DEUTSCHLANDFUNK Hintergrund Kultur / Hörspiel Redaktion: Ulrike Bajohr Dossier Tuberkulose-Deals Der neue Kampf gegen eine alte Krankheit Ein Feature von Gaby Mayr Produktion: DLF/SWR 2014 Produktion: 16.-18. Dezember, vorm. M2 - 09:00- 16:20 Sprecher ERZÄHLERIN SPRECHER ERZÄHLERIN ÜBERSETZER Regie: Claudia Kattanek Ton und Technik: Urheberrechtlicher Hinweis Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschütztund darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 44a bis 63a Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. (c) - unkorrigiertes Exemplar - Sendung: Freitag, d. 17. Januar 2014, 19.15 - 20.00 U (MUSIK/ATMO 1) TAKE 2 (O-TON FISCHER) "Ich bin Ärztin mit der Weiterbildung Master of Public Health, bin aus einem Schwarzwalddorf, das heißt Nordrach, wo Otto Walther, ein Sozialist aus dem 19. Jahrhundert, eine der ersten Tuberkuloseheilstätten gegründet hat. Und da bin ich aufgewachsen. Von daher war Tuberkulose ein Thema, was mich eigentlich schon von ganz früher Kindheit und Jugend an begleitet hat." TAKE 3 (O-TON FISCHER) "Tuberkulose ist in Deutschland danach fast ausgestorben. Und seitdem ist eigentlich nicht mehr groß geforscht worden. Die neuesten Tuberkulosemedikamente sind von 1964, die Standardmedikamente. Die Impfung ist von 1921. Und die Diagnostik von 1890." "Die Leute müssen sechs bis acht Monate behandelt werden. Weil es nichts Besseres gibt. Nach vier Wochen sind aber die Symptome weg. Sprich, die Leute hören auf, sie zu nehmen. Und dann entstehen, was wir Resistenzen nennen. Also Bakterien, die nicht mehr auf die Medikamente ansprechen. TAKE 4 (O-TON FISCHER) Und jetzt passiert was ganz Fieses: Die Patientinnen und Patienten können diese resistente Tuberkulose an andere übertragen. Und dann wird´s noch fieser. Da gibt´s nämlich keine Medikamente mehr dafür, oder kaum noch." SPRECHER Tuberkulose-Deals Der neue Kampf gegen eine alte Krankheit Ein Feature von Gaby Mayr TAKE 5 (MUSIK/ATMO 2: SWAZILAND - REGEN) ERZÄHLERIN Schottisches Hochland, könnte man denken: Bräunliches Gras, Bergkuppen verschwimmen im Nebel, es regnet - aber hier ist Swaziland! Im Sommer brennt dann die Sonne auf die kahlen Berge - Swaziland liegt im südlichen Afrika. Gut eine Million Menschen leben in dem Königreich. TAKE 6 (MUSIK/ATMO 3: SWAZILAND - HAUPTSTADT MBABANE) ERZÄHLERIN Swazilands Hauptstadt Mbabane: Junge Männer und Frauen reden unentwegt in ihre Handys, schick designte Einkaufstüten in der anderen Hand. TAKE 7 (MUSIK/ATMO 4: SWAZILAND - LÄNDLICH) Die Mehrheit der Swazis lebt auf dem Land, in Gehöften fernab der Teerstraße, von ein paar Hühnern und Ziegen und dem, was der karge Boden hergibt. Manche besitzen eine Kuh. Die Älteren kennen es nicht anders, viele Jüngere wollen weg. TAKE 8 (MUSIK/ATMO 5: REED DANCE) SPRECHER Swaziland hat die meisten Tuberkulosekranken pro 100.000 Einwohner - weltweit. Jedes Jahr erkrankt einer von 80 Swazis neu an TB. TAKE 9 (MUSIK/ATMO 6: WHITE CITY) ERZÄHLERIN An der Teerstraße steht eine Reihe Verkaufsstände. Zwischen zwei Bretterbuden führt eine schmale, unbefestigte, von Regengüssen tief gefurchte Straße steil den Hügel hinab - mitten hinein nach "White City": Die "Weiße Stadt" ist eine ausgedehnte Ansammlung einfacher Steinbehausungen mit Wellblechdach. Hier wohnen viele Menschen vom Land, die in der nahe gelegenen Industriestadt Matsapha arbeiten. Oder Arbeit suchen. Ein paar Bäume spenden Schatten. Dazwischen Müllhaufen. Wir sitzen in einem staubigen Hof vor vier schäbigen, kleinen Häusern. In einem