf den Gehsteig schien / ich hatte Zeit und mir war kalt, drum trat ich ein ... Autor: Ja, so muss es gewesen sein, im Januar 1980, als die Grünen in Karlsruhe ihre Partei gründeten. Heute gelten sie, auch ein bisschen dank Fukushima, als mögliche Retter Deutschlands. Natürlich nicht für jeden ... Und damals, vor über 30 Jahren? Da galten sie als Wirrköpfe, zogen abends durch die Stadt, ein Haufen meist junger Leute in Jeans und Strickpulli; darunter Joschka Fischer, Petra Kelly und ihr damaliger Chef Herbert Gruhl: T2: O-Ton Gruhl Liebe Freunde! Niemand kann unseren Erfolg noch verhindern - es sei denn wir selbst!" Autor: Als Gründungsort wählten sie Karlsruhe, die so genannte "Residenz des Rechts", mit Bundesgerichtshof und Bundesver- fassungsgericht - sicher ist sicher. Denn eine Partei waren sie noch lange nicht, sondern, auf Amtsdeutsch, eine "Sonstige politische Vereinigung". Die Versammlung fand in der Karls- ruher Stadthalle statt. T3: O-Ton Gruhl Meine sehr verehrten Damen und Herren ... - (Stimmen aus dem Hintergrund:) Ihr müsst leiser sein! Leiser werden! - (Gruhl:) Nochmal ... - (Stimme aus dem Hintergrund souffliert:) Liebe Freundinnen und Freunde ... Autor: Nach der Versammlung sollte irgendwo auf den antibürger- lichen Coup angestoßen werden - schließlich verstand man sich als "Fundamentalopposition" und "Anti-Parteien-Partei". Nur: Der Mitschnitt, den es von der Gründung gibt, klingt, als hätte man schon dort kräftig getrunken ... T4: O-Ton Gruhl (weiter): (Zunehmend lallend:) Liebe Freundinnen und Freunde unsrer Grünen Bewegung! Ich begrüße Sie alle im Namen des Bundes- vorstands zur Delegiertenversammlung der "Sonstigen politi- schen Vereinigung Die Grünen", die zugleich die Gründungs- versammlung der politischen Partei "Die Grünen" werden soll! (Applaus.) Autor: Durch Vorstadtstraßen ging es zwar nicht, aber durch die Karls- ruher Südstadt, das Arbeiter-, Studenten- und Multikulti-Viertel. Das passte. Und siehe, in einer Kneipe war noch Licht ... T5: Musik (1 Jürgens, "Griechischer Wein", 2. Strophe: Da saßen Männer mit braunen Augen und mit schwarzem Haar / und aus der Jukebox erklang Musik, die fremd und südlich war / als man mich sah, stand einer auf und lud mich ein ... Autor: So landete der Kern der frühen Grünen im "Alexis Zorbas" - keine schlechte Wahl. Denn Christoforos Stefanidis, der Wirt, hegte sozialdemokratische Sympathien und wechselte später von Rot zu Grün. Der 72jährige war und ist ein politisch wacher Zeitgenosse. Im Lokal ging er von Tisch zu Tisch, setzte sich zu den Gästen und verstrickte sie in Diskussionen - und zwar ziemlich entschieden ... T6: O-Ton Vater Weil, ich hab viel zu viel gelesen. Und immer wenn etwas dazukam, was Deutschland betrifft oder betroffen hat, war ich interessiert. Guck mal, ich bin - wie viel? - 47 Jahre hier! (...) Weißt du mehr als ich über Deutschland? Nein! Ich sag dir, nein!!! Und viele, viele Deutsche wissen nicht so viel wie ich über Deutschland. Über Historie und bis zur Neuzeit ... Autor: Aber wie dem auch sei: Er mochte das bunte Volk, das im Winter `80 die "Grünen" gründete und bei ihm feierte. Zur Sperrstunde sperrte er - wie der Name ja sagt - die Tür zu, und das Fest ging weiter, bis zum Morgen. T7: Musik (1 Jürgens, "Griechischer Wein", Refrain: Griechischer Wein ist so wie das Blut der Erde / komm, schenk mir ein, und wenn ich dann traurig werde / liegt