COPYRIGHT: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von DeutschlandRadio / Funkhaus Berlin benutzt werden. Ein schöner Mord und der Geist der Kochkunst Feinschmecker klären auf Von Paul Stänner Regie Musik unter Zitator, ein klassisches französisches Akkordeon Simmel "Hier fällt mir nichts Gescheites ein." Sein Gesicht erhellte sich. "Wenn es den Herren angenehm ist, werde ich mich jetzt verabschieden und im Hotel ein kleines Abendessen vorbereiten, bei dem wir alles Weitere besprechen können". Louis Effel sagte entgeistert: "Sie wollen jetzt kochen gehen?" "Wenn Sie gestatten, Herr General. In der Küche kommen mir immer die besten Gedanken." Das denkwürdige Mahl fand sodann am Abend des 31. August 1939 statt. "Einmalig", sagte der General nach dem Hauptgang und wischte sich mit der Serviette über den Mund. "Phantastisch", sagte der Oberst. Autor Die Sache hat eine Vorgeschichte. Sehr finstere Verhältnisse führten dazu, dass ein französischer Oberst und sein General in derartige Begeisterung verfielen. Simmel Am 24. Mai 1939 , zwei Minuten vor 10 Uhr vormittags, hielt ein schwarzes Bentley-Kabriolett vor dem Haus Lombard Street Nr. 122 im Herzen von London. Ein eleganter junger Mann stieg aus. Sprecherin Thomas Lieven ist der jüngste Privatbankier Londons, eine Erscheinung mit Charme und Stil. Zwei Trainingseinheiten Judo pro Woche halten ihn fit und federnd, er ist schön, erfolgreich und von den Frauen begehrt. Autor Doch die Verhältnisse sind gegen ihn - zum einen befinden wir uns unmittelbar vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs und die internationale Lage ist so angespannt wie sie nur sein kann, bevor der erste Schuss fällt. Sprecherin Zum anderen hat Thomas Lieven einen hinterhältigen Geschäftspartner, der ihn ausbooten will. Der falsche Freund schickt Lieven nach Deutschland, wo er prompt der Gestapo in die Hände fällt. Simmel "Junge, Junge", sagte Thomas Lieven, "wenn ich das im Club erzähle!" Autor Was er wann dem Club erzählen kann, wird für lange Jahre Lievens geringste Sorge bleiben. Sprecherin Lieven wird gezwungen, für die Gestapo zu arbeiten. Das ist dem britischen Geheimdienst nicht verborgen geblieben. Bei seiner Rückkehr nach London wird Lieven gezwungen, als Doppelagent zu spionieren. Simmel Du lieber Himmel, dachte Thomas Lieven, wenn ich das im Club erzähle! Kein Mensch glaubt es mir. Sprecherin Und das wird man noch weniger glauben: Lieven ist in Paris bei seiner Geliebten - es kommt, wie man ahnen kann, aus dem Doppel- wird zwangsweise ein Dreifach-Agent. Der französische Geheimdienst jedoch ist ein unglücklicher, weil notorisch klammer Verein. Und das ausgerechnet jetzt, wo die Deutschen an der Grenze stehen. Der clevere Lieven ist als Bankier der Mann vom Fach und bekommt den Auftrag, die Kriegskasse der Grande Nation zu füllen. Autor Als ein Mann, der selbst das gute Leben liebt, ist Johannes Marion Simmel nett zu seinen Lesern. Das Rezept des Menus, bei dem der Oberst und der General in Verzückung geraten und die Kassen ihres Geheimdienstes gefüllt werden, ist der Erzählung beigegeben. Regie Spezielle Musik unter Rezept Simmel Sauerkraut, Fasan, Austern: Der Fasan wird wie zum Braten präpariert. Dann drücke man zwei Pfund Sauerkraut leicht aus und gebe es in eine Kasserolle. Nun kommt halb Weißwein und halb Wasser darüber, bis das Kraut bedeckt ist. Ein Stück Schweinespeck und eine geriebene Zwiebel kommen dazu. Nun muss das Kraut eine Stunde kochen; alsdann lege man den Fasan hinein und lasse ihn eine Stunde schmoren. Wenn er weich ist, nehmen man ihn heraus und binde das Sauerkraut mit etwas Béchamel-Sauce. - Die Austern befreie man von den Bärten, trockne sie mit einem Tuche ab und bestreue sie einzeln mit Salz und Pfeffer, wälze sie in Mehl, paniere sie mit Ei und Semmelbrösel, backe sie in klarer Butter rasch hellbraun. - Der Fasan wird in Stücke geschnitten, in der Mitte der Platte angerichtet und mit einem Kranz Sauerkraut und einem Kranz Austern umgeben. Regie Musik läuft aus Autor Simmel veröffentlichte den "Kaviar"-Roman 1960 - da war er bereits ein extrem gut verdienender Illustriertenautor, Drehbuchschreiber und Theatermann. Der Roman wurde ein internationaler Bestseller, aber was noch wichtiger war - sein pazifistischer Held Thomas Lieven gewann deshalb eine nationale und internationale Fan-Gemeinde, weil er so hinreißend un-deutsch war. Simmel "Wir Deutschen, liebe Kitty, können ein Wirtschaftswunder machen, aber keinen Salat", sagte Thomas Lieven zu dem schwarzhaarigen Mädchen mit den angenehmen Formen. Sprecherin Lieven ist reich, schlank, elegant und kocht mit der Leidenschaft des Amateurs. Simmel "Salat darf nie mit Metall in Berührung kommen," sagte Thomas Lieven. Kitty blickte wie hypnotisiert auf die schlanken Hände ihres Arbeitgebers, und sie hörte seinem Vortrag mit immer neuen Schauern zu. Autor Kurz zuvor noch hatte Wolfgang Koeppen in seinem Roman "Das Treibhaus" - Roman darüber gegrübelt, was für ein Problem die deutschen Köche mit dem Fürsten Esterhazy hatten, weil sie jedes verbrannte Stück Fleisch nach ihm benannten. Bei den 106 Rezepten in Mario Simmels Roman macht Kochen Freude. Sprecherin Lieven ist ein charmanter Verführer - Autor - Charme war in einer Nation, deren ganzer Stolz ihre Panzerwaffe gewesen war, allenfalls ein Thema für die Operette, nicht für den Alltag. Simmel "Zur Sauce", sagte Thomas Lieven, "nehme man ein Messerspitze Pfeffer, eine Messerspitze Salz, einen Teelöffel scharfen Senf. Dazu ein hartes Ei, kleingeschnitzelt. Viel Petersilie. Noch mehr Schnittlauch. Vier Esslöffel original italienisches Olivenöl. Kitty, das Öl bitte!" Errötend reichte Kitty das Gewünschte. "Vier Löffel davon, wie gesagt. Und nun noch einen Viertelliter Sahne..." Regie Nationalhymne, angeschrägte Version Sprecherin Und all diese sympathischen Eigenschaften