Deutschlandradio Kultur Länderreport Kein Raum für Rechts? Dortmund, Nürnberg und der Kampf gegen die rechtsextreme Szene Autorinnen Schmidt-Mattern, Barbara Weiß, Lisa Redaktion Stucke, Julius Sendung 30.08.2012 (13 Uhr 07) Am 1. September 1939 überfielen die Deutschen Polen, stürzten damit Europa und die Welt in den Krieg. Heute wird dieser Tag als 'Weltfriedenstag' oder 'Antikriegstag' begangen, um zu erinnern und zu mahnen. Wie so viele Orte und Gedenken wird auch der 1. September von Rechtsextremen missbraucht. Für ihre Propaganda. Seit einigen Jahren findet an diesem Datum ein rechter 'Antikriegs'-Aufmarsch in Dortmund statt. Geplant war dieser auch für das kommende Wochenende - wurde nun aber von der Polizei verboten, einige Tage nachdem man eine Dortmunder Kameradschaft aufgelöst hatte. Was tut die Stadt gegen die rechtsextreme Szene? Eine Frage die sich auch in Nürnberg und Umgebung stellt, wo sich die rechte Szene Bayerns konzentriert... M A N U S K R I P T S E N D U N G Beitrag 1: Dortmund Dorstfeld und die rechtsextreme Szene (Schmidt-Mattern, Barbara) Atmo Reibeplätzchen brutzeln / Begrüßung Renate Jacobs und Paster Conrad Pastor Christian Conrad schaut als erstes bei Renate Jacobs vorbei. Eine kleine Fontäne von Fettspritzern steigt auf, als die Rentnerin ihre Reibeplätzchen auf dem Grill vorsichtig umdreht. Feiern wollen sie hier heute Abend: das Gemeindefest von St. Barbara, der katholischen Kirchengemeinde in Dortmund Dorstfeld. Ein gemischter Stadtteil, hier bürgerlich, dort ein bisschen Arbeitermilieu. Und: Dorstfeld ist eine Hochburg der Rechtsradikalen, viele von ihnen wohnen hier, und ihr Treffpunkt - das "R135" in der Rheinischen Straße - liegt auch nicht weit weg. Renate Jacobs bereitet all das Sorgen: Ja, sehr sogar. Ich war am Donnerstag hier in Dorstfeld, und da haben die Wache hier gehalten auf dem Wilhelmplatz. Es ist unbeschreiblich. Und wenn man das Aufgebot der Polizei hier sieht, dann kriegt man Angst und macht, dass man nachhause kommt. Angst, nein das sieht Monika Vogel ganz anders. Die Rentnerin steht gemeinsam mit einer alten Dame und einer Abiturientin in der Schlange vor dem Reibeplätzchen-Stand. Zu den Neonazis wollen sie alle etwas sagen, aber jeder etwas anderes: Die sollen uns hier in Frieden lassen, und fertig. Die sollen abziehen. Die haben bei uns hier nichts verloren.// Ja, also bei uns in der Schule ist es ein großes Thema. Wir sind auch recht engagiert. Es gibt viele Aktionen bei uns. Zum Beispiel Konzerte gegen rechts. Und an der Schule ist es auch so, dass teilweise Zettelchen verteilt werden mit rechtsextremistischem Hintergründen, irgendwelchen Internet-Adressen usw. Und da wird dann schnellstmöglich für gesorgt, dass aufgeklärt wird von den Lehrern, auch was da eigentlich hinter steckt usw.// Wir haben da wenig Berührungspunkte. Wir sehen ja nur die Polizeipräsenz im Dorf. Manchmal auch ein paar Chaoten, aber ... ich mein, das ist nicht schön, und ich wollt, es wär nicht so, aber wir müssen ja damit leben, denn wir als Einzelne können uns ja nicht unbedingt wehren. Wut, Engagement, Resignation - Dorstfeld ringt mit dem braunen Problem. Was tun, wenn ein Neonazi seinen Sohn im örtlichen Kindergarten anmelden will? Und was soll man sagen, wenn erwachsene Männer, die früher Messdiener in St. Barbara waren, heute rechte