es daran, dass ich immer träume von daheim / du musst verzeihn / Griechischer Wein ... Unter O-Ton Sohn, Autor und nächstem O-Ton Sohn weiter, dann weg. T8: O-Ton Sohn Meine Erinnerung geht so los, dass ich nachts im Bett lag, ich war damals fünf. Ich lag im Bett und es war wahnsinnig laut ... Autor: Alex Stefanidis, einer der Söhne des Wirts. T9: O-Ton Sohn (weiter): Da bin ich einfach hinten die Treppe runter und stand hinter der Theke in der Tür, in meinem Pyjama. Was ich sah, war ein volles Lokal, so voll hatte ich es noch nie gesehn. Und lauter Leute mit Strickpullis, mit langen Haaren, Nickelbrillen, Cordhosen, manche auch in zerrissenen Jeans, und die haben hier gefeiert. Ich weiß noch, dass "Griechischer Wein" lief, die Erinnerung hab ich noch. Und die andre ist die, dass mein Vater mich erblickt hat. Jutta Ditfurth stand neben ihm und meinte: "Wen haben wir denn da?" Mein Vater erklärte, dass ich der jüngste Sohn bin. Mein Vater hat mich wieder nach oben gebracht und mich schlafen gelegt. Ich hab ihn noch gefragt, was denn all diese Menschen nachts noch bei uns zu suchen hätten. Er hat gemeint, das sind nur ein paar Freunde, und Freunde bleiben oft ein bisschen länger ... Autor: Alex Stefanidis ist heute Journalist bei der Süddeutschen Zeitung. Er hat ein Buch geschrieben, das die Geschichte des Lokals erzählt, in dem er aufwuchs. "Beim Griechen" heißt es, und im Untertitel: "Wie mein Vater in unserer Taverne Ge- schichte schrieb". Sein Vater war 1963 nach Deutschland gekommen. Ein typischer sogenannter "Gastarbeiter" jener Zeit - der freilich ganz woanders hin wollte ... T10: O-Ton Sohn Mein Vater ist in nem Waisenhaus aufgewachsen, hat dort ne Zimmermannslehre absolviert und wollte eigentlich nach Brasilien - weil er gehört hat, dass viele Griechen in Brasilien sind, dass da viel gebaut wird (...). Damals musste man in Thessaloniki in so ein (...) Auswandererbüro gehen. Da saß ein Mann, der die Formulare ausgeteilt und angenommen hat. Der sagte zu ihm, dass Brasilien ein Embargo für Griechen erlassen hat, die unter 1 Meter 75 sind, weil eben nur größere Griechen auswandern dürfen. Auf gut Deutsch wollte der nur geschmiert werden! Mein Vater hatte aber kein Geld. Da hat der Beamte gesagt: "Gut, dann musst du nach Deutschland auswandern", weil Deutschland auch kleinen Griechen einen Job geben würde ... Autor: Müßig zu sagen, dass Stefanidis eigentlich 1,78 war ... Er landete in Stuttgart, arbeitete bei Bosch, dann verschlug es ihn nach Karlsruhe, wo er 1970 sein erstes Lokal eröffnete: das "El Greco". Es lag in der Südstadt, gegenüber dem Zoo. Heute ist da eine angeblich "total verrückte Kneipe" mit dem total lustigen Namen "Sockenschuss". Als Stefanidis vor 40 Jahren sein Lokal aufmachte, war er ein totaler Außenseiter ... T11: Musik (1 Jürgens, "Griechischer Wein", Schluss letzter Refrain: ... in dieser Stadt werd ich immer nur ein Fremder sein / und allein ... Autor: Griechische Gastarbeiter kannte man - aber dass sie ein Lokal betrieben? Gut, an italienische Küche hatte man sich gewöhnt: Pizza und der Chianti aus der Korbflasche schmeckten gar nicht schlecht. Aber jetzt schon wieder was Neues, Gyros, Zaziki, Ouzo? Und dann auch noch von diesen fremden Griechen aus dem tiefen Süden? T12: O-Ton Sohn Natürlich hatte er auch Probleme mit Menschen, die es nicht so gern sahen, dass er als Grieche oder anderer Gastarbeiter