verbinden sich damit, dass Lieven Pazifist und Nazi-Gegner ist, was im Deutschland der 60er Jahre auch nicht so richtig en vogue war. Bertrand Russell soll beim Verleger der englischen Ausgabe Erkundigungen eingezogen haben, wer sich hinter dem Pseudonym "Johannes Mario Simmel" verberge - der englische Philosoph wollte nicht glauben, dass ein Deutscher so viel Ironie, Selbstironie und Humor haben konnte. Autor Wir befinden uns literarisch in der Sparte des leichten Romans. Manche rüffelten damals, "Kaviar" sei ein Trivialroman und daher minderwertig, aber ein Trivialroman gegen die alten und noch aktiven Nazis - so konnte Simmel bei den zögerlichen Deutschen die Demokratie einschmuggeln. Regie Hymne endet Vierich 1. Regie Zur Information: kursiv sind die Bemerkungen des Autors, gerade die Interviewpassagen von Thomas Askan Vierich Zur Einleitung Raumatmo unterlegen O-Ton 1 Warum sind wir überhaupt hier, wo sind wir hier in diesem Lokal? Ein altes Stammlokal von mir, ich hab hier lange hier ums Eck gewohnt und ich sagte mir , dass ist mittags schön ruhig, ich war hier schon ewig nicht mehr, so bissel eine Rückkehr in meine Vergangenheit, ansonsten ist das nichts besonderes - gut, also wenn Sie sich auskennen - Nee, ist völlig egal nehmen sie irgendwas, schmeckt alles gut, bis auf die italienischen Sachen, die kenn ich nicht, das ist für mich neu, nein für mich ist es ein nostalgischer Ort, ... Regie abblenden und weiter laufen lassen, darüber Sprecherin Sprecherin Ein kroatisches Lokal in Berlin-Schöneberg, die Einrichtung im üblichen Braun, Sprossenstühle, Resopaltische mit kleinen Deckchen, ein überdimensionaler Deckenleuchter. Thomas Askan Vierich ist nach längerer Zeit der Abwesenheit mal wieder in Berlin. Hier war er einige Jahre Restaurantkritiker für das Stadtmagazin zitty, dann ist er nach Wien gegangen, wo er wiederum für Magazine arbeitet und wo er einen Kriminalroman geschrieben hat über ein Thema, in dem er sich bestens auskennt: die Berliner Gastronomie-Szene. In "Tödliche Delikatessen" geht es um Köche, Edelrestaurants und Erlebnisgastronomie, eine Gastro-Mafia und Restaurantkritiker, die über Gedeih und Verderb eines Lokals entscheiden können. O-Ton 2 Wir damals bei der zitty - wir sind ja noch inkognito dahin gegangen und haben uns nicht einladen lassen und haben uns nicht geoutet, erst nachher, wenn wir Fragen hatten, an den Wirt an den Koch, warum so warum nicht anders, wo kommt das her, warum dieses Gericht, aber wir sind wirklich inkognito hingegangen, aber viele Kollegen - man brauch ja bloß diese unsägliche Fernsehsendung , es gab mal einen Sender der hieß fab, Fenster aus Berlin, gibt's den noch? Und da gibt es einen Restaurantkritiker, .... Regie Abblenden, läuft weiter, darüber Sprecherin Sprecherin In Thomas Askan Vierichs Roman wird ein neues Edelrestaurant eröffnet. Hier ist teures Geld verbaut worden, alles ist vom Allerfeinsten, wenn das Restaurant ein Flop wird, hat man viel Geld verbrannt. Entsprechend liegen am Eröffnungsabend die Nerven blank. Auch die Garde der Berliner Gastrokritiker ist erschienen und wartet auf das Essen und dann später auf ihre Gelegenheit zur kritischen Bewertung. In der Zwischenzeit bekommen wir unser Essen. O-Ton 3 Guten Appetit - und das heißt, Sie sind dann also zweimal / dreimal die Woche essen gegangen - macht das dann noch Spaß hinterher? Jooh - das normale Essen gehen macht schon Spaß. Schwieriger wird's , wenn das so Veranstaltungen sind, wenn all die andern Kollegen kommen und dann das ganze dumme Geschwätz da abläuft, wenn man selber auch auf dem Präsentierteller steht, dann wird's anstrengend. Deshalb bin ich auch selten zu so was hingegangen, so Restauranteröffnungen, das was ich da auch beschreibe im Roman, dieses eine Kapitel, das ist stressig. Das heißt, das ist dann auch Schaulaufen der Kritiker. Ja, diese ganze Szene halt, man kennt sich ja, das dauert Stunden und man erfährt eigentlich nicht was über das Restaurant, weil nichts Repräsentatives an dem Abend passiert, aber ich mach's ja jetzt nicht mehr, irgendwann hab ich dann auch keine Lust mehr gehabt, das stimmt. Also es ist nicht mehr spannend? Es ist nicht mehr spannend wie alles nicht mehr spannend ist, vor allen Dingen, das viele Gerede übers Essen geht einem irgendwann auf den Senkel. Außerdem wird man verwöhnt, man wird kaum noch überrascht, es wird irgendwann alles mittelmäßig -denkt man. Andere finden das wahrscheinlich ganz super, was man da isst, aber man denkt, ahh, das hab ich schon mal besser gegessen und so, und dann geht die Freude verloren. Die Freude am Essen geht verloren - und vor allen Dingen hat man keine Lust mehr, irgendwelche gedrechselten Gemüsespiralen oder so was auf dem Teller zu haben, und das Allerschlimmste, was ich überhaupt nicht mehr sehen möchte, ist gestreuselte getrocknete Petersilie, die dann gestreuselt am Tellerrand liegt oder irgendwelche in Wellen verlegte Sirupspuren. Regie Musik zur Trennung, etwas mit asiatischem Einschlag Nebenzal Braddock, ein Londoner Anfang vierzig, war seit vierzehn Jahren in Hongkong. Er war untersetzt, und seine einst feste Muskulatur wurde schlaff; ein Hinweis auf seine anhaltende Vorliebe - oder vielmehr Leidenschaft - für die einheimische Küche. Autor Harold Nebenzal ist gebürtiger Berliner, ausgewandert in die USA und dort Drehbuchautor und Produzent. Nebenzal entführt seine Leser in das Hongkong des Jahres 1997. Es sind die letzten drei Tage, bevor die britische Kronkolonie an Rot-China zurückgegeben wird. Nebenzal Die Polizeibeamten, ob Engländer oder Chinesen, mochten ihn; desgleichen das Gesindel, das er hinter Gitter brachte. Sein Schreibtisch war ein Chaos. Akten, Veröffentlichungen, Notizen, Aschenbecher, die bis zur Halskrause mit Zigarettenkippen gefüllt waren; ein Schüsselchen mit kalten Nudeln, die außen schon