DEUTSCHLANDFUNK Körperschaft des öffentlichen Rechts FUNKHAUS KÖLN BUCHREDAKTION Dr. Hajo Steinert (Ltg.) Denis Scheck Dr. Hubert Winkels Tel.: 0221 345-1554 Fax: 0221 345-4903 BÜCHERMARKT Aus dem literarischen Leben Sendung: Dienstag, 15. Februar 2011 16.10 bis 16.30 Uhr Redakteur am Mikrofon: Denis Scheck THEMA: Die Krimi-Kolumne Dashiel Hamnett: Rote Ernte (Diogenes) Dominique Manotti: Letzte Schicht (aradne kriminalroman 1188 / Argument-Verlag) Heinrich Steinfest: Wo die Löwen weinen (Theiss) Qiu Xiaolong: Tödliches Wasser (Zsolnay) ein Beitrag von Andreas Ammer Urheberrechtlicher Hinweis Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in den §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetzt geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. © DeutschlandRadio - unkorrigiertes Exemplar - Krimi-Kolumne Februar 011 Besprochene Bücher: Dashiel Hamnett, Rote Ernte, Diogenes Dominique Manotti, Letzte Schicht, aradne kriminalroman 1188 / Argument-Verlag Heinrich Steinfest, Wo die Löwen weinen, Theiss Qiu Xiaolong, Tödliches Wasser, Zsolnay * Zuspielung Spooky Scary Sounds (Herzklopfen usw.); darüber * 1 Soviel Revolution war selten. 2 Von schwäbischen Bahnhöfen ... 1 ... bis zu arabischen Plätzen. 2 All überall ist die Welt plötzlich groß und weit und bereit. 1 Die Völker von Schwaben bis Ägypten stehen auf und schütteln die Ketten von Diktatur und Kommerz ab. Wie Dichter ihre Reime.. 2 Oder wie es die Krimiautoren erzählen: 1 In Stuttgart wird um Bahnhöfe gekämpft, an deren Abriss sich andere bereichern ... 2 ... in Frankreich brennen Fabriken, an deren Ruin sich andere noch viel mehr bereichern ... 1 ... selbst in amerikanischen Kleinstätten sind alle korrupt ... 2 In China, wo noch der letzte Tropfen Wasser vergiftet wird, sowieso! a Nur der Kriminalroman kann - außer mutigen Ägyptern - die Welt da noch retten ... 2 ... behauptet im 21. Jahr seiner Herrschaft unser despotischer Rezensent 1 ... und feiert heute aus Anlass der Ereignisse auf dem Tahrir Platz und rund um den Stuttgarter Bahnhof a ... den politischen Krimi 2 Jetzt sofort Weltrevolution! 1 In der Krimikolumne. * Zuspielung: John Zorn, James Bond Theme, darüber beim Schuß * 1 Der Kriminalroman ist ein streng republikanisches, ein demokratisches Genre. 2 Seit seinen deutschen Anfängen bei Schillers "Geisterseher", der in den Jahren 1787 bis 1789 der deutschen Literatur zum ersten Mal Verschwörungs-, und Spannungsmomente zusammen mit aufklärerischen Gedanken schenkte, ... 1 ... bis hin zu den legendären 10 sozialdemokratischen Krimis von Sjöwall/Wahlöö aus den aufgewühlten 60iger Jahren war die zu Unrecht lange als affirmativ verschriene Kriminalliteratur eigentlich ein politisches Genre. 2 Bis heute ist vom Gutmenschen Wallander bis hin zum Umweltaktivist Commissario Brunetti kaum ein Krimi mehr denkbar ohne latente Anklage gegen die Großen und Mächtigen und deren dunkle Machenschaften. a Selbst in Deutschland! 1 Der Stuttgarter Wolfgang Schorlau beispielsweise hat bereits 5 Kriminalromane geschrieben, die sich - auf wahren Tatsachen beruhend - mit politischen Themen wie Terrorismus, dem Afghanistankrieg oder den nie aufgeklärten Hintergründen des Oktoberfest -Attentats beschäftigen. 2 "Kriminalgeschichten muss man lesen, um zu erkennen, was in moralischer Hinsicht, der Mensch eigentlich ist." 1 ... hat Schopenhauer dazu gesagt und Eric Ambler, der Begründer des modernen Thrillers vermutete ... 2 "Der Thriller ist die letzte Zuflucht für den Moralisten." 1 Was aber - so könnte man den Rezensenten an dieser Stelle fragen - soll diese ganze lange Vorrede? * Zuspielung: John Zorn, James Bond Theme, darüber beim Schuß * 2 Sie war nötig, um darauf hinzuweisen, dass es zur Zeit eigentlich nur noch eine Literaturgattung gibt, die versucht, revolutionstechnisch auf der geistigen Höhe der historischen Ereignisse zu bleiben. 1 Im global erfolgreichen Krimi hat sich beginnend bei Henning Mankell und bei Stieg Larsson und den allsonntäglichen Tatorten lange nicht endend, der Eindruck zementiert, dass die Reichen und Mächtigen es nicht gut mit uns Demokraten meinen. Der Besitz großer Villen geht jederzeit literarisch einher mit einer prinzipiellen Bereitschaft über Leiche zu gehen ... 2 "Hinter jedem großen Vermögen steckt ein Verbrechen", wusste bereits Balzac. 1 Während dieser Pauschalismus etwas billig ist, hat sich im zeitgenössischen Krimi aber auch eine Riege von Autoren aufgemacht, sich künstlerisch nicht nur mit erdachten Verbrechen zu beschäftigen, sondern sich um konkrete politische Fälle, um Aufstände und wirkliche Intrigen und Missstände zu kümmern. 2 Jüngstes und interessantestes Beispiel dieser Entwicklung ist der Krimikolumnen-Säulenheilige Heinrich Steinfest, der mit "Wo die Löwen weinen", erschienen im Theiss-Verlag, einerseits ein hohes Risiko eingegangen ist und andererseits ein kleines Kunststück hingelegt hat. a Wovon, Herr Steinfest - handelt denn ihr neuer Roman? * Zuspielung vom Stick 1'10" Heinrich Steinfest liest aus "Wo die Löwen weinen": "Stuttgart 21 also ... für Leute, die von dieser Stadt keine Ahnung oder nur aus der Ferne ein paar verwaschene Eindrücke bekommen hatten, klang dieser Terminus, wie auch sein gängiges Kürzel S21 wie ein zwischenzeitlich überholter Werbespruch oder Filmtitel aus den 70iger oder 80iger Jahren des vorigen Jahrhunderts, als man sich die Zukunft noch gigantisch vorgestellt hatte: Augen betäubend, glitzernd, selbst die Katastrophe ein Wegweiser, das Weltall ein offenes Tor. So gesehen war es verständlich, dass sich ein Uneingeweihter bei der Bezeichnung Stuttgart 21 an die Zahnpasta "Strahler 70" erinnert fühlen mochte, Jene Zahnputzcreme, die mit einem gar wunderbarem Poem gelockt hatte (singt den Werbespot "Strahlerküsse schmecken besser ...!") insg. 1'11" * 1 So ein - vom selbst höchst engagierten Autor gelesener - Ausschnitt aus dem dritten Kapitel seines Stuttgart 21.Krimis "Wo die wilden Löwen weinen". 2 Was hier literarisch passiert, ist in der deutschen Literatur seit dem Tod von Brecht und dem Verschwinden des Gespensts der 68er ein einzigartiger Vorgang: 1 Ein Autor traut sich, zu einem aktuellen Ereignis ein Statement abzugeben, sich einzumischen, sich künstlerisch der Realität auszuliefern. Und das nicht mit dunklen, wohlfeilen Verdächtigungen namenloser "Mächtigen", "Politiker" oder dem Fingerzeig auf "die da oben". Steinfest wagt sich hinab in den Matsch und die Untiefen der unabgeschlossenen Geschichte, in die Unübersichtlichkeit der Tagespolitik und die Tücken des persönlichen Engagements. a Das haben wir lange nicht gehabt! 2 Ironischerweise tut diese Beschränkung Steinfests literarischer Kraft sogar gut. Wo in seinem letzten Roman die Handlung manchmal fast unter der überbordenden, surrealistischen Einfallskraft des Autors zu ersticken drohte ... a ... also ich hab das immer sehr genossen ... 1 ... da zwingt die Logik aktueller Ereignisse Steinfest diesmal zu einer gewissen Disziplin. Seine Imagination muss sich an der Realität wetzen. Man spürt den Widerstand der Straße gegen das Surreale. a Dem Krimi tut das nur gut. 2 Und so ist Steinfest ein phantastisch gelungenes Stück engagierter Literatur geglückt, für das es derzeit bundesweit keine Entsprechung gibt. 1 Etwas Handlung noch? a Gerne! 1 Rosenblüth, ein von Stuttgart nach München abgeschobener Kommissar, wird in seine schwäbische Heimatstadt zurückgeschickt, um dort eine mehr als vage Spur zu verfolgen. Der Fall ist eigentlich lächerlich. Es geht um einen am Isarstrand verprügelten Professorensohn. Bei den Ermittlungen stolpert Kommissar Rosenblüth über einen Attentäter, der offensichtlich einige S21-Verantwortliche im Visier hat. Das Ding nimmt seinen Lauf. 2 Steinfest wäre nicht der ungekrönte König des phantastischen Krypto-Surrealismus, wenn in dem Krimi nicht noch ein Seiltänzer und eine ganz und gar undenkbare, urzeitiiche und obendrein schwangere Maschine 1 ... eine schwangere Maschine? 2 ja, eine schwangere Maschine eine Rolle spielen würde. 1 Wie aber Steinfest Phantastik, Kriminalistik und reales politisches Engagement zu einem erzählerischen Ganzen zusammenpresst, das ist und bleibt - meint unser Rezensent a Unlösbares Rätsel, große Kunst, gelungene Literatur ... kurz: Steinfest! 2 Dabei riskiert Heinrich Steinfest mit diesem Buch, das nächste Woche erscheint, auf der Seite der Verlierer zu stehen. Spätestens Ende März nach der Landtagswahl in Baden Württemberg könnte - nachdem die CDU in allen Umfragewerten wieder steigt - das Thema erledigt und das Verfallsdatum des Buches erreicht sein. 1 Wer sich literarisch einer aktuellen Situation verschreibt, kann mit ihr untergehen. a Dieses Buch wird bleiben. 1 Behauptet zumindest unser Rezensent über Heinrich Steinfests "Wo die Löwen weinen", erscheinend im Theiss-Verlag". * Zuspielung: John Zorn, James Bond Theme, darüber beim Schuß * 2 Können Rezensenten irren? a Kann ich mir nicht vorstellen! 1 Sie können zumindest etwas übersehen. Und übersehen hat unser Rezensent im letzten Jahr den mit großen Abstand besten politischen Krimi des Jahres, 2 Dominique Manotti, "Letzte Schicht", erschienen als wohlfeiles Taschenbuch in der Reihe "ariadne" des Argument-Verlages. Die beeindruckende Übersetzung stammt von Andrea Stephanis 1 Erst als einige Jurykollegen sowohl der Krimiwelt-Jury als auch beim Deutschen Krimipreis dieses unscheinbare Buch einer hierzulande unbekannten Autorin auf den jeweils dritten Patz ihrer Jahresbestenlisten wählten, fühlte sich unser Rezensent bemüßigt, einen Blick in dieses schlichtweg sensationelle Buch zu werfen .... a Ich war von der ersten Seite an überwältigt. 1 Auf Seite zwei gibt es die erste Leiche. 2 Bis dahin wurden in einem extrem dichten, poetischen und auch mitreißenden Stil bereits vier Biografien und eindrucksvoll die Arbeit am Fließband in einer französischen Fabrik absolut nobelpreiswürdig geschildert. 1 Die Tote fällt dann allerdings keinem Mord, sondern nur einem Kurzschluss zum Opfer. Und die Frage des Krimis ist auch nicht, wer sie umgebracht hat. 2 Auch ein Ermittler tritt erst in der Mitte des Buches auf, das bis dahin ein Panorama der französischen Verhältnisse in Wirtschaft, Politik und Hochfinanz liefert, sowie gleichzeitig ein sensibles Portrait der Arbeiter, die unter dieser Politik und Hochfinanz leiden oder einfach sterben. 1 Auch Dominique Manotti hat sich einen realen Fall für ihr Buch zum Vorbild genommen: Den gescheiterten Verkauf des französischen Staatskonzerns Thomson an den südkoreanischen Konzern Daewoo im Oktober 1996. 2 Dominique Manotti, die eigentlich Historikerin ist, schrieb erst mit 50 Jahren ihren ersten Roman. Das ist jetzt 15 Jahre her und "Letzte Schicht" ist erst ihr zweites Buch, das auch ins Deutsche übersetzt wird. a Es ist ein Meisterwerk. 1 Rosa Luxemburg und James Ellroy nennt die Manotti als ihre Vorbilder, und das Erstaunliche ist, dass sie beiden gerecht wird. Sie verbindet die intensiv, flirrende, harte Sprache eines Ellroy mit europäischer Bildung und einer politischen Empathie, die - und da wagt unser Rezensent mal einen Superlativ - ihm ... a ... weltweit derzeit einzigartig ... 2 ... erscheint. Aber bei all dem Lob: Worum geht es? 1 Nach dem tödlichen Kurzschluss auf Seite 2 kommt es im lothringischen Elektronikwerk zu einem Arbeiteraufstand. Dieser wird durch einen nächtlichen Brand in der Fabrik beendet. Für die meist arabischstämmigen Arbeiter auf dem untersten Lohnniveau ist ihr Arbeitskampf ein existentielle Herausforderung. Eigentlich ist er nur ein kleiner Spielzug im Machtmonopoly, das währenddessen in Paris gespielt wird: von Geheimdiensten und Finanzjongleuren, die um den Verkauf des staatlichen Thomson-Konzernes feilschen. 2 Denn weil der Daewoo-Konzern, der das lothringische Werk nur wegen der EU-Zuschüsse betreibt, für 1 Euro den französischen Staatskonzern Thomson übernehmen soll, geraten plötzlich die unbedeutenden Ereignisse in der Provinz-Fabrik in den Blickpunkt der globalen Großfinanz. 1 Der Wirtschaftsdetektiv Montoya wird hingeschickt. Er glaubt nicht an die industriellenfreundliche Version der Polizei, dass der Großbrand in der Fabrik einem Kleindealer zuzurechnen sei. 2 Er weiß auch, dass die romantische Solidarität der Arbeiter nichts bedeutet im illusionslosen Kampf um das große Geld. Doch: er liebt selbst ebenso illusionslos die Heldin des Aufstandes, die tapfere Rolande Lepetite, die mit einer Watsche für den Vorarbeiter die ganze Revolte angestoßen hatte. 1 Am Ende wird - wie dies auch in Wirklichkeit geschah - der Verkauf des Staatskonzerns rückgängig gemacht. Alle wichtigen Personen tragen in Manottis Roman ihre richtigen Namen. Da heißt der Staatskonzern Thomson, der gierige koreanische Kleinkonzern wirklich Daewoo. Sogar die Wirtschaftsbosse tragen ihren wahren Namen. 2 "Letzte Schicht" von Dominique Manotti aus dem Argument-Verlag ist kein Schlüsselroman, sondern ein Geschichtsbuch und trägt deshalb als Widmung auch eine ... 1 "Warnung: Dies ist ein Roman. Alles ist Wahrheit, alles ist Lüge." 2 Vertrackt und poetisch und wahr wie diese Widmung ist der ganze Krimi. Herr Rezensent, gestehen Sie! a So etwas Intensives habe ich lange nicht gelesen. 1 Und völlig zu recht hat Dominique Manotti damit beide deutschen Krimipreise des letzten Jahres gewonnen. a So etwas gut Geschriebenes übrigens auch nicht! * Zuspielung: John Zorn, James Bond Theme, darüber beim Schuß * 1 Definitiv keine derartige Sensation, allerdings gut abgehangene und deshalb aber auch gut lesbare Serienware liefert Qui Xiaolong ab, wenn er in "Tödliches Wasser" seinem chinesischen Oberinspektor Chen den sechsten Fall andichtet. Übersetzt wurde das Buch aus dem Amerikanischen von Susanne Hornfeck. 2 Chen wurde vom Parteisekretär Zhao in den Urlaub geschickt. In ein Erholungsheim für hohe Kader, das an Chinas drittgrößtem See, dem idyllischen Tai Hu liegt. 1 Dieser gigantische See wurde 2007 in der Tat vergiftet. Die Millionenstädte an seinen Ufern hatten kein Trinkwasser mehr. Die Regierung kündigte an, die 2000 Chemiefabriken an seinem Ufer zu schließen. Dies geschah nicht. Es wurden lediglich die Blaualgen aus dem See entfernt. a Ein Fall für einen Krimi, durchaus. 2 Waren die ersten Chen-Fälle düstere Trips in ein fernes, fremdes China, das gerade dabei war, in einem Satz die 700 Stufen zwischen Mittelalter und Turbokapitalismus zu überwinden, ... 1 ... so sind die Romane von Xiaolong und seinem Oberinspektor Chen mittlerweile - jetzt da China gerade im Kapitalismus angekommen ist - irgendwie nicht mehr fähig, mit dieser rasanten historischen Entwicklung Schritt zu halten. 2 Anders als Steinfest und Manotti begibt sich Xiaolong künstlerisch nicht in Gefahr. Sein Ermittler 1 - und damit ist er nur ein Beispiel für fast alle anderen, erfolgreichen Krimiautoren - 2 ... sein Ermittler deckt nur wohlfeile Verbrechen auf: 1 Ein Industriekonzern vergiftet einen See. 2 Eine hübsche Chinesin deckt es auf und ist in Gefahr. 1 Fertig ist der Krimi. a Kein schlechter Krimi, aber einer, der sich nicht in Gefahr begibt. 2 Urteilt unser Rezensent über Qui Xiaolongs sechsten Band mit seinem poetisch interessierten Oberinspektor Chen. 1 In etwa so wichtig, wie wenn in China ein Rad umfällt 2 ... oder ein See umkippt. 1 Also dann eigentlich doch wichtig. a Genug der Dialektik! * Zuspielung: John Zorn, James Bond Theme, darüber beim Schuß * 1 Da der Kriminalroman die der Moderne vielleicht am ehesten noch zugewandte literarische Gattung ist ... a (in fast allen anderen literarischen Genres wird derzeit erzählt wie im 19. Jahrhundert) 1 ... lohnt es sich immer, einen Blick in seine Ur-Geschichte zu werfen: Was den politischen Thriller betrifft, sollte man wieder einmal Dashiell Hammetts famosen Thriller "Rote Ernte" lesen, der in der Übersetzung von Gunar Ortlepp in einer feinen gebunden Ausgabe bei Diogenes mal wieder neu verpackt wurde. 2 Bevor Hammett sich der Einsamkeit der Metropolen zuwandte, schrieb er einen politischen Thriller. "Rote Ernte", Hammetts Erstlingswerk, spielt nicht in den Städtewüsten Amerikas, sondern in einem Bergarbeiterdorf, das in der deutschen Übersetzung Peaceville, oder "Pissville" genannt wird. 1 Im Amerikanischen heißt dieses Städtchen "Personville" und wird zu "Poisonville" verballhornt. Ein seltener Fall in dem eine Übersetzung sprechender ist als das Original. 2 In diesem korrupten Städtchen wird ein namenloser Privatdetektiv angeheuert, um einen unbekannten Auftrag zu erfüllen. Die Stadt wird beherrscht von rivalisierenden Gangsterbanden, die im Dorf den Arbeiterstreik manipulieren. Das Verbrechen hat die Macht des Gesetzes übernommen. 1 Um dort Ordnung zu schaffen, kann der namenlose Detektiv Hammetts nicht auf das Gesetz, sondern nur auf das Verbrechen setzen. Er spielt die Gangsterbanden gegeneinander aus. Nach 28 Leichen und 240 Seiten ist die kleine Stadt dann wirklich ein wenig gerechter geworden. 2 Eine kleine Fußnote aus der Populärkultur gibt es dazu noch: Akira Kurosawa bestritt zeitlebens, dass er von diesem Roman zu der identischen Handlung seines Meisterwerkes "Yojimbo" angeregt wurde. 1 Auf diesem Werk wiederum basiert der "Vater aller Western-Filme": Sergio Leones "Für eine Handvoll Dollars", mit dem die Weltkarriere von Clint Eastwood begann ... 2 ... und dessen Remake wiederum der Film "Last Man Standing" mit Bruce Willis ist, der dann endgültig wieder in den zwanziger Jahren spielt, in dem auch Hammett seinen Roman spielen ließ, a von dem all diese schönen Kunstwerke ihren Ausgang nahmen. * Zuspielung: John Zorn, James Bond Theme, darüber beim Schuß * 1 Ende der gelehrten Fußnote und Ende dieser klassenkämpferischen Kolumne. 2 Fehlt noch die abschließende Stimme unseres Rezensenten zu "Rote Ernte" von Dashiell Hammett, neu verpackt und egal in welcher Verpackung immer wieder genial, erschienen im Diogenes-Verlag: a Das schöne an Klassikern ist: Man kann sie mit Zitaten rezensieren. 1 Andre Gide schrieb in sein Tagebuch: 2 "Rote Ernte von Dashiell Hammett gelesen .... mit an Bewunderung grenzender Verblüffung." 1 Und der deutsche Krimiautor Jakob Arjouni soll über das Buch gesagt haben: 2 "Mit zwölf zum ersten Mal 'Rote Ernte' von Hammett gelesen ? nicht alles verstanden, aber begeistert." 1 Da geht es ihm nicht anders als heute noch unserem Rezensenten. 2 Dieser aber wehrt sich - wie alle Despoten - seit 21 Jahren gegen jeden Widerspruch und gegen jeden Aufstand unserer Hörerschaft mit dem immer gleichen Argument: * Zuspielung des akustischen Sketches wie jedes Mal *