in Deutschland angekommen war. Zum Beispiel sein erster Ver- mieter, der ihn drangsaliert hat oder bestimmte Menschen auf den Behörden. (...) Allerdings: Die schlimmste Zeit war Anfang der Neunziger, kurz nach der Wiedervereinigung. (...) Diese An- schläge auf die Asylanten-Heime in Hoyerswerda und in Solingen auf das Haus türkischer Einwanderer ... Auch hier bei uns im "Griechen" gab es komischerweise eine kleine Gruppe, die über Ausländer geschimpft hat, aber die Griechen immer ein bisschen ausgeklammert hat. Was natürlich eine bizarre Situation ist, wenn man als Grieche dabeisitzt ... Das war so die Zeit, in der die latent vorhandene Fremdenfeindlichkeit ausgeartet ist. Autor: Zurück in die 70er Jahre. Um die Deutschen nicht zu verschrecken, entschied sich Vater Stefanidis für eine gemischte Speisekarte. Neben Gyros & Co. gab es auch panierte Schnitzel & Co., bereitet von seiner Frau, einer exzellenten Köchin. Die Gäste kamen. Und die Söhne auch. T13 O-Ton Sohn Das war ja mein Lieblingsgericht als Kind: Schweineschnitzel mit Pommes! - (Autor:) Hat das Ihre Mutter nicht ein bisschen frustriert? - Ja, doch! (Lacht.) Es war dann tatsächlich so, dass ich von meiner Mutter, naja, "gezwungen" ist ein bisschen übertrieben, aber dazu gebracht wurde, Moussaka oder Pastizio oder andre typisch griechische Gerichte zu essen ... Autor: Bald aßen die Deutschen so gern Souflaki wie der kleine Alex Schnitzel mit Pommes - ein Beispiel geglückter Integration auf beiden Seiten ... T14: Musik (7 Corry Brokken, "Ouzo". Intro, 1. Strophe: Ich hab entdeckt, was am besten mir schmeckt / nicht der Wein und der Sekt, sondern Ouzo. / Jedermann weiß, ich bin kühl so wie Eis / doch im Nu wird mir heiß, trink ich Ouzo ... Autor: Und bald war das "El Greco" die Kneipe der Linken in Karlsruhe. Von 1967 bis 74 herrschte in Griechenland eine Militärdiktatur - da war klar, dass man solidarisch zum "Griechen" ging. T15: O-Ton Sohn Es steckte die Haltung dahinter, die Demokratie in Griechenland wieder herzustellen, für die Demokratie zu sein, und gegen die von der amerikanischen Regierung unterstützte Militärjunta. T16: O-Ton Willy Brandt Wir wollen mehr Demokratie wagen! Autor: Genau. Darum aß auch Willy Brandt, damals Bundeskanzler, auf seiner Karlsruher Wahlkampftour beim "Griechen", nicht beim "Deutschen" ... T17: O-Ton Vater Der kam mit Begleitung, mit drei vier Leute. Du kennst ja Willy Brandt, der war meine Liebling von dene, weißt? (...) Es hat mir gefallen. Sogar in Griechenland wusste ich von Willy Brandt und Adenauer! (...) Der Willy, ganz normal, guckt erst mal in das Lokal rein, find in der Mitte ein Platz. (...) Da hat er gesagt, wir essen das, was die anderen essen, das essen wir auch. (...) Ich glaube, der hat Glas Wein -Rotwein - getrunken, ja. Autor: Ach ... Nur einen Wein? T18: O-Ton Vater (weiter): Und dann ein Metaxa! Hab ich spendiert ... Autor: Dem Kanzler?! Einfach so?!? T19: O-Ton Vater (weiter): Hab ich gefragt, erst mal. Autor: Die frühen 70er Jahre waren eine hochbrisante Zeit. Der Terror der "Rote Armee Fraktion" spaltete die Bevölkerung - in wenige Anhänger und viele Gegner. Einige Mitglieder der RAF saßen häufig, na wo schon, im "El Greco" ... Peter-Jürgen Boock, Susanne Albrecht und vor allem Christian Klar, der damals in Karlsruhe wohnte. T20: O-Ton Sohn Anfang der 70er Jahre, kurz nachdem das Restaurant eröffnet wurde, kamen Christian