erstarrten; Wegwerf-Eßstäbchen und sein ganz persönlicher Plastikständer, der Flaschen voll Sojasauce, scharfem Öl, rotem Essig, Fischsauce und Zahnstocher enthielt. Autor Die chinesischen Schriftzeichen für Hongkong bedeuten: Hafen der Düfte. In früheren Zeiten mögen dies die Düfte von Gewürzen, von Opium, Moschus und Weihrauch gewesen sein, die durch die Straßen am Hafen zogen. Aber dann gibt es noch eine zweite Bedeutung - im blumigen Jargon der Hongkonger Bordellbesitzer ist der Hafen der Düfte die weibliche Scham. Sprecherin Braddock bringt recht oberflächlich eine Einsatzbesprechung hinter sich und jagt aus dem Büro. Regie Chinesische Musik Nebenzal Draußen auf der Straße wartete Senior Inspector Lee in seinem Honda auf ihn. Sie wollten in einem neuen vietnamesischen Lokal zu Mittag essen. Lee war schon dort gewesen und hatte das banh cuon, die Leibspeise aller Vietnamesen, als himmlisches Hundefutter bezeichnet. Es bestand aus mehreren Schichten heller Schweinswurst, mehreren Metern weicher Reisnudeln, knusprigen, mit Curry gewürzten Brotwürfeln und Röhrchen aus Nudelteig, die mit braungebranntem Schweinefleisch, Chilis und Bohnensprossen gefüllt und anschließend mit gebratenem Knoblauch und Korianderblättern bestreut wurden. Mehr besser als Frau , dachte Braddock. Er hatte diesen Slogan in einem Tokioter Sex-Shop gesehen, wo er für einen hydraulischen Apparat für Handelsvertreter und sonstige Selbstbefriediger warb. Regie Musik Ende Sprecherin Ob eine solche Mahlzeit - ungeachtete ihrer asiatischen Opulenz - wirklich "mehr besser ist als Frau", würde Eddie Lim, Gangster mit Anstand und Gegenspieler von Ivor Braddock, bezweifelt haben. Nebenzal Erst jetzt bemerkte er die schlanke Gestalt neben sich unter dem Laken. Sie war keinen Tag älter als sechzehn und hatte ihm zu mehreren heftigen Orgasmen verholfen. Er spürte ein leichtes Brennen, schaute hinunter auf seinen yeuhng geu und sah den rosa Riss unterhalb der Eichel. Er verließ das Bett. Sprecherin Die Arbeit ruft, und auch für Eddie steht ein Wagen mit Chauffeur vor der Tür. Regie Musik Nebenzal Während sie im Tunnel, der Kowloon mit Hongkong verbindet, im Stau standen, schilderte Eddie seinem Chauffeur alle Einzelheiten seiner Liebesnacht mit dem jungen Mädchen. Wie sie ihn mit einem Mundvoll Tee befriedigt hatte; was für unglaubliche Dinge sie mit ihren Muskeln anstellte; ... " Aber heute morgen", bekannte er, "war ich so wenig zu gebrauchen wie ein kaiserlicher Eunuch." "Dann müssen wir ein schwarzes Huhn kaufen", sagte der Chauffeur. Eddie wusste, dass schwarzes Huhn , dessen Haut und Knochen tatsächlich durch und durch schwarz sind, als wirksames Stärkungsmittel gilt. Dazu muss man es mit Frühlingszwiebeln, Ingwer, koreanischem Gingseng und gou-leuhng-Wein simmern lassen. Als könne er Gedanken lesen, fügte Wai Joi hinzu: "Die Brühe wird dich wieder herstellen. Wenn nicht, gibt es ja noch Schlange. Vipernblut und Viperngalle werden dein Jadeschwert wieder zum Leben erwecken." Regie Musik Ende Autor Damit sind die wesentlichen Themen dieses delikaten Romans zusammen getragen. Essen ist entweder "Mehr besser als Frau" oder es dient dazu, mit einer Frau "mehr" - "besser" zu machen. Diesem Aspekt müssen sich alle anderen Geschichten der temporeichen Abenteuerromans unterordnen. Der Leser akzeptiert das gern. Sprecherin Die übrigen Parteien im turbulenten Geschehen sind eine Bande Yakuzas, japanische Gangster, und ein amerikanisches Ehepaar. Victoria langweilt sich in Hongkong, während ihr langweiliger Mann einen Vortrag vor Bankern hält. Autor Sein Thema lautet: Nebenzal Erlassen oder Vergessen? Die Rolle der Banken bei der Verschuldung der Dritten Welt. Autor Nebenzals süffisante Direktive an die Weltwirtschaft würden die japanischen Gangster nie akzeptieren, die in Hongkong auf der Suche nach einer Dschunkenladung voll antiker Kostbarkeiten sind. Zur Zeit ist Eddie Lim im Besitz der Beute aus einem Museumsraub und also hat er die Yakuza auf dem Hals. Viel Ärger, aber es ist noch Zeit für einen Imbiss. Regie Musik Autor Was ist Nebenzals Roman? Eine Kriminalgeschichte, so viel ist sicher. Ein erotischer Roman, auch das ist gewiss. Ein Abenteuerroman mit Slapstick und Humor, auch das ist der "Hafen der Düfte". Regie Musik läuft aus Sprecherin Gangster Eddie, der durch einen glücklichen Zufall die ehelich frustrierte Victoria kennen gelernt hat, führt als Asiate die Frau, die er beeindrucken will, in ein - Schweizer Restaurant aus. Autor Die Gegensätze sind es, die den Reiz ausmachen. Sprecherin - auch in erotischer Hinsicht, so scheint es, denn Victoria erlebt in Hongkong mit Eddie Höhepunkte, von denen sie in New York bei ihrem Man nie zu träumen wagte. Autor Wobei man einräumen muss, dass Eddie sich für das Liebesspiel unfaire Vorteile verschafft - er nimmt traditionelle asiatische Doping-Mittel. Regie Musik Nebenzal Der Apotheker suchte eine kräftig wirkende Viper aus und rief seinen Helfer, der mit dem Messer in der Hand erschien. Eddie und der Apotheker gingen wieder in den Laden. Kurz darauf erschien der Schlangenschlächter mit einem Tablett in der Hand. Darauf standen drei Schnapsgläser, jedes mit einer andersfarbenen Flüssigkeit. Eddie nahm das erste "Blut", sagte er und leerte es. "Galle", sagte er und trank das zweite aus. Er nahm das dritte, das wie Bernstein funkelte "Johnny Walker", sagte Eddie und kippte es hinunter. Regie Musik Ende Sprecherin Noch immer sind die Antiquitäten, die aus einem rotchinesischen Museum gestohlen wurden, nicht wieder aufgetaucht. Superintendant Braddock und sein Inspector Lee setzen sich zusammen. Polizeiliches Handeln ist gefordert. Es muss dringend etwas geschehen. Regie Musik Nebenzal Braddock und Lee hatten bereits mehrere winzige Tassen des bitteren, aber sehr aromatischen Tees geleert; eine Gepflogenheit, die dem Trinken eines Aperitifs