Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in den §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. (c) Deutschlandradio Kultur, Zeitfragen 11. November 2013, 19 Uhr 30 "Du Spritze - Arm frei" Babylon im Krankenhaus Von Dorothea Brummerloh Atmo 1. O-Ton Hartwig/ O-Ton Lippmann Die Ärztin, sie war sprachtechnisch überfordert, sie konnte keine zusammenhängenden Sätze sagen und sie gebrauchte nicht "jetzt wollen wir mal Fieber messen" oder so. "Fieber. Machen frei."- das war so ihre Anordnung oder "Spritze. Arm frei" - also so rudimentär würde ich sagen. Lippmann: Manche wissen noch nicht, dass Globalisierung nicht nur für Dienstleistungen und für Maschinen und Möbel usw. gilt, sondern eben auch für den ärztlichen Bereich. Sprecher vom Dienst: "Du Spritze, Arm frei!" Babylon im Krankenhaus Ein Feature von Dorothea Brummerloh. Atmo Sprecherin Die Praxis von Psychiater Peter Lippmann liegt mitten im Wendland, zwischen Elbe und Jeetzel, im ehemaligen Zonenrandgebiet. Malerisch schlängeln sich die Flüsse durch sanfte Hügel, auf den Radwanderwegen kommt man an hübschen Fachwerkhäusern vorbei, an den hellen Sandstränden der Elbe kann man wieder baden gehen. Landschaftlich also überaus attraktiv, doch das war es dann auch, konstatiert der Mediziner nicht ohne Ironie. Kein junger Kollege will in der Freizeit immer nur Vögel beobachten, Landschaft genießen oder Radfahren. 2. O-Ton Lippmann Die Versorgungssituation im ländlichen Bereich wird immer schlechter. Der Hintergrund ist, dass die jüngere nachwachsende Ärztegeneration nicht mehr bereit ist, auf Wohlstand usw. zu verzichten. Die Stadt ist interessanter, ist attraktiver. Die Arbeitsbedingungen sind nicht gut und das führt zu einer immer größeren Ausdünnung der Ärzteversorgung, wo dann auch versucht wird, Nachschub aus anderen Ländern zu holen. Sprecherin Die Zahl der ausländischen Ärzte in Deutschland hat sich seit dem Jahr 2000 verdoppelt. Nach Angaben der Bundesärztekammer arbeiteten Ende 2012 rund 33.000 ausländische Ärzte in Deutschland. Die meisten stammen aus europäischen Ländern, wie Österreich, Rumänien, Ungarn, Russland oder Bulgarien. Seit Beginn der Schuldenkrise steigt auch die Zahl der griechischen und spanischen Ärzte, die über Arbeitsagenturen oder kommerzielle Vermittler angeworben werden. Unter den nichteuropäischen Medizinern sind es vor allem Syrer und Iraner, die in Deutschland arbeiten. 3. O-Ton Lippmann Es ist gar nichts dagegen zu sagen. Im Gegenteil. Wir alle reden alle von der Globalisierung. Sprecherin Wenn man die zugewanderten Kollegen allerdings nicht ausreichend versteht, wenn man sich mit ihnen über Diagnosen, Therapien oder gar Kriseninterventionen nicht mehr austauschen kann, wird es kritisch, mahnt Psychiater Peter Lippmann. 4. O-Ton Lippmann Es ist hier eine sehr große Nervenklinik in der Nähe, eine psychiatrische Klinik mit großem Versorgungsauftrag, wo der übergroße Anteil von Kollegen aus Ost- und Südosteuropa kommt, wo es sehr, sehr schwer ist, sich mit diesen zu konsultieren, wo ich zum Teil nicht richtig verstanden habe, um was es ging und dass - es war ein russisch sprechender Arzt - obwohl ich selber mal einige Jahr Russisch gesprochen habe- ist es mir nicht gelungen, das zu verstehen. Sprecherin Und leider sei das keine Ausnahme. 5. O-Ton Lippmann Patienten sprechen diese Sache an, dass oft deutliche Sprachprobleme bestehen. Jüngere können sich darauf noch eher einstellen, die Älteren wie gesagt haben große Probleme damit. Sprecherin Kommt es zu Kommunikationsschwierigkeiten kann es auch an Vorbehalten der Patienten gegenüber den ausländischen Medizinern liegen. Je schlechter die Sprachkenntnisse, je schwieriger ist es dann, Vorurteile und Misstrauen zu überwinden. 6. O-Ton Lippmann Aus meiner Sicht ist natürlich auch wichtig- gerade bei den psychischen Erkrankungen - ein Stück auch die deutsche Mentalität auch kennenzulernen. Das ist nicht irgendwie böse gemeint, aber machen wir uns nichts vor: Die deutsche Mentalität ist mit Sicherheit eine andere als eine russische oder eine polnische Mentalität. Ich glaube schon, dass das auch für die Kollegen dann auch nicht einfach ist, sich in diese Mentalität hineinzuversetzen. Sprecherin In der inneren Medizin oder in der Psychiatrie werden Diagnosen vor allem über das Gespräch ermittelt. 7. O-Ton Lippmann Ja, in der sprechenden Medizin ist es nun mal unabdingbar, dass man die Anamnese erhebt, die Biografie erhebt usw. Und wenn ich dort nicht firm bin in der Sprache, entstehen natürlich Defizite, die letzten Endes auch dazu führen könne, dass man gar nicht die richtige Diagnose stellt. 3. Atmo Sprecherin Bodo Hartwig fällt es sichtlich schwer, über die Ereignisse von vor einem Jahr zu sprechen. Immer wieder blickt er zum Bild seiner Frau, das auf einer kleinen Kommode steht. Der 74-Jährige macht Pausen zwischen dem Gesagten, schluckt sichtbar, sieht dann erst einmal aus dem Fenster. Die Diagnose traf seine Frau Hermina und ihn wie ein Faustschlag. 8. O-Ton Hartwig Ich werde nie vergessen, wo die Ärztin ins Zimmer rein kam, ein Fax schwenkte und sagte: "Ist sich Biopsie da. Stufe 4. Schlimmste Krebsart. Hospiz. Atmo Sprecherin Bodo Hartwig legt seine Unterlagen zur Seite, trinkt einen Schluck Kaffee, atmet tief durch bevor er weiter erzählt. Vieles sei schief gegangen bei der Behandlung seiner Frau, wirklich schief: Fehlerhafte Diagnosen, schlechte pflegerische Betreuung, keine adäquate Schmerzbehandlung und dann auch noch die sprachliche Inkompetenz der betreuenden Ärztin. Das sei dann einfach zu viel gewesen. 9. O-Ton Hartwig Ich habe gesagt, dass ich mir das nicht gefallen lasse und dass würde zwar meiner Frau nichts nützen. Aber möglicherweise kommt doch einer ins Nachdenken, wenn er diese Dokumentation, wie wir sie nennen, bekommt und dann habe ich um Stellungnahme gebeten und wie man sich das vorstellt. Ich finde, bei einer krebskranken Person müssten schon Ärzte sein, die etwas Deutsch können. Sprecherin Die aus Afghanistan stammende Ärztin, die die schockierende Diagnose überbrachte, konnte sich nur radebrechend mit ihrer Patientin verständigen. Von einem einfühlsamen Gespräch in Anbetracht der Tragweite der Prognose, seiner Frau blieben nur noch Tage Lebenszeit, konnte bei diesen Sprachdefiziten auf keinen Fall die Rede sein, meint Bodo Hartwig und schüttelt dabei noch immer verständnislos den Kopf. Die Unfähigkeit, die passenden Worte zu finden, ließen die Ärztin zudem in einem völlig falschen Licht erscheinen. 10. O-Ton Hartwig Natürlich zweifelt man an der fachlichen Kompetenz, aber das war eine Frau, die sehr viel Gefühl hatte. Das merkte man, wenn sie meine Frau tätschelte oder und uns begrüßte. Die aber das Gefühl, wenn sie das in Worte kleiden sollte, nichts ausdrücken konnte. Sie war dazu nicht in der Lage. Ich glaube sogar, dass die fachkundig war. Aber sie konnte es nicht ausdrücken. Sprecherin Die Patientin, Hermina Hartwig fand die Ärztin sympathisch, versuchte, sie zu verstehen, gab sich dabei richtig Mühe. Immerhin sprach die 67-jährige gebürtige Holländerin neben Deutsch, auch Englisch, Spanisch und Französisch. Doch geholfen hat das nichts. Nur mit Gesten, einem Lächeln oder Berührungen war eine Kommunikation möglich. Manchmal hatte Bodo Hartwig den Verdacht, dass die Ärztin mehr Zuspruch brauchte als ihre Patientin. Verständnis wie es seine Frau zeigte, wurde der Medizinerin nicht von allen Seiten entgegengebracht. 11. O-Ton Hartwig Das Traurige ist ja: Man sah ja- im menschlichen Miteinander -, man sah ja Pfleger, die sich über die Ärztin lustig gemacht haben und die sie auch imitierten. Und ich finde, man zerstört auch die Persönlichkeit dieser Ärzte, dieser Ärztin mit Sicherheit, die todtraurig war, dass Sie sich nicht mehr mit uns unterhalten konnte. Sprecherin Der Chemiekaufmann, der lange Zeit selbst im Ausland gearbeitet hat, versteht nicht, warum man Ärzte ins kalte Wasser schmeißt, sie düpiert, anstatt sie erst einmal sprachlich zu fördern, ihnen bei der Integration zu helfen? Dass man ausländische Fachkräfte in Deutschland braucht, sei doch nicht neu. Spätestens seit der Diskussion um die so genannte "Greencard" wäre eine Regelung fällig gewesen. 12. O-Ton Hartwig Ich hatte von meiner Firma selbstverständlich ein 1/4 Jahr Einzelunterricht in Englisch gehabt und ich war meiner Firma ewig dankbar. Denn mit meinen bisschen Schulenglisch hätte es vielleicht für die fachliche Seite noch gereicht, aber für eine ordentliche Unterredung, für meine Firma einen Auftrag zu erhalten - da hätte es absolut nicht gereicht. Sprecherin Bodo Hartwig hat sich nach dem Tod seiner Frau sowohl über fehlerhafte Diagnosen, den Umgang mit der Schwerstkranken, die inadäquate Schmerzbehandlung, aber auch über die sprachliche Inkompetenz der Ärztin beschwert. Die Reaktion darauf, so berichtet er, waren allgemein formulierte Antworten. Nur ein Chefarzt hat sich in einem persönlichen Gespräch entschuldigt- vor allen für den Umgang mit seiner Frau. 13. O-Ton Jonitz Schlechte Kommunikation zwischen Arzt und Patient ist eine Hauptursache dafür, dass Behandlungen schief gehen... Sprecherin Günther Jonitz ist Präsident der Berliner Ärztekammer und Vorstandsmitglied des Marburger Bundes, der deutschen Ärztegewerkschaft. 14. O-Ton Jonitz Es werden einfach relevante Informationen nicht verstanden. Also zum Beispiel die Dringlichkeit von Symptomen wird nicht verstanden oder Medikamentennamen werden nicht verstanden oder es gehen Informationen verloren wie Allergien oder Nebenerkrankungen, weil sie nicht vollständig erfasst werden. Überall da, wo sie darauf angewiesen sind, dass sie sich schnell und fehlerfrei verständigen können - in Notfallsituationen im OP - dauert es möglicherweise bei dem Kollegen, der kein Deutsch kann, deutlich länger mit entsprechenden Konsequenzen. Sprecherin Ärztemangel, Sprachprobleme, man könnte meinen, dass das in einer attraktiven Großstadt wie Berlin alles kein Thema ist. Die Hauptstadt wirbt nicht gezielt ausländische Kollegen an, aber es gibt zahlreiche Bewerber. Und Krankenhausärzte, besonders Spezialisten sind auch hier gefragt. Seit im vergangenen Jahr der Zugang für ausländische Mediziner zum deutschen Arbeitsmarkt erleichtert wurde, ist die Zahl der Interessenten für Berlin weiter gestiegen. 15. O-Ton Jonitz Auch in Berlin gibt es Abteilungen, in denen mittlerweile ein sehr großer Teil von Ärzten und Ärztinnen arbeitet, die nicht in Deutschland geboren sind und die durchaus auch Sprachprobleme mitbringen. Ein Freund von mir, der indische Eltern hat, in Spandau geboren ist, wurde mit Kusshand in einer renommierten Abteilung aufgenommen, weil er damit der erste Assistent seit einem Jahr ist, der wieder fließend Deutsch schreiben und reden kann. Atmo Intensivstation Sprecherin Die Ursachen des Ärztemangels sind vielfältig. Ein Auslöser war die notwendige Novellierung des Arbeitszeitgesetzes 2004. Durch die neuen arbeitszeitrechtlichen Höchstgrenzen entstand ein erheblicher Mehrbedarf an Personal. Die Abwanderung von Medizinern ins Ausland hat das Dilemma weiter verschärft. Allein von 2000 bis 2008 haben rund 19.300 Ärzte das Land verlassen. Es lockten gute Arbeitsbedingungen, die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie eine bessere Bezahlung. Nicht selten wechseln Mediziner in die Wirtschaft, weil von dort attraktive Angebote kommen. Begünstigt wird der Personalmangel auch durch die sogenannte Feminisierung, der Anteil von Frauen an der Ärzteschaft ist gewachsen. Sie unterbrechen für die Elternzeit ihre Berufstätigkeit und wollen anschließend häufig in Teilzeit arbeiten. Die demografische Entwicklung und die Angebote der modernen Medizin haben außerdem Bedarf und Nachfrage von ärztlichen Leistungen erhöht. Also werden ausländische Mediziner angeworben. Wer in Deutschland als Arzt arbeiten will, muss die "für die Ausübung der Berufstätigkeit erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache" nachweisen. Das sieht die Bundesärzteordnung vor. Dazu genügte den Bundesländern und den für die Approbation zuständigen Behörden, bisher das B2- oder C1-Zertifikat. 16. O-Ton Jonitz Das reicht aus 2 Gründen nicht aus: Erstens: das Diplom B2 oder C1 verlangt nur allgemeinen Kenntnisse zur Sprache, d.h. sie können damit Essen und Trinken bestellen oder einkaufen gehen. Aber es reicht nicht aus zu fragen, wie der Patient sich fühlt. D.h. die gesamte spezifische Sprache zwischen Arzt und Patient ist in diesem Zertifikat nicht enthalten. Das zweite Problem ist, dass sie diese Diplome gerade mittlerweile in einigen Ländern auf den schwarzen Markt hervorragend gefälscht kaufen können und die Zulassungsbehörden die Sprachkenntnisse nur nach Aktenlage, sprich nach Vorlage dieses Zertifikats prüfen. Sprecherin Günther Jonitz nennt fundierte Sprachkenntnisse ein Qualitätsmerkmal in der ärztlichen Arbeit, das für die Patientensicherheit und auch für das Verstehen mit Kollegen unbedingt nötig ist. Allerdings weiß der Berliner Ärztekammerpräsident auch, dass sich die Beschwerden von verunsicherten Patienten und Angehörigen häufen. 17. O-Ton Jonitz Das ist das legitime Recht des Patienten, dass er sich mitteilen kann und der Arzt versteht, was den Patienten bedrückt. Sprecherin Und so fordern Ärzteverbände wie die Ärztekammern und der Marburger Bund inzwischen eine verbesserte Sprachüberprüfung nach konkreten, einheitlichen Vorgaben. Denn bisher ist das Sache der Länder. Kommt der Ruf nach Veränderungen, folgt -gleich dem Pawlowschen Reflex- die Frage "Wer soll das bezahlen?". Und während die einen noch streiten, handeln die anderen. 5. Atmo Schaum. Katholische Hospitalvereinigung ...Ja, ja...(ausblenden) Sprecherin Ralf Schaum legt schwungvoll den Hörer auf, macht sich schnell noch ein paar Notizen, ehe er über die katholische Hospitalvereinigung redet: Das ist ein Verbund von vier Krankenhäusern, fünf Altenheimen, drei Caritas- Pflegestationen und drei Schulen für Pflegeberufe im Kreis Höxter. Und wie in einem Werbespot spult der Personalchef die Vorzüge des Kreises ab: Es sei eine vielseitige Zukunftsregion. Der Standort sei bekannt für eine attraktive Mixtur aus wirtschaftlicher Bandbreite, bildungspolitischem Know-how und einzigartiger Landschaft. Der Kreis sei hochgradig innovativ wie auch vielseitig, besticht durch eine gute Vernetzung gesellschaftlicher Arbeitsgruppen und, und, und. Ja, und nicht zu vergessen die Verkehrsanbindungen durch die Bahn, die Autobahnen und die Flughäfen Paderborn-Lippstadt und Kassel-Calden. 18. O-Ton Schaum Wir haben natürlich an erster Stelle versucht, auf dem deutschen Markt junge Leute zu finden. Da mussten wir aber bei realistischer Betrachtung feststellen, gibt es einfach zu wenige Bewerber, die infrage kommen. Deswegen haben wir mit sehr hohem Aufwand internationale Kontakte geknüpft und man muss im Ergebnis sagen, es war sehr erfolgreich. Sprecherin Unter erfolgreich versteht Rolf Schaum allerdings nicht, Ärzte aus Rumänien, China und Ägypten einzustellen und dann zu sagen: Seht zu, wie ihr klarkommt. Der Personalchef und sein Team haben sich überlegt, was für die neuen Mitarbeiter wichtig ist, damit sie ihren Aufgaben auch gerecht werden können. Bei diesem Brainstorming herausgekommen ist der hauseigene Integrationskurs. Neben den sprachlichen Fähigkeiten - das war allen klar- müssen die Teilnehmer auch Dinge aus dem Arbeitsalltag, aus dem Umgang untereinander, aus dem gesellschaftlichen Leben lernen. Damit das nicht in staubtrockener Schulzimmeratmosphäre stattfindet, hat man sich beim letzten Kurs etwas Besonderes ausgedacht. 6. Atmo Gesang aus dem Kloster Sprecherin Das Koptisch-Orthodoxe Kloster der Jungfrau Maria und des heiligen Mauritius in Brenkhausen liegt im Einzugsgebiet der Katholischen Krankenhausvereinigung. So wie jetzt für die im Hintergrund singende Chorgemeinschaft, war Anba Damian, der koptische Bischof für Deutschland, auch Gastgeber für die Teilnehmer der Integrationskurses. 19. O-Ton Damian Also die ausländischen Ärzte haben gegenüber bei dem Gästehaus des Klosters übernachtet und die ganze Verpflegung hat hier im Kloster stattgefunden so dass neun Nationalitäten am Tisch saßen und es war eine sehr schöne Begegnung mit den Gästen des Klosters. Und wir haben das so vereinbart, dass die jungen Ärzte immer ins Gespräch mit die deutschen Gäste kommen, sich verteilen unter den Gästen und miteinander reden und auf diese Art und Weise konnten das praktizieren, was sie bereits in ihren Lernstunden gelernt haben. Also es war ein sehr intensiver Sprachkurs, die hier stattgefunden haben. Sprecherin Anba Damian hat vor seiner Wahl zum koptischen Bischof als Radiologe gearbeitet. Der Arzt hat zwar den weißen Kittel gegen die schwarze Kutte und ein buntbesticktes Käppchen eingetauscht, sein Gesicht ziert ein langer Zusselbart und statt Stethoskop trägt er jetzt ein großes Kreuz um den Hals- doch weiß er noch ganz genau, womit Neuankömmlinge im Krankenhaus konfrontiert werden. 20. O-Ton Damian Das ist schon eine andere Welt. Das Thema Pünktlichkeit, das Thema Sauberkeit, das Thema Hygiene, die Ästhetik, die Esskultur, auch Kenntnisse der deutschen Geschichte, die Umgangsformen miteinander - das ist, ihr habt eine sehr hohe Kultur. Und deswegen muss man die Menschen, die man hierher holt, auf eine sehr sanfte Art und Weise beibringen, wie sie sich hier anpassen. Und wenn man das nicht tut, dann entstehen ganz schwerwiegende Konflikte. Zum Beispiel wenn jemand einfach nicht weiß, wie man eine Krankenschwester behandelt und das sie nicht als eine untergeordnete Person angesehen wird, sondern das sie eine gewisse Würde hat und das man ihre Rat akzeptiert - das ist zum Beispiel ein sehr wichtiges Thema. Wie gehe ich überhaupt mit einer Frau um? Die ist genauso gleichberechtigt wie ich. Meine Umgangsformen auch mit dem Patient: Ich muss lernen, zu hören. Ich muss die Bitte des Patienten ernsthaft nehmen. Ich muss auch lernen, nicht die Menschen zu zwingen, sondern zu überzeugen. Sprecherin Drei bis sechs Monate - je nach Vorkenntnissen - lernen die zukünftigen Mitarbeiter die Sprache von besonders ausgebildeten Lehrern. Dieser theoretische Teil wird dann mit einem praktischen Abschnitt verbunden. Der findet mit dem jeweiligen persönlichen Sprachcoach direkt in den späteren Abteilungen statt. Dabei übt man zum Beispiel Patientengespräche, lernt Arztbriefe schreiben oder wird in spezielle Tätigkeiten eingewiesen, erklärt Personalchef Schaum. 21. O-Ton Schaum Und wir müssen uns auch angewöhnen teilweise banale Dinge den neuen Kollegen beizubringen: Wie verhalte ich mich, wenn ich neu in eine Abteilung in die Klinik komme? Wie gehe ich eigentlich auf Menschen zu, damit nicht in jedes Fettnäpfchen reingetreten wird? Sprecherin Fast jeder Teilnehmer weiß nach dem Kurs, dass ein selbstgebackener Kuchen das erste Eis auf der Station brechen lässt. Es sind oft diese Kleinigkeiten, die das Zusammenarbeiten einfacher machen, meint Schaum. 7. Atmo Gespräch zwischen Ghaith Sbeih und Wissam Massouh Sbeih: Hast Du heute Patienten aufgenommen? Massouh: Ja. Sbeih: Was hat er denn? Massouh: Er ist konservativ Patient. Er hat LWS- Syndrom, Schmerzen, keine neurologischen Ausfälle, ... Sprecherin Im Pausenraum des St. Vincenz Hospital in Brakel, einem der 4. Standorte der katholischen Hospitalvereinigung, sitzen zwei Männer und besprechen ihre Arbeit. Der Ältere, Ghaith Sbeih, ist schon zwei Jahre in Deutschland, Wissam Massouh erst seit acht Monaten. Beide arbeiten auf der Orthopädie-Station: Sbeih als Arzt, Massouh derzeit als Praktikant, da er noch auf seine Arbeitserlaubnis wartet. Beide haben in ihrer Heimat Syrien bereits Deutsch gelernt. 22. O-Ton Sbeih/ Massouh/ Sbeih Aber bei uns das ist ganz anders. Die Lehrerin sind keine Deutschen, deswegen habe ich hier viel Schwierigkeiten gehabt. Ich habe in Syrien wirklich 6 bis 8 Monate dort Deutsch gelernt. In Grammatik konnte ich eigentlich viel machen, aber mit sprechen, mit hören, war wirklich schwer. Also am Anfang haben mir meine Englischkenntnisse geholfen. Aber bei deutsche Sprache vor allem die Grammatik ist Schwierigkeit, mit dem Sprechen man braucht mehr Übung. Ja, muss man mehr üben, d.h. ich kann alle Patienten verstehen, alle. Aber vielleicht kann ich nicht 100% richtig sagen, was ich muss oder was ich will. Sprecherin Der Integrationskurs hat auf jeden Fall mehr Sicherheit gegeben, sagt Ghaith Sbeih. Anfänglich traute er sich kaum allein aus dem Haus, erzählt er lachend. Der ein Meter neunzig große Mann hatte Angst, falsche Worte zu benutzen, ging deshalb nur mit Begleitung einkaufen. Heute passiert ihm das nicht mehr. Wichtig waren für ihn auch die Lektionen im deutschen Patientenrecht, ein Wort, das der Arzt aus Syrien nicht kannte. 23. O-Ton Sbeih/ O-Ton Schaum Diese Aufklärung ist ganz anders. Dort gibt es keine richtige Aufklärung und hier auch diese Dokumentation - kann man nicht vergleichen. Ich war dort in Syrien 5 Jahre als Orthopäde. Am Samstag zum Beispiel in der Orthopädiepraxis habe ich immer zwischen 100 und 120 Patienten untersucht, d.h. kann man nicht dokumentieren. Kann man nur sprechen, Diagnose stellen und Therapie machen und fertig. Das ist ganz anders hier. Schaum Wenn man jemanden direkt aus dem Ausland holt und direkt als Arzt einsetzt, ist natürlich die Erwartungshaltung extrem groß. Deswegen schalten wir ganz einfach die Integrationsmaßnahmen davor. Das ist Grundvoraussetzung, damit so ein Projekt gelingen kann. Wir müssen bevor der junge Arzt sein Namensschild als Arzt bekommt in unseren Häusern, dann auch die Funktion des Arztes letztendlich ausübt, die Vorlaufphase haben, in der er Praktikant ist. Er wird nicht überfordert und er hat dann auch eine faire Chance, im Betrieb auch positiv anzukommen. Wenn das erste Erlebnis im Krankenhaus negativ ist, bringt das keinem der Beteiligten was. Sprecherin Nun hat die katholische Hospitalvereinigung nicht mehr Geld zu Verfügung als andere Krankenhäuser und leistet sich dennoch diesen aufwändigen Kurs. Hat der smarte Personalmanager eine ungeahnte Geldquelle aufgetan? Schaum lacht. Mitnichten. 24. O-Ton Schaum/Hartwig Wir müssen uns das natürlich aus den Rippen schneiden an manchen Stellen. Ist aber die Frage, wenn man mittel- und langfristig denkt, ist es ja eine gute Investition. Wir können dadurch, dass wir dort für Ausbildung Geld in die Hand nehmen und investieren, vermeiden, dass wir auf der anderen Seite Geld in riesigen Summen zum Beispiel für Honorarärzte ausgeben. Ich denke, dadurch amortisiert sich das relativ schnell. Wir haben auch die Möglichkeit, über den europäischen Sozialfond die Maßnahmen, die wir dort anbieten, teilweise in einer Ko- Finanzierung gefördert zu bekommen. Also von daher ist es zu stemmen, es ist aber nicht einfach. Hartwig: Das ist doch zu machen, das ist doch billiger als diese Missverständnisse mit den Patienten, auch bei den Ärzten selbst, aber man nimmt wahrscheinlich die ausländischen Ärzte, weil sie billiger sind und sie können ja "Guten Tag" sagen, "Ergebnis Biopsie ist da" und das reicht doch. Sprecherin Die Krankenkassen haben doch Überschüsse, sagt Bodo Hartwig, warum werden davon nicht Sprachkurse finanziert. Dann müsste so etwas, wie bei ihm und seiner Frau Hermina geschehen ist, das eine schockierende Diagnose radebrechend überbracht wurde, niemand mehr erleben. 26. O-Ton Jonitz: Es wäre zu wünschen, dass von den Krankenkassen Gelder zur Verfügung gestellt werden, um diese Kurse auf den Weg zu bringen. Wobei ich da die Krankenhausträger auch nicht voll aus der Verantwortung nehmen kann, denn in der Regel haben viele Krankenhäuser mittlerweile freie Stellen, also nichtausgeschöpftes Personalbudget und die Kosten, die für solche Kurse entstehen sind durchaus - zumindest teilweise- auch den Krankenhäusern anzulasten, die letzten Endes diese Ärzte brauchen. Sprecherin Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, meint Günther Jonitz von der Berliner Ärztekammer. Vielleicht seien Integrationskurse wie im Krankenhausverbund Höxter Zukunftsmusik. Doch Sprachüberprüfungen müssen sein - das steht für den Chirurgen fest. Ärzteverbände und Ärztegewerkschaft fordern seit langem bundeseinheitliche Kriterien dafür. Bisher ist das Ländersache, ob man sich auf das vorgelegte Schriftstück verlässt oder die Sprachkenntnisse abfragt. Schwarze Schafe können sich bei einer laschen Überprüfung jederzeit durchmogeln. Das Bundesland Rheinland-Pfalz hat die bestehende Praxis bereits geändert. Es ist Vorreiter in Sachen Sprachprüfung. Seit August vorigen Jahres müssen sich ausländische Ärzte dort einem einheitlichen Test bei der Landesärztekammer unterziehen, erklärt Rudolf Henke, Vorsitzender des Marburger Bundes. 25. O-Ton Henke Die Sprachprüfung dort besteht aus 2 Hauptteilen: ein simuliertes Arzt - Patientengespräch und in einem zweiten Schritt die Aufgabe, dass der der geprüft wird, am Computer eine Arztbrief verfasst, in dem er Diagnose und Therapie festhält. Dieses simulierte Arzt- Patienten- Gespräch dauert in der Regel 20 Minuten und für den Arztbrief hat er ebenfalls 20 Minuten. Bisher zeigt das Prüfungsergebnis, dass der Sprachtest wichtig ist. Denn etwa 40% der Geprüften bestehen die Prüfung im Sinne des Patientenschutzes nicht. Sprecherin Im Klartext: 4 von 10 Ärzten bestehen den Test dort also nicht. Grund genug eigentlich endlich einheitliche Regelungen für die Sprachüberprüfung festzulegen.. Das Thema sein nun auch in der Politik angekommen, sagt Günther Jonitz. 26 O-Ton Jonitz Genau, die Politik hat begriffen, dass etwas im Argen ist. Das hat man aber weniger den mahnenden Hinweisen der Ärzte zu verdanken als der Tatsache, dass erst als die Medien die Sache aufgegriffen haben und die öffentliche Resonanz bei Patienten so stark war, dass die Politik gesehen hat, an dem Problem kommt man nicht vorbei. Sprecherin: Doch die Mühlen der Politik mahlen langsam. Zwar hat die Gesundheitsministerkonferenz im Sommer beschlossen, "Eckpunkte für eine Vereinbarung" zum einheitlichen Sprachtest zu erarbeiten. Bis es soweit ist, wird aber ein Jahr vergehen. Ein Sprachtest für ausländische Pflegekräfte, bei denen es ähnliche Probleme gibt, ist übrigens nicht vorgesehen. Standesvertreter Rudolf Henke wünscht sich für die Ärzte einheitliche Regelungen sowohl für die Sprach-als auch für die Fachprüfungen, denn auch da gibt es Probleme. 27. O-Ton Henke Also wir wären sehr dafür, dass die Länder sich untereinander verständigen und gemeinsam dann einen Standard setzen und dann auch diesen Standard nach gleichen Regeln prüfen. Wir finden, dass das auch ein Dienst ist gegenüber den Kollegen, die zu uns kommen sollen, weil wir müssen uns auch darum kümmern, dass die ihr Leben nicht mit Lebensenttäuschungen führen müssen. Sprecherin vom Dienst: "Du Spritze. Arm frei" Babylon im Krankenhaus Von Dorothea Brummerloh Es sprach: Marina Behnke Ton: Peter Seifert Regie: Klaus-Michael Klingsporn Redaktion: Constanze Lehmann Produktion: Deutschlandradio Kultur 2013 1