COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Länderreport Der Aufmarsch der Traktoren - Alle Jahre wieder am 03.Oktober im Boizenburger Land - Autor Hans-Otto Reintsch Sdg. 23.09.2010 - 13.07 Uhr Moderration Der Aufmarsch der Traktoren. Alle Jahre wieder am 3.Oktober. Wer nicht vorgewarnt wurde, der ist überrascht und hält sich die Ohren zu. Zunächst. Dann, so er mal zuhören will, vernimmt er den Sound des Ostens. In Boizenburg in der Uckermark, nahe bei Templin gelegen, wo jeden 3.Oktober eine seltsame Demonstration abfährt, im wahrsten Sinne des Wortes. Ein endloser Zug liebevoll restaurierter Automobile schleppt sich an ihm vorbei, vor allem Lastkraftwagen, Traktoren und Landmaschinen, die ihr Alter aus dem Auspuff röhren. Erinnerungsvehikel, also Aufhänger für so manche Geschichte vom Damals in der DDR, aber nicht nur dort. Hans-Otto Reintsch ist von derart Lebensgefühl so angetan, dass er uns schon mal einen kleinen Einblick in den Aufmarsch der Freunde alter Gefährte gewährt, denn vielleicht reizt ja den einen oder anderen Hörer die rechtzeitige Anreise nach Boizenburg in der Uckermark nahe Templin am 3. Oktober. -folgt Script Beitrag Script Beitrag G 01 Feuerwehrkapelle / "Das Lieben bringt groß´Freud" überblenden mit Traktoroldtimer, Stampfender Standmotor, bleibt drunter... AUT Wenn ein Automobil seit Jahrzehnten keinen Tüv mehr hat und säuft wie ein Loch, wenn es rostet, qualmt und stottert, dann wird es meist Liebhaberstück oder Oldtimer genannt. Und Oldtimertreffen sind Jahreshauptversammlungen der Liebhaber und ihrer Stücke. Von Männern verschraubte Karossen kommen angekarrt, um zu beweisen, dass es sie noch gibt. In Boitzenburg/Uckermark, rund 20 Kilometer nordwestlich von Templin, ist am ersten Wochenende im Oktober "der Tag des Herrn", dann kommen die Oldtimer. G 02 Corso + Feuerwehrkapelle AUT Corso. Es dampft und singt und jault. Parade der Blechveteranen. Ein Feuerwehrmann sperrt die Kreuzung. Nichts geht mehr. Alles fährt. G 03 Corso AUT Wer alt genug ist, kann die Augen schließen und erkennt ihn am Klang: Den H3A, den fast vergessenen LKW! Hochbeinig, schwerfällig, Riesenschnauze, rußend. Da! Sein Nachfolger, der S 4000. Wie geleckt! Dann der W50 Pritsche. Exportschlager aus Ludwigsfelde. Noch so ein Prachtlaster! Wie viele Ernten hast Du eingefahren, Kamerad? Die Dorfstraße gesäumt von winkenden Menschen. Auf geschmücktem Hänger winken Frauen und Kinder zurück. G 04 dumpfe Treckeratmo ....leiser werdend AUT Hört nur! Der Klang! Dumpf stoßender Sound! Richtig, ein "Pionier"! Baujahr 50. Ein Traktor, nein, ein Kumpel! Wie von einem Kind gemalt: Liegendes Rechteck mit Quadrat obendrauf, Großrad, Kleinrad, fertig. Hat alle Fünfjahrpläne überlebt! Dahinter röhrend, krachende Schaltung, Zwischengas, ganz klar, der "G5"! Der stand 61 schon am Brandenburger Tor, als die Mauer gebaut wurde. Tankwagen. Dreiachser, Zehntonner, sechs Zylinder, 120 PS. Die Lenkung! Der Fahrer stemmt sich rein. Was für ein Kerl! Wer Servo will, ist heut nicht hier. Wo wart ihr all die Zeit? Fahret vor, "RS Null 9", "Zetor 300", den alle immer "Zeti" nannten - Traktoren, nein, rollende Reliquien... E 01 (Gerhard Eberwein) "Schätzungsweise so zwischen 200 und 300 Fahrzeuge." AUT Wie zum Zählappell stehen sie aufgereiht. Wie neu. Blechruinen, auferstanden aus Garagen und Scheunen. Das Volk nimmt die Parade ab. Boitzenburg auf der Wiese, gleich hinter der Klosterruine. Glühwein, Bratwurst, Dieseldunst. G 05 Volk ... Famulusmotor ...Musik im Hintergrund AUT Er ist Baujahr 1963, luftgekühlt, Lenkbremse. Traktor "Famulus RS 14", Frank Köhler, sechziger Baujahr, schaut feierlich. Und ein wenig aufgeregt. Es ist sein Traktor, der hier läuft und läuft und läuft. Einst rettete Köhler ihm das Leben, gab ihm alles, was er brauchte. Zeit, Geduld, Verständnis. Seit 89, als alles weggeschmissen wurde. Es war die Wende im Leben eines Traktors. Ja, sagt Köhler, inzwischen hat er ihn adoptiert, seinen "Famulus". E 02 (Frank Köhler) "Das ist mein Liebling. Den habe ich mal 1989 gefunden im Unkraut. Ein Findelkind, abgewrackt bis aufs Letzte. Nä? Denn habe ich ihn aufgebaut! Ein Jahr lang. Da wächste dann da mit rein. Herzblut. Das ist das Wichtigste. Da muss man sich auch drinne verlieben, in so ein Teil. Sonst funktioniert das nicht." G 06 Festwiese Oldtimertreffen... AUT Worte fliegen durch die Luft ... E 03 (Mann) "Komplett auseinander, dann wieder zum Laufen gebracht." AUT Geständnisse ... E 04 (Mann) "Das ist wie eine Sucht. AUT Satzfetzen... E 05 (Mann) "Ja, jaja, es lebt wieder." AUT Privates... E 06 (Mann) "Da ist noch ein Deutz in der Familie, alter Trecker." AUT Feuchtes... E 07 (Mann) "Da kriegen sie fast feuchte Augen, wenn sie dahinter stehen, da fangen sie fast an zu heulen." AUT Empfindungen... E 08 (Mann) "Emotion pur! Emotion pur, kann man nur so sagen." AUT Der Motor der Erregung. Die Luft vibriert. Und dann begreift auch der Letzte, es ist mehr als ein Flirt mit dem Blech der Vergangenheit, viel mehr als Nostalgie. Leidenschaft ist es, echtes Gefühl! Ja, hier geht es, machen wir uns nichts vor, um LIEBE! Liebe zu Maschinen, die ein Gesicht haben. Lebewesen. Die uns anschauen mit gutmütigen Scheinwerfern. Die eine Stimme haben, die uns bekannt vorkommt. G 07 Traktoren... AUT Es sind nicht nur die Klänge der Motoren, die Gerüche der Abgase. G 08 Trabi... AUT Ein diffuses Gefühl wabert mit über die Wiese, sinnlos, sich dagegen zu wehren. Vertrautheit? Und nach wenigen Atemzügen wird klar, warum?! 95 % der Oldtimer auf der Klosterwiese stammen aus dem Osten. Und das riecht man. Was in Boitzenburg stöhnt und dampft, ist der restaurierte Fuhrpark der DDR. Hier werden nicht nur Maschinen bestaunt. Hier geht es um mehr. E 09 (Frank Köhler) "Da hängen auch Schicksale so dranne. Was hat der Trecker mal gemacht? Das gibt einem Mut und Kraft, das ist schön, so etwas zu hören!" AUT Was der Trecker mal gemacht hat. Frank Köhler weiß es nicht so genau. Auf jeden Fall geackert. Wie er. Damals, zu LPG-Zeiten. Das steht jedenfalls mal fest. Da muss man nicht viele Worte machen. G 09 Lanz Bulldog... drunter.... AUT Thorsten Deutschmann hat in den letzten 20 Jahren viel, sehr viel Lebenszeit in seinen Traktor gesteckt. "Aufgepäppelt" ist ein zu profanes Wort für diese Arbeit. Alle sagen, es ist wie ein Schöpfungsakt. Alte Diesel sind Wesen, die Einfühlung brauchen und Wärme. Den festgefressenen Maschinen wieder Leben einhauchen. Mit der Lötlampe. E 10 (Thorsten Deutschmann) "Musste immer so 20 bis 35 Minuten vorheizen, vorglühen, dass der Motor anspringt, dass er warm ist." AUT Und dann läuft es, das Arbeitstier, heute wie damals, den... E 11 (Deutschmann) "Den ganzen Tag, bis man fertig war mit die Arbeit. Und dann hat man erst ausgemacht. AUT Denn stehen bleiben, nein, stehen bleiben durfte Deutschmanns Lanz-Bulldog von 1949 nicht. Im Stand stößt sich die Maschine vor und zurück. Vor und zurück. Vor und zurück. Parkinson in Parkstellung, sozusagen. E 12 (Deutschmann) "Das ist eben das Merkmal, weil es ja ein Einzylinder ist, liegender Motor, deswegen wackelt er. Und man durfte den im Moor oder in der Wiese nicht stehen lassen, dann ist er versunken, abgesoffen. Wenn man sie stehen gelassen hat, musste man sie sofort ausmachen. Ja, ist leider so gewesen." G 10 Lanz Bolldog, kommt hoch, bleibt drunter... AUT Hört sich nach einem arbeitsreichen Leben an. Sieht auch so aus. Der Traktor. Und der Mann. M 01 Münchner Freiheit. Textstelle: "Ich steh dir gegenüber, in Erinnerung, vergangener Tage..." (ca. 10") E 13 (Gerhard Eberwein) "Eigentlich läuft ja schon seit zehn Jahren immer dasselbe ab. Es ist ja nicht mehr so, wie es mal war." AUT Gerhard Eberwein, Unternehmer, Hydraulikservice, Boitzenburg. Ein Mann in den prallen Fünfzigern, organisiert wo er geht und steht. Chef vom Ganzen. Hat das Oldtimertreffen mal angeworfen. E 14 (Eberwein) "Vor zehn Jahren war die Veranstaltung maximal 10 % von dem, was sie jetzt ist, maximal!" AUT Inzwischen brummt das Treffen. Es scheint als stürben die Oldies nicht langsam aus, sondern vermehrten sich auf wundersame Weise. Weil Leute wie Eberwein die Maulschlüssel nicht stillhalten können. Eberwein sagt, er sei verrückt. Nach den alten Karren, total. Sagt, alle seien hier ein bisschen verrückt. Aber er ist der Champion. E 15 (Eberwein) "Ich habe die meisten hier zu stehen. Hähä. 14 Stück. Die ersten Jahre habe ich Traktoren aufgebaut, mittlerweile mache ich PKWs. Ich habe 5 PKWs hier und 9 Trecker." AUT Männer wie Eberwein haben nicht einfach ein Laster. Sie haben einen Lastkraftwagen. Oder neun Traktoren. Aus einer Zeit, als Laster noch eine Schnauze hatten, und zwar eine große. Als es vor der Frontscheibe noch gewaltig weiterging. Als man zur Fahrerkabine noch "Führerhaus" sagte. So eine Dieselwumme wirkt wie ein Mann mit Muskelshirt. Und die Männer? Sie steigen nicht einfach ein, sie steigen auf ihren "Bock". Dafür basteln, nein, leben sie. E 16 (Eberwein) "Ja, genau so. Ich sage es auch immer wieder: Der Weg dahin ist eigentlich das Schönste. Wenn es schon ein klassischer Schrotthaufen ist, fasziniert es mich, so nach und nach Leben einzuhauchen. Wenn das Fahrzeug über mühselige Kleinarbeit, zum Fahrzeug wieder wird und man kann es sich anschauen, man kann sich draufsetzen, man kann fahren, freut man sich wie ein kleines Kind. Das ist so." AUT 500 Stunden muss man rechnen für so einen Hobel. Blech für Blech, Schraube für Schraube kommt zusammen, was zusammen gehört. Aber, so ist hier in Boitzenburg immer wieder zu hören, der gemeine Oldtimerfreak ist wählerisch. Er baut nicht irgendwas zusammen. Eberwein z.B. baut... E 17 (Eberwein) "Zu 99% Ostfahrzeuge, ich sammle keine Westfahrzeuge. Weil der Osten ist schon groß genug und mit dem Osten identifiziere ich mich besser. Ich bin damit aufgewachsen, ich habe von F8 bis 311er Wartburg, F9, P70, haben wir alles. Die meisten Fahrzeuge sind Mitte der 50er Jahre bis 70. Das ist da, wo ich Kind war. Und Jugendlicher war. Wo tiefste DDR war. Wo kein Mensch dran gedacht hat, was da mal wird, nä? Ich werde auch nicht richtig nach dem Westen rüberschwappen, weil - es sind fremde Fahrzeuge." M 02 Münchner Freiheit... (ca. 15") AUT Und dann kommt er. Furcht erregend, vierachsig, armeegrün. Kriecht um die Kurve wie ein Saurier. Der geländegängige Allradschlepper Tatra 813. Baujahr 72. G 11 Tatra 813. ... bleibt drunter... AUT Ladegewicht 13 800 Kg. 12 Zylinder Diesel. Luftgekühlt. 80 Km/h Spitze. Verbrauch: 48 Liter auf 100 Km. G 12 Tatra 813... AUT Kantige Fahrerkabine. Groß wie ein Bungalow. Am Steuer ein Mann mit russischer Fellmütze. Gesicht: Gemütlich. Statur: Rund. Sein Name: E 18 (Paul Benzin) "Paul Benzin, Schrotthändler aus Templin. Viele Leute fragen danach, aber richtig Paul Benzin, werde geschrieben wie Sprit, Gottlieb Daimler Str. 1." AUT Paul Benzin, 50, liebt schweres Gerät. Schon immer. Hinten auf dem Tatramonster steht der Beweis. Sein Panzer. Gut gepflegt. Paul ist Schlosser. Seinen ersten Traktor hat er mit 17 aus einem Schrotthaufen zusammen gebaut. Alles was Paul anfasst, fährt am Ende wieder. Paul wollte immer was Großes in der DDR werden. Aber er ist ein Macher, kein Mitmacher. Dann, in den Achtzigern, wurde er Altstoffhändler. Und das kam so: E 19 (Benzin) "Na ja, das war dann so, der Meister, der dann da war, sagt: Paul, tja, wenn du jetzt hier nicht eintrittst und du willst uns nicht, wenn du jetzt nicht umschulst auf SED, dann wirst du hier nischt mehr. Dann war schon zu DDR Zeiten wie eine Ausschreibung, da waren 36 Bewerber. Da war so ein bisschen wie Öffnung, da haben die dann auch kleine Wäschereien und Lumpenhandel zugelassen. Na ja und denn habe ich noch ein, zwei gute Kumpels im Kreistag gehabt und die haben dann zugestimmt und hm. Wir haben Schrott gemacht und Papier und Lumpen." AUT Und Glas. Flaschen. Sekundärrohstoff, privat gesammelt, verwertet von der staatlichen "SERO". Paul Benzin wurde in der DDR privater Altstoffhändler mit stabilem Einkommen. E 20 (Benzin) "Na für die Schnapsflasche gab es 20 Pfennig, wenn man die abgegeben hat. Ne Menge Geld. Und da haben wir 100bis 250 000 im Jahr gesammelt von. Und fürs Weckglas gab es sogar 30 Pfennig. Wo Rotkohl und so drinne war. Denn jab det ne Weinflasche, da gabs 5 Pfennig für. Hat sich auch noch gelohnt. Und Papier gab 30 Pfennig das Kilo. Und Lumpen gab des 50 Pfennig pro Kilo. Das war Sero." G 13 Oldtimermotoren, Festwiese... AUT Oldtimer sind Erinnerungsvehikel. Dicht hinter der Frontscheibe lauern die Geschichten. Als die DDR verschrottet wurde kam die große Zeit von Paul Benzin. Ganze Backwerke landeten auf seinem Schrottplatz. E 12 (Benzin) "Ja, Schrott war ohne Ende." AUT Hunderte Planierraupen. Und Panzer. Weil die Russen von den Schießplätzen rund um Templin abzogen. Der Russenschrott hat Paul Benzin reich gemacht. Er zeigt zum Horizont. Die Felder gehören ihm. Irgendwo da hinten liegt seine eigene Panzerstrecke. Mit Wasserlöchern und 30 Grad Steigungen. Heute sagt Paul Sätze wie: Einmal Kette, immer Kette. E 13 (Benzin) "Und denn macht das einfach Spaß. Wir sind nicht fürs Schießen, wir sind nur zum Fahren. Wir schleppen uns gegenseitig aus den Löchern und das ist einfach der Zusammenhalt!" M 03 Münchner Freiheit...unterlegen... AUT Tatra, Famulus, Dutra. Schlepper vergangener Tage. Die Kraftwagen Trabant, B Tausend oder der Drei-elfer Wartburg. Wie sie da so stehen auf der Festwiese in Boitzenburg/Uckermark. Archaisches Blechspielzeug. Ohne Kat, ohne ABS, ohne Airbag, ohne ASU, Ohne Navi, ohne Wegfahrsperre, ohne alles. Ohne Scham. Oldtimerfreaks sind Männer. Und fragt man eine Frau nach ihrem Namen, dann ist das... E 14 (Frau) "...die Frau von dem da, von dem Wartburg." AUT Ach ja, der Wartburg. Der drei - elfer, der drei-dreiundfünfziger. 45 PS. So eine Art Unschuld vom Lande. Aber begehrt wie der Prinz von Eisenach. Wer ihn abbekam, hatte den Hauptgewinn. Wie im Märchen. Wie im Film. Nicht so ein PS-Porno wie - sagen wir ein Porsche, oder die Corvette. Diese schlüpfrigen Dinger, wo es nur um eins geht, rein, losrasen, wieder raus. Der Wartburg war etwas für Leute, die eine feste Beziehung wollten. Ein Auto eben. Und warten konnten. E 15 (Frau) "Warten? Na wat war denn da? 12, 14 Jahre? Aufn Auto? 18 Jahre? AUT Ein halbes Leben auf den Wartburg warten. Warum hieß der Typ eigentlich nicht Godot? Kein Kopfschütteln, kein Fluch, keine Bitterkeit, kein Lächeln. Nein. Die Frau des Wartburgs heute. Bitte anschnallen. E 16 (Frau) "Da hatte man Zeit zum sparen, wat man jetzt nicht mehr hat." G 14 Motorenlärm der Festwiese... AUT Oldtimerfreaks haben ein sonderbares Verhältnis zur Zeit. Vielleicht, weil Oldtimer gnadenlos Zeit fressen. Das halbe Leben. Vielleicht, weil der Wartburg nicht nur ein ungeheurer Luxus war, sondern damals wie heute eines wurde: Eine Aufgabe. E 17 (Frau 1) "Na vor allem, man kann allene wat machen. Man muss nich in die Werkstatt gehen. Man fährt rechts ran, legt sich unter und repariert. Genau. (Frau 2) "Das ist ja das schöne." (Frau 1) "Teile haben wir mit...aber wo wolltn sin hin? Gab ja nischt." (Frau 2) "Selbst ist der Mann, hieß es früher." (Frau 1) "Genau." AUT Ganz am Rand der Festwiese, nicht zu überhören, steht die Elitetruppe des Oldtimertreffens von Boitzenburg. Stehen da in Reih und Glied, wie angetreten zur Beförderung. Blitzblank, geschniegelt, 30 Motorräder der gleichen Marke. E 18 (Günter Ramin) "Zwei Zylinder, zwei Auspüffe und das hat noch gesungen richtig." AUT Die tschechische Jawa. Das sozialistische Kultmotorrad. Die Harley Davidson des Ostens. E 19 (Ramin) "350 Kubik, 16 oder 18 PS. Ja, gut 120 waren schon drinne. Und das war schon allerhand für unsere Zeit, konnte man schon gut mit fahren. AUT Und da ist sie wieder: Die Zeit. Die Alte. Günter Ramin meint die späten 60er in der DDR. Seine Jugend. Als noch der Fuchsschwanz am Zündschlüssel wehte. 350 Kubik, mehr ging nicht im Osten. Bissige Maschine, damals. Der Legende nach umwehte den Jawarocker in der DDR ein Hauch bürgerlicher Dekadenz... E 20 (Ramin) "Ich musste damit jeden Tag zur Arbeit, weil man auch nichts anderes hatte, kein Auto nix, nä? Und die Dinger sind dann auch gelaufen. Klar, die normalen Sachen, mal Unterbrecher nachstellen, mal ne andere Kette, das war schon auch immer an der Tagesordnung, sag ich mal, nich? AUT Ein Mann in schwarzem Leder, Anfang 60, Gesicht von blauen Äderchen gezeichnet, vom Fahrtwind gerötet. Die drei fünfer Jawa. Die Liebe seines Lebens. Lässig knallt er mit der linken Hacke den Gang rein. Der Stummellenker zwingt zu leicht liegender Haltung. Die MZ, die Mopeds, der Trabi, der Barkas, der "Ello" - die Motoren im Osten klangen immer irgendwie so ningelig, so zweitaktig. Die Jawa röhrte wie ein Hirsch. Sie sah nicht nur so aus, sie war einfach cool. G 15 Jawa springt nicht an...drunter... E 21 (Ramin) "Zu meiner Zeit haben wir Männer immer gesagt: Die Jawa ist der Büchsenöffner gewesen für die Frauen. Da hast du jedes Mädel drauf gekriegt. Wenn du mit der MZ oder was gekommen bist, haben sie dich angeguckt: Wat willst du denn von mir mit deinem Bulldog. (Geräusch) Nu wollen wir mal sehen, ob es klappt, was?Nee, noch nicht. Die brauch noch n bisschen Sprit. (Jawa springt an) AUT Vor langer, langer Zeit, als ein Auto noch Luxus war und tanken keine Sünde, als Sozialismus war, aber weit und breit kein Ersatzteil und nur das Wünschen noch half, da fluchten alle auf die Gegenwart und halfen sich selber. Heute vereinigen sie sich und nennen es Oldtimertreffen. Und pflegen Erinnerungsstücke. Oldtimerfreaks geben abgeschriebenen Maschinen das Leben zurück. Vielleicht geben sie ihrem Leben aber auch einfach nur eine Maschine, um sich nicht abzuschreiben. M 04 Schluss Münchner Freiheit:"versuchen wihier es wiehiehieder,-- solang man Träume noch leeeeben kann..." -ENDE Script- 1