entspricht, ein Mittel, um den Appetit anzuregen und zu steigern. Sie hatten sich bereits mit kleinen Portionen gedämpfter Kaldaunen in einer Sauce aus schwarzen Bohnen und Chili gestärkt; mit Garnelenravioli aus Reismehl; mit Hackfleischbällchen, mit winzigen Spare Ribs in eigenen üppigen Saft, mit dem obligatorischen bao, den faustgroßen Teigtaschen mit einer Füllung aus Hühnerfleisch, lap-cheung-Wurst und hartgekochtem Ei. Inspector Lee hätte gern über den vorliegenden Fall gesprochen, doch er wusste, dass Braddock das Geschäftliche so lange hinausschieben würde, bis er sich seiner absoluten Leibspeise gütlich getan hatte: geschmorten Entenfüßen, deren Schwimmhäute um ein saftiges Stück Fleisch gewickelt waren. Regie Musik Ende Sprecherin Die Ereignisse beginnen sich zu überschlagen - die Yakuza werden aktiv. Victoria wird entführt, Eddie wird verhaftet, den Yakuza geht es schlecht, Victoria kommt frei, die Chinesen übernehmen die Macht in Hongkong: für Superintendant Ivor Braddock der maximale Gau, denn deshalb muss er zurück in das Land von Kartoffelbrei, paniertem Fisch und Lammbraten mit Pfefferminz-Sauce. Regie Elgar, Pomp und Circumstance, frei zur Trennung Vierrich 2. Regie Zur Information: kursiv sind die Bemerkungen des Autors, gerade die Interviewpassagen von Thomas Askan Vierich Zur Einleitung Raumatmo unterlegen O-Ton 4 Wir müssen jetzt mal die Handlung rekonstruieren: es wird ein Lokal eröffnet, Spitzenlokal, das gibt's heute noch, heißt ein bisschen anders, das ist am Potsdamer Platz. Der Koch, den ich damals kannte, mit dem ich auch gesprochen hatte, wo ich nur diese "drei Sachen auf dem Teller" - das ist alles echt. Das gibt's wirklich, das war seine Philosophie. Zitator Vierich "Wie Sie sehen", erklärte Jo Jasper, als alle ihren Teller vor sich stehen hatten, "versuche ich nicht mehr als drei verschiedene Dinge auf einem Teller zu vereinen: Fleisch, Soße, Zwiebeln. Vorhin waren es drei verschiedene Fische: Zander, Saibling und Hecht. Die Beilage diente mehr zur Dekoration. Reduktion ist mein Ziel. Mehr als drei verschiedene Geschmacksnuancen kann unsere Zunge nicht gleichzeitig wahrnehmen. Die meisten Köche begehen den Fehler, uns mit ihrer Raffinesse zu überfordern. Prost, meine Gäste, ich hoffe, es hat Ihnen bis jetzt geschmeckt!" O-Ton 5 Das ist ein Grund, warum ich hier auch so gerne hingehe - diese scharfen Zwiebeln, wenn man sich einmal daran gewöhnt hat, dann kann man gar nicht mehr kroatisch essen ohne diese scharfen Zwiebeln - diese Philosophie von ihm war, und das war auch ein Grund, warum ich das Buch geschrieben habe, weil ich einfach - "Zurück zu den Ursprüngen" heißt, glaub ich, ein Kapitel, das ist ernst gemeint, das ist mir wirklich ein Anliegen, dass man wegkommt von diesem ganzen Gerede und dass man einfach sagt o.k. wir versuchen, die Essenz des Wesentlichen rauszuholen aus den Lebensmitteln, also diese teure Küche, die ist ja oft so kompliziert, die ist wirklich kompliziert, diese hohe Kunst, es zu machen, aber ich finde, es ist unnötig, warum muss das so kompliziert sein? Das brauch ich nicht. Ich möchte einfaches Essen haben - Kompliziert in der Herstellung? - Ja! in der Herstellung und auch in der Dekoration und auch in den Zutaten und dann sind da auch ausgefallene - das kann nicht irgendein Fisch sein, das muss ein seltener Fisch, den es nur in fünftausend Metern Tiefe (gibt), kostet dann ein Vermögen natürlich, aber warum? Wenn es Doraden gibt, die wunderbar schmecken? Warum muss das alles immer kompliziert und exotisch und sonst was sein. Brauch ich nicht - ich möchte Spaghetti haben, g'scheite Spagetti, und das ist schwierig genug. Regie Musik zur Trennung, britisch Lancaster Ich übertreibe nicht, wenn ich behaupte, dass der Besuch bei meinem Bruder im Internat St. Botolph ein entscheidender Moment in meinen Entwicklung war. Das Zusammentreffen mit menschlicher, ästhetischer und kulinarischer Minderwertigkeit stellte eine negative Erkenntnis von großer Aussagekraft dar und verfestigte die bereits in mir keimende Vermutung, dass mein künstlerisches Naturell mich von meinen angeblichen Mitmenschen trennte und isolierte. Sprecherin Der Erzähler in John Lancasters Roman "Die Lust und ihr Preis" ist ein verwöhntes Kind eines viel verreisten Geschäftsmannes und einer ehemaligen, glücklosen Schauspielerin, die sich darein gefunden hat, die Mutterrolle zu geben, so, wie sie früher die Ophelia gegeben hat. Lancaster Frankreich, nicht England, Kunst, nicht Gesellschaft, Absonderung, nicht Eintauchen, Zweifel und Exil, nicht bäurische Gewissheit, gigot au quarante gousses d'ail, nicht Lammbraten mit Minzsosse. Autor Der Erzähler ist zu einem nicht mehr ganz taufrischen Dandy herangewachsen. Im Moment verfolgt er, mit Abhöranlage und Tarnkleidung versehen, eine junge Frau und deren Begleiter auf ihrer Reise durch Frankreich. Allem Anschein nach ist er unabhängig, vermögend, ein kultivierter Feinschmecker und Weinliebhaber. Lancaster Die mit sympathischem Ernst dreinblickende patronne führte mich zu einem Ecktisch und demonstrierte damit - als wäre das nötig! - die immer wieder erfreuliche Haltung ehrfürchtiger Aufmerksamkeit des Franzosen gegenüber dem allein speisenden Gast. Autor Überraschenderweise fühlt sich der Erzähler von der Zuweisung des Katzentisches geschmeichelt - gewöhnlich gelten die Tische in der Ecke und an der Toilettentür als das letzte, was man einem Gast anbietet. Aber dem wirklich Selbstgefälligen schmeichelt sogar die Verachtung. Man kann nur neidisch sein auf einen Mann mit einer so unverwüstlichen Eigenliebe. Lancaster Ohne eine Blick auf die Speisekarte zu werfen, bestellte ich eine matelote, der Kellner war beeindruckt. Autor John Lancaster war Restaurantkritiker und Literaturredakteur, bevor er mit "Die Lust und ihr Preis" seinen ersten Roman schrieb. Das unmittelbare Vergnügen