Klar und Susanne Albrecht hierher, wie viele andere Studenten. Wie bei jedem anderen Gast hat sich mein Vater natürlich dazugesetzt, hat sich mit den jungen Leuten unterhalten. (...) Er hat gesagt zu den Gesprächen mit Christian Klar: Er war ein sehr aufgeschlossener Junge, badischer Junge. (...) Er erinnert sich daran, dass er breiten badischen Dialekt gesprochen hat. T21: O-Ton Vater Er war ein sympathischer Junge, hübsch (...), war ein braver guter Junge für mich. T22: O-Ton Sohn Klar, es ging natürlich auch um das Thema Militärjunta in Griechenland (...). Klar war Christian Klar dagegen, sicher hat er auch mit den Griechen in dem Sinn sympathisiert, wie viele andere auch. Aber es war damals nicht abzusehen, dass Christian Klar irgendwann zum Terroristen wird. (...) Für meinen Vater war das ein Schock, als er in den Nachrichten gesehen hat, dass Christian Klar einer der Tatverdächtigen für den Mord an Siegfried Buback war ..., Autor: ... der in Karlsruhe stattfand. T23: O-Ton Vater Da waren wir alle überrascht. Was, der Christian Klar? Was, das gibt's doch nicht! Der war ja noch jung, zu jung für solche Dinge ... T24: Musik (2 Mikis Theodorakis, "Zorba´s Dance". Anfang frei, dann unter Autor und O-Ton weiter, dann blenden. Autor: 1978 übergab Stefanidis das "El Greco" einem Freund und eröffnete das "Alexis Zorbas" - das Lokal, wo später die Grünen feierten. Schon vier Jahre später zog er weiter, in die Innenstadt. T25: O-Ton Sohn 1982 haben meine Eltern hier am Berliner Platz die Taverne "Der Grieche" eröffnet, die sie dann auch bis 2009 betrieben haben. (......) Mein Vater - ich glaub, dass er so ein bisschen zeigen wollte, wer der "richtige" Grieche in Karlsruhe ist. Die andern hießen ja "Poseidon" oder "Artemis" oder "Akropolis". Da fand er es stringent, es "Der Grieche" zu nennen. (...) Da ist die Universität in der Nähe, das Bundesverfassungsgericht, kleinere und größere Läden, die Fußgängerzone beginnt dort. Da wusste er, hier kann ich nichts falsch machen. Und in der Innenstadt gab es damals noch keinen Griechen, die waren eher außen rum. Autor: Das Publikum in den Stefanidis-Tavernen war immer gemischt. Doch nie so sehr wie im "Griechen" am Berliner Platz. Denn nicht nur Uni und Bundesverfassungsgericht waren nah, sondern auch die ehemalige "Altstadt" mit ihren Nutten und Zuhältern. T26: O-Ton Sohn Mein Vater kannte glaub ich fast jeden der Besitzer der Tanzlokale. ("Tanzlokale" nennt man´s ja in der höflichen Art. Also Stripteaseläden...) Die kamen auch zu uns essen, klar. Die brachten auch ihre neusten Erwerbungen aus allen möglichen Ländern der Welt mit zum Essen (...). Gleich daneben saß eben Professor soundso mit seiner Sekretärin. Manchmal waren mir die zwielichtigen, augenscheinlich zwielichtigen Typen lieber als mancher Professor, der immer nur von seiner "Sekretärin" gesprochen hat, obwohl jedem klar war, dass es nicht nur seine Sekretärin war ... T27: O-Ton Vater Jeder Mensch hat seine Geschichte. (...) Heute, wenn ich heute zurückdenke, sag ich: Mann, das hab ich erlebt, mit so viele Leute ... Autor: ... die vor allem sogenannte "kleine Leute" waren. Doch auch Mikis Theodorakis kam, Nana Mouskouri, Baden-Württembergs Innenminister Thomas Schäuble oder KSC-Trainer Winnie Schäfer. T28: O-Ton Gysi Wir müssen zinsgünstige Darlehen Griechenland anbieten! Wenn wir das machten, wär der Weg der Spekulanten schon