Fensterrahmen fehlt die Scheibe, die Öffnung ist mit Pappe zugeklebt. TAKE 10 (O-TON NHLABATSI) SISWATI ÜBERSETZER 1 "Das hier gehört meiner Mutter. Ich habe ein Auge drauf, denn meine Mutter lebt in Südafrika. Sie kommt jeden Monat und sammelt das Geld von den Mietern ein. Ich wohne hier mit meiner Frau, wir haben zwei Kinder. Aber die leben bei meiner Mutter. Wegen der Krankheit." ERZÄHLERIN Sibusiso Nhlabatsi hat Tuberkulose. Dem Mittdreißiger schlottern T-Shirt und Hose um den schmalen Körper. Wir haben die Stühle auf den Hof gestellt. Wer an Tuberkulose erkrankt ist, soll sich in frischer Luft aufhalten. Und wer sich nicht anstecken will, sollte geschlossene Räume meiden, in denen sich Kranke aufhalten. Denn Tuberkulosebakterien verbreiten sich über die Atemluft. TAKE 11 (O-TON NHLABATSI) I´m driving.... ...SISWATI ÜBERSETZER 1 "Ich bin Fahrer. Aber im Moment bin ich arbeitslos, weil ich wegen meiner Tuberkulose behandelt werde." ERZÄHLERIN Während Sibusiso Nhlabatsi erzählt, scheint sein Blick im Ungefähren zu verschwimmen. Später erfahre ich, dass er einen Katarakt erlitten hat, eine Trübung der Augenlinsen - eine Nebenwirkung der Tuberkulosemedikamente. TAKE 12 (O-TON NHLABATSI) SISWATI ÜBERSETZER 1 "Ich habe mich sehr schwach gefühlt und viel Gewicht verloren. Ich war in verschiedenen Krankenhäusern, aber sie konnten die Ursache nicht finden. Als sie wussten, was ich habe, wussten sie zuerst nicht, wie sie mich behandeln sollen." TAKE 13 (MUSIK/ATMO 7: KENNUNG HINTERGRUNDINFO) SPRECHER Mycobacterium tuberculosis ist ein ganz besonderer Keim. Bei einem Drittel der Weltbevölkerung schlummert er im Körper - und die meisten werden es nie erfahren. Aber bei fast neun Millionen Menschen ist die Krankheit im Jahr 2012 ausgebrochen, überwiegend in der Lunge. Die Dunkelziffer liegt bei drei Millionen, sagt die Weltgesundheitsorganisation. Die Bakterien erwachen, wenn die Immunabwehr geschwächt ist. Armut zehrt. In Deutschland waren nach dem Zweiten Weltkrieg viele Menschen so erschöpft, dass Mycobacterium tuberculosis in ihrem Körper aktiv wurde. Heute erwacht der Erreger zum Beispiel bei HIV-Infizierten - und das sind viele im südlichen Afrika. 2012 starben weltweit 1,3 Millionen Menschen an TB. TAKE 14 (MUSIK/ATMO 8: FORSCHUNGSINSTITUT K-RITH/DURBAN) UNTERLEGEN BIS TAKE 13 ERZÄHLERIN Alexander Pym sitzt in seinem kleinen Büro in einem nagelneuen Forschungsinstitut in Durban. Pym betreibt Grundlagenforschung zu Tuberkulose und HIV/Aids. Grundlagenforschung. Das ist neu in Südafrika. Und überhaupt in Afrika. Angefangen hat der gebürtige Brite als junger Arzt mit Interesse für Tropenmedizin: TAKE 15 (O-TON PYM) In the early ´90s... ... TB per year. ÜBERSETZER 2 "Anfang der 90er Jahre bin ich auf eine Zeitungsanzeige gestoßen, in der sie jemanden suchten für ein kleines Krankenhaus auf dem Land, nicht weit von Durban. Ich rief an, sprach mit einem Arzt, und der sagte: Na klar, kommen Sie! So begann meine Beziehung zu Südafrika. Eine meiner Aufgaben war das TB-Kontrollprogramm. Damals hatten wir 4- bis 500 neue TB-Fälle pro Jahr." ERZÄHLERIN In den folgenden Jahren explodierte die Zahl der HIV-Infektionen. TAKE 16 (O-TON PYM) So if I go back.... .... to over 3000. ÜBERSETZER 2 "Wenn ich heute mein altes Krankenhaus besuche und mir die Tuberkulosezahlen ansehe, dann sind die auf über 3000 pro Jahr angestiegen." TAKE 13 (MUSIK/ATMO 7: KENNUNG HINTERGRUNDINFO) SPRECHER In Europa war Mycobacterium tuberculosis nie verschwunden. In Deutschland gibt es jährlich drei bis vier TB-Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner. TB-Kranke werden sofort registriert, gegebenenfalls isoliert, behandelt, Kontaktpersonen ausfindig gemacht . Eine Dunkelziffer gibt es nicht. Anderswo rückt die Tuberkulose wieder ins Blickfeld: In den baltischen Staaten und in einigen Stadtteilen von London tritt die Schwindsucht, wie die TB früher genannt wurde, verstärkt auf. TAKE 17 (MUSIK/ATMO 9: TUGELA FERRY, AN DER BRÜCKE) ERZÄHLERIN Auf halber Strecke zwischen Durban und Swaziland schlängelt sich der Tugéla zwischen Hügeln hindurch und mündet schließlich in den Indischen Ozean. Ein Ort an dem Flüsschen heißt Tugela Ferry. Während der Apartheid hatten die weißen Machthaber dem Zuluvolk ein Homeland namens KwaZulu zugeteilt, karges, steiniges Gelände. Die Höfe liegen weit verstreut. Mittendrin Tugèla Ferry. Dort unterhält die Kirche von Schottland ein Krankenhaus. Der Name des Hospitals ging 2005 um die Welt, erzählt Kristina Wallengren. TAKE 18 (MUSIK/ATMO 10: ATMO BÜRO WALLENGREN) TAKE 19 (O-TON WALLENGREN) The doctors had found... .... against TB drugs. < And so they did.> ÜBERSETZERIN 1 "Die Ärzte hatten festgestellt, dass alle ihre Tuberkulosepatienten starben. Dass auch HIV-positive Patienten starben, obwohl sie ihre retroviralen Medikamente bekamen. Zufällig brauchten zwei Medizinstudierende damals gerade ein Projekt. Einer der Ärzte sagte ihnen: Warum schieben wir nicht einfach alle TB-Patienten in den Hof und nehmen von jedem eine Auswurfprobe. Dann schicken wir die ins Labor und lassen sie testen, ob die Erreger resistent gegen unsere Medikamente sind." ERZÄHLERIN Durch die schräg gestellten Fensterklappen in Kristina Wallengrens Büro in Durban dringt der Verkehrslärm herein - die gebürtige Schwedin schätzt Durchzug. Wallengren untersuchte damals für die Weltgesundheitsorganisation die Tuberkulose-Lage in der südafrikanischen Provinz KwaZulu-Natal. Die TB-Rate ist ähnlich hoch wie im benachbarten Swaziland. Die Testergebnisse von Tugela Ferry brachten die furchtbare Gewissheit: Die Kranken waren gegen mehrere Antibiotika resistent. Über die Hälfte der Erreger war sogar "extensively resistant", " extrem resistent" - gegen sie gab es kaum noch ein wirksames Medikament. Es war der erste bekannt gewordene Ausbruch extrem resistenter Tuberkulose weltweit. Die Epidemiologin Wallengren erhielt den Auftrag, nach Ursachen zu suchen: TAKE 20 (O-TON WALLENGREN) TB has been around... ... at once. ÜBERSETZERIN 1 "TB gab es dort schon sehr, sehr lange. Die Leute leben weit weg vom Krankenhaus und die Tuberkulosebehandlung dauert sechs Monate. Es kostet also viel Zeit und viel Geld - den Großteil eines Monatslohnes -, mit dem Minibus ins Krankenhaus zu fahren. Nach den Behandlungsrichtlinien sollen die Patienten wenigstens einmal im Monat ihr Medikament abholen und einen Arzt sehen. Aber die Krankenhausangestellten dachten, sie tun den Patienten einen Gefallen, wenn sie ihnen die Medikamente gleich für zwei Monate mitgeben." ERZÄHLERIN Das erwies sich als Fehler mit tödlichen Folgen: TAKE 21 (O-TON WALLENGREN) You feel well... ... and children. "Schon nach wenigen Wochen Behandlung fühlt man sich gut - warum also soll man die Tabletten weiter nehmen? Noch dazu, wenn einem davon schlecht wird und man sich elend fühlt. Außerdem gibt es vielleicht andere Familienmitglieder, die auch husten. Sie haben TB oder auch nicht, jedenfalls husten sie. Dann teilt man die Tabletten mit Freunden, Verwandten und Kindern." ERZÄHLERIN Werden TB-Medikamente nicht konsequent zu Ende genommen, können Bakterien überleben. Die sind dann resistent gegen das Präparat. TAKE 22 (MUSIK/ATMO 11: BEERSE, AUßEN) ERZÄHLERIN 9.000 Kilometer nördlich von Tugela Ferry, Durban und Swaziland liegt Beerse, ein nüchternes, flämisches Städtchen. Hier ist man traditionell katholisch, früher war man außerdem arm. Die Hauptstraße führt im Bogen um eine Backsteinkirche mit sehr spitzem Turm - Beerses einziges markantes Bauwerk. In der angrenzenden Grünanlage steht die Bronzeskulptur des "Ortsheiligen": Dr. Paul Janssen, Gründer des gleichnamigen Pharmaunternehmens. Das Denkmal ist nach einem Foto entstanden: Es zeigt neben Dr. Janssen einen jungen Mann mit Ponyfrisur und großer Brille: Koen Andries. TAKE 23 (MUSIK/ATMO 12: LABOR) TAKE 24 (O-TON ANDRIES) I did research... ...in `82. ÜBERSETZER 3 "Ich habe sieben Jahre lang an der veterinärmedizinischen Fakultät eine Viruserkrankung bei Schweinen erforscht und war dabei recht erfolgreich. Aber nach sieben Jahren habe ich gedacht: Ich möchte einen wichtigeren Beitrag für den medizinischen Fortschritt leisten. 1982 bin ich dann zu Janssen gegangen." ERZÄHLERIN Koen Andries trägt keinen Pony mehr, seine Haare sind mittlerweile grau. Er leitet das Programm zur Entwicklung eines neuen Tuberkulosemedikaments. Anfangs waren nur wenige Forscher daran beteiligt, die Kosten für die Firma überschaubar: Aus der Stoffbibliothek des Unternehmens, der riesigen Sammlung chemischer Substanzen, stellte ein Chemiker Verbindungen her. Die testete Koen Andries auf ihre Wirkung. TAKE 25 (O-TON ANDRIES) You sometimes.... .... be something. ÜBERSETZER 2 "Manchmal muss man Tausende chemischer Verbindungen testen, bevor etwas passiert. Und was soll passieren? Das Bakterium soll nicht mehr wachsen. Oder es wird durch die chemische Verbindung sogar abgetötet. Dann kann man sagen: Ah, da könnte was sein!" <> TAKE 59 (MUSIK/ATMO 23: TSHEPONG HOSPITAL) TAKE 60 (O-TON VARIAVA) "This is the new building which was sponsored by the Global Fund. The MDR unit. This is where we do all the research." ERZÄHLERIN Teure Geräte für die Diagnose resistenter Tuberkulose hat der Global Fund spendiert - das ist ein von Industriestaaten und privaten Geldgebern seit 2002 finanzierter Fonds, der sich den Kampf gegen Aids, Tuberkulose und Malaria auf die Fahnen geschrieben hat. Ein gut ausgestattetes Labor ist Voraussetzung für die Arzneimitteltests. Ein Versuch läuft gerade mit Delamanid. Das Präparat des japanischen Pharmakonzerns Otsuka ist neben Bedaquilin das zweite recht weit fortgeschrittene TB-Präparat. Studienleiterin Modiehi Rakgokong ist angetan von den Otsuka-Leuten: TAKE 62 (O-TON RAKGOKONG) As sponsors... .... happy about them. ÜBERSETZERIN 4 "Wenn man Medikamente testet, treten die Firmen manchmal den ganzen Versuch hindurch nicht als Sponsoren in Erscheinung. Bei denen ist das anders. Sie waren ein paar Mal hier, und sie haben Türen gestiftet. Meine Güte, es war so kalt im Winter, und sie waren so freundlich und haben uns sehr schöne Türen gegeben. Wir sind sehr zufrieden." TAKE 64 (MUSIK/ATMO 25: BÜRO VARIAVA) UNTERLEGEN BIS TAKE 14 ERZÄHLERIN Auf Ebrahim Variavas Schreibtisch in seinem kleinen Büro stapeln sich Papierberge. Neben den Kranken, sagt er, gäbe es weitere Nutznießer der Medikamententests: Das medizinische Personal. Das Personal? Fließt etwa Geld? TAKE 65 (O-TON VARIAVA) It allows... ... of medicine. ÜBERSETZER 6 "Wir bekommen Zugang zu medizinischen Studien. Wir erfahren viel über die Anforderungen an Präzision in der Forschung." ERZÄHLERIN Und dann sei da noch ein willkommener Nebeneffekt: TAKE 66 (O-TON VARIAVA) As doctors... ... doing this. ÜBERSETZER 6 "Als Ärzte vergessen wir leicht unsere ethische Verantwortung. Wir behandeln die Kranken, aber wir klären sie nicht wirklich gut auf. Wenn man bei Arzneimitteltests mitmacht, muss man einfach sehr viel mehr Zeit mit Erklären verbringen." ERZÄHLERIN Doktor Variava kennt die Probleme von Arzneimitteltests. Nebenwirkungen etwa, wie sie auch bei den beiden neuen Medikamenten vorkommen. Am gravierendsten: Eine Herzrhythmusstörung, die bis zum Herzstillstand führen kann. Ein bekanntes Risiko bei einigen Medikamenten. Und dann ist da ein Punkt, bei dem Ärzte und Pharmafirmen einfach nicht zusammen kommen: TAKE 67 (O-TON VARIAVA) The problem... ... ill patients. ÜBERSETZER 6 "Das Problem bei Medikamententests ist, dass die Pharmafirmen sich die bestmöglichen Patienten aussuchen. Und nicht die Schwerkranken. Sie wollen es nicht so kompliziert haben, um ihre Ergebnisse nicht negativ zu beeinflussen. Wenn das Medikament dann auf den Markt kommt, wissen wir nicht, wie es bei unseren besonders kranken Patienten wirkt." TAKE 14 (MUSIK/ATMO 8: FORSCHUNGSINSTITUT K-RITH/DURBAN) TAKE 68 (O-TON PYM) Often you have... .. heart rates. ÜBERSETZER 2 "Normalerweise werden die Auswirkungen auf das Herz in einer gesonderten Studie untersucht..." ERZÄHLERIN ... erklärt mir Alexander Pym, der als junger Arzt nach Südafrika kam und heute die Tests mit Bedaquilin und Delamanid in Durban leitet. TAKE 69 (O-TON PYM) But what... ...in one go . ÜBERSETZER 2 "Aber die Firma Janssen packte diese Untersuchung in unsere Studien mit hinein, in denen wir die Wirkung des Medikaments prüften. Wir mussten bei den Patienten bis zu 15 Herzkontrollen pro Tag machen, außerdem wurde der Medikamentenspiegel im Blut untersucht - alles gleichzeitig. Das war der hauptsächliche Druck: Dass sehr, sehr komplizierte Versuche entwickelt wurden, um so viele Fragen wie möglich auf einmal zu beantworten, weil nicht genug Geld da war, um mehrere Versuche durchzuführen." TAKE 18 (MUSIK/ATMO 10: ATMO BÜRO WALLENGREN) TAKE 70 (O-TON WALLENGREN) One of the.... ... at all. ÜBERSETZERIN 1 "Eine in Afrika häufig geäußerte Kritik ist die an den Helikopter-Wissenschaftlern. Wissenschaftler aus dem Norden fliegen ein, nehmen ihre Proben und fliegen wieder zurück, wo sie - in Anführungsstrichen - "reich und berühmt" werden. Und die Leute hier haben nichts davon." TAKE 13 (MUSIK/ATMO 7: KENNUNG HINTERGRUNDINFO) - SPRECHER In Deutschland hat die Arzneimittelindustrie einen schlechten Ruf: "Big Pharma" ist "Bad Pharma" - die Medikamentenhersteller sind die Bösen. ERZÄHLERIN Christiane Fischer, die im Schwarzwald in der Nachbarschaft einer Tuberkuloseheilstätte aufwuchs, ist als Ärztin Mitglied des Deutschen Ethikrates. Angesichts fehlender neuer TB-Medikamente macht sie sich grundsätzliche Gedanken: TAKE 71 O-TON FISCHER) "Es ist eben die Frage, ob wir wirklich der Pharmaindustrie überlassen wollen, woran sie forscht. Sie müssen sich vorstellen, Sie würden der Bauindustrie sagen: Ja, ihr entscheidet, was ihr baut. Die würden sagen, och, Intensivstationen in Krankenhäusern, die lohnen sich nicht, die bauen wir nicht mehr. Oder die Autoindustrie würde sagen: Krankenwägen, die sind wirklich unrentabel, die bauen wir nicht mehr. Wir überlassen das diesen Industrien nicht zu entscheiden, ob sie diesen Bereich abdecken. Aber wir überlassen es der Pharmaindustrie zu entscheiden, an welchen Medikamenten sie forscht." ERZÄHLERIN Allerdings: Intensivstationen und Krankenwagen werden gebaut, weil es dafür Auftraggeber gibt, die bezahlen. Aber wer ist bereit, Hunderte Millionen Euro hinzublättern - für ein einziges neues TB-Präparat? TAKE 13 (MUSIK/ATMO 7: KENNUNG HINTERGRUNDINFO) - SPRECHER Der Mangel an lebenswichtigen Medikamenten für Krankheiten, hinter denen keine kaufkräftige Nachfrage steht, hat einige Akteure schließlich doch alarmiert: Pharmafirmen und öffentliche Einrichtungen wie Universitäten kooperieren mittlerweile in sogenannten Public Private Partnerships. Aus Steuern finanzierte Institute betreiben oft Grundlagenforschung. Die Entwicklung neuer Medikamente bleibt in der Regel Sache der Pharmaindustrie - aber die Grenzen verwischen sich. TAKE 72 (MUSIK/ATMO 26: ATMO BÜRO HÖLSCHER) - ERZÄHLERIN Michael Hölscher ist fest verankert im öffentlichen Dienst. Der hoch gewachsene, sportliche Professor leitet die Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität und forscht zu Tuberkulose. Das Institut organisiert Medikamententests in Tanzania und Südafrika, zum Beispiel für die kleine US-Pharmafirma Sequella, und vermittelt Zugang zu europäischen Forschungsfördertöpfen: TAKE 73 (O-TON HÖLSCHER) "Wir haben alle was davon. Die Uni jetzt nicht finanziell, aber natürlich in Form von Reputation. Was man wissen muss ist, dass es für die Pharmafirmen einen ganz massiven Anreiz gibt, von der Food and Drug Administration. Die haben nämlich in Amerika entschieden, dass wenn Firmen ein Medikament für armutsassoziierte Krankheiten entwickeln..." ERZÄHLERIN ... Krankheiten wie Tuberkulose auf den Markt bringen... TAKE 75 (O-TON HÖLSCHER) "... ... dann bekommen sie ein sogenanntes Voucher, also einen Gutschein, den sie einlösen können..." TAKE 13 (MUSIK/ATMO 7: KENNUNG HINTERGRUNDINFO) SPRECHER GAIN - Gewinn - ist die Abkürzung für dieses Gutschein-Programm der US-amerikanischen Zulassungsbehörde für Medikamente. Die Langfassung lautet auf Deutsch "Anreize zur Antibiotikaentwicklung schaffen". Als "Anreiz" winken mehrjährige "Exklusivitäten": Firmen, die ein dringend benötigtes Medikament entwickeln, können jahrelangen Schutz vor Konkurrenz bei einem ihrer Präparate beantragen. ERZÄHLERIN Und es gibt noch weitere Akteure beim Poker um neue Medikamente: Internationale Organisationen wie die WHO, Nichtregierungsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen - und die Bill&Melinda Gates-Stiftung des US-amerikanischen Milliardärspaares. TAKE 13 (MUSIK/ATMO 7: KENNUNG HINTERGRUNDINFO) SPRECHER Der umtriebige Großsponsor findet in der Politik offene Ohren, und die von ihm ins Leben gerufene TB Alliance hat es auch schon öfter geschafft, konkurrierende Pharmafirmen an einen Tisch zu bekommen. Das ist wichtig, denn alle TB-Kranken erhalten Medikamentencocktails aus Präparaten verschiedener Unternehmen. Es müssen also Wechselwirkungen erforscht und Medikamentenkombinationen neu entwickelt und verbessert werden, um die Einnahmedauer zu verkürzen. TAKE 72 (MUSIK/ATMO 26: ATMO BÜRO HöLSCHER) - ERZÄHLERIN Michael Hölscher lässt keinen Zweifel an den Verdiensten der Gates-Stiftung. Aber all die Deals, die durch Gates angeschoben wurden, hätten einen Nachteil: TAKE 77 (O-TON HÖLSCHER) "Die von Gates finanzierten Organisationen, haben in ihrer Gründungsphilosophie, dass sie nach zehn, 15 Jahren selbständig sein müssen. Sprich durch die Medikamente, die sie entwickeln, dann auch Verwertungsrechte besitzen. Die von Gates unterstützten Organisationen haben einfach einen enormen Erfolgsdruck. Das heißt, die versuchen natürlich massiv, den Markt zu dominieren." ERZÄHLERIN Das Starren auf schnelle Erfolge verstellt den Blick für Wichtiges. TAKE 78 (O-TON HÖLSCHER) " Der Aufbau von Infrastrukturen, der es den Forschungsinstitutionen in der Dritten Welt ermöglicht, langfristig selber zu arbeiten, das interessiert die überhaupt nicht. Eine Vielfalt der Ideen, die aus meiner Sicht auch notwendig ist, um zum Ziel zu kommen, die wird massiv torpediert." TAKE 18 (MUSIK/ATMO 10: ATMO BÜRO WALLENGREN) ERZÄHLERIN Kristina Wallengren, die Epidemiologin aus Durban, hatte die in Afrika verbreitete Kritik an den sogenannten "Helikopter-Wissenschaftlern" angesprochen. Aber, sagt sie: die Zeit der arroganten Probenabgreifer aus dem Norden ist vorbei - es hat sich etwas verändert, jedenfalls in der Tuberkuloseforschung. TAKE 79 (O-TON WALLENGREN) Again, talking about... .. on their agenda. ÜBERSETZERIN 1 Die Medikamente müssen hier verkauft werden, zu einem extrem niedrigen Preis - denn die Regierung muss sie bezahlen. Ich habe deshalb Hochachtung vor jeder Firma, die Tuberkulose auf ihrer Agenda hat." TAKE 14 (MUSIK/ATMO 8: FORSCHUNGSINSTITUT K-RITH/DURBAN) UNTERLEGEN BIS ENDE TAKE 82 TAKE 80 (O-TON PYM) Some pharmaceutical.... ... dying. ÜBERSETZER 2 "Einige Pharmaunternehmen wollen gar kein Medikament für Krankheiten wie Tuberkulose entwickeln. Weil sie wissen, dass, falls sie Erfolg haben und das Präparat produzieren, dann kommen all die Aktivisten und sagen: Warum macht ihr das Medikament nicht bezahlbar. Warum verteilt ihr es nicht, wo doch die Menschen sterben?" ERZÄHLERIN TB-Forscher Pym möchte unterscheiden zwischen Pharmaunternehmen, die sich engagieren, auch wenn kaum Gewinn zu erwarten ist, und Firmen, die nur für profitträchtige Märkte forschen und produzieren. Auf jeden Fall ist das, was er selber macht, eine ermutigende Perspektive. Nach seiner Zeit am Krankenhaus in KwaZulu-Natal hat Pym sich weiter qualifiziert und ist in die Forschung gegangen. Heute arbeitet er als einer von sechs Wissenschaftlern an dem noch jungen KwaZulu-Natal Research Institute for Tuberculosis and HIV, kurz K-Rith. TAKE 81 (O-TON PYM) K-rith is... .... in the cited disease. ÜBERSETZER 2 "K-rith ist - in Afrika sowieso, aber vielleicht sogar weltweit - ein völlig neues Experiment biomedizinischer Forschung. In Ländern mit hohen Raten von HIV, Tuberkulose und Malaria gibt es klinische Forschung - klinische Forschung bedeutet Proben nehmen. Die anspruchsvollere Analyse wird dann in Europa und den USA gemacht. Das funktioniert bis zu einem gewissen Grad, aber es schafft keine Kapazitäten und Fähigkeiten, um Grundlagenforschung in den Ländern selbst zu betreiben." ERZÄHLERIN Alexander Pym arbeitet an einem Biomarker. Alexander Pym arbeitet an einem Biomarker. Biomarker sind zum Beispiel Enzyme, die sich unter dem Einfluss von Medikamenten verändern können. Veränderungen zeigen an, ob ein neuer TB-Wirkstoff oder eine Wirkstoffkombination funktioniert. Ein solcher Biomarker könnte aufwändige Medikamententests enorm vereinfachen. TAKE 83 (MUSIK/ATMO 27: TB-STATION) ERZÄHLERIN Das King George Hospital in Durban ist ein 1000-Betten-Krankenhaus. Iqbal Master leitet die Tuberkulose-Abteilung. Sie belegt fast ein Drittel der Klinik. Behandelt werden nur Kranke mit resistenten Erregern. Als letzter Ausweg wird operiert. TAKE 84 (O-TON MASTER) The surgery... ...or drug resistant TB. ÜBERSETZER 8 "Die Lunge wird teilweise entfernt, wenn jemand Blut hustet oder wenn kein Medikament mehr hilft." ERZÄHLERIN Der freundliche Doktor mit dem grauen Bart erzählt, dass sie früher die Patienten erst entlassen haben, wenn keine Erreger mehr nachweisbar waren. Damals starben die Kranken auf den Wartelisten. Heute wisse man, dass man nie genug Betten haben werde. TAKE 85 (O-TON MASTER) So XDR... ... from the clinic. ÜBERSETZER 8 "Patienten mit extrem resistenter TB werden vorrangig aufgenommen. Und solche, die in sehr schlechtem Zustand sind oder weit entfernt wohnen." ERZÄHLERIN Wer einigermaßen stabil sei, werde ambulant behandelt. Iqbal Master telefoniert zwischendurch, spricht mit Krankenschwestern und Patienten. Wie er das aushält, frage ich ihn, ob er nicht manchmal einfach gehen und was Anderes machen möchte. Ganz oft, sagt er, und lacht. TAKE 86 (MUSIK/ATMO 27: SCHULKINDER) UNTERLEGEN BIS ENDE TAKE 88 ERZÄHLERIN Doktor Master will mir unbedingt etwas zeigen, auf das sie hier alle sehr stolz sind: Ihre Schule. Kinder mit resistenter TB werden aus der ganzen Provinz ins King George geschickt und müssen nicht selten über ein Jahr dableiben. Sie sollen aus der Zeit etwas Gutes mitnehmen. Die Klassenzimmer sind in einem flachen Bau untergebracht: freundliche Räume, liebevoll eingerichtet und farbenfroh ausgestattet mit Buchstaben, Zahlen und Bildern. Mehrere Jahrgänge werden gemeinsam unterrichtet. Khumalo spielt mit anderen Kindern vor dem Schulgebäude. TAKE 90 (O-TON KHUMALO) "I was... ... MDR. ERZÄHLERIN Er habe zwei Wochen lang gehustet, sagt mir der Junge, und dann habe ihn ... nein, nicht seine Mutter, die sei tot ... seine Schwester habe ihn hierher gebracht. Khumalo hat resistente TB. TAKE 91 (O-TON MASTER) We are curing.... ....maybe do better. ÜBERSETZER 8 "Wir heilen ungefähr 60 Prozent unserer Patienten mit mehrfach resistenter TB. Bei den extrem resistenten Fällen ungefähr ein Drittel. Wir sollten es besser machen. Mehr und bessere Medikamente würden uns helfen." TAKE 13 (MUSIK/ATMO 7: KENNUNG HINTERGRUNDINFO) SPRECHER Die Europäische Zulassungsbehörde verweigerte Delamanid, einem der beiden am weitesten entwickelten neuen TB-Präparate, im Juli 2013 die Zulassung. Zur Begründung hieß es, durch die vorgelegten Tests sei nicht ausreichend belegt, dass der Nutzen die Risiken übertreffe. Eine halbe Kehrtwende folgte vier Monate später: Otsuka hatte vorgeschlagen, Delamanid wenigstens für eine eingeschränkte Indikation zuzulassen - nämlich dann, wenn es bei einem Patienten wegen Resistenzen keine andere Behandlungsmöglichkeit mehr gibt. Nach einem erneuten Blick auf die Testergebnisse hat die Zulassungsbehörde zugestimmt. Auch das ein - Tuberkulose-Deal. TAKE 1 (MUSIK/ATMO 1) - NICHT IM ZUSPIEL! ABSAGE - HIER ODER AM ENDE ERZÄHLERIN Nach meiner Rückkehr von der Recherche im südlichen Afrika erreicht mich eine Nachricht von Joanna Breitstein von der TB Alliance, der Lobbyorganisation für mehr TB-Forschung. ÜBERSETZERIN 5 "Wir beobachten, dass sich die Pharmaindustrie aus der TB-Forschung zurückzieht. Es gibt Forschung in den ersten Anfängen der Medikamentenentwicklung. Aber wir sehen nicht viele Firmen, die weiter machen." Absage SPRECHER Tuberkulose-Deals Der neue Kampf gegen eine alte Krankheit Sie hörten ein Feature von Gaby Mayr Es sprachen: Isis Krüger, Walter Gontermann, Jochen Langner,Claudia Mischke, Katharina Degenhard und Gereon Nußbaum Ton und Technik: Christoph Rieseberg und Beate Braun Regie: Claudia Kattanek Redaktion: Ulrike Bajohr Eine Produktion des Deutschlandfunks mit dem Südwestrundfunk 2014 26 34