bei der Lektüre besteht darin, dass es ihm in glanzvoller Weise gelungen ist, die Literatur des englischen Dandytums und ihre Parodie elegant und mit kultivierter Bosheit fortzusetzen, ein Fest der blasierten Arroganz. Sprecherin Allmählich begreifen wir - unter einer Flut von kulinarischen Ausschweifungen - was es mit der Verfolgungsjagd durch Frankreich auf sich hat. Die junge Frau hat den Erzähler bereits einmal interviewt und ist zu einem weiteren Gespräch mit ihm verabredet, nur interessiert sie sich nicht für den Erzähler selbst, sondern für dessen verstorbenen Bruder, einen berühmten Maler und Bildhauer. Und sie interessiert sich auch nicht für die Anmache des Erzählers, denn sie ist frisch und verliebt verheiratet. Das kann der selbstverliebte Erzähler nicht begreifen: Dass es eine Frau geben soll, die nicht von ihm begeistert ist. Regie Rezeptmusik Lancaster Das Lammfleischgericht, dessen Rezept ich im folgenden nennen werde, ist die klassische und ehrlichste und auch die herausragendste französische Zubereitungsweise von gigot d'angeau: das bretonische Rezept für Lamm, das auf Salzwiesen geweidet hat. für agneau pré-salé. Heizen Sie den Backofen vor, bestreichen Sie die Lammkeule - sechs Pfund oder drei Kilo für acht Esser - mit Butter und Öl, braten Sie sie so lange, wie es dauert. Benutzen Sie ein Fleischthermometer, wenn Sie sich nicht sicher sind. Man kann auch mit einem kleinen Messer Einschnitte in die Keule machen und Knoblauch und Kräuter hineinstopfen. Die klassische bretonische Beilage sind Flageolet-Bohnen, kleine grüne Bohnenkerne. Regie Musik Ende Autor Dem folgen zahlreiche kunstvolle Abschweifungen, die die Geschichte des Lammgerichts betreffen, den Fortgang der Verfolgungsjagd, das Vergnügen, das ein kleiner französischer Leihwagen bereitet, die Apfelküche der Normandie - kurzum ein Schwall an geistreichen, selbstverliebten und nicht unwitzigen Kommentaren, bis wir Seiten später nach dem gigot d'angeau beim Dessert landen, während gleichzeitig das geliebte Objekt der Beobachtung ihr Hotel verlässt - es zeigt sich, der Autor kann nicht nur geschmackvoll kochen, sondern auch monströs schreiben: Regie leichte Flötenmusik setzt ein bei: >> sich mit Koffern abmühenden männlichen Begleiter<< Lancaster (vorweg mein Kompliment an den Zitator. Der Satz ist ein Hammer. Der Autor.) Meine persönliche Empfehlung wären Pfirsiche in Rotwein als ein Dessert, das ebenjene Schlichtheit und Unmittelbarkeit besitzt, die sich als die höhere Form von Komplexität erweisen kann, ganz so, wie eine der raffiniertesten Modeaussagen überhaupt die unvergleichliche und unübertreffliche Schlichtheit des kleinen Schwarzen ist, das seine Trägerin als Inbegriff der Eleganz kennzeichnet, sogar in einer so raffiniert gewöhnlichen, so dramatisch unvertrauten und untraut vertrauten Szenerie wie der, mit schlenkernder Handtasche aus dem Hotel zu treten und zum Mietwagen zu gehen, wobei man dem keuchenden, sich mit Koffern abmühenden männlichen Begleiter eine Bemerkung über die Schulter zuwirft, als würde man einen Schalzipfel nach hinten werfen, worauf der Begleiter einen Augenblick innehält, bevor er sich ans Beladen des Wagens macht ( die Geliebte ist unterdessen so unbeschwert ins Hotel zurückgeschlüpft, wie Ariel in den Kulissen verschwindet), und sich dabei wie ein Offiziersanwärter in der Prüfung mit einer Kombination aus Rechenexempel und psychologischem Test auf Führungseigenschaften konfrontiert sieht: Wie bauen Sie eine Brücke die und die Schlucht mit soundso viel Mann, soundso viel Seil und soundso viel Holzbalken? Regie Musik steht frei und endet Autor Und hier das Rezept für den Pfirsich. Regie Rezeptmusik Lancaster Tauchen Sie einen Pfirsich pro Person für dreißig Sekunden in kochendes Wasser; enthäuten und entkernen Sie die Pfirsiche. Kalkulieren Sie für jeden Gast ein Glas Rotwein oder Sauternes, sofern Sie letzteren bevorzugen (ich ja). Tunken Sie die in Scheiben geschnittenen Pfirsiche in den Wein. Zuckern Sie das Ganze, falls Ihnen danach zumute ist - de gustibus non est disputandum. Regie Musik Ende Autor Mit kleinen Prisen, die kaum merkbar eingestreut werden wie winzige Spurenelemente besonders delikater Gewürze, verändert sich der Geschmack dieses Romans - für unsere tastende Wahrnehmung wird immer deutlicher, dass der feine, kultivierte, gourmandise, dandyeske Manierist ein übellauniges, neidisches, amoralisches, misanthropes Ekel ist, das dazu neigt, Menschen, die es nicht mag, zu töten - zugegeben auf raffiniert minimalistische Weise. Mord als schöne ( als die wahre ) Kunst betrachtet: Regie Chopin, March funebre Lancaster Wir unterhielten uns über den Unterschied zwischen den zwei bedeutendsten kulturellen Erscheinungen der modernen Welt, den Künstler und den Mörder. Ich sagte einer der Antriebskräfte hinter jeglicher Kunst sei der Wunsch, eine dauerhafte Wirkung hienieden auszuüben, eine Spur seiner selbst zu hinterlassen. Autor So spricht der Mörder zu seinem Opfer. Die junge Dame ist schon ermordet, weiß es aber noch nicht und lauscht deshalb sorglos und wissbegierig den Worten dieses übertrieben feinsinnigen Erzählers. Lancaster Und dann sollten wir nicht übersehen, wie natürlich das Morden und wie unnatürlich die Kunst ist. Malerei und Musik und Bücher - alles so gewollt, so gezwungen, voller Erfindungen und Unwahrheiten, verglichen mit der einfachen menschlichen Handlung, einem anderen das Leben zu nehmen, weil man nicht will, dass er weiterhin existiert. Welche Tat könnte auf authentischere Weise menschlich sein als ein Mord? Regie March funebre endet Autor An dieser Stelle offenbart sich dem Connaisseur der Ursprung dieses Romans, gewissermaßen der Hefeteig, aus dem Lanchesters Werk aufgegangen ist. Es ist der berühmte, folgenreiche Essay "Der Mord als eine schöne Kunst betrachtet" von Thomas de Quincey, der 