Hassparolen herausschreien? Selbst das Gemeindefest ist betroffen, die Dorstfelder haben es um eine Woche vorverlegt. Früher feierte St. Barbara immer am ersten Wochenende im September, aber seitdem die Neonazis alljährlich Anfang September am "Antikriegstag" durch Dortmund marschieren, und das Gedenken an den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs missbrauchen, geht Pastor Conrad lieber auf Nummer sicher - weil der Rückweg der Nazis meistens durch Dorstfeld geht und man gerne noch an den Wilhelmplatz geht, hat man einfach gesagt, das ist zu riskant. Anfang der Woche hat die Dortmunder Polizei den geplanten Aufzug des rechtsextremistischen "Nationalen Widerstands Dortmund" verboten - doch ob es wirklich ruhig bleibt am Samstag, darauf mag sich der Pastor nicht verlassen. Christian Conrad bittet ins Pfarrhaus, wo es ruhiger ist. Der Priester ist unentschieden. Die Probleme mit den Rechten will er nicht klein- oder gar wegreden, aber zugleich ist ihm eines sehr wichtig: Der Dorstfelder ist es leid, immer in der Berichterstattung drin zu sein, dass es hier so schlimm ist ... Schlimm wegen all der Aufkleber und Handzettel mit den braunen Parolen, wegen der Grölereien, die sich die Dorstfelder an der Straßenbahnhaltestelle anhören müssen. Sicherlich gibt's hier ein Problem mit Neonazis, aber ich weiß nicht, ob das verdient, so stilisiert zu werden, als ob wir der schlimmste Ort in ganz Deutschland wären oder das Epizentrum, was nationalsozialistische Aktivitäten angeht. Jahrelang galt der Rechtsextremismus als ein ostdeutsches Problem. Dass die Neonazi-Szene auch in Nordrhein-Westfalen, und besonders in Dortmund überaus aktiv ist, blieb unbeachtet. Dabei wurden allein in NRW seit der Wende 28 Tote durch rechtsextreme Gewalt gezählt, so geht aus einer Studie der Amadeu-Antonio-Stiftung in Berlin hervor. Auch die aktuellen Zahlen sind beunruhigend: Für das Jahr 2011 listet das Landes-Innenministerium über 3000 Fälle von rechter Gewalt auf. In diesem Jahr ist die Zahl sogar leicht angestiegen, und wieder führt Dortmund die Statistik an mit 131 Fällen: Es geht um Körperverletzung, Sachbeschädigung oder Volksverhetzung. Dieser Zustand ist für Pastor Conrad unerträglich: Immer wenn dieser Naziaufmarsch ist, kommt der Hubschrauber, und der kreist den ganzen Tag hier überm Dorf. Ich hab den Krieg nicht erlebt, aber für mich fühlt sich das fast an wie Krieg. Wenn dieser 1. September ist, Streifen überall, Motorrad, alles fährt immer hin und her, nur grüne Männchen. Sie können das hier echt knicken, sie können hier nicht mehr normal durchfahren. Gar nix. Atmo Nazis brüllen Parolen / Atmo linke Gegendemonstranten Doch warum gerade Dortmund? Das fragen sich viele in der Stadt, auch Polizeipräsident Norbert Wesseler: Ich vermute sehr stark, dass es damit zusammenhängt, dass es schon immer eine sehr starke rechtsextremistische Szene in Dortmund gab. Und da wo die Rechtsextremen stark sind, sich sicher fühlen, ist auch die Gefahr, dass es weiteren Zuzug gibt. Es begann mit der "Borussenfront" in den 80er Jahren, einer Vereinigung in der Hooliganszene von Borussia Dortmund. Einmal aufgebaut, blieb das Netzwerk erhalten. Die Gruppen nennen sich "Skinhead-Front Dortmund" oder "Nationaler Widerstand Dortmund". Besonders gefährlich: Die so genannten Autonomen Nationalisten. Wir reden für die Dortmunder Szene über relativ junge Leute, die versucht haben, ihre menschenverachtende, rassistische Ideologie weiterzutragen weit über Dortmund hinaus. Das macht sie so gefährlich, weil sie natürlich versuchen, Nachwuchs zu rekrutieren, versuchen an Jugendliche heranzukommen. Jahrelang haben die Stadt und die Polizei diese Entwicklung ignoriert. Wie halbherzig der Kampf gegen Rechts geführt wurde, wird erst jetzt deutlich, denn plötzlich tut sich was in Nordrhein-Westfalen: Eine landesweite Razzia in der letzten Woche, Vereinsverbote, mehr Präsenz, mehr Personal, und eine neue Sonderkommission in Dortmund mit dem Namen "Kein Raum für Rechtsextreme". Polizeipräsident Norbert Wesseler, seit Anfang des Jahres im Amt, zeigt anders als sein Vorgänger Flagge: Also wir haben auch als Polizei noch mal ganz bewusst versucht, die Stadt und Zivilgesellschaft mit einzubinden, wo wir uns intensiver austauschen, als wir das in Vergangenheit getan haben, so das wir sehr stark die Personen in den Fokus genommen haben, was letztlich aus meiner Sicht auch dazu geführt hat, dass wir eine Grundlage für ein Vereinsverbot durch das Innenministerium erreichen konnten. Atmo Gamze Kubasik am Handy Gamze Kubasik kniet zuhause auf dem Sofa, als das Handy klingelt. Vor einigen Wochen hat sie Besuch bekommen. Der Polizeipräsident saß in ihrem Wohnzimmer und nahm ihr das Versprechen ab, ihn anzurufen, wenn sie sich bedroht fühlt. Vor sechs Jahren verlor die heute 27-Jährige ihren Vater: Mehmet Kubasik wurde den Erkenntnissen nach vom Nationalsozialistischen Untergrund in seinem Kiosk in der Dortmunder Nordstadt erschossen: So richtig klar kommen wir, glaube ich, immer noch nicht. Irgendwie möchte man das nicht wahrhaben. So einen Tod verdient kein Mensch. Und wenn mich dann jemand fragt, fällt es mir schwer, zu antworten und zu sagen, ja, mein Vater wurde von Nazis erschossen. Ja, das fällt einem immer noch sehr schwer. Ihre Mutter hat überlegt, in die Türkei zurückzugehen, aber jetzt will sie bleiben, und Gamze auch. Dortmund ist meine Heimat, sagt sie. Die junge Frau engagiert sich inzwischen in Vereinen gegen Rechts. Dass das Zwickauer Trio auch in Dortmund gemordet hat, habe die Stadt ein Stück weit wachgerüttelt. Mehr Widerstand organisieren, das wollte vor dem 1. September eigentlich auch das so genannte Antifa-Camp, doch die Stadt Dortmund hat den linken Aktivisten keine Genehmigung zum Zelten erteilt. Die Begründung: mögliche Zusammenstöße rechter und linker Gruppen. So ist das Antifa-Camp ausgewichen ins Autonome Zentrum nach Mülheim an der Ruhr - eine halbe Autostunde entfernt. Anna Poczeczki, Sprecherin des Camps, ist sauer. Wir lehnen diese Begründung rundweg ab. Zu den 300 gewaltbereiten Linksextremisten, die angeblich anreisen sollen, da hat niemand von uns eine Ahnung, woher das kommt, diese Annahme. Wir haben ja in unseren Aufrufen zu gewaltfreien Protesten aufgerufen, und das ist natürlich auch so gemeint. Sie selber lehne Gewalt "sehr stark" ab, sagt die 24-jährige Soziologie-Studentin. Die Camp-Organisatoren fühlen sich von der Stadt ausgebootet - jahrelang, so argumentiert Anna Poczeczki, seien doch die Linken mit ihrem Engagement gegen rechts allein gewesen: Das ist schon auch meine persönliche Wahrnehmung, dass die Informationspolitik den antifaschistischen Gruppen alleine überlassen wurde, weil die Stadt Dortmund jahrelang weggesehen und einfach gar nichts gemacht hat. Pastor Conrad aus Dorstfeld lehnt diese Kritik rundweg ab. Es gebe jetzt Runde Tische, Aktionsbündnisse, und viel zivilgesellschaftliches Engagement: Für die Dorstfelder möchte ich sagen, wir kümmern uns hier selbst um unser Problem. Und wir sind da nicht auf Fremde angewiesen, die hierhin kommen, um uns zu zeigen, wie man was dagegen tun kann. Die Dorstfelder an sich hatten die Befürchtung, dass es zu Gewalt kommt, wenn dieses Antifa-Camp hier in Dortmund stattfindet. Gamze Kubasik, die Tochter des vom NSU ermordeten Kiosk-Besitzers, will am Samstag demonstrieren, ganz egal, ob der Neonazi-Aufmarsch nun von den Behörden verboten bleibt oder nicht. Nur wenn sich jeder engagiere, könne sich etwas ändern in der Stadt, sagt sie, und zwar weit über den 1. September hinaus: Ich glaube, oder hoffe - ich weiß es nicht, vielleicht wünsche ich es mir, aber ich glaube schon, dass sich vieles noch verändern wird. Also ich bin da (voller) Hoffnung. Beitrag 2: Nürnberg und die rechtsextreme Szene (Weiß, Lisa) (Yiyit, Lemia) Wir sind gerade in Langwasser Nord, vor unserem Haus. Hier leben Menschen unterschiedlicher Nationalitäten und wir verstehen uns wirklich ganz ganz toll Lemia Yiyit liebt ihr Stadtviertel - auch wenn Nürnberg-Langwasser auf den ersten Blick eher trist wirkt: Viele Hochhäuser, viel grauer Beton. In letzter Zeit hat Lemia Yiyit immer wieder Zettel mit Hetzparolen und ausländerfeindliche Zeitungen auf der Straße oder in ihrem Briefkasten gefunden. Angefangen hat's mit diesen Schnipseln in Langwasser Mitte, vom Freien Netz Süd, hier: Nürnberg bleibt deutsch, auf der Rückseite Komm zu uns, kämpfe für deine Heimat und jetzt in den letzten Wochen vor allem hier drüben in dem großen Hochhaus da wohnt einer er schmeißt immer wieder von ganz ganz oben diese Schnipsel und wir müssens aufsammeln Lemia Yiyit will sich das nicht gefallen lassen, sie kämpft für ein tolerantes Langwasser, ist Mitglied im Integrationsrat der Stadt Nürnberg, kennt die ganze Nachbarschaft. Nur wenige Meter von ihrem Haus entfernt sollte ein so genanntes Nationales Zentrum entstehen, ein Treffpunkt der rechtsextremen Gruppierung Freies Netz Süd und ein Bürgerbüro eines rechtsextremen Stadtrats der Bürgerinitiative Ausländerstopp. Das flache, graue Gebäude sieht unscheinbar aus - die Neonazis treffen sich schon seit längerem im Keller, erzählt die zierliche, dunkelhaarige Frau mit den türkisch-arabischen Wurzeln. Offiziell darf das Haus in Langwasser nicht als Versammlungsort genutzt werden. Das hat die Stadt Nürnberg vor kurzem entschieden, sagt Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly von der SPD: In dem Fall dieses Büros in der Wettersteinstraße ist uns der Brandschutz zur Hilfe gekommen. An der Stelle war's definitiv nicht genehmigungsfähig und insofern hätten wir auch jeden anderen an dieser Stelle eine Untersagung schicken müssen Die Stadt Nürnberg werde aber auch sonst überall aktiv, wo Neonazis die Köpfe rausstrecken, das betont Maly immer wieder. Man versuche zum Beispiel soziale Brennpunkte zu entschärfen - denn gerade da setze sich braunes Gedankengut besonders gerne fest. Ein weiterer Schwerpunkt: Die Information von Vermietern und Gastwirten. Sie sollen lernen, woran man erkennt, dass sich hinter einer ganz normalen Saalreservierung für eine Versammlung oder hinter einem Mietinteressenten ein rechtsradikales Grüppchen versteckt, sagt Maly Wir haben den Gastwirten auch deutlich gemacht, dass wir als Stadt, wenn ein Gastwirt sehenden Auges hier in die Nazifalle tappt und denen seine Räume vermietet durchaus uns vorstellen können dass er dann die Zuverlässigkeit als Gastwirt nicht mehr besitzt. Also wir machen auch hier mit Beratung aber durchaus auch mit den ordnungsrechtlichen Mitteln, die wir haben, den Versuch, denen nicht den Boden zu gewähren im demokratischen Nürnberg Die Stadt Nürnberg sei wirklich sehr engagiert, meint auch Rüdiger Löster - er kennt sich aus mit der lokalen rechten Szene, arbeitet unter anderem für das Projekt "Endstation Rechts". Prinzipiell gehe das Konzept der Stadt auch auf, allerdings gebe es noch ein Problem. Wenn Neonazis sich zum Beispiel in einer Bürgerversammlung zu Wort melden und rassistische Parolen verbreiten, schaue die Stadt häufig nur zu, so Löster. Es gibt nach dem bayerischen Versammlungsrecht die Möglichkeit, solche Leute von einer Veranstaltung auszuschließen, da ist die Stadt Nürnberg a bissl zögerlich, gerade bei städtischen Veranstaltungen wird dieser Ausschlussparagraph nicht angewendet Zurück in Nürnberg-Langwasser. Umgeben von breiten Straßen gibt es hier seit eineinhalb Jahren eine umzäunte Oase, mit meterhohen Sonnenblumen und kleinen Kohlrabi-Knollen. Hobby-Gärtner aus 10 Nationen bepflanzen jeweils eine kleine Parzelle der Interkulturellen Gärten. Kristina Brock erntet ein paar Zwiebeln und erzählt, dass einige Anwohner dem Projekt vor Baubeginn skeptisch gegenüber standen. Wir haben ja einen Rechten, der hier direkt in der Nachbarschaft wohnt, der hat das anscheinend mitbekommen und sich gedacht, das wäre ein gutes Thema hier um unser Thema Fremdenfeindlichkeit anzubringen. Und kurz danach war hier der ganze Platz also es war hier alles noch Wiese, warn hier lauter Plakate mit ganz schlimmen Pamphleten, Ausländer raus, wir wollen hier kein Multi-Kulti-Garten und wir wollen kein Dreck, Müll, Lärm Aber der Schuss ging nach hinten los: Alle demokratischen Stadträte sprachen sich gegen rechts und für das Projekt aus. Ab und an gebe es auch jetzt noch ein bisschen Ärger mit den Rechten, sagt Kristina Brock. Aber das melde man dann einfach der Polizei. Oberbürgermeister Ulrich Maly kennt die Vorfälle. Es macht koan Sinn es totzuschweigen, nach dem Motto, man schämt sich als Bürgermeister, wenn's in seinem Ort Rechtsradikale gibt, die gibt's an jedem Ort in Deutschland. Rechtsradikale gibt es in ganz Bayern - allerdings sind sie in Franken und vor allem in der Gegend um Nürnberg besonders aktiv, das bestätigt auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann. Auch, weil dort viele aus dem Führungskader des Freien Netz Süd wohnen, einem großen und einflussreichen Netzwerk der Rechtsextremen in Bayern. Die Szene radikalisiert sich - immer mehr Rechtsextreme wollen die so genannte "seriöse Radikalität" der NPD nicht mehr mittragen, erst im Mai ist eine ganze Reihe von Bezirksvorständen aus der NPD ausgetreten und engagiert sich jetzt im Freien Netz Süd. Während die NPD Wählerstimmen gewinnen will, kämpft das Freie Netz Süd für national befreite Zonen, will, dass eine paramilitärische Nationale Sicherheitswacht in Stadtvierteln patrouilliert. Entsprechend treten die Rechtsextremen in Nürnberg und Umgebung in letzter Zeit auch auf, beobachtet Doris Groß vom Menschenrechtsbüro der Stadt Nürnberg. Sie sind gewalttätiger geworden, es gab hier in Nürnberg auch Aushänge in einem Haus, wo ein Schwarzer sehr stark angegriffen wurde, also diese Personifizierung, diese Einschüchterung Einzelner, das ist eine Strategie, die neu ist Im Nürnberger Umland ist das Problem mit rechter Gewalt noch einmal deutlich größer. Gerade kleinere Städte und Gemeinden sind häufig überfordert, wissen nicht, wie sie sich am besten mit legalen Mitteln zum Beispiel gegen rechtsextreme Aufmärsche wehren können oder schweigen die Versammlungen einfach tot. Deshalb hat sich vor rund drei Jahren die Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion Nürnberg gegründet, erzählt Doris Groß. Kommunen, Landkreise, Organisationen und Initiativen wollen gemeinsam gegen rechts vorgehen - und tauschen ihre Erfahrungen aus. Eine gute Idee, sagt Rechtsextremismusexperte Rüdiger Löster. Auch für andere Städte und Gemeinden in Bayern. Denn das Freie Netz Süd ist in ganz Bayern aktiv - die Rechtsextremen treten nur häufig anders auf als in Nürnberg und Umgebung: Sie versuchen dort ganz unauffällig in Elternbeiräte reinzukommen, in Sportvereinen werden sie aktiv und versuchen, Funktionen zu erreichen, sie versuchen also sozusagen, als engagierte Personen Fuß zu fassen Und so in der Mitte der Gesellschaft anzukommen. Das gelingt teilweise auch - und das Freie Netz Süd, eine Organisation, die in Bayern deutlich einflussreicher und radikaler ist als die NPD, ist immer noch legal. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann sagt: Man beobachte das Netzwerk sehr genau. Das Freie Netz Süd organisiert sich aber eben möglichst ohne feste Strukturen. Zum Teil aus dem Selbstverständnis heraus, zum Teil aber, um gerade solchen staatlichen Maßnahmen zu entgehen. Deswegen: Harte scharfe Beobachtung , aber auch sicherlich nicht einfach, hier im vereinsrechtlichen Sinne Verbote auszusprechen Alle Fraktionen im bayerischen Landtag setzen sich allerdings für ein Verbot des Freien Netz Süd ein. Und Rechtsextremismusexperte Rüdiger Löster sagt: Auch ein lockerer Verbund ohne feste Mitglieder wie das Freie Netz Süd lasse sich verbieten - ostdeutsche Bundesländer hätten es vorgemacht: Also da müsste man einfach anders durchgreifen, da wird einfach ein bissl zögerlich damit umgegangen, theoretisch wär's schneller möglich, das Freie Netz Süd zu verbieten als die NPD. Aber noch sind sowohl das Freie Netz Süd als auch die NPD legal, und noch können Rechtsradikale öffentlich ausländerfeindliche Reden schwingen, auch in Nürnberg-Langwasser. Zuletzt am ersten August, als die Sommertour der Bundes-NPD in Langwasser Station machte. Lamia Yiyit und Kristina Brock sind dagegen auf die Straße gegangen, zusammen mit rund 2000 anderen Demonstranten. Langwasser habe sich solidarisiert, sagt Lamia Yiyit zufrieden. Ganz Langwasser - egal, welche Hautfarbe, egal welche Religion. Eine Stunde lang haben gegenüber hier die Kirche, die Kirchenglocken geläutet. Man hat kein Wort verstanden von den Nazis, was die gesagt haben. Kein Wort, das fand ich wirklich toll. Also - wir waren lauter als sie. - E N D E - 7