DEUTSCHLANDFUNK Sendung: Hörspiel/Hintergrund Kultur Dienstag, 23.03.2010 Redaktion: Karin Beindorff 19.15 ? 20.00 Uhr Von Mücken, Moneten und Infektionen Wie aus Afrikas Gesundheitsversorgung ein Geschäft werden soll Von Peter Kreysler Co-Produktion DLF/SWR/WDR URHEBERRECHTLICHER HINWEIS Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. ? Deutschlandradio - Unkorrigiertes Manuskript - Musik, Atmos O-Ton Mutter im Dorf auf Suaheli, Malawi ? Übersetzerin 1: Es war in einer Nacht während der Regenzeit. Ich wachte plötzlich auf, weil ich das Wimmern meines kleinen 3-jährigen Sohnes hörte. Ich fasste ihm an die Stirn und wusste sofort, dass er hohes Fieber hatte. Was sollte ich machen? Wenn es Malaria war, musste ich sofort handeln. Wir packten unser Bündel und besorgten uns im Dorf ein Fahrrad-Taxi, um zur Klinik zu fahren. Es war so friedlich, als wir durch die afrikanische Nacht fuhren: Der Kleine war auf meinen Rücken gebunden, und das Schaukeln wiegte ihn in den Schlaf. Nach Stunden erreichten wir die Klinik. Doch niemand konnte uns helfen und die einzige Krankenschwester sah mich ratlos an. Schon seit Monaten gab es keine Medikamente mehr. Sie sagte, das ist Afrikas Realität: abgeschnitten von jeder Hilfe, auch wenn die Hauptstadt nicht weit entfernt ist. Als der kleine Laden in unserem Dorf dann am Morgen öffnete - dort kaufe ich sonst nur Öl zum Kochen und Mehl - hatte der Händler noch ein altes Malariamittel. Versuch dein Glück damit, sagte er. Jetzt half nur noch hoffen. Nach 2 bangen Tagen und Nächten hatte mein Kind die Malaria überstanden. Ansage: Von Mücken, Moneten und Infektionen Wie aus Afrikas Gesundheitsversorgung ein Geschäft werden soll Ein Feature von Peter Kreysler Medienatmo: Bill Gates, a billionaire, founder of Microsoft, wanted to make a point when he appeared at a conference of some of the biggest leaders of the tech industry. O-TON: Bill Gates, Ted Konferenz There is more money put into boldness drugs then into malaria? Übersetzer 1: Es wird heute mehr Geld in Mittel gegen Haarausfall investiert, als zur Verhinderung von Malaria. Glatzen sind eine furchtbare Sache, (Publikum lacht) und reiche Männer sind davon besonders betroffen, wahrscheinlich deswegen werden die Prioritäten so gesetzt. Doch Millionen Menschen sterben jedes Jahr an Malaria, 200 Millionen Menschen werden jedes Jahr mit dieser Krankheit angesteckt. Malaria wird übertragen von Moskitos wie diesen hier...(Lachen) Die lasse ich jetzt mal fliegen. Nicht nur arme Menschen im Süden sollten von ihnen gestochen werden. (Publikum lacht) Autor: Die Medienaufmerksamkeit war Bill Gates bei dieser Aktion gewiss. Diesmal rührte er die Werbetrommel für seinen Kampf gegen die Infektionskrankheit Malaria, die er noch zu seinen Lebzeiten ausgerottet wissen will. Bill und seine Frau Melinda haben die größte Stiftung der Welt gegründet, mit 60 Milliarden Dollar Stiftungsvermögen. Sie treibt die Forschung an neuen Impfstoffen, Insektiziden und Pestiziden voran. Die Stiftung der beiden Milliardäre setzt auf Technologie und Innovation. Ihr Engagement ist inzwischen so umfassend, dass manche bereits von einem ?Gesundheitskartell? sprechen. Und die Vergabe des Geldes durch dieses Kartell ist mit Forderungen verbunden. O-Ton engl. David Brandling Bennet Übersetzer 1 : Ich finde, wir vom privaten Sektor bringen mit unserem Geld auch entscheidend neue Argumente in die Gesundheitsdebatte. Autor: David Bennet ist der Direktor des Malariaprogramms der Gates Stiftung. O-Ton engl. David Brandling Bennet Übersetzer 1: Der private Sektor will die Rückführung von Investitionen und deshalb stellt sich automatisch die Frage, wie man erfolgreich agiert. Und so ist es nicht verwunderlich, dass die Stiftungen sehr genau hinschauen, wie sie ihr Geld ausgeben und wo sie den Erfolg finden. Für uns ist deshalb Malaria eine Krankheit, die eine sehr attraktive Investition darstellt. Wir sehen bereits messbare Erfolge. Durch die vielen technischen Innovationen wird sich diese flächendeckende Epidemie schon bald in eine kontrollierbare Krankheit umwandeln lassen. Autor: Und natürlich wollen diese ?Venture Philanthropen?, wie sie sich selber stolz nennen, an ihrer 3 Milliarden Dollar Investition verdienen: Ihre Genforschung soll eine ?Magic Bullett?, also eine Wunderwaffe gegen Infektionskrankheiten hervorbringen. Effizienz heißt das Zauberwort dieser Art der weltweit agierenden Gesundheitspolitik. Die Programme, die sich auf jeweils eine Krankheit konzentrieren, nennt