1859 verstorben ist. Lancaster Im Übrigen aber hat jedes Ding zwei Seiten. Den Mord zum Beispiel kann man einesteils von der moralischen Seite und meiner Meinung nach schwächeren Seite betrachten, wie dies gewöhnlich von der Kanzel herab und im Schwurgericht geschieht, man kann ihn andererseits aber auch ästhetisch würdigen, das heißt mit Rücksicht auf den künstlerischen Geschmack. Autor schreibt de Quincey , um etwas weiter fortzufahren in seinen kunsttheoretischen Erwägungen: Lancaster Scharfsinnige Berechnungen, meine Herren, feinsinnige Verteilung von Licht und Schatten, kurzum ein hoch entwickeltes, künstlerisches Empfinden, das sind die unerlässlichen Vorbedingungen zu einer solchen Tat. Autor de Quincey zögert nicht, genauere Anleitungen für die künstlerische Bewertung einer Tat zu geben, als da wären: Die Person des Mörders, die Örtlichkeit des Verbrechens, der Zeitpunkt und weitere Umstände der Tat. John Lanchester hat nun, in der Gefolgschaft seines makabren Vordenkers, aus seinem Erzähler einen kunstsinnigen und - wie alle Künstler - egomanen Ästheten gemacht, für den Mord eine ästhetische Befriedigung ist so wie der Genuss eines butterweichen Lamms von den Salzwiesen der Bretagne. Dessen selbstschmeichlerische Ruhmrede auf den Mörder als wahren Schöpfer gipfelt in dem Ausruf: Lancaster Wenn der Künstler die Auster ist, ist der Mörder die Perle. Regie Marsch funebre Sprecherin Das Mitgefühl des Lesers gilt dem frisch verheirateten Brautpaar, das nach einem exzellenten Frühstück eben dabei ist, sich von seinem Gastgeber zu verabschieden. Man hätte aufpassen sollen, was man isst, aber wer kennt sich schon aus mit Pilzen, die ihre tödliche Wirkung erst Stunden nach dem Genuss entfalten? Lancaster Ich wandte mich ab und ging zum Haus zurück. Als ich dort ankam, war das ermordete Paar bereits um die Kurve gefahren, und die Staubwolke, die es hinterlassen hatte, legte sich langsam. Autor Und letztlich müssen wir uns eingestehen, dass diese Theorie vom Mord als schöner Kunst auf uns zutrifft: Wir wollen eine gute Geschichte, einen raffinierten Mord, der den Ermittler vor eine reizvolle Aufgabe stellt. Genau aus diesem Grund lesen wir Kriminalromane oder lassen uns von Filmen fesseln. Ein stumpfer Ehrenmord, bei dem eine ahnungslose junge Frau von ihrem Bruder niedergeschossen wird, widert uns an - wir wollen die subtilen Geschichten eines Hercule Poirot oder einer Martha Grimes. Wir lieben das Kulinarische am Mord. Regie March funebre frei , Vierich 3. Regie Zur Information: kursiv sind die Bemerkungen des Autors, gerade die Interviewpassagen von Thomas Askan Vierich Zur Einleitung Raumatmo unterlegen Sprecherin Kroatisch essen mit Thomas Askan Vierich. Wir sind bei seinem Lieblingskroaten. Vierichs Teller mit scharfen Zwiebeln hat sich geleert, das Lokal dagegen hat sich allmählich gefüllt. Es ist Mittagszeit. Der Kellner erkundigt sich, ob alles nach Wunsch sei. Vierich bejaht und bestellt noch ein Bier. Es geht um seinen Roman "Tödliche Delikatessen" und einen Mord in einem Edelrestaurant am Potsdamer Platz in Berlin. O-Ton 6 Und da kommt jetzt eben der berühmteste Restaurantkritiker des Landes Heinrich Pompl, der eine durchaus kontroverse Gestalt ist, einerseits arrogant, selbstgefällig, fett, bollernd - auf der andern Seite aber auch einer, der durchaus mit Selbstironie sein Handwerk versieht, der wirklich Ahnung vom Essen hat, der kommt da, und dieser Heinrich Pompl ... der kommt dann auch, sagt nicht viel über das Essen, ob das gut oder schlecht ist, und fällt eben leider beim Nachtisch tot in den Pudding. Und jetzt ist ja die Frage, warum - Dieser Szene konnten Sie nicht widerstehen, dass jemand einfach mit seinem Kopf auf den Tisch fällt... vor allen Dingen, ich konnte auch nicht der Szene widerstehen, dass das Pudding ist, in einem Top-Restaurant, weil eben der Heinrich Pompl in einer Kolumne geschrieben hat, die Spitzenköche sollten sich mal um den deutschen Schokopudding..., weil das sei doch eigentlich was Leckeres, was man nie in einem Restaurant zu essen bekommen würde. Und dann kommt sein Nachfolger, sein journalistischer Ziehsohn, könnte man sagen - genau, der etwas ... vertrottelt ist vielleicht zu viel gesagt, der verwirrte, verwirrt wirkende - auch nicht eben vom Ehrgeiz gepeinigt - nein! nicht vom Ehrgeiz gepeinigte Alfred Brinkmann, der wird eher von seiner ehrgeizigen Freundin gepeinigt - aus den besseren Kreisen - die aus den besseren Kreisen kommt, was für spätere Romane noch wichtig sein wird - also die Theorie der Polizei ist ja nicht ganz klar, ob der Heinrich Pompl vergiftet wurde, ob er sich vielleicht selbst vergiftet hat oder ob das Ganze ein Unfall war, der hat sehr viel Medikamente genommen, dass er einfach ein blöder chemischer Prozess in seinem Magen stattgefunden hat, der - der toxisch endete - der toxisch endete und zu seinem Herzstillstand führte. Außerdem möchte auch niemand aus den einflussreichen Kreisen, dass das bis ins letzte aufgeklärt wird, weil, ob da jetzt Geld gewaschen wird in dem Restaurant, oder wer da wirklich das Ding finanziert hat, will man nicht wissen, - Gastromafia, das Wort will man auch nicht hören, also der Fall wird dann sanft entsorgt und der Alfred ist jetzt der Nachfolger geworden von dem Heinrich Pompl, leicht überfordert, aber durchaus auch mit Interesse und er sagt sich, dass kann's ja nicht sein, das war's dann so. Die Witwe - eine ziemlich lebenslustige Witwe - eine ziemlich lebenslustige Witwe, die aus dem Schatten ihres etwas omnipräsenten Mannes heraustritt - des toten Pompl - des toten Pompls, die beauftragt dann den Alfred weiter zu forschen, nachdem die Polizei den Fall offiziell zu den Akten gelegt hat. Dann kommt aber die türkische Mafia dazu - Ein Herr mit Namen Ecevit Öcalan (Gelächter) - Wie kam der zu dem Namen? - Also, die Namensfindung meiner Figuren