COPYRIGHT: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von DeutschlandRadio / Funkhaus Berlin benutzt werden. Länderreport / 9.11.2011 Wie zukunftsfähig ist Berlin Autorin: Jantja Hannover Red.: Claudia Perez Anmod: Rio 1992, Aalborg 1996, Berlin 2006 -178 Staaten der Erde haben sich darauf verständigt, für eine nachhaltige zukunftsfähige Entwicklung zu sorgen. Wie weit sind wir, warum sind wir nicht schon weiter und wie weit können wir noch kommen. Fragen über Fragen - aber die Antworten lassen nicht lange auf sich warten. Vor einem Monat haben die Oberbürgermeister von 16 deutschen Städten in Berlin die strategischen Eckpunkte für eine nachhaltige Entwicklung in den Kommunen vorgelegt. Die 16 Oberbürgermeister kommen aus Städten, die deutschlandweit führend bei der kommunalen Nachhaltigkeitspolitik sind. Sie fordern die Unterstützung von Bund und Land und verlangen bessere Rahmenbedingungen. Ein Vier-Punkte-Programm macht das deutlich: 1. Nachhaltigkeit muss von den Menschen her gedacht werden. 2. Nachhaltigkeit bedeutet, nicht mehr Ressourcen zu verbrauchen als zur Verfügung stehen. 3. Eine nachhaltige Entwicklung erfordert die Zusammenarbeit aller Ressorts und 4. Bund, Länder und Kommunen müssen an einem Strang ziehen, wenn sie mit Nachhaltigkeitsstrategien wirklich ernst machen wollen. Machen wir es am Beispiel Berlin fest: Lokales Wirtschaften, lokale Ernährung, lokale Energieversorgung, ein grüner Großstadtdschungel aus lauter Gemeinschaftsdachgärten, geschlossene Stoffkreisläufe, Brot, das mit vergasten Hausabfällen gebacken wird - die Berliner Nachhaltigkeitsinitiativen sind so erfindungsreich wie zahlreich. Der Berliner Senat hat sich erst mal im Februar aus dem Agenda 21 Prozess zurückgezogen, weil er dessen Nachhaltigkeitskriterien ausreichend in seiner Politik verankert sieht. Jantje Hannover hat sich einen kleinen Vorsprung erarbeitet. Wie zukunftsfähig ist Berlin? Atmo Berlin im Jahr 2030. Die deutsche Hauptstadt hat sich zu einer grünen Oase gemausert. Die Fassaden der Häuser sind begrünt und auf den Dächern sprießt giftfrei gezogenes Obst und Gemüse. Spielende Kinder bevölkern die Straßen, Fahrrad- und Rollschuhfahrer bewegen sich mit Einkaufsbeuteln aus Stoff zum nächsten Bauernladen. Nur hin und wieder fährt auf speziell dafür zugelassenen Straßen ein Auto vorbei. 1 O-Ton: wir machen Suchtberatung, das heißt, Leute, die sagen, ich möchte mein Auto loswerden, ich hab keine Lust mehr drauf, aber wie geht das, wie mach ich das? Es sind Menschen wie Heiko Bruns von "Autofrei Leben.", die sich schon heute engagieren, damit das grüne, verkehrsberuhigte Berlin eines Tages Wirklichkeit wird: 2 O-Ton unser Ansatz ist eine positive Zukunftsvision. Wir wollen nicht irgendwelchen Politikern auf die Nerven gehen, weil das eh Zeitverschwendung ist. Thomas Finger ist Student der Luft- und Raumfahrtechnik 3 O-Ton: Unser Ziel ist, möglichst viele Dächer in Berlin zu begrüne. Auf den Mietshäusern sollen das dann Gemeinschaftsdachgärten sein, die von den Nachbarn im Haus zusammen betreut werden. (-)Das hat enorm viele Vorteile fürs Stadtklima, (-) die Luft wird gereinigt, Feinstaub wird gebunden, CO2 wird gebunden, Sauerstoff wird produziert durch die Pflanzen. Und man muss nicht mehr rausfahren, um sich zu entspannen, oder muss nicht in den Urlaub fliegen, sondern hat eine grüne Stadt und sitzt auf dem Dach und freut sich Was die Berliner Nachhaltigkeitsinitiativen planen oder bereits umsetzen, steht so oder so ähnlich auch in der lokalen Agenda 21. Die Agenda ist eine Liste von Aufgaben, die im 21ten Jahrhundert, also jetzt, zu erledigen sind, damit alle eine lebenswerte Zukunft haben. Den Verein Berlin 21 gab es schon, bevor die Agenda zur Leitidee der Senatspolitik erklärt wurde: 4 O-Ton: Der Verein Berlin21, der ist 2004 mit großer öffentlicher Unterstützung, übrigens auch durch die Senatorin und durch die Abgeordneten gegründet worden und sollte eigentlich so eine Art Dachverband sein, wo gemeinsam Berliner Verwaltung, Wirtschaft, Politik und Bürgerschaft an der Umsetzung des Programms arbeitet Katrin Fleischer ist die Geschäftsführerin des Vereins Berlin 21: 5 O-Ton: Die Agenda umfasst ja alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens, das heißt es geht in erster Linie um eine nachhaltige Stadtentwicklung. (-) Ich nenn mal die Felder wie: Mobilität, Klimaschutz und Energie, Bildung, Partizipation, soziale Stadtentwicklung, Geschlechtergerechtigkeit, wir in einer Welt oder auch: wir in einer märkischen Landschaft, wo es also darum geht, die natürlichen Ressourcen zu erhalten, zu schonen und sinnvoller mit ihnen umzugehen. Insgesamt 2.600 Kommunen in ganz Deutschland haben für sich eine eigene Agenda 21 entwickelt. Darunter viele Großstädte wie Hamburg, Hannover, München, Aachen und Düsseldorf. Die Ideen dazu stammen aus dem Jahr 1992, von der Nachhaltigkeitskonferenz in Rio de Janeiro. Es ist eine zentrale Forderung der Agenda 21, Bürger stärker an Themen der Stadtplanung und des Umweltschutzes zu beteiligen, erklärt Katrin Fleischer: 6 O-Ton: in Berlin gab es eine ganze Reihe von Bürgerinitiativen und Arbeitsgruppen, die sogenannten runden Tische, die zu diesen Themen (-) sich getroffen und Ideen und Maßnahmen entwickelt haben, was man in Berlin alles tun könnte, um die Stadt möglichst mobil, mit möglichst viel öffentlichem Verkehr, ohne viele Autos sondern mit mehr Verkehrswegen für Fahrräder, für Fußwege zu schaffen, also es sind viele Ideen entstanden in diesen runden Tischen. Das ist ein Prozess, der ist über mehrere Jahre gelaufen. Am Runden Tisch mit dabei: das Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung, kurz IZT, das auch die Bundesregierung berät. Katrin Nolting vom IZT versteht sich als Vertretung der Wissenschaft beim Agenda-Prozess: 7 O-Ton: So haben wir zum Einen strukturelle Inputs mit geliefert und zum anderen ans IZT selbst eine Projekt-Umsetzungsagentur geholt (-) die Projektagentur hatte zum Ziel, wirklich Nachhaltigkeitsprojekte ganz plastisch umzusetzen. Und so haben wir im Verlauf von 2001 bis 2007 rund 100 Projekte gefördert, in unterschiedlichen Bereichen: Dazu gehören zum Beispiel die interkulturellen Gärten, dazu gehört das Projekt Kunststoffe, die Zwischennutzungsagentur, das Bike Taxi in Berlin. Projekte, die heute sehr bekannt sind, die aber nicht mehr zwangsläufig mit der lokalen Agenda 21 in Verbindung gebracht werden. Die vom Institut für Zukunftsforschung und Technologiebewertung gemeinsam mit den Bürgerinitiativen entwickelten Ziele der Agenda sind sehr ambitioniert. Neben einer Senkung des CO2-Ausstoßes um die Hälfte sollen zum Beispiel auch die Bildungschancen verbessert oder die Integration gefördert werden. Geplanter Termin für die Umsetzung: das Jahr 2030. Folgende Beispiele stammen aus dem Bereich "Wirtschaften und Arbeiten": Sprecher: die Ressourcenproduktivität wird schrittweise vervierfacht 8 O-Ton: wenn Sie das lesen, vielleicht szenisch in verteilten Rollen, dann werden sie merken, das ist im Grunde nicht alles erreichbar, Sprecher: Die regionalen Wirtschaftskreisläufe sollen gestärkt werden. Gerade kleine und mittlere Unternehmen mit hohen sozial-ökologischen Profilen sollen unterstützt werden. Ein Großteil der in Berlin und Brandenburg konsumierten Nahrungsmittel stammt aus der Region. 9 O-Ton: Das ist der Wunsch und der Wille steht dahinter, in die Richtung zu gehen. Sprecher: alle Menschen, die länger als 18 Monate arbeitslos sind, erhalten eine Stelle mit Aufwandsentschädigung im gemeinnützigen oder öffentlichen Sektor. 10 O-Ton: Wenn man das mit Augenmaß liest, dann würde man sagen: das ist nicht zu schaffen. Vor allem mit der Komplexität nicht und mit den Zeitvorgaben. Reiner Nagel ist Abteilungsleiter für Stadt- und Freiraumplanung bei der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Als solcher ist es seine Aufgabe, Nachhaltigkeitskriterien aus der Agenda in seine Planungstätigkeit mit einfließen zu lassen. Inzwischen gab es die erste Überprüfung, wie gut die Ziele umgesetzt worden sind. Reiner Nagel zieht eine positive Bilanz: 11 O-Ton: Ein Thema, das unser Haus betrieben hat, sind die 20 grünen Hauptwege, wo wir mit vielfältigen privaten, zivilgesellschaftlichen Flaneuren haben wir gesagt, solche Wege identifizieren (-) wo wir ein belastungsfähiges Dokument erarbeitet haben, nicht nur Dokument, sondern Realität in der Stadt, wo grüne Hauptwege, (-) die Lebensqualität in der Stadt bieten, weil sie für Fußgänger und Radfahrer geeignet sind, jetzt realisiert werden. Nach dem Motto: "im Grünen ins Grüne" kann man auf den grünen Hauptwegen, beispielsweise auf dem 57 Kilometer langen Spreeweg, von Köpenick bis nach Spandau laufen. Bisher gibt es allerdings noch einige Unterbrechungen auf der Strecke. Grundsätzlich steht der Senat weiter zur Agenda, erklärt Reiner Nagel: 12 O-Ton: Deshalb lese ich das gar nicht so mit der Zielzahl, sondern mit der Tendenz. Und da ist vieles richtig: verkehrspolitisch, Fußgängerstrategie, die wir derzeit bearbeiten, oder bildungspolitisch, das ist ja nach wie vor auch der ökonomische Schlüssel für Berlin, der ganz wichtig ist. 13 O-Ton: was meint ihr denn, welches ist denn das Amaranth- Schaubeet, da, janz genau, Atmo Bildungspolitisch aktiv ist auch Madeleine Porr mit ihrem Projekt: "Das fröhliche Brot". Gerade steht sie im Garten des Berliner Jugend-Freizeitzentrums FEZ und deutet auf ein schmales Feld, auf dem übermannsgroße Pflanzen mit dichtem Blattwerk wachsen. Die Nachhaltigkeitsaktivistin ist umringt von Schülern der Issac- Newton-Oberschule aus Berlin Oberschöneweide. Ihre Idee: Brot soll als Grundnahrungsmittel aufgewertet werden, indem es mit extrem mineralstoffhaltigen Amaranthkörnern angereichert wird. Aber es geht natürlich um viel mehr: 14 O-Ton: das Kreislaufkonzept unter dem Namen " das fröhliche Brot" will nur ein ganz kleines handfestes Beispiel geben dafür, wie du auf intelligente Weise, pfiffige Weise, moderne technologische Möglichkeiten mit altem Wissen verbindest, um (-) in allen Lebensbereichen in das Kreislaufdenken hineinzukommen Das Entscheidende im Projekt ist, zu gucken, wie du in Kreisläufen deine Energieversorgung und Ernährung organisieren kannst, denn nur wenn es in Kreisläufen funktioniert (-) dann kann das auch nachhaltig sein. Das sind die beiden Kernarbeitsbereiche, Biogas (-) als erneuerbare Energiequelle für den Ofen der Bäckerei und der Amaranth für die Anreicherung der Backpodukte, Das Biogas für den Backofen soll aus organischen Abfällen gewonnen werden. Idealerweise stammen die Abfälle für die Kiezbäckerei aus der unmittelbaren Nachbarschaft: die Kunden kämen sozusagen mit Kartoffel- und Apfelschalen im Kompostbeutel zum Einkaufen und spazierten anschließend mit Brot und Keksen wieder nach Hause. Im Freizeitzentrum FEZ soll eine Pilotanlage gebaut werden. Wenn alles läuft wie geplant, liefert die Berliner Stadtreinigung bald den ersten Biomüll. Atmo Die Schülergruppe schlendert zum Amaranth-Schaubeet. Voller Stolz präsentiert Madeleine Porr ihre Pflanzen: 15 O-Ton: Guckt mal, das ist aus dem kleinen Körnchen geworden, Anja willst du mal grade den Zollstock rübergeben, die größte Pflanze,(-) Anja positioniert den Zollstock neben einer der Pflanzen auf dem Boden, er ist nicht lang genug und muss auf halber Höhe ein zweites Mal angesetzt werden. Ein paar Mädchen stehen feixend im Hintergrund: 16 O-Ton: die hat dies komische Korn gegessen, ich weiß gar nicht wie das nachher schmecken soll, Waffeln? Stell ich mir richtig süß vor, iihh Ein paar Schülerinnen beknabbern sogar die Blätter der Amaranthpflanze und sind nicht wirklich begeistert. 17 O-Ton: 14 2.15 mögt ihr keine Blätter? Zwei Meter 83, aus diesem klitzekleinen Körnchen. (-) 2.55 woran man erkennen kann, ob eine Pflanze erntereif ist, ist wenn sie aus ihrer Blütendolde, wenn man da drüberstreift und die Körner springen ab, dann ist sie erntereif. Die meisten Berliner Nachhaltigkeitsgruppen sind nicht am Runden Tisch der Agenda 21 entstanden. Stattdessen haben ihre Initiatoren sie mit viel Geduld und Spucke über Jahre aufgebaut, meistens ohne jegliche finanzielle Unterstützung. Das Projekt Kiezwandler in Berlin Kreuzberg ist erst ein Jahr alt. Hier engagiert sich die 41jährige Rahel Schweikert. Einmal hat sie versucht, Ehrenamtsmittel vom Senat zu bekommen: 18 O-Ton: Das war ein Riesenbohei, wir sind hier 3mal besucht worden von einer Bürgerjury, wir haben uns vorher sehr genau erkundigt: was kann man denn eigentlich fördern? (-) Wir haben sehr viel Zeit damit gelassen und haben am Ende 300 Euro bekommen, (-) für Holz, um im Weltraum was zu machen Weltraum ist der Nachbarschaftsladen, den die Kiezwandler betreiben. 19 O-Ton: Wenn man da sieht, wie bürgerschaftliches Engagement erschwert wird, anstatt dass das erleichtert wird, dann kann man sich schon fragen, ob da nicht eine Riesendiskrepanz ist zwischen dem, was gewollt ist und dem, was tatsächlich passiert. O-Ton: Was ich glaub, warum ich bei dieser Initiative mitmache und nicht woanders, ist, dass ich das Gefühl habe, es gibt positive Ansätze, es gibt nicht nur Kampagnen, die wichtig sind und gut, ich will die gar nicht abkanzeln, das sind politische Kampagnen, aber ich habe das Gefühl, da bringt man sehr viel rein, Energie und Herzblut und Lebenskraft, und oftmals kriegt man nicht viel zurück, Das ist beim Projekt Kiezwandler anders. Bürgerschaftliches Engagement kann Spaß machen. Auch deshalb, weil man von den angestoßenen Veränderungen oft direkt profitiert, erklärt Rahel Schweikert. Sie hat viele Jahre als Musikpädagogin gearbeitet und Konzerte gegeben: 20 O-Ton: Das hat mich lange ausgefüllt und zufrieden gemacht, Musik ist was ganz Tolles, und trotzdem habe ich klassischerweise in meiner zweiten Babypause nach längerem Hin und Her mich entschlossen, das so nicht wieder aufzunehmen, sondern mein Leben zu ändern, lacht. Es kann nicht sein, dass angesichts von Klimawandel, Umweltzerstörung, Ressourcenknappheit und auch nach wie vor diesem extrem unfairen Verhältnis zu anderen Ländern und anderen Menschen nicht mehr passiert. Ich hatte das Gefühl, dass ich das meinen Kinder schuldig bin, dass ich mich nicht mehr ruhigen Gewissens ins stille Kämmerchen setzen kann und meine Blockflötenkinder unterrichten Anstatt Blockflöte zu unterrichten engagiert sich Rahel Schweikert nun im Kiez. Gemeinsam mit 15 Nachbarn finanziert sie in der Ratiborstraße den Treffpunkt "Weltraum". Hier kann man ein Lastenfahrrad ausleihen oder eine mit Ökostrom betriebene Gemeinschaftswaschmaschine nutzen. Hier wird auch das Obst und Gemüse vom Löwengarten im Spreewald angeliefert. Die Nachbarn dürfen konsumieren, was sie brauchen. Bezahlt wird nach einem sozial gestaffelten Monatsbeitrag: jeder gibt soviel er kann. Außerdem planen die Kiezwandler, mit dem Bezirksamt Kreuzberg eine Streuobstwiese im Görlitzer Park anzulegen. Hier, im Kinderbauernhof im Görlitzer Park, veranstalten die Kiezwandler den "Grünen Dienstag", ein abendlicher Treffpunkt für alle mit Ideen für ein postfossiles Leben. Thomas Finger eröffnet den Abend: 21 O-Ton: Ich möchte euch begrüßen zum heutigen Grünen Dienstag, und zwar geht es diesen Monat ja um Mobilität, um nachhaltige Mobilität (-) und zu Gast haben wir heute Heiko Bruns von "autofrei leben", dann Jens Rode von Cambio Carsharing, Sebastian Stragis vom Netzwerk Slow Motion Und jetzt haben wir erstmal klimafreundliches Büffet, jeder hat was mitgebracht, und dann: guten Appetit sage ich nur Atmo Büffet Auf einem großen Tisch, an dem etwa 20 Menschen Platz nehmen können, steht das klimafreundliche Büffet. Es sieht im Moment recht übersichtlich aus: neben gekochter und eingelegter Rote Beete gibt es Möhrensalat und Fladenbrot, Honigwein und selbstgekelterten Apfelsaft. 22 O-Ton: Darf ich mal einen Schluck kosten? (-) Oh, du hast auch Brot mitgebracht, ohja lecker, mmh Atmo Erst nach und nach füllt sich der Raum, Nudeln mit Pesto und vegetarische Blätterteigtaschen bereichern die Auswahl. Einer traut sich sogar, zwei Tüten mit gefüllten Schokoladenherzen aus dem Supermarkt dazuzustellen. Wer sein Leben streng nach Nachhaltigkeitskriterien ausrichtet, hat es manchmal gar nicht so leicht. Thomas Finger hält einen Margarinetopf in die Höhe: 23 O-Ton: vielleicht kann man das mal erwähnen, als nennenswertes Ereignis, wir haben eine Margarine ohne Palmfett, (Maren) also ich habe bestimmt 40 Margarinen mir immer durchgelesen, also die Biomargarinen waren immer mit Palmfett, doch es gab von Ja! Sonnenblume, aber die wollte ich auch nicht kaufen, weil die aus China kommen, die Sonnenblumen, lacht Atmo Weil für Palmfett immer mehr Regenwald abgeholzt wird, hat es nichts auf einem klimafreundlichen Büffet zu suchen. Inzwischen sind alle satt geworden, der Informationsteil des Abends kann beginnen, Teller und Besteck werden zusammengeräumt. Nur die Margarine sorgt für weiteren Diskussionsbedarf: 24 O-Ton das war eigentlich immer mein Kritikpunkt, dass da pflanzliche Fette stand, das einzige ist Rama, nee, Rama, das ist Unilever, ihh - das ist wieder ein anderes Problem Mehr regional erzeugte Lebensmittel für Berliner Konsumenten, das ist auch ein Ziel aus der Agenda 21, erklärt Katrin Nolting vom Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung: 25 O-Ton: Wir haben die Regionalmarke Berlin-Brandenburg vor anderthalb Jahren gegründet mit wirklich gutem Erfolg. Die hat zum Ziel, dass Regionalprodukte in Brandenburg erzeugt werden und in Filialen hier in Berlin verkauft werden. (-) dass Stadt- Umlandbeziehungen gestärkt werden, dass Einkaufswege kurz gehalten werden, dass ökologische Produkte erzeugt werden. Ein zartes Pflänzchen sei sie noch, die Regionalmarke "Von Hier", die weiterer Förderung bedürfe, sagt Katrin Nolting. Sie fürchtet um den langfristigen Erfolg dieses Projekts. Denn der Senat hat die Gelder für den Dachverband der Initiativen, den Verein Berlin 21, radikal zusammengestrichen. Erst Mitte Mai hatte Geschäftsführerin Katrin Fleischer erfahren, dass sie in diesem Jahr mit nur noch der Hälfte der Mittel wirtschaften muss: 26 O-Ton: wir waren natürlich sauer, wir waren wütend, enttäuscht auch, weil hier in diesem Verein sich ganz viele Leute ehrenamtlich engagieren, viel von ihrer Freizeit reinstecken, an Energie, an Zeit, auch an Geld, an Kraft, und das tut dann einfach weh zu sehen, wie man Stück für Stück da auch abserviert wird. Dass der Senat dem Verein Berlin 21 weniger Bedeutung im Agendaprozess einräumt, sieht die Wissenschaftlerin Katrin Nolting kritisch. Am IZT forscht und arbeitet sie daran, wie Nachhaltigkeitsthemen erfolgreich politisch umgesetzt werden können: O-Ton: wir stehen keineswegs auf dem Standpunkt zu sagen, finanzielle Mittel sind das allein seelig machende Instrument. Aber was auf jeden Fall notwendig ist, ist eine Grundausstattung, um eine Geschäftsstelle zu betreiben, um Informationen zu verteilen, um einen Newsletter herausbringen zu können, um eine Bündelung von Akteuren erreichen zu können. was ist aus den jeweiligen Fachexpertisen, (-) wirklich sinnvoll in eine Gesamtstrategie mit einzubetten, wo sollten Prioritäten gesetzt werden? Das kann keine Senatsverwaltung für sich allein, da ist sie auf die Kompetenzen und zeitlichen und personellen Ressourcen der einzelnen Initiativen und Projekte angewiesen (Nagel) kein Büro der Welt ist in der Lage, so einen Prozess zuständigkeitshalber zu managen, der mit Agenda-Prozessen in Berlin zu tun hat. Deswegen ist sowieso die Idee, ein Agenda-büro als Schnittstelle für alles zu nutzen nicht sehr realistisch findet Reiner Nagel von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Ob es um die Regionalmarke "Von Hier", Verkehrsberuhigung oder die Reduktion von CO2 geht: man bleibe dran. Reiner Nagel wertet es als Erfolg, dass die großen Bürgerbewegungen in der Politik angekommen sind und ihre Anliegen nun auf höchster Ebene umgesetzt werden. O-Ton: Das entspricht sogar meiner persönlichem Lebenserfahrung, dass diejenigen Initiativen, die wir zu Schul- und Studienzeiten aufgerufen haben, gehören heute zum gesellschaftlichen Konsens. Wir sind in Berlin in einer vergleichsweise großen Stadt mit 3,4 Millionen Einwohnern, sehr vielen zivilen Initiativen, sehr vielen offiziellen Strukturen, Bezirken usw Ich glaube das ist auch ganz im Sinne der Initiative, dass sie sagt, was wir hier angeschoben haben, findet jetzt zunehmend ganz offiziell in Senatspolitik Relevanz Das sehen der Verein Berlin 21 und die meisten Bürgerinitiativen anders. Denn sie hätten beim Thema Nachhaltigkeit gerne stärker selbst das Heft in der Hand. 1