man ?vertikale Programme?. Und angesichts dieser Strategie schränken die Geberländer die Hilfen für die staatliche Gesundheitsfürsorge in Ländern der sog. 3. Welt immer weiter ein. Private Gesundheitsstiftungen arbeiten zusammen mit dem Global Fund, einem weltweit agierenden Fonds, der im Jahr 2000 von einem G8 Gipfel initiiert wurde und wesentlich von den USA finanziert wird. Es ist die größte Seuchenbekämpfungs-Organisation, die auch über die größten finanziellen Mittel verfügt. Ihr Sitz ist in Genf. Der Fonds beschränkt sich ausschließlich auf die Bekämpfung von AIDS, Malaria und Tuberkulose. Sir Richard Feachem leitete den Global Fund 6 Jahre lang, er versteht sich als Architekt dieser neuen ?gesunden Weltordnung?. O-Ton, engl. Richard Feachem Übersetzer 2: Das Volumen des Global Fund wuchs sehr schnell an. Bis zum heutigen Tage hat der Global Fund in den ersten 7 Jahren seines Bestehens 20 Milliarden Dollar aufgetrieben und eingenommen. Ein solches Wachstum gab es noch nie. Weder eine private Institution noch eine öffentliche waren jemals in der Lage, solch eine Flut an Geldströmen auszulösen. Autor: Feachem umreißt schnell die 3 Stützpfeiler der Gesundheitspolitik des Global Fund. Erstens: O-Ton Faechem Übersetzer 2: Das private Geld der Gates Stiftung für die Globale Gesundheitshilfe war ja wie ein Schuss frischen Blutes in den Arm eines Sterbenden. Diese Investition half auch, das Monopol der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu brechen, jetzt haben wir einen gesunden Wettbewerb. Meiner Meinung nach ist das Monopol der WHO eine besonders uneffektive Form eines Gesundheits-Monopols, weil sie von 200 gewählten Ministern geführt wird. Autor: Zweitens: O-Ton Faechem Übersetzer 2: Der Global Fund vergibt ungefähr die Hälfte seines Geldes nicht an Regierungen, sondern an private Firmen. Das ist der große Unterschied bei einer Public Private Partnership (PPP). In einer Analyse des Global Fund haben wir festgestellt, dass die Regierungen im Kampf gegen AIDS und Malaria gescheitert sind. Wir machen jetzt 7 Jahre unser Programm und ziehen eine Erfolgsbilanz: Wenn wir das öffentliche Gesundheitswesen mit den privaten Nichtregierungsorganisationen (NGO) vergleichen, stellten wir fest, dass die private Gesundheitsindustrie das Geld besser und effektiver umsetzt. Autor: Und drittens: O-Ton Faechem Übersetzer 2: Unser Geld folgt den Resultaten! Der Global Fund gibt den Ländern nur Geld, so lange sie eine gute Performance nachweisen können. Natürlich stellt sich dann die Frage, wie man Erfolg im Gesundheitswesen messen kann, denn der Global Fund basiert auf diesem effizienten Erfolgsmodell. Zur Zeit wird der Erfolg daran gemessen, wie viele Menschen eine medizinische AIDS-Behandlung bekommen oder wie viele Menschen unter einem Moskitonetz schlafen. Autor: Doch was bedeutet Erfolg in der medizinischen Versorgung von Bevölkerungen? Zählen am Ende die Millionen Medikamente und Moskitonetze, die man auf den afrikanischen Markt pumpt oder aber zählt die Lebenserwartung der Menschen? Für Eltern macht es nämlich keinen Unterschied, ob ihr Kind an Lungenentzündung, Unterernährung oder an Malaria stirbt. Die Journalistin Laurie Garrett bekam für ihr Buch ?Die kommenden Seuchen? den Pulitzer Preis. Ihr Stipendium beim angesehenen Council on Foreign Relations ganz in der Nähe vom UNO-Gebäude in Manhattan erlaubt ihr, einen kritischen und unabhängigen Blick auf Berichte zu werfen, die sie in regelmäßigen Abständen von Hilfsorganisationen bekommt. O-Ton Laurie Garett Übersetzerin 2 Wie definiert man Erfolg bei Globaler Gesundheit? Wie viele Gelder er bei den Geberländern eingesammelt hat, war für den Global Fund immer die Messlatte des Erfolges: An zweiter Stelle kam das Volumen seiner Programme, also wie viele AIDS-Medikamente oder wie viele Moskitonetze durch den Global Fund verteilt wurden. Ich kann jedoch nur hoffen, dass sie bald bessere Indikatoren des Erfolges finden. Autor: Seit der Gründung des Global Fund wurden weltweit für 2,5 Millionen AIDS-Patienten Medikamente zur Verfügung gestellt und 104 Millionen Moskitonetze verteilt. O-Ton Laurie Garett Übersetzerin 2 Die Ergebnisse der AIDS-Behandlung sind wirklich sehr besorgniserregend. Bei den meisten wissenschaftlichen Erhebungen klingt ein düsteres Thema durch: ein Drittel der AIDS-Patienten, die an diesen Medikamenten-Programmen teilnehmen - ich zitiere ? ?ist verloren gegangen nach der ersten Behandlung.? Es klingt in dem Bericht ganz lapidar: Sie sind einfach verschwunden. Und belässt man es nicht bei den Zahlen, forscht nach und bohrt tiefer, indem man Mitarbeiter in die Dörfer schickt, um dort diese ?verlorenen? Kranken zu finden, stellt man fest, dass diese Patienten inzwischen an AIDS gestorben sind. Da AIDS in Afrika immer noch eine mit Stigma behaftete Krankheit ist, bleiben weitere 25 Prozent der Patienten den Folgebehandlungen fern. Rechnet man diese Zahlen zusammen, sind mehr als die Hälfte der beteiligten Patienten gestorben! Ich weiß wirklich nicht, ob man das als Erfolg bezeichnen kann. Denn was würde in Deutschland passieren, wenn die Hälfte aller Menschen nach Beginn eines nationalen Behandlungsprogramms sterben würde? Würde nicht von höchster Stelle eine Regierungsuntersuchung stattfinden? Jede Zeitung würde über diesen Skandal berichten. Musik-Trenner O-Ton Atmo Rick Osford PSI Malawi (im Auto) Übersetzer 2 : Es ist doch verrückt, als ich in dem Malaria-Geschäft angefangen habe, da waren wir froh, wenn wir hunderttausend Dollar hatten, mit einer halben Million konnte man eine nationale Gesundheitskampagne bestreiten, mit medizinischen Tests und allem drum und dran.. und heute? Eine durchschnittliche Kampagne kostet hunderte von Millionen Dollar. Noch nie gab es so viel Geld nur für die Bekämpfung von Malaria ? es ist verrückt. Atmo: Autotür schlägt zu, Schritte zum Lagerhaus O-Ton Rick Osford Yeah this is our ware house? we start here this is packaging materials for the Water Gard. Autor: Rick Osford steht in einem staubigen Vorort von Blantyre, der größten Stadt Malawis in Ostafrika. Er schaut auf eine unübersehbare Ansammlung von Lagerhallen, die er auch gern sein Nervenzentrum nennt: Hier lagern die modernen Waffen des afrikanischen Überlebenskampfes im 21. Jahrhundert. Ein Gang führt durch Hallen mit endlosen Arsenalen moderner Wundermittel aus der pharmazeutischen Zauberküche: O-Ton weiter untergelegt Autor Dort liegen die verpackten ?Water Gard?, ein Pulver, das kontaminiertes Wasser reinigt und selbst vor Cholera schützen soll. Da stapeln sich hunderttausende von ?Perma-Nets?, mit Insektiziden besprühte Moskitonetze. Jede Mücke, die auf dem Netz landet, stirbt - haltbar mindestens 3 Jahre. Dort drüben 9 Millionen ?Chikunga?, so heißen hier in Malawi die Kondome. RT steht für Rapid Test, ein kleiner Tropfen Blut auf einen Plastikstreifen und Malaria kann in Sekunden nachgewiesen werden, einem Schwangerschaftstest nicht unähnlich. ACT, der neueste Anti-Malaria-Hammer mit seiner chemischen 3fach-Kombination, sollte alle Formen des Malariaparasiten dahinraffen. Auch er lagert hier. O-Ton weiter untergelegt Autor: Schier endlos scheint das chemisch-technische Arsenal im Kampf gegen vielfältigste Formen von Infektionen. Die medizinischen Sets werden im reichen Norden produziert, ein Milliardengeschäft für die Industrie, denn in der Anschaffung sind sie teuer. Atmos/Ton Montage: Lagerhallen Tore werden aufgezogen, Arbeiter diskutieren und laufen durch die Hallen O-Ton Rick Osford, PSI Übersetzer 2: Hier stapeln wir unsere Moskitonetze, bis zur Decke ist dieses Lagerhaus voll damit. Schauen Sie, das sind 500 000 Stück, im Wert von 2,5 Millionen Dollar. Autor: Gar nicht weit, ebenfalls in einer Lagerhalle, befindet sich eine kleine Vorstadtklinik. Lange Schlangen bilden sich vor den Warteräumen. Dorothy Ng'oma arbeitet hier als Krankenschwester. Sie hat viele Menschen sterben sehen, die nicht hätten sterben müssen, wenn sie hätten behandelt werden können. Afrika mit den vielfältigen Herausforderungen im Gesundheitswesen, sagt sie, befindet sich in einer sehr schwierigen und widersprüchlichen Lage. Wie kann man das schmale und brüchige Fundament, auf dem die medizinische Grundversorgung der Menschen ruht, stärken, ohne die tödlichen Infektionskrankheiten zu vernachlässigen? O-Ton Dorothy Ng'oma Übersetzerin 2: Afrika ist doch keine Müllhalde, auf der der Norden seine Moskitonetze entsorgen kann. Aus Erfahrung weiß ich, dass sich dadurch die Gesundheitsstatistiken nicht verbessern werden. Ich bin auch dafür, die Malaria zu bekämpfen, aber wenn wir es ausschließlich in einem vertikalen Programm machen, weiß ich, dass wir trotzdem weiterhin viele Kinder durch Unterernährung verlieren; sehr viele Frauen werden hier trotzdem bei der Geburt sterben. In einem kleinen Land wie Malawi überleben in jedem Jahr hunderttausende Frauen die Geburt eines Kindes nicht, weil uns ausgebildete Hebammen fehlen. Also: Wir haben hier eine Vielzahl an katastrophalen Gesundheitsproblemen, die man nicht mit einem Patentrezept lösen wird. Autor Seit 30 Jahren arbeitet Dorothy Ng'oma als Hebamme in Malawi. Sie hat vertikale Programme kommen und gehen sehen, langfristig haben sie nicht viel verändert - nur kurzfristig epidemische Krisen gemildert: Sie wünscht sich, wie viele andere Afrikaner auch, eine verbesserte Struktur des gesamten Gesundheitswesens, von dem auch die Armen auf dem Land etwas haben sollten, ohne dass dabei die überall wütenden Infektionskrankheiten vernachlässigt werden. Musik-Trenner Atmo O-Ton Fahrer Übersetzer 3: Hier, das ist eine der Stellen, wo man bald gar nicht mehr durchkommt. Jetzt stecken wir im Wasser fest. Ich hoffe, wir kommen wieder raus. Atmos: Regen schlägt aufs Autodach: Frauen lachen O-Ton We have to cut down all our services during the rainy season? Übersetzerin 2: Von Dezember bis April kann unsere mobile Klinik nicht fahren, denn in der Regenzeit sind die Straßen zu schlecht. Dann kann jede Krankheit für die arme Landbevölkerung zu einem wirklichen Problem werden. Das Tragische ist natürlich, dass genau während der Regenzeit die Zahl der Malariainfektionen steigt, ebenso die Rate der Durchfallerkrankungen. Autor: Wie weit reicht der lange Arm der großen Weltgesundheitsinitiativen denn nun wirklich? Was erreichen sie in Afrika, vor Ort also? Martha Kwataine hat sich auf eine beschwerliche Reise aufs Land gemacht. Dieses Jahr haben hier alle auf die Regenzeit gewartet, der Mais steht noch bedenklich niedrig. Droht Malawi wieder eine Hungersnot? 90 Prozent der Menschen leben von der kleinbäuerlichen Landwirtschaft. Immer wieder kam es in den vergangenen Jahren zu Dürreperioden, gefolgt von explosionsartigen Regengüssen, die das Land überfluteten. Martha Kwataine leitet das Malawi Health Equity Network, eine kleine unabhängige Organisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Korruption und Misswirtschaft im Gesundheitsbereich zu untersuchen. Mit von der Partie ist Magdalena Magunda. Sie ist Krankenschwester einer lokalen Gruppe, die in einer mobilen Klinik einmal im Monat die Dörfer besucht. Atmos: Dorfstraße, Musik aus dem Radio, Stimmen, Hahn kräht O-Ton Magdalena Magunda auf Chigunda Übersetzerin 1: Was für Medikamente hast du? Sind die auch wirklich echt? Zeig mal her, das hier ist aber schon verfallen. Autor: Die beiden Frauen werfen einen Blick in die Shops, so nennt man die kleinen Geschäfte, in denen die arme Landbevölkerung Öl, Waschpulver, Fahrradersatzteile und manchmal eben auch Medikamente kaufen kann: Die Frauen hoffen, dass hin und wieder auch wirksame Medizin darunter ist. Vor einer kleinen Ladenhütte angekommen werden die fremden Gäste von Karten spielenden Männern misstrauisch beäugt. John Igunda berät die Dorfbewohner: O-Ton John Übersetzer 3: Hier der Laden hat Daroquin, das ist ein Mittel gegen Malaria. Hier steht es: ?Dieses Medikament ist für die Vermeidung und Heilung von Malaria?, zum Glück ist es noch nicht abgelaufen. Wie oft kommen die Leute am Tag in dein Geschäft und verlangen nach Malariamedizin? Was, wirklich jeden Tag 10 bis 15 Leute? Autor: Inzwischen hat Magdalena das angebotene Anti-Malaria-Mittel genauer untersucht: O-Ton Magdalena This is almost like chloroqine ? Übersetzerin 1: Der Hauptwirkstoff dieses Mittels ist Chloroquin, eine Substanz, die leider seit langem wirkungslos ist, deswegen ist es eigentlich verboten, diese Medikamente zu verkaufen. Der Händler kauft das Mittel wahrscheinlich vom Schwarzmarkt. Niemand kann das kontrollieren, was die hier verkaufen. Denn die Regierung ist weit weg in der Hauptstadt, die wissen doch gar nicht, was hier los ist: Diese veralteten Medikamente schaffen leider noch mehr resistente Malaria Erreger und verschlimmern so die Situation. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass man davon gesund wird. Musik-Trenner Autor: In der scheinbar endlosen Weite der Mangula-Ebene in Tansania steht flaches Wasser; Reisfelder soweit das Auge reicht, ideale Brutstätten für die Malaria-Mücken. Der hochwertige Reis, der hier angebaut wird, schuf ein Minimum an Wohlstand. Auch die angrenzenden staatlichen Zuckerrohrfabriken garantierten für lange Jahre Arbeit und wenigstens einen geringen Lohn. Der leichte Einkommensanstieg lässt sich an kleinen Dingen ablesen: Mopeds, die knatternd die Straße hinunterjagen, haben die Fahrräder ersetzt, und hier und da findet sich ein Fernseher, der bei Fußballübertragungen hunderte von Kindern anlockt. In den 90er Jahren wurde auf Betreiben der Weltbank die staatliche Zuckerfabrik an ein südafrikanisches Konsortium verkauft. Tansania musste seine Schuldenlast verringern. Im Rahmen der sog. ?Strukturanpassung? mussten auch profitable Staatsbetriebe privatisiert werden. Mit den neuen Chefs aus dem Süden des Kontinents änderten sich die Verhältnisse. Entlassungen drohten. Doch die Arbeiterinnen der Zuckerrohrfabrik organisierten sich: Was als Arbeitskampf begann, entwickelte sich zu einer umfassenderen sozialen Bewegung. Atmo: Straße O-Ton Bibiana Übersetzerin 1: Wir waren Frauen, die in der Zuckerrohr-Plantage gearbeitet haben, und wir haben uns organisiert. Autor: Bibiana gehört zu den Begründerinnen des IMARTA Trust Fund. O-Ton Bibiana Übersetzerin 1: Die Firma wurde verkauft, aber weil wir so gut organisiert waren, konnten wir viele Arbeitsplätze retten. Dann haben wir eine Mikro-Finanzierung organisiert, so dass Frauen, die kein Geld haben, eine gewisse Grundlage zum Überleben bekommen. Autor: Hilfe zur Selbsthilfe wurde hier organisiert, die sich auf alle Alltagsbelange erstreckt, auch auf Gesundheitsprobleme. O-Ton Bibiana Übersetzerin 1: Hier ist die Zahl der AIDS-Fälle sehr hoch. Die Wanderarbeiter, die hier während der Ernte arbeiten, haben die Krankheit aus anderen Gegenden immer wieder eingeschleppt. Als AIDS sich dann zu einer Epidemie ausweitete, haben wir ein AIDS-Programm organisiert, bei dem wir den Kranken unter die Arme greifen: Wir organisieren Geld, damit sie sich Medizin für die Behandlung kaufen können. Auch mussten wir etwas für die Kinder tun, also haben wir ein AIDS-Waisen-Programm gestartet. Sie sind die Zukunft des Landes. Es ist wichtig, dass sie eine gute Ausbildung bekommen. Angefangen haben wir mit 7 Kindern, jetzt sind es bereits 153 Kinder, die mit Hilfe des Programms die Mittelschule besuchen können, und 2 sind schon an der Universität. Musik-Trenner Atmo: Laster Markt , Menschen reden Autor: Im Süden Malawis: Dröhnend und röhrend bewegen sich die Sattelschlepper auf der Landstraße, aus Südafrika importieren sie wertvolle Wirtschaftsgüter, ohne die das kleine Malawi nicht überleben könnte. Doch die Fahrer schleppten auch schon seit vielen Jahren das AIDS-Virus mit ein. Von den Bars, wo sich die Fahrer mit Prostituierten vergnügten, verbreitete sich das Virus schnell über das ganze Land, vermuten die Epidemiologen. Wie stark sich die AIDS-Seuche in Malawi tatsächlich bereits ausgebreitet hat, darüber gibt es keine verlässlichen Zahlen. Die Waisenheime am Rande der Straße nehmen stetig zu. Ein Viertel aller Kinder Malawis hat bereits seine Eltern verloren. Es ist die arbeitsfähige Generation, die stirbt. Malawi droht ein Land voller Greise und Waisenkinder zu werden. Bei der Einfahrt in die Hauptstadt Lilongwe fällt das florierende Sarg- und Beerdigungsgeschäft auf. Kilometer um Kilometer zieht sich die Allee der Sargschreiner. O-Ton Sargschreiner Übersetzer 3: Mein Name ist Alex Madea, ich bin 25 und arbeite seit 7 Jahren im Sarggeschäft. Es ist mehr zu tun, die Leute kommen und machen ein gutes Geschäft hier. Auch die Anzahl der Geschäfte hat zugenommen. In meiner Werkstatt haben wir 4 Schreiner, jeder macht so um die 4 bis 6 Särge am Tag. Hier kommt gerade ein Kunde und nimmt seinen Sarg mit nach Hause für die Beerdigung morgen. Atmo: Laster fahren vorbei Autor: Inzwischen sind bereits rund 250 000 HIV-Infizierte in Malawi in Behandlung, dank der Mittel des Global Fund. Noch ist man in den Zentren der Hilfsorganisationen ratlos, wie man die Zahl der Neuinfektionen senken könnte. Sicher ist nur, dass es eine Verpflichtung gibt, für die nächsten 30 Jahre die Mittel für Aidsmedikamente aufzubringen, wenn nicht eine drastische Verschlimmerung der Krankheitsverläufe in Kauf genommen werden soll. Radio Hörspiel (PSI SPOT auf Englisch): Szene Frauen im Haar-Salon O-Ton Dorothy Ng?oma Übersetzerin 2 Bei den aktuellen Programmen rennen doch Leute kopflos rum und löschen hier ein Feuer und dort ein Feuer. Und dann ziehen diese internationalen Hilfsprogramme uns auch noch die dringend benötigten Mitarbeiter ab. Die Menschheit ist zum Mond geflogen, wir kämpfen all diese Kriege in der Welt, aber die Probleme von Armut und Krankheiten kriegen wir nicht gelöst? So geht das nicht. Wir müssen Dinge anders begreifen und durchdenken, um diese Herausforderungen zu meistern. Ich sag es nochmal: Die Menschen, die da entscheiden, sind zu träge - und manchmal gedanklich zu faul. Autor: Seit 33 Jahren schon arbeitet Dorothy Ng?oma als Krankenschwester und Hebamme in Malawi. Sie schaut immer wieder aus dem Fenster auf den neuen Flachbau. Dort wird auf einem kleinen Stück Land, das man dem Dschungel abgerungen hat, eine Sterbestation für erkranktes Pflegepersonal eingerichtet werden: Denn noch immer sterben viele Schwestern und Pfleger an AIDS, bevor sie ihre Ausbildung beenden konnten. O-Ton Dorothy Übersetzerin 2: Das größte Problem für uns ist, dass wir nicht genug Krankenschwestern und Hebammen für die 14 Millionen Einwohner Malawis haben. Mit nur siebentausend Pflegern und Krankenschwestern müssen wir die medizinische Versorgung und Pflege für das ganze Land aufrecht erhalten. Malawi müsste 1500 Menschen im Jahr ausbilden, um das Land einigermaßen medizinisch versorgen zu können: Die Ausbildung einer Krankenschwester kostet um die 3000 Dollar: also insgesamt 4,5 Millionen Dollar im Jahr, damit könnte man das gesamte Krankenhauspersonal ausbilden, das das Land langfristig versorgt. O-Ton: Sir Richard Feachem, Global Health Group Übersetzer 2: Die Geberländer haben seit der Unabhängigkeit ihre gesamte Hilfe in die staatlichen Strukturen Tansanias gesteckt: Deutschland, die USA, auch die Engländer, alle. Das war gänzlich sinnlos - dem wird jeder zustimmen. Sie sind gescheitert. Warum sollte das auch funktionieren? Selbst in den meisten reichen Ländern arbeiten Gesundheitssysteme in Konkurrenz mit privaten Anbietern. Autor: Richard Feachem, der Architekt der neuen Welt-Gesundheitsordnung, hat genug Erfahrung, um zu wissen, dass es nicht ausreicht, pharmazeutische Produkte in den afrikanischen Markt zu pumpen. Denn ohne ausgebildetes Personal und funktionierende Krankenhäuser werden die Medikamente häufig falsch angewendet oder verrotten in den Lagerhäusern. Auch in den Zentralen der Weltbank des Internationalen Währungsfonds (IWF) oder des Global Fund hat man das inzwischen erkannt. Mit dem so genannten Health Strengthening System (HSS), also der Stärkung von Gesundheits-Systemen, soll ein neues Kapitel in der Gesundheitspolitik aufgeschlagen werden. Jetzt wird im reichen Norden entschieden, in welche Richtung sich die globale Gesundheitsversorgung in Zukunft entwickeln wird: O-Ton Richard Feachem Übersetzer 2: Also wäre konsequenterweise die nächste Etappe auf dem Weg zu einer Neuordnung der Gesundheitssysteme, für ein Land wie Tansania, herauszufinden, wie der private Bereich die Gesundheitsversorgung übernehmen kann. Wir gehen in dieser Frage noch einen Schritt weiter: Wir wollen durch Public Private Partnership den Gesundheitssektor privatisieren. Es gibt wirklich einige aufregende Pionierbeispiele, bei denen das bereits gut funktioniert. Autor: Während in den Industrieländern das neoliberale Privatisierungsdenken mehr und mehr in die Kritik geraten ist, scheinen es seine Apologeten der sog. 3. Welt, in der kaum belastbare staatliche Strukturen existieren, immer noch verordnen zu wollen. Die Global Health Group in San Francisco wird auch von der Bill und Melinda Gates Stiftung, der Bertelsmann Stiftung und dem Ölkonzern Exxon Mobile mit Millionen Dollar Beträgen unterstützt. Verschwiegen wird, dass die Gesundheitskonzerne sich das unübersehbare Risiko in Afrika zu investieren, meistens von staatlicher Seite durch Kredite absichern lassen. Das kommt den jeweiligen Staat teuer zu stehen: ?In Südafrika erhalten die privatisierten medizinischen Einrichtungen durch Steuererleichterungen mehr Förderungen als die staatlichen?, heißt es in einem aktuellen Bericht von Oxfam, einer unabhängigen britischen Hilfsorganisation. Ohne gesicherte Gewinnerwartung investiert niemand sein Geld in Afrika. O-Ton Richard Faechem Übersetzer 2 Der Staat finanziert das privatisierte Krankenhaus mit Steuergeldern. Die private Investorengruppe aus Südafrika hat ihre Kalkulation gemacht und kommt zu dem Ergebnis, dass sie 8 Prozent Gewinn erwirtschaften kann. Sicherlich eine bescheidene Rendite, aber in diesem finanziellen Klima doch ein recht ordentlicher Gewinn. Wären wir nicht alle froh, in diesen Zeiten der Krise diese Gewinne, statt 30 Prozent Verlust, einfahren zu können? Musik-Trenner Autor: Guy Ellena ist ein freundlicher Abteilungsleiter der International Financing Corporation (IFC), die zur Weltbankgruppe gehört und zur Verringerung der Armut in weniger entwickelten Ländern durch Privatisierungen beitragen soll. In den Washingtoner Büros wird schon seit längerem der private Gesundheitsmarkt Afrikas beobachtet. Eine Studie der Unternehmensberatung ?Mc Kinsey? mit dem Titel ?Das Gesundheits-Geschäft in Afrika? wurde von Guy Ellena in Auftrag gegeben. O-Ton Guy Ellena IFC (Weltbank) Übersetzer 1: Wir haben eine von der Gates-Stiftung finanzierte Studie gemacht, die das private Gesundheitsgeschäft in Afrika untersucht. Dort fanden wir heraus, dass in vielen Fällen der private Gesundheitssektor Afrikas genauso groß ist, wenn nicht gar größer ist, als der öffentliche Gesundheitsbereich. Deshalb kam die Weltbank zu dem Schluss, dass wir den privaten Sektor nicht ignorieren können. Warum sollte man nur mit einem Auge schauen, wenn man zwei Augen hat? Nur wenn der private Sektor so gestärkt wird, dass sie wirkliche Konkurrenten zum Staat werden, kann sich die Gesundheitssituation in Afrika entscheidend verbessern. Autor: Analysiert man den IFC-Bericht genau, entdeckt man, wer dort bereits zum privaten Gesundheitssektor gezählt wird: In Malawi etwa 70 Prozent derer, die kleine Läden aufmachen, die meist Medikamente von unbekannter Herkunft verkaufen. Sie stellen zurzeit allerdings eher ein Gesundheitsrisiko für die Bevölkerung dar, weil sie gefälschte oder wirkungslose Medikamente verkaufen. Nimmt man diese Läden aus der Rechnung des Berichts heraus, bleiben hauptsächlich die privaten Kliniken mit ausgebildetem Personal übrig. In einer Umfrage in 15 Staaten südlich der Sahara wurde deutlich, dass sich nur 3 Prozent der Bevölkerung die Behandlung in privaten Kliniken leisten können. 51 Prozent der Menschen hatten dort überhaupt keinen Zugang zu medizinischer Hilfe. Masinga Mantemba z. B. ist ein einfacher Regierungsbeamter in einer südlichen Provinz Malawis. Er rechnet vor, was es heißt, Anti-Malaria-Medizin für seine Kinder zu kaufen: O-Ton auf Chigunga: Masinga Mantemba Übersetzer 3: Ich bin Schreibgehilfe im Rathaus der Provinz. Hier auf dem Land bekommen meine 5 Kinder meistens 3 bis 4 mal im Jahr Malaria. Um ein wirkungsvolles Medikament in der privaten Klinik kaufen zu können, muss ich durchschnittlich15 Tage arbeiten. Nur um die Malariabehandlung meiner Kinder bezahlen zu können, müsste ich ein Drittel meines Jahresgehaltes ausgeben. Aber wenn sie krank werden, habe ich keine Wahl, wenn das Fieber kommt, muss ich schnell handeln. Ich frage mich: Warum können diese Medikamente nicht immer frei zugänglich für uns sein? Diese teuren Medikamente stürzen uns nur noch tiefer in die Armut. Atmo Autor: Auch Martha Kwataine, deren Organisation Misswirtschaft und Korruption im Gesundheitswesen untersucht, hat im Rathaus manchmal mit Masinga Mantemba zu tun. Ihr wurde gerade von einer Klage gegen eine private Klinik berichtet. Besonders in den ländlichen Gebieten fehlt eine staatliche Qualitätskontrolle. Diese Klage, sagt Marta, ist nur die Spitze des Eisberges: private Kliniken würden auf Kosten der Patienten falsche Diagnosen stellen und profitablere Anwendungen verschreiben. O-Ton Martha Kwataine Übersetzerin 2: Hier habe ich aktuell einen Fall einer privaten Klinik auf dem Tisch liegen, in der ein Kind falsch behandelt wurde. Als Komplikationen auftauchten, wechselte die Familie in ein öffentliches Krankenhaus. Dort sagte der Arzt den Eltern, dass dies bereits der 20. Fall aus dieser Klinik war. Die privaten Kliniken sind wirklich sehr zwielichtig, besonders in den ländlichen Gegenden, fern jeder Kontrolle. Dort wird für jede Krankheit eine Spritze gesetzt, weil dann der Patient glaubt, dass er tatsächlich behandelt wird. Manchmal wird sogar einfach Wasser gespritzt. Von solchen Fällen wissen wir. Aber Verhaftungen durchzusetzen ist sehr schwierig, wenn die Polizei noch nicht mal genug Benzin hat, um dort hinzufahren. Wir haben einen unregulierten Markt, der nicht zu kontrollieren ist. Autor: Marta hat Volkswirtschaft studiert. Den privaten Sektor lehnt sie nicht grundsätzlich ab. Sie erkennt die Chance, die private Kliniken dem Land bieten könnten. Allerdings müsste der Staat die Kapazität haben, diese Klinikkomplexe zu kontrollieren. Ein Ziel, das in sehr weiter Ferne liegt. Musik-Trenner Autor Genf im Dezember. Leichter Schnee fegt über den See, während die Leitungen in der Telefonzentrale der Weltgesundheitsorganisation heiß laufen. Hier im Norden macht in diesen Tage eine neue Form der Grippe Furore, die aus dem Süden, aus Mexiko, kam. Und die Medien haben die Schweinegrippe-Hysterie kräftig angefacht. Regierungen haben tonnenweise Impfstoffe geordert und fragen sich nun, ob sie auf den Bestellungen sitzen bleiben werden. Die Weltgesundheitsorganisation, WHO, hat von einer Pandemie gesprochen und bereits im Juni Alarm geschlagen und damit Notfallpläne ausgelöst. O-Ton WHO-Abteilungsdirektor Übersetzer 2: Nimmt man das Beispiel der Schweinegrippe und liest, was darüber in der Zeitungen steht und auch was von der WHO publiziert wird, sind die Widersprüche so groß, dass ein normaler Bürger gar nicht weiß, ob er sich impfen lassen soll oder nicht. Selbst ein Arzt wie ich, der bei der WHO arbeitet, kann es nicht herausfinden! Ich habe so viele Informationen, die sich alle widersprechen. Autor: Hat die Panikmache Prinzip?, fragt sich im tiefen Bauch des riesigen Bürokratie- Ungetüms der WHO ein langjähriger loyaler Mitarbeiter. Unauffällig versucht er seiner Arbeit nachzugehen und dabei Fakten zusammenzutragen. In der Vergangenheit war er Abteilungsdirektor, was ihn mit guten Kontakten in die oberen Etagen ausstattete. Er weist immer wieder darauf hin, dass sein Name auf keinen Fall genannt werden darf. O-Ton WHO-Abteilungsdirektor Übersetzer 2 Bisher sind weltweit ca. 7000 Menschen an der Schweinegrippe gestorben, allein in den USA starben in diesem Jahr 230 000 Menschen an der gewöhnlichen Grippe. Wo kommt diese ganze Hysterie um die Schweinegrippe her? Ich habe Angst, ich bin durcheinander und ich wünschte, man würde mir sagen, was wirklich los ist. Autor: Aus seiner Sicht wurde die Weltgesundheitsorganisation durch den Mangel an Geldmitteln immer weiter ausgelaugt. Die WHO sei heute Außeninteressen schutzlos ausgeliefert: den Interessen von Pharmakonzernen bis hin zu religiösen Eiferern. Auch im europäischen Parlament mehren sich in der Zwischenzeit die kritischen Stimmen. Bei der WHO geben sich die Lobbyisten der Pharmaindustrie die Klinke in die Hand. Dass Novartis alleine 12 Milliarden Euro Reingewinn nur mit der Schweingrippe gemacht hat, ist für den Mitarbeiter der WHO ein Alarmzeichen. O-Ton WHO-Abteilungsdirektor Übersetzer 2: Die Leute machen ihre kleinen Geschäfte hinter verschlossenen Türen. Niemand stoppt sie, während die Leute in der Direktion wissen, was vorgeht. Viele meiner Kollegen haben Angst, offen mit mir zu sprechen, da sie ihren Job behalten wollen. Und das ist schlimm. Als ich hier noch Abteilungsdirektor war, war ich niemals in einer Situation, nicht offen sprechen zu können. Autor: Für manche lobbyistischen Aktivitäten hat er schriftliche Beweise auf dem Tisch liegen, andere wurden ihm in Gesprächen mit vielen Andeutungen vertraulich zugeraunt. Auch beim Arbeitsplatzwechsel des Personals lässt sich gelegentlich die Nähe von öffentlicher Gesundheitsversorgung und Industrie erahnen. Klaus Stöhr zum Beispiel, Leiter des Influenza-Impfstoff-Programms der Weltgesundheitsorganisation und der Vogelgrippe-Kampagne 2005, wechselte nach diesen Kampagnen zum schweizer Pharma-Riesen Novartis, der den Schweinegrippe-Impfstoff "Optaflu" produziert. Geschätzte 200 Milliarden Euro wurden nun allein für die Schweinegrippe-Impfungen an die Pharmaindustrie bezahlt. Schadet die globale Gesundheitshilfe mehr, als dass sie hilft? Das fragt man sich inzwischen auch in den USA, beim größten Geldgeber des Global Fund. In diesem Sommer startet der Fund seine ehrgeizige Medikamenten-Initiative. 360 Millionen Dosen der neuesten Antimalaria-Medikamente werden dann nach Afrika auf den Weg gebracht. Der Vizedirektor des US-Malaria-Programms David Bernard allerdings warnt eindringlich und lehnt diese Medikamenten-Initiative ab: O-Ton David Bernard, Vizedirektor vom PMI US-AID Übersetzer 3: Schon jetzt sterben jedes Jahr eine Million Kinder an Malaria, einer Krankheit, die innerhalb einer Stunde tödlich sein kann, wenn man sie nicht mit einem wirksamen Medikament behandelt. Zur Zeit besteht die begründete Gefahr, dass wir in Afrika durch diese Initiative das letzte wirksame Antimalaria-Medikament verlieren werden, weil durch die unqualifizierte Anwendung im privaten Markt die Erreger schnell resistent werden. Dann haben wir eine Gesundheitskatastrophe von unbeschreiblichem Ausmaß. Musik Absage Von Mücken, Moneten und Infektionen Wie aus Afrikas Gesundheitsversorgung ein Geschäft werden soll Ein Feature von Peter Kreysler Sie hörten eine Co-Produktion des Deutschlandfunks mit dem Südwestrundfunk und dem Westdeutschen Rundfunk 2010. Es sprachen: Frank Arnold, Maria Munkert, Esther Hausmann, Andreas Grothgar, Bruno Winzen und Daniel Wiemer Ton und Technik: Michael Morawietz und Jutta Stein Regie: Thomas Wolfertz Redaktion: Karin Beindorff 22 23