ist immer eine kuriose Geschichte, lustig ist ja auch, der Alfred Brinkmann hieß früher Alfred Gusenbauer. Wie man weiß, der künftige Kanzler von Österreich heißt auch Alfred Gusenbauer, dann hab ich mir gedacht, na, da kannst nett machen und musste ihn umändern, und jetzt heißt er Alfred Brinkmann so wie meine Mutter, das ist der Name meiner Mutter. Der Özalan - Ecevit ist glaub ich einer der ehemaligen türkischen Ministerpräsidenten oder Staatspräsidenten und Özalan ist der jetzt im Gefängnis Sitzende oder ist er schon tot? , ich weiß gar nicht - Nein, er sitzt im Gefängnis, der PKK-Chef - genau - sitzt noch im Gefängnis und versucht seine Leute daran zu hindern, weiterzumachen - auch für diesen Menschen gibt es ein reales Vorbild, der ist zwar kein Türke, aber ein bekannter Gastronom in Berlin, den ich mal kennen lernen durfte und der durchaus eine Faszination auf mich ausgeübt hat, - eine halbseidene Figur, oder richtig kriminell? - im Roman ist er eine halbseidene Figur, und der hat eben eine Restaurantkette, hat als Döner-König angefangen und daraus ein kleines Imperium an durchaus gehobenen türkischen Lokalen aufgemacht, allerdings ist das son Typ, der eben genau das verkörpert, was ich nicht mag, diese Erlebnisgastronomie... und der macht ein lokal auf, das heißt Panasia&Co, das eben diesem Trend der panasiatischen Küche frönt... Also Alfred und seine Freundin Cordula werden entführt, auf offener Straße gekidnappt, direkt vor dem Europacenter und in einer Lagerhalle in Reinikendorf malträtiert, wobei sich dann aber Alfred in einem Rausch von Heldenhaftigkeit an seine kurzzeitige Karateausbildung erinnert, die aber auch wie alles in Alfreds Leben eher versickert ist und versandet ist mangels Ehrgeiz, aber immerhin konnte er sich kurzzeitig daran erinnern und kann sich und Cordula befreien aus den Klauen dieser finsteren Gestalten und flüchtet mit dem Auto der Entführer, verfolgt von denen in einem anderen Auto und es kommt zu einem fürchterlichen crash auf der Kreuzung Seestraße / Müllerstraße, wobei die Verfolger ins gras beißen müssen, was natürlich innerhalb des Romanes .. das ist überzogen natürlich, - Aber das ist so das action-element. - und dann hab ich gesagt, so jetzt musst du in dem Roman, der ja sehr viel mit Dialogen arbeitet und mit Reflektionen der Figuren, die durch Berlin laufen und sich gewisse Gedanken machen über die Stadt und ihr Leben und auch sehr viel privater Sachen dabei, wo dann Cordula und Alfred sich unterhalten, welche Klamotten man dann anzieht auf einer Restauranteröffnung und solche Dinge, und dann hab ich mir gedacht, auf der Hälfte des Romans, jetzt muss ich ein bisschen Bewegung in das Ding reinbringen und dann hab ich mir diese Entführungsszene, die grenzt schon an eine Karikatur, aber grenzt an eine Karikatur, und jetzt ist sozusagen die Kacke am dampfen, weil Polizei glaubt Alfred nicht, dass er entführt wurde sondern sie glaubt, dass es umgekehrt war, - jetzt krieg ich es gar nicht mehr zusammen, was glaubt die Polizei ? - die Polizei verdächtigt Alfred , genau: im Auto wurden 50 000 Euro gefunden, in dem Auto, in dem Alfred saß, was aber das Auto der Entführer war, und diese 50 000 Euro, glaubt die Polizei, sei Bestechungsgeld , was Alfred genommen hat und so - Alfred gerät ins Visier, endgültig ins Visier der Polizei. Hier ist der Kulminationspunkt erreicht , sehr sinnbildlich in diesem Feuerball, in dem das Auto der Verfolger Ecke Seestrasse/Müllerstraße - Das macht ihnen immer noch Spaß? - (Gelächter) das ist ja das Schöne am Romanschreiben, dass man solche Dinge inszenieren kann, also wirklich. ... das macht Spaß. Regie Übergang in eine spanische Musik, denn wir wechseln den Ort. Montalban Kein intelligenter Mensch und kein weises Volk kommt darum herum, Tomatenbrot als Ernährungsgrundlage der Menschheit anzuerkennen. Die sündige Speise schlechthin, da sie die Sünde für alle Menschen erschwinglich und erquicklich macht. Sprecherin Zutaten für 2 Personen: 8 Scheiben Weißbrot vom Vortag, 4 sehr reife Tomaten, 4 EL gutes Olivenöl, Salz. Montalban Sündige Speise auch, weil sie eine Alternative bietet zu allem Transzendenten, allem gefährlich Transzendenten, denn das Tomatenbrot verkörpert Gegenkultur. Sprecherin Tomaten halbieren und mit der Schnittfläche jeweils auf einer Scheibe Brot verreiben, so dass Kerne und Fleisch von dem Brot aufgesogen werden und nur die Schale übrigbleibt. Montalban Nicht Krieg führen, sondern Tomatenbrot zubereiten. Nicht rechts wählen, sondern Tomatenbrot essen. Nicht der NATO beitreten, sondern sich ein Tomatenbrot machen. Überall. Jederzeit. Sprecherin Die feuchten Brote salzen und mit Olivenöl beträufeln; das Brot am Rand zusammendrücken und wieder loslassen, damit sich das Öl besser verteilt. Montalban Und nach der Liebe Tomatenbrot mit etwas würziger Wurst. Regie Musik frei und weg Autor So einfach kann ein Rezept sein. Man hätte gern noch gewusst, was mit der ausgedrückten Tomatenschale geschieht, aber ungeachtet dieser Kleinigkeit hat uns der spanische Schriftsteller Manuel Vázquez Montalbán mit einem ebenso schlichten wie ausdrucksstarken Rezept vertraut gemacht. Es ist der Sammlung "Unmoralische Rezepte" entnommen, ein überzeugender Titel, denn für Montalban gehören die Genüsse des Essens und der Liebe unbedingt zusammen. Sprecherin Montalban schrieb für Zeitungen und das Radio, er verfasste Sachbücher, Rezeptbücher und vor allem die Kriminalromane um den Privatdetektiv Pepe Carvalho aus Barcelona. Regie Musik Montalban Charo blickte ihn strafend an. Quimet lachte. Carvalho schützte Eile vor und ließ die beiden Geschäftspartner allein. Es war Mittagessenszeit, und er wollte das Estrella de Plata aufsuchen, wo von einem gewissen Dídac López kreierte avantgardistische Milleniums-Tapas serviert wurden. Sprecherin Es ist das Jahr der Jahrtausendwende. Optimisten hoffen auf den Fortschritt der Menschheit und der Wirtschaft, Pessimisten befürchten den Zusammenbruch des Computersystems und religiös Veranlagte oder Getriebene erwarten den Weltuntergang. Inmitten dieser Gemengelage steht der Privatdetektiv Carvalho, finanziell eher dürftig ausgestattet, emotional hungernd, wenn er nur wüsste nach wem. Jünger wird er auch nicht und auch nicht reicher. Montalban Was mochte wohl für das Alter am meisten toxisch sein? Der Geldmangel. Die Artischocken sind harnreinigend, blutreinigend, helfen bei Rheuma und Gicht und lassen sich dennoch essen, ja sogar zubereiten. Sie erinnerten ihn an die Reisgerichte seiner Großmutter mit einer Artischocke, nur einer, einem Tintenfisch, nur einem, einer Tomate, einer Paprikaschote, als wäre die Eins Ausdruck ihrer Einsamkeit und des Unvermögens zu kommunizieren, oder aber einfach der miserablen Pension, die sie als Witwe eines pensionierten Polizisten bezog. Autor Montalban, der in späteren Jahren recht gut von seiner Literatur leben konnte, kannte die Armut. Schon als Junge hatte er entschieden, dass er vom Schreiben leben wollte. Er wurde Journalist. In der Franco-Epoche engagierte er sich im Untergrund gegen die Diktatur, Anfang der 1960er Jahre musste er für eineinhalb Jahre ins Gefängnis. Ein Teil seiner Kochleidenschaft rührt daher, dass er in der Gemeinschaftszelle unter improvisierten Bedingungen für das Kochen zuständig war, um das Zeug aus der Gefängnisküche zu kompensieren. Sprecherin Weil er unter Franco nicht als politischer Redakteur arbeiten konnte, schrieb er im Akkord für alles, was eine Peseta erbrachte, bis hin zu Gartenzeitschriften. Es ging um die nackte Existenz und nicht um ein Leben als Bohemien mit gourmandisen Neigungen. Den Arbeitsstil, der sich aus diesem Druck ergab, hat er beibehalten - über einhundert Bücher schrieb er, dazu regelmäßige Kolumnen in den Tageszeitungen der Nach-Franco-Demokratie. Regie Musik Montalban Er wollte sich nicht die Mühe machen, die gefüllten Hühnerkeulen zusammenzunähen, also bereitete er eine Farce aus Schweinefleisch, Huhn, Schinken, ein paar Brotwürfel, Ei und einer Trüffel zu, füllte die Keulen, bestrich sie mit Öl und wickelte sie in Alufolie, um sie in Papillote zu garen. Währenddessen machte er sich an den Fond, gab Weißwein, feingehacktes hartgekochtes Ei, Knoblauch, Petersilie und Nüsse hinzu und rundete die Soße mit einem Schuss von dem Cognac ab, in dem die Trüffel eingelegt gewesen waren. Als die Hühnerkeulen gar waren, nahm er ihnen das Leichentuch ab, - sie waren perfekt eingerollt - und ließ sie fünf Minuten in der Soße ziehen. Das Gericht konnte durchaus seinen Namen tragen: "Frikassee Pepe Carvalho". Alle Menschen sollten ein Kind haben, ein Buch schreiben, einen Baum pflanzen und sich das Rezept für ein Hühnerfrikassee patentieren lassen können. Regie Musikalischer Akzent, kurz frei dann dem Autor unterlegen Autor Wir verlassen Carvalho, als er Reis in Weißwein und Kräutern kocht und seine Geliebte Charo kommt. "Der letzte Bolero" ist ein melancholischer Roman - Carvalho steht vor den Trümmern seines Lebens: Sprecherin Ihm drohen Armut und Einsamkeit. Das Eingeständnis, dass er seine Chance auf die große Liebe verpasst hat, zermürbt ihn. Die politischen Kämpfe seiner Jugend sind passé. Statt politischer Bewegungen entstehen nur noch neue Religionen, Pseudoreligionen und wirre nationalistische Sekten. Den Gewinn aus dieser Hilflosigkeit zieht ein Netzwerk aus raffgierigen Politikern, Geheimdienstlern und Verbrechern. Am Ende, um der Welt außer einem Rezept für Hühnerfrikassee auch ein wenig Gerechtigkeit zu hinterlassen, begeht Carvalho einen Mord, um einen Mord zu rächen. Autor Zu den Romanen und Sachbüchern, die Manuel Vázquez Montalbán verfasste, gehören auch - wen wundert's - Kochbücher. Eines heißt "Unmoralische Rezepte", was nur naheliegend ist, sind doch die Verbindungen zwischen den Künsten des Liebens und des Essens zahlreich: Zunge und Lippen treten in Aktion, Geschmäcke müssen aufgenommen werden und Düfte. Sprecherin Die Beschaffenheiten von Haut und Fleisch müssen ertastet werden und die optischen Übereinstimmungen von Früchten und den primären Geschlechtsorganen ist an jedem Obststand dutzendfach zu beobachten. Viele Sprachen benutzen Ausdrücke wie "jemanden vernaschen" dazu, den Liebesakt zu umschreiben - Essen und Lieben gehören unbedingt zusammen. Sprecher Ob ein Bohneneintopf, selbst einer nach asturischer Art, vor einem Liebesakt das richtige Essen ist, darf mit Fug bezweifelt werden. Calalú aus drei Sorten Fleisch klingt da schon angemessener. Gehacktes mit Ingwer könnte fast schon ein Aphrodisiakum sein. Sprecherin Gut auf jeden Fall wäre etwas für danach: Autor Über "danach" schreibt Montalbán: Montalban In dieser geschenkten Zeit der Zärtlichkeiten gibt es nicht Zauberhafteres als volkstümliches Zuckerwerk, das ausnahmsweise nicht von einer Frau, sondern von einem Mann gereicht wird. Denn es ist eine sentimentale Streicheleinheit, eine Hommage an die häusliche Zuwendung, wenn ein Mann ein Tablett mit Bienmesabe aus dem Kühlschrank holt. Sprecherin Bienmesabe - zu deutsch: Schmecktmirgut Regie Rezeptmusik Montalban Eidotter ein paar Minuten lang schaumig schlagen. Zucker, Zimtstange und Zitronenschale in einen Topf geben und vermischen. Erhitzen, bis der Zucker sich auflöst und zu karamellisieren beginnt. Nach und nach unter ständigem Rühren die Mandeln zufügen. Aufpassen, dass die Masse nicht anbrennt. Zimtstange und Zitronenschale herausnehmen. Unter ständigem Rühren in eine Richtung das Eigelb hinzufügen. Sofort vom Herd nehmen, sollte die Masse zu kochen anfangen. Auskühlen lassen und kalt servieren. Regie Musik Ende Autor Warum lieben wir es, wenn unsere Detektive, wenn unsere Helden kochen oder doch zumindest begeisterte Esser sind? Vielleicht - weil ein Kriