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O 3 Gallé Es gab dann die Nibelungenfestspiele Ende der 30er Jahre, das war eine Sache, die das Reichspropagandaministerium unter Goebbels durchgesetzt hat. O 4 Wedel Der eigentliche Nibelungenschatz ist diese unglaubliche dichterische Erfindungsgabe dieses unbekannten Autors ? auch ein Schatz für Worms. Spr.v.D. Zauberklang am Rhein ? Worms und sein Nibelungenschatz. Eine Deutschlandrundfahrt mit Sabine Korsukéwitz Übergang zu Musik 1: Wagner ?Der Ritt der Walküre? (bis Anfang Kinder) 1:20 Interpret: Bayrisches Staatsorchester/ Zubin Mehta Titel: Die Walküre, Vorspiel 3.Akt CD: Die Walküre Track: CD 1/ Track 1 Komponist: Richard Wagner Text: - LC/Best.-Nr.: 3740 / Farao B 108040 DLR-Archiv#: 50-10570 Autorin Worms am Rhein, ein bedeutendes politisches Zentrum im Mittelalter. Hier erklärte 1076 König Heinrich IV. den Papst für abgesetzt und musste dafür später den Gang nach Canossa antreten. Hier leitete Kaiser Maximilian 1495 die Reichsreform ein, hier verteidigte Luther seine Thesen mit den Worten: Zitator: Widerrufen kann und will ich nichts, weil es weder sicher noch geraten ist, etwas gegen sein Gewissen zu tun. Gott helfe mir, Amen. Autorin Und hier siedelte ein heute vergessener Dichter das Nibelungenlied an, das immer noch jedes Schulkind kennt. Eine Kurzfassung... O 6 Kinder Der Siegfried haut von seinen Eltern in dem Schloss ab und geht in den Wald und trifft eine Schmiedelei oder wie man das nennt und dann ist da so ein Mann, der heißt Mime und der bringt ihm bei wie man Schwerter und so schmiedet und dann will der Mime den aber loswerden, und da hat er dann gesagt: Es gibt einen Drachen und dann hat er da den Drachen besiegt und hat sich dadrin gebadet (in dem Blut!) und dann ist ihm ein Lindenblatt an den Rücken geflogen (hier!) und das ist die einzigste Stelle wo er dann verwundbar ist. G 1 Drache stirbt Autorin Solchermaßen gerüstet geht Siegfried an den Burgunderhof in Worms und verliebt sich in die Schwester von König Gunther, Kriemhild? O 7 Kinder Ja und dann wollte der die Kriemhild heiraten und der Gunther wollte die Brunhild heiraten und dann haben die einen deal gemacht. Autorin Brunhild macht Schwierigkeiten? O 8 Kinder In der Hochzeitsnacht hat sie den Gunther an einen Kleiderhaken gehängt, gefesselt und auf einen Kleiderhaken gehängt. Sie hasst Jungs und verprügelt sie gerne (Gekicher). Die heißt mit Zweitnamen Brunhild! Autorin Würden diese Mädchen einen Mann heiraten, den sie an einen Kleiderhaken hängen könnten? O 9 Kinder Neeeeeeiiiiiiin! (vielstimmig) Autorin Siegfried unter der Tarnkappe verhilft Gunther zu seinem ehelichen Recht, wovon Brunhild nichts ahnt. Dann kommt es vor dem Dom von Worms zum Streit der Königinnen um den Vortritt zum Gottesdienst. Kriemhild blamiert Brunhild, indem sie die Geschichte mit der Tarnkappe ausplaudert. Der Eklat ist perfekt. O 10 Kinder Das muss man von vorn erzählen, also dass der Hagen die Kriemhild reinlegt, also der erzählt ihr was von Krieg und dann tut die Kriemhild, die Frau von Siegfried dem so ein Kreuz dahin nähen wo er verwundbar ist und dann wollte der Siegfried was trinken und dann hat der Hagen den Speer reingerammt genau wo die Kriemhild das Kreuz hin gemacht hat und dann war die Kriemhild ganz sauer und hat nach vier oder fünf Jahren ihre Brüder wieder eingeladen und hat sie dann reingelegt. Autorin Soviel zur Nibelungentreue und ?ehre. Und wie geht das dann aus? G 2 Schwerterkampf O 11 Kinder Ja da sterben dann alle! Das endet in einer riesigen Metzlerei und dann sterben alle! Autorin Da war doch noch was ganz Entscheidendes? O 12 Kinder Der Hagen der sollte irgendwas sagen ? da wo der Schatz versteckt ist! Akzent Musik 2: Harfe Autorin Ja, der Schatz. Den hätte man gern, auch die Stadt Worms hätte gern, dass er gefunden würde, denn dann könnte man gleich große neue Hotels bauen. Aber in Worms glaubt niemand an einen Schatz ? wenigstens gibt es niemand zu. Volker Gallé ist Kulturkoordinator der Stadt und Vorsitzender der angesehenen Nibelungenliedgesellschaft. Er kann uns sagen, was von dem Stoff nun auf realen Orten und Ereignissen basiert. O 13 Gallé Es gibt ja verschiedene Handschriften und in den verschiedenen Handschriften gibt es unterschiedliche Anspielungen auf Orte; und die Handschrift C bezieht sich sehr stark auf den Raum Worms. da wird beispielsweise der Siegfried im Odenwald ermordet, der ja direkt hier auf der anderen Rheinseite liegt. Wiederum der Dichter, auch wenn er anonym ist, hat Worms sicher gekannt als eine bedeutende Stadt des staufischen Kaiserreiches und natürlich hat man die Kathedrale gekannt, den Dom. Deswegen kommt der als Münster auch da drin vor, und die Beschreibungen sind nicht so, dass man sagen kann, das ist jetzt genau die Stelle, aber die Beschreibungen des Bereiches um den Münster herum , mit einem Palast im Norden und einem Vorplatz im Süden passen auf die