versperrt! T29: O-Ton Sohn Dann war Gregor Gysi hier, hat meinem Bruder ein bisschen von der DDR erzählt, obwohl mein Bruder gar nichts davon wissen wollte ... Aber er hat einen sympathischen Eindruck ge- macht. Autor: Ende der 90er Jahre wurde es ruhiger in der Taverne: weniger Gäste, weniger Umsatz. Inzwischen gab es 40 griechische Lokale in Karlsruhe, "Der Grieche" war nur noch einer von vielen. Zudem schossen in der Innenstadt und an der Uni Dö- nerbuden wie Pilze aus dem Boden - und mancher Student ent- schied sich für den günstigen Jufka statt für Gyros ... T30: Musik: Erneut: Theodorakis, "Zorba´s Dance", unter Autor weiter, dann blenden. Autor: Auch privat gab es Probleme. Die Ehe der Eltern kriselte, der Vater war spielsüchtig, verzockte zehntausende Mark. Wenn ihm im Casino das Geld ausging, rief er daheim an, ließ die Söhne mit dem Taxi kommen und neues Geld bringen ... Auch davon schreibt Sohn Alex in seinem Buch - was ihm der Vater nie übel nahm. T31: O-Ton Vater Er hat da drin auch paar Dinge geschrieben, wo mich nicht passen, sagen wa mal so. Aber Großteil, drei Viertel und mehr, ist wahr, ja? Autor: Am 20. Mai 2009 schloss "Der Grieche". 40 Jahre zuvor plante das Ehepaar Stefanidis - wie die meisten Gastarbeiter -, einige Zeit in Deutschland zu leben, viel zu arbeiten und sich dann in der Heimat einen guten Lebensabend zu machen. Es wurde nichts daraus. Viel gearbeitet haben sie, doch vom Geld blieb wenig übrig. Heute leben sie in einer kleinen Dreizimmer- Wohnung über ihrem ehemaligen Lokal. T32: O-Ton Sohn Sie sind 72 und 66 Jahre alt und beide froh, dass sie nicht mehr täglich arbeiten müssen. Trotzdem fehlt ihnen was. Trotzdem fehlt ihnen dieses gemeinsame im Restaurant mit Gästen sitzen und palavern. T33: O-Ton Vater Das kann nicht jedem passiere. Mir ist so eine wunderschöne Zeit gewese ... Bis meine Tod denke ich immer an diese schöne Zeit ... T34: Musik (1 Jürgens, "Griechischer Wein", Refrain: Griechischer Wein ist so wie das Blut der Erde / komm, schenk mir ein, und wenn ich dann traurig werde / liegt es daran, dass ich immer träume von daheim / du musst verzeihn ... Autor: Alex Stefanidis steht vor dem ehemaligen "Griechen". Am Berliner Platz befindet sich eine riesige Baustelle, denn die 300.000-Seelen-Stadt Karlsruhe will Großstadt sein und baut eine U-Bahn. T35: O-Ton Sohn Was wir jetzt sehen, ist der hässlichste Platz von Karlsruhe, aufgrund dieser Megabaustelle. (...) Ja, hier ist eben "Der Grieche" gewesen. Das sieht auch ganz anders aus, denn "Der Grieche" ist jetzt ein Döner-Imbiss und heißt "Kani" ... Autor: So endete diese Geschichte ein wenig melancholisch - hätte nicht Alex Stefanidis, der Journalist und Buchautor, noch einmal das Wort. Ihn prägte es tief, in den Tavernen seiner Eltern aufzuwachsen. Es waren, mit Maxim Gorki gesprochen, seine "Universitäten": T36: O-Ton Sohn Wenn ich gefragt werde, was in meinem Lebenslauf wichtig war? Manche fangen dann an: "Ja, ich hab da studiert und hab dort studiert ..." In einem Lokal aufzuwachsen, war für mich ein riesiges Privileg, von dem werd ich mein ganzes Leben lang zehren! Weil man da lernt, mit Menschen umzugehn, auch einfach mal die Klappe zu halten, wenn´s dem andern nicht so gut geht - und einfach zuzuhören ... T37: Musik (7 Brokken, "Ouzo", Schluss: Tu so, tu so, und trink immer Ouzo! / Ouzo, Ouzo geht ins Blut ... (Ausblenden.) -ENDE BEITRAG- 1