Geografie. Autorin Siegfried zum Beispiel kommt, als er nach Worms geht an einem Ort an, der heißt ?uff dem Sand?? O 14 Gallé ?Uff dem Sand? ist nichts anderes als der heutige Festplatz, der heißt heute noch Kisselswiese, das ist einfach ein alter Begriff für die Art wie hier das Rheinufer war, nämlich flach, weil Worms ja auf einem Hochwasser freien Sporn liegt und war vorne dran eine Art Ried- Landschaft ... und das ist ?uff dem Sand?, ne. Autorin Und wer waren eigentlich die Burgunder? O 15 Gallé Die Burgunder ? die sind also nachweisbar im Bereich des Mains, das weiß man aus historischen Quellen, dass sie da gelebt haben müssen, weil sie Auseinandersetzungen mit den Alemannen hatten. Dann sind sie eben wieder nachweisbar hier auf der Seite, allerdings rein archäologisch nur durch einen Grabstein in Trier. aber sie haben sich eigentlich historisch hier in der Gegend erst konstituiert und haben hier dann nach römischem Vorbild eine Königssippe gewählt, könnte man sagen und diese Königssippe hatte den Leitnamen Gunther. Autorin Na prima, wenn das soweit alles stimmt, dann könnte doch an der Geschichte mit dem Schatz auch was dran sein. G 3 Schatzgräber O 16 Gallé Im Epos hat man überzeitlich erzählt und die Leute haben dann sozusagen selbst die Möglichkeit gehabt ihre Zeit rein zu interpretieren, das war ja ne feste Dramaturgie und Rollenverteilung. Die Zeit finden sie weniger in Personen und Ereignissen. Sie finden sie aber natürlich in den Accessoires, beispielsweise in den Schneiderstrophen, wenn die Kleider beschrieben werden oder wenn ein höfisches Turnier beschrieben wird. Die Leute haben, wenn das Stichwort Worms fällt und Münster, das reicht eigentlich schon damals wie auch heute um irgendetwas zu imaginieren. Und das ist sozusagen die Aufgabe dieser Verortung. Autorin Alles nur Literatur, ein Märchen, Erfindung? Aber nein! - sagt der Ingenieur und Architekt Hans-Jörg Jacobi aus Mainz: O 17 Jacobi Ich glaub dass beim Nibelungenlied, so wie es hier drin steht, sich tatsächlich von A bis Z um eine reale Sache handelt. Wir haben auch mit Fachleuten lange diskutiert, hier ist praktisch keine Stelle, wo man sagt, es stimmt nicht, ja? Wenn Sie die Reise nachvollziehen vom Beginn an bis zum Untergang (?), wo dieser heldenhafte Kampf war, das können Sie alles nachvollziehen und überall in den Städten bis hin zu Wien finden Sie Hinweise auf die Burgunder, auf die Hunnen, auf die Namen hier. Sie können also den gesamten Verlauf nachvollziehen. Autorin Sein Vater hat mit der Suche angefangen und der Sohn ist praktisch schon sein ganzes Leben lang mit dabei. Besucht man Hans-Jörg Jacobi in seinem Haus, dann merkt man gleich: hier wohnt ein Träumer ? einer der sich seine Fantasie vom Leben nicht hat austreiben lassen: Eine gusseiserne Germania steht vor dem Eingang, die Wohnung ist voll gestopft mit Trödel und Antiquitäten, alten Steinen und Keramik, Skulpturen, historischen Musikinstrumenten und vor allem mit Büchern und Karten. O 18 Jacobi Wir haben eine Fülle von Hinweisen gehabt, wo wir gesagt haben: Ja, da verbirgt sich ganz sicherlich was Reales dahinter. Akzent Musik 3: Wagner Walküre, Intro 1.Akt/ nur kurz als Stimmung unter Zitator Zitator Was zwölf Leiterwagen zumeist konnten tragen, volle vier Tage von dem Berg hinab, wobei es neun Stunden für jeden zu fahren gab? Autorin folgt man der Sage wurde der Schatz nicht direkt vor Worms in den Rhein geworfen ? aber wo? O 19 Jacobi Im Nibelungenlied, hier auf der Seite 44, da steht nämlich drin: Der Hagen hat den Schatz versenkt ?zem? und ?Loche? groß geschrieben, und alles was im Mittelalter groß geschrieben wird, ist ein Eigenname. Der hat das nicht versenkt in ?nem Loch irgendwie, nein: Loche ? Lochheim. Da sind sich auch die Forscher ziemlich einig. Und da haben wir dann in Karten nachgeguckt und Registern ? gibt keinen Ort der Lochheim heißt. Und dann kam eine Gänsehautsituation, da hab ich dem Vater gesagt: Soweit könnten sie von Worms, wenn die Sache gestartet wird etwa fahren und da hab ich in eine moderne Karte einen Punkt reingesetzt und gesagt, wir ziehen mal einen Kreis rum und das müsste unser Untersuchungsgebiet sein. Und da wo ich rein gestochen hab, kam später raus in alten Karten, gab?s Flurnamen ?kleines Lochheim?, großes Lochheim?, und ich weiß noch wie heute, da bekam ich so?ne Gänsehaut, die Haare standen senkrecht hoch, da habe ich gesagt: Mensch! Das ist das Lochheim! Autorin Ein vergessenes Dorf? O 20 Jacobi Und wenn man dann die Bauern mal fragt, ?ah ja, hatt amol a Kerch gestanne?, warum? Weil sie dann immer so beim Zackern so ein paar Steine da rausholen in diesem Gebiet wo heute nichts sichtbar ist. Also wenn da Steine rauskommen, da hat einmal eine Kirche gestanden und im Mittelalter ist der Ort sicher völlig überschwemmt, untergegangen und der Ort Lochheim ? ?zem Loche?. Musik 4: Sally Doherty ?Gold? Interpret: Sally Doherty & The Sumach Titel: Gold CD: Edge of Spring Track: Komponist: Text: LC/Best.-Nr.: cooking records DLR-Archiv#: Autorin Worms in Rheinland-Pfalz streitet sich mit Köln und Trier um den Titel ?älteste Stadt Deutschlands?. Sehen kann man nicht mehr allzu viel vom Mittelalter. Kommt man vom Bahnhof her, einem antikisierenden Gebäude aus dem 19.Jahrhundert, in die Innenstadt, dann muss man durch eine dieser üblichen gesichtslosen Fußgängerzonen, mit den ewig gleichen Kettenläden, Billigheimern, Asia-märkten. Aber immerhin: Man hat sich Mühe gegeben mit Hilfe von Kunst das Bild anzureichern. Man kommt vorbei an künstlerisch gestalteten Brunnen? G 4 Brunnen Autorin einem modernistischen Gebilde aus schwarzen Würfeln, G 5: Brunnen Autorin dem Nibelungen-Brunnen mit einem Schiff auf dessen bronzenen Segeln ein Textausschnitt der Saga steht, G 6: Brunnen Autorin dem ?Schicksalsrad? und dem Winzerbrunnen, G 7 Brunnen (länger unter dem weiteren Text stehen lassen) Autorin und dem Siegfriedbrunnen des Bildhauers Adolf von Hildebrand. Es gibt ein paar romanische Überlebende hier und da im Stadtbild, den großartigen Dom aus rotem Sandstein, vor dessen Pforte sich die Königinnen gestritten haben sollen ? doch die ehrwürdigen Reste stecken im Klammergriff einer kleinstädtischen Moderne O 21 Gallé Man erwartet normalerweise ja durch diese Mittelaltergeschichten eine mittelalterliche Stadt so wie Rothenburg ob der Tauber und das ist nun Worms ganz und gar nicht, weil die verschiedensten Kriege Europas, angefangen mit dem pfälzischen Erbfolgekrieg bis zum Zweiten Weltkrieg mehrfach zerstört haben und die Stadt immer wieder neu aufgebaut wurde, sie ist also architektonische mehr so ein Flickenteppich quer durch die Jahrhunderte und hat dann so zentrale Bauten von großer Bedeutung man findet eben nicht dieses romantische Bild, da gibt?s die schöne Geschichte von Viktor Hugo bei seiner Rheinreise, der nach Worms kam und hatte fantasiert, hier das romantische Worms und seine Fabelwelten zu finden und war dann schwer enttäuscht über diese Stadt, dann wurde es ne Industriestadt, das kriegt dann auch wieder ein eigenes Gepräge ? ist auch wieder nicht direkt mittelalterlich, ja? Autorin Der große Arbeitgeber, die Lederindustrie ist verschwunden, in der Chemie gibt es auch immer weniger Jobs. Die Verlierer sieht man am Siegfriedbrunnen sitzen und auf den Parkbänken. Sie betteln nicht und pöbeln nicht, sondern betrinken sich still und Schicksals ergeben. Dienstleistungsgewerbe und Nibelungentourismus soll Jobs bringen, aber das Problem sind die ungelernten Arbeiter. Von denen hat Worms eine Menge. Den Nibelungen kann man kaum entgehen, wenn man in der Gegend geboren ist, wie Volker Gallé O 22 Gallé Meine allererste Begegnung mit dem Nibelungenstoff war eigentlich mein Name. Ich heiß ja Volker und komm aus Alzey und in Alzey hieß damals, als ich in den 50er Jahren geboren wurde, jeder vierte oder fünfte Bub Volker und da wird man natürlich sehr früh drauf hingewiesen, dass das der Volker von Alzey aus dem Nibelungenlied ist. Die Alzey haben ja die Fiedel im Wappen und zwar eine Fidel ohne Bogen. Und da gibt es eine Sage, Volker von Alzey sei auf einer Feierlichkeit irgendwo auf dem Land gewesen und es habe eine Schlägerei gegeben und da ist der Bogen dabei zerbrochen und deswegen ist er mit der Fidel allein zurück gekommen. Solche Geschichten stammen wirklich aus der frühen Kindheit und da kommt sicher so was her, eine positive Beziehung zur Musik würde ich sagen... Autorin In Worms begegnet man der Sage auf Schritt und Tritt in Straßennamen und sogar auf den Speisekarten der Restaurants, bei Burgunderbraten und Nibelungensalat. O 23 Eichfelder Ein Freund hat mich besucht und er hat nach zwei Tagen festgestellt, er hätte eine Apotheke gesehen, die nicht Kriemhild-, Siegfried-, Hagen oder Nibelungenapotheke hieß sondern einfach nur Paulus Apotheke oder so was ähnliches, was nichts mit den Nibelungen zu tun hätte... (Stimme oben) Autorin Eichfelder nennt sich dieser junge Künstler, den der Mythos inspiriert. O 24 Eichfelder Ich habe auch einen Nibelungenring entworfen, der hat neun Mäander, die in einander laufen, von daher war er ein bisschen schwierig zu produzieren, weil er keinen Schnitt hat. Das ist eine endlos Spirale. Diese neun Mäander gehen zurück auf ein Zitat in der Edda, wo dieser Ring beschreiben wird, weil: Er vermehrt sich selbst: In jeder siebten Nacht tropfen ab davon derselben acht. Autorin Der Ring wird gern von Touristen gekauft, da es sonst wenig Greifbares gibt, was man von den Nibelungen mit nach Hause nehmen könnte. O 25 Eichfelder Es gibt zum Beispiel eine Geschichte, dass am Rathaus der Stadt Knochen von Drachen in eisernen Ketten gehangen haben, die Leute dachten damals, wenn man Riesenknochen gefunden hat ? im Rheinsand kam das nicht selten vor ? Mammutfossilien oder Saurierfossilien, dass das eben Riesen und Drachen gewesen sein mussten. Und wie sollten die sonst dahin kommen, wenn das nicht diese Riesen und Drachen sind, die Siegfried angeblich erschlagen hatte. Und die wurden dann zur Schau gestellt. Das war Nibelungentourismus im Spätmittelalter. Autorin Die Stadt Worms hat sich einiges einfallen lassen, um von den Nibelungen zu profitieren, so ein Museum, das ausstellt, was es gar nicht hat: Schon äußerlich ist das Museum ungewöhnlich: Drei metallene Hauben wie Mönchskapuzen entspringen den Blendarkaden der mittelalterlichen Stadtmauer. In diesen Gebilden beginnt der Rundgang und führt durch zwei Türme, den ?Hörturm? und den ?Seh-Turm?, über einen Wehrgang und ins Mythenlabor das der Künstler Eichfelder entworfen hat, der übrigens auch eine sehenswerte website zu Worms und den Nibelungen unterhält O 26 Mückain Das Nibelungenmuseum funktioniert als Medien gestütztes Literaturmuseum. Und sein Rundgang erschließt die Sage, ihre Entstehungs- und Wirkungsgeschichte in der Art eines begehbaren Hörbuchs und damit knüpft das Haus an, an die Tradition der oralen Vermittlung von Sagen und Legenden, in diesem Fall seit dem Mittelalter. Autorin ? erklärt Olaf Mückain, der Leiter des kleinen Museums - jahreszeitlich bedingt leicht verschnupft. O 27 Mückain Da das Museum davon ausgeht, dass ein heutiger Besucher primär visuell konditioniert ist, wird der Besucher zu Beginn des Hörrundganges über eine ausladende Bildkollage an das Thema herangeführt und bekommt zur Unterstützung der Hörstationen Filmausschnitte aus Fritz Langs Stummfilmklassiker geboten, Als Begleiter und als Erzähler fungiert der anonyme Dichter selbst G 8 Adorf (Ausschnitt Mario Adorf als Nibelungendichter/audio-guide) (unter Autorin wegblenden) Autorin Mario Adorf aus der Unterwelt?Soweit ganz stimmungsvoll ? aber da ist keine Spur vom Nibelungenschatz, nicht das kleinste Körnchen Gold, kein Edelstein, kein klitzekleines Perlchen rein gar nichts! Da halten wir uns doch lieber an Hans-Jörg Jacobi, den Schatzsucher: O 28 Jacobi Wir haben alle möglichen Techniken angewandt, hatten von oben aus der Luft gesehen, dass da in der Kurve verschiedene verdächtige Sachen sind, und da haben wir einen absolut Top- Weltklasse Rutengänger kennen gelernt. Ein alter Mann, der klein hutzelig war, hat keine großen Sprüche gemacht, gleichzeitig habe ich glaube ich alle Hellseher in Deutschland umgehend auch kennen gelernt persönlich. Und dieser Mensch den wir hier bei uns hatten, also das war ein Genie, wir haben nach seinem Kommando ein Feld abgesteckt immer hier ein Pfosten rein und da und dort und im Ergebnis sah das so aus wie eine Raute. Ich hab gesagt, Vater das ist was Besonderes, dass da Rundprofile unten tief im Boden stecken. Wenn es sich wirklich um den Schatz handeln sollte, könnte ich mir vorstellen, sind das römische Amphoren, die waren ja üblich damals Musik 5 Instr. Interpret: Sheppard, Bob Titel: One Week Last Summer CD: Track: Komponist: Joni Mitchell Text: LC/Best.-Nr.: Concord, LC 15025 DLR-Archiv#: G 9 Glockenspiel Dreifaltigkeitskirche Autorin Die Deutschlandrundfahrt auf Schatzsuche in der Nibelungenstadt Worms am Rhein. Lange Zeit war das Nibelungenlied verschollen, die so genannte Handschrift C, die Version, die Worms in den Mittelpunkt der Ereignisse rückte, wurde Mitte des 18.Jahrhunderts in einer gräflichen Bibliothek wieder entdeckt und nun nahm der Siegeszug der Nibelungen seinen neuzeitlichen Lauf: Nach der 48er Revolution preisen die Konservativen die Nibelungentreue zum Hohenzollernhaus, Wagner nahm sich der unglücklichen Burgunden (eigentlich der Volsungen) an und die Nationalsozialisten schließlich wollten das Lied zum Urdeutschen Epos machen, ein Heldenepos mit Widersprüchen? O 29 Gallé Also die etwas intelligenteren völkischen Wissenschaftler wie der Hans Grimm zum Beispiel, den kennt man ja von Volk ohne Raum, die haben davor gewarnt das Nibelungenlied als Nationalepos zu nehmen und zwar weil sie genau gewusst haben: Das ist ja eine Anleitung zum Untergang, ne? Autorin 1937 wurden die Nibelungenfestspiele gegründet, aber ? sagt Volker Gallé - trotz Starbesetzung waren die Veranstaltungen gar nicht so besonders gut besucht. O 30 Gallé Man hat dann versucht ganze Betriebe in diese Veranstaltung rein zu bekommen, denn die Wormser haben eigentlich damals und das ja heute auch immer noch ein großer Teil der Bevölkerung, der es vorzieht, lieber Volksfeste gefeiert als Festspiele gefeiert. Also dass es heute noch in Worms eine große Gruppe gibt, die das Backfischfest den Festspielen vorzieht. Die wirklich großen Sachen, die hier funktioniert haben, das war der triumphale Einzug von Goebbels im offenen Wagen in Worms und die Rede. Da war wirklich das Stadion gerammelt voll und das war eine Propagandaaktion anlässlich der Festspiele, aber die Hebbelinszenierungen selber, die muss man sich mehr so wie ne Kulturveranstaltung vorstellen, die sich die Nazis ans Revers heften. Autorin 1938 brannten hier wie überall in Deutschland die Synagogen. Eine der ältesten und kulturell bedeutensten jüdischen Gemeinden Deutschlands wurde zerschlagen. Den jüdischen Friedhof aber ließen die Nazis unzerstört Er liegt in Sichtweite des Doms, aber so versteckt, dass noch heute nicht alle Wormser den Weg wissen. G 10 Friedhofstor, Friedhofsatmo (unter Autorin auffüllen) Autorin Über einen kleinen Vorplatz mit einem Brunnen, dessen steinerner Rand tiefe Ausbuchtungen trägt von tausenden von Händen, die ihn berührt haben, gelangt man durch eine enge hölzerne Pforte in ein Reich der Stille: Eine weite Rasenfläche, auf der noch die Blätter des Herbstes liegen, kahle Bäume, uralte Grabsteine, teils tief in die Erde eingesunken, nach allen Seiten geneigt. Hier treffen wir Stella Schindler-Siegreich, eine zierliche, rothaarige Frau mit Porzellan-blauen Augen, die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde von Mainz (und Worms). In Worms gibt es eigentlich keine Gemeinde mehr, dafür jüdische Besucher aus aller Welt. Sie kommen hierher, weil dieser Friedhof ganz einzigartig ist. O 31 Schindler Das ist jetzt der älteste Grabstein hier auf dem Friedhof von Jakov ha-bachur. Eine Inschrift von 1076/77, wir haben als Juden wirklich sehr wenige Dokumente aus dieser langen Geschichte und deshalb bin ich ganz gerührt, dass dieser Friedhof hier steht und dass wir diese steinernen Dokumente auch haben, dass wir hier nicht vorgestern hergekommen sind sondern wirklich eine ganz lange Geschichte auch haben. Autorin Dieses Gebiet am Rhein war im 11. bis 13..Jahrhundert ein großes Zentrum jüdischer Kultur, die so genannten Schum-Gemeinden: O 32 Schindler Schum ist einfach die hebräischen Anfangsbuchstaben für die großen jüdischen Gemeinden hier am Rhein: Speyer, Worms und Mainz, Spirer, die hebräische Bezeichnung, Warmaisa und Magensa, das ist ein Schin, ein Waw und ein Mem, drei Buchstaben im Hebräischen, wenn Sie die lesen, lesen Sie einfach: Schum. Autorin ?Klein-Jerusalem? wurde Worms genannt, ein religiöses Zentrum, ein Ort der Lehre. Der Friedhof ?Heiliger Sand? ist eine Art Wallfahrtsort. O 33 Schindler Sie sehen hier die beiden berühmtesten Grabsteine, das ist ein berühmter Rabbiner, Maharam, das ist auch wieder so eine Abkürzung, ja: Moreno Raw Meir,? beide, das ist ein Schüler von ihm, Alexander Süßkind ?werden verehrt als Zadikim, als Menschen die ein Gott gerechtes Leben geführt haben. Und das drückt sich so aus, dass sie hier ihre Wünsche niederlegen, sogenannte Quitteln, Judendeutsch, sie hören das Wort Quittung raus mit Wünschen, Gebeten, wie Sie es auch an der Klagemauer kenne, diese Wunschzettel die da abgelegt werden oder in die Wand gesteckt werden. Autorin Im 13 Jahrhundert wurden viele jüdische Bürger bei Pestpogromen ermordet, ab dem 15.Jahrhundert wurden sie gezwungen in Ghettos zu leben. O 34 Schindler 19., 20. Jahrhundert, da sind die Juden dann wieder Bürger dieser Stadt und sie haben dann die Schulpflicht, die alte Muttersprache verlassen sie, das Judendeutsch, was ja mit hebräischen Buchstaben geschrieben wird und die neue Muttersprache wird dann deutsch, das drückt sich dann hier an den Grabsteinen aus: Sie haben dann zweisprachige Beschriftung, hier hebräisch und auf der Rückseite haben Sie das auf Deutsch, hier steht Siegfried oder Siegmund Honig und da wird der jüdische Vornahme stehen, (geht um den Stein herum) - hier steht dann Schlomo, also Salomon. Autorin Diese neueren Grabsteine sehen nicht viel anders aus als die auf einem christlichen Friedhof. Es gibt sogar zwei, die sind Eichenstämmen nachgebildet. O 35 Schindler Wenn man einen jüdischen Friedhof heute besucht, hat man immer diese Holocausterfahrung im Hinterkopf und unsereins verbindet einfach mit der Eiche den deutschesten Baum und hier wählt ein jüdischer Mensch diesen deutschen Baum als Grabstein. Ob das damals so gewollt war weiß ich nicht aber heute ist es doch ein Zeichen dafür, was für ein Lebensgefühl die Juden im 19. und 20. Jahrhundert entwickelt haben, dass sie sich zur deutschen Nation zugehörig gefühlt haben oder sich danach gesehnt haben, dazu zu gehören und dass sie sich als deutsche, das ist das Hauptwort, ja, und oft haben sie sich auch israelitisch genannt, damit sie dieses Wort ?jüdisch? gar nicht in der Bezeichnung drin haben, das klingt einfach besser, oder: mosaisch, ja? Das Adjektiv war die Religionszugehörigkeit. Autorin Der gewundene Weg führt hinunter in eine Senke. Die Grabsteine dort sind wieder sehr alt, aber auf einigen liegen Quitteln, Wunschzettelchen in dicken Schichten, mit Steinchen und Teelichtern beschwert. Wachs ist über die Steine getropft. O 36 Schindler Das ist das Rabbinental, das fängt an hier oben an, das ist der letzte große Rabbiner, der hier an der Wormser Jeschiwa, in der die jetzt da steht, gelehrt hat. Yair Bacharach. Oder zum Beispiel der da unten, das ist so ein Wundermann, im 17 Jahrhundert, dreißigjähriger Krieg, die Zeiten sind für Juden auch nicht die besten, da braucht man diese Wundermänner, die einem das große Glück bringen. Das ist einer von denen. Da gibt?s auch eine Gruppe von Juden die den sehr verehren. Da unten ist Maharil. Es war jetzt sehr windig, deshalb fliegen da diese Zettelchen weg. Autorin Auf dem Rückweg zum Tor kommen wir über einen Hügel, von dem aus man über die Mauer und auf die Stadt sehen kann. Hier bleibt Stella Schindler-Siegreich lange stehen. Martin Buber sei oft hier her gekommen, sagt sie? O 37 Schindler Wenn er hier steht kuckt er rüber zum Dom und sieht diese Klarheit der Glieder, alles hat sein Plätzchen, hier steht er und sieht er die zerprellten Steine ganz rüber nüber, er weiß aber, dass er zu diesen Steinen gehört, dass er hier verwurzelt ist, aber mit dieser Verwurzelung kann er das Schöne des Anderen auch sehen und ich finde das ein sehr schönes Bild: Wenn man weiß wer man ist und wo man hingehört hat man so eine starke Sicherheit, so dass man die Schönheit des Anderen auch sehen kann. Man sieht das nicht als Konkurrenz sondern es gibt vieles auf dieser Welt, das eine und das andere, ja? Musik 6 (jiddisch) Bente Kahan ?Rabeynu Tam? 3:44 Interpret: Bente Kahan Titel: Rabeynu Tam CD: home Track: 1 Komponist: H.Rubin Text: T. Itzhak Manger LC/Best.-Nr.: 00972/ plane 88845 DLR-Archiv#: 91-56045 Autorin Zu Besuch in Worms, der Nibelungenstadt. Worms hat viele Schätze: Den romanischen Dom, mittelalterliche Mauerreste, Funde aus der Römerzeit, den Judenfriedhof ?Heiliger Sand? und eines der ältesten kommunalen Archive Deutschlands mit einer Dokumentenserie aus der Salierzeit um 1100. Gerold Bönnen, der Leiter dieses beachtlichen Archivs müsste eigentlich wissen, wo der Rhein zur Burgunderzeit verlief. Hat er Hinweise auf den Goldschatz? O 38 Bönnen Wir wissen aus Karten aus vormoderner Zeit, dass der Flussverlauf immer gewechselt hat ohne dass wir es genau für eine bestimmte Zeit in bestimmter topografischer Weise bestimmen könnten weil uns dazu einfach die Quellen fehlen. Das ist das Problem: Wir haben das Bett, in dem der Rhein potentiell geflossen ist eben mit Inseln, mit Armen, mit Sumpf, mit Hochwasser, mit verschiedenen sich verändernden Gegebenheiten und dieses meandrierende Gebilde hat es bis ins 19. Jahrhundert gegeben und erst dann ist die Rheinbegradigung erfolgt und in der Zeit davor ist es ein sehr breites Bett, dass sich ständig verändert hat und das Veränderungen ausgesetzt war, aber wir wissen das im Prinzip nicht wirklich. Autorin Gerold Bönnen muss diese Art von Fragen oft beantworten. Immer wieder melden sich Schatzsucher bei ihm: O 39 Bönnen Wir haben hier im Archiv eine Sammlung von Korrespondenz mit diesen Leuten und das ist unglaublich, also da lachen sie sich ? mit Verlaub ? lachen sie sich schlapp, weil die kommen auf die verrücktesten Ideen und oft sind das Leute die wirklich jahrelang unter erheblichem Einsatz ihrer These nachgehen und dann auch die verrücktesten Experten da an Land ziehen, Geologen, Archäologen, alles mögliche ist unternommen worden und das ist schon wirklich abenteuerlich. G 11 Fluss mit Schiffen/Möven Autorin Graubraun und trübe schiebt sich der Rhein durch fettes Schwemmland und Weinberge. Auch wenn man ihn umgeleitet, eingemauert und gebändigt hat: Viele seiner Geheimnisse hat er noch nicht preisgegeben. Aber Hans-Jörg Jacobi glaubt zu wissen, wo er suchen muss: O 40 Jacobi Ich hab hier mal eine Karte, das zeigt, wie ein Rhein so fließt. ... da wo Lochheim ist, ist praktisch die tiefste Stelle des Rheines, wir haben Tiefen von 20, 25 Meter, das ist für den Rhein enorm tief, und sinnbildlicherweise ist auch genau dieser Bereich jedem Schiffer in Holland zum Beispiel bekannt als ?der schwarze Ort?. Warum? Wegen den großen Tiefen, weil es so dunkel ist, wir haben dort stärkere Strömungen, und jetzt sagen wir: An der Stelle hat der Rhein sich nach unseren Berechnungen höchstens um eine Rheinbreite versetzt. Autorin Bei Stromkilometer 464 ist der berüchtigte ?schwarze Ort?. Doch der Schatz liegt auf einem Acker. Und da haben die Jacobis eine Brunnenröhre in den Boden treiben lassen, denn so dicht am Rhein stößt man schnell auf Grundwasser. G12 Platscher (Taucher atmet, Luftblasen.....weiter unter dem O-Ton) O 41 a Jacobi Und dann haben wir einen Taucher runtergeschickt. Ist ja witzig: Auf Land wird ein Taucher geholt mit Pressluftflaschen, und da war eine fürchterlich schaurige Geschichte: Der Taucher geht runter, zehn Meter, Wasser, Wasser, Wasser, und wir haben ihm einen Hammer gegeben und haben gesagt: Wenn was ist, schlägst du dagegen, gegen die Wand, das hören wir ja oben, und der war noch nicht unten hats schon bummbummbummbumm gemacht, wie hektisch, Gott!, was ist denn da passiert? G 12 hier kurz frei stehen lassen O 41 b Jacobi Wir hatten ihn natürlich oben fest gesichert gehabt mit Nylonschnüren, und da hat er dort geklopft und dann haben wir mit dem Bohrunternehmer da oben gestanden, und haben versucht ihn rauf zu ziehen und bekamen ihn nicht los, und da bin ich von jetzt auf gleich klatschnass geworden, weil ich dachte: jetzt stirbt jemand, wir kriegen ihn nicht mehr raus! Haben wir richtig kräftig gezogen und dann plötzlich haben wir ihn gehabt und dann raus, was war da gewesen? Es gibt nämlich in den Kiesgruben Schleichsand! Das ist so eine ganz dünne Sandschicht, wer da reinkommt, der kommt nicht mehr richtig raus oder es pappt wie Pattex. Und so war?s: Der stand unten drin und konnte das Bein nicht mehr anheben, der war fest gebappt richtig, ne? Und dann kam?s noch dazu noch viel schlimmer, der hatte seinen Lungenautomaten und dieser superfeine Sand ist natürlich sofort in den Automaten gegangen und dann bekam er plötzlich keine Luft mehr. Also da haben wir gedacht: Der Fluch der Nibelungen setzt schon ein! (im Negativen) Autorin Nein, bisher hat sich die Suche nicht gerechnet. Mehr bringen da schon die Nibelungenfestspiele ein, die 2002 nach langer Pause wieder aufgenommen wurden G 13 Ausschnitt Festspiel 07 (Königinnenstreit) Autorin Der renommierte Fernseh- und Theaterregisseur Dieter Wedel war zunächst gar nicht angefeuert, als die Idee an ihn herangetragen wurde: O 42 Wedel Sehr beschäftigt hatte ich mich eigentlich damit nie, weil das für mich immer so einen Stempel hatte: dass das etwas mit Nazis zu tun hat. Diese Rede von Göring, die kannte ich und Nibelungentreue hatte ab da etwas Anrüchiges für mich, hab dann irgendwann den Ring der Nibelungen von Wagner gesehen, entsprechend großartig gefunden... Autorin Gemacht hat er?s, weil ihm das Stück in einer modernen Version gefiel und weil er mal was Ruhiges machen wollte, ein bisschen Theater ohne Medienrummel. Aus der Ruhe wurde dann nichts: Im siebten Jahr sind die Nibelungenfestspiele in Worms eine gewaltige Maschine mit Stars und Blitzlichtgewitter. Die Wormserin Simone Schofer macht seit dem zweiten Jahr Öffentlichkeitsarbeit für die Festspiele O 43 Schofer Ich bin aus der Schweiz hierher her zurück gegangen weil ich einfach gesagt habe: das interessiert mich, so was jetzt hier beginnt, 2002, das möchte ich einfach miterleben, weil es auch für die Stadt einfach eine große Chance ist, wirklich aus ihren kulturellen Erbe was zu machen und gesamtdeutsch in der Kulturtradition, die sie ja mal hatte, vielleicht auch wieder an zuknüpfen. Autorin Diese große Kultur verbrennt eine Menge Geld, die Ausgaben stehen auf dem Papier, der Gewinn ist nicht so einfach in Geld auszurechnen. Wie wird das in einer Arbeiterstadt mit über 10% Arbeitslosigkeit aufgenommen? O 44 Schofer Nibelungenfestspiele ist nicht nur die Dom-Inszenierung, sondern wir haben auch ein Kulturprogramm und wir haben seit 2004 einen Park, der auch öffentlich zugänglich ist und den verwandeln wir mit Lichtdesign mit Kunstobjekten in einen Event, das ist ein weiteres Highlight der Festspiele und da ist es mittlerweile so, das ist ein richtiger gesellschaftlicher Anlass, wo sich dann auch die Wormser treffen, was einfach sonst in Worms nicht existiert. Und dieser Park und das Kulturprogramm, das überwiegend von Wormsern besucht wird, wo auch Persönlichkeiten wie Otto Sander, die Heike Makkatsch mal zu sehen ist, Christian Quadflieg, ist auch ein Aspekt, der dazu beiträgt, dass es bei den Wormsern einfach zum großen Teil akzeptiert ist, diese Festspiele. Autorin Intendant Dieter Wedel hat sich gerade bis 2011 verpflichten lassen. O 45 Wedel Ich muss sagen, es hat mir dann verblüffend Spaß gemacht, auch in einem Stück Dinge zu entdecken, das ist ja hochmodern: Unverwundbarkeit, nicht, wie vielen Leuten begegnet man immer wieder im Leben die sich für unverwundbar halten und sich plötzlich entsetzlich aufspielen, und dann entdeckt man doch das Lindenblatt, und dann stürzen sie, ob das in der Politik ist, in der Wirtschaft oder im persönlichen Umfeld; wir haben in diesem Jahr auch mal gespielt dass diese berühmte Nibelungentreue doch vielleicht sehr diktiert ist von ganz handfesten ökonomischen Interessen. Plötzlich entdeckt man in diesem alten Spiel sehr moderne Bezüge, das Stück ist offen und dass da auch gesellschaftlich politische Entwicklungen an dieser Geschichte zu zeigen und zu demonstrieren war, das hat mich gereizt und ich glaube da gibt es noch Möglichkeiten und deshalb habe ich gesagt, ich mach das noch weiter. Autorin Und sieht er die Nibelungen hier in Worms, ist das Thema für ihn an diesem Ort authentisch? - Nur bedingt? O 46 Wedel Da muss ich Ihnen sagen, weht mich Geschichte viel mehr an wenn ich vor diesem Dom stehe und an einem Fenster dann die Kerben sehe, die die Schwerter der Kreuzritter hinterlassen haben, wenn die los ritten haben die noch mal in den Stein gehauen um die Schärfe ihrer Klinge zu überprüfen. Übrigens dann haben sie, bevor sie ins Heilige Land ziehen noch einen kleinen Umweg hier über die Judenstadt gemacht und erstmal ein paar Juden umgebracht als gute Christen. Auch das ist eine Geschichte die man erzählen kann. Autorin Das hat er vor. ?Jud Süß? steht auf der langen Liste seiner Ideen: O 47 Wedel A hat Worms etwas mit Juden zu tun, B hat Jud Süß ein ähnliches Schicksal erlitten wie die Nibelungen, nämlich von den Nazis reklamiert zu werden und aber auf den Kopf gestellt zu werden. Und ich glaube dass das ein hochaktueller Stoff ist, weil sich hinter dem erfolgreichen Finanzmann Süß ein Gebräu aus Neid, übler Nachrede, Missgunst, blödsinnigen, verlogenen Anekdoten über Judentum, von denen auch jeder weiß, dass sie jeder Grundlage entbehren, dass sich da ein solches gefährliches Gebräu ergibt, dass egal wie der Jude sich am Ende verhält er untergehen wird. Das scheint mir nicht ganz unaktuell, wenn ich die Situation des Staates Israel sehe. Autorin Stella Schindler-Siegreich, die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Mainz mag sich zu diesem Vorhaben nicht äußern. Sie deutet das Stück auch etwas anders als der Intendant: O 48 Schindler Mich fasziniert dieses Thema ?Rache? und wieweit man etwas kaputt gehen lassen kann, also so ein persönliches Motiv dazu führt, dass ganze Reiche verschwinden, ja? Wenn ich da im Theater sitze, sind das die Motive die mich bewegen bei diesem Stück. Akzent Musik 7 Walküre, Vorspiel 2. Akt 1:55 Interpret: Bayerisches Staatsorchester/ Zubin Mehta Titel: Die Walküre, Vorspiel 2 :Akt CD: Walküre Track: 1 Komponist: Richard Wagner Text: - LC/Best.-Nr.: 3740 / Farao B 108040 DLR-Archiv#: 50-10570 G 14 Weinkeller (O-Töne ?Schembs haben starke Atmo) Autorin Das Leben in Worms am Rhein ist von beinahe französischer Gelassenheit, eine freundliche Kleinstadt. In zehn Minuten kann man die Innenstadt zu Fuß durchqueren; die Vororte sind dörflich. Rundum liegen Weinberge; es ist das drittgrößte Weinanbaugebiet Deutschlands. Hinter einem von diesen knarzigen alten Hoftoren ist man jetzt, kurz vor Weihnachten am Aufräumen und Groß-reine-machen. Der Winzer Arno Schembs betrachtet gut gelaunt die Eichenfässer - und die Stahltanks, in denen die Ernte ihrer Trinkreife entgegen gärt. G 15 Gärung/Tanks O 49 Schembs Dem Wein geht?s wunderbar. Die Trauben sind sehr gut vergoren, wir haben sehr schöne Ergebnisse bekommen was die Farbe angeht des Weines, was die Nase , was das Buket angeht und hier unten im Rotweinkeller kann man eigentlich jetzt schon darauf schließen, dass es ein sehr sehr guter Jahrgang für die Rotweine war. Autorin Rotweine, Pinot Noir, sind aber nicht sein eigentlicher Stolz. Arno Schembs gehört zu einer Reihe von Winzern, die zur Ehrenrettung der altehrwürdigen ?Liebfrauenmilch? angetreten sind. ?Liebfrauenmilch? Igitt!? sagt der Kenner und kreuzt die Finger. ?Billiges Zuckerzeug!? Doch dieser Wein war einmal berühmt und sehr teuer. Da die eigentliche Lage zuwenig hergab, ein Weinberg, vom Schatten der Kirchtürme des Liebfrauenklosters begrenzt, wurde in den 70er Jahren kurzerhand aus der Lage eine Marke gemacht und fortan durfte praktisch alles Liebfrauenmilch heißen. O 50Schembs Wir haben, ein Freund von mir, der ebenfalls Winzer ist, der Gerhard Gutsler aus Gundheim und ich, wir haben vor genau jetzt zehn Jahren einen Weinberg in der Originallage Liebfrauenmilch gekauft, also wirklich im Schatten der Kirchtürme gelegen, und das sind sehr konzentrierte Weine, sehr dichte Weine, die aufgrund der Bodenbeschaffenheit ein charakteristisches Bukett haben, wir riechen Marakuja, Lichie, Mango, also sehr exotische Düfte und sie haben vor allem eine unverwechselbare Mineralik, hier ist der Rhein der Vater des Ganzen, und die Böden sind durch den Fluss stark geprägt. Autorin Absurd wie manchmal Gesetze sind: Dieser, der originale Lagenwein mit dem alles angefangen hat, darf jetzt nicht mehr ?Liebfrauenmilch? heißen. O 51 Schembs Das heißt jetzt: ?Wormser Liebfrauenstift Kirchenstück?. Autorin Und hat er je auf seinem Weinberg nach Gold gesucht? O 52 Schembs Natürlich, klar, ich hab jahrelang vom Nibelungenschatz geträumt aber ich wusste nie was das ist und man ist als Kind ja immer auf der Suche, man ist auch später als Heranwachsender in einer Situation, dass man sich nicht unbedingt mit seiner Heimatstadt identifiziert, man möchte weg, man möchte etwas anderes tun, man möchte die Welt bereisen, als das sind Sachen, die ich getan habe und heute, mit Mitte Vierzig, lebe ich hier in Worms und ich möchte eigentlich nirgends woanders leben und das ist glaube ich, der Nibelungenschatz... Zufriedenheit. Musik 8 Jacobi singt mit Harfenbegleitung 1. Strophe des Nibelungenlieds O 53 Kinder Wir haben da so eine Rallye gemacht und dann haben wir ein Eis bekommen und Mars. Ich hab die Schatztruhe gefunden, die war im Brunnen! Übergang zur Schlussmusik Spr.v.D. Zauberklang am Rhein ? Worms und sein Nibelungenschatz. Eine Deutschlandrundfahrt mit Sabine Korsukéwitz Schlussmusik Rundfahrt Worms 22.12.07 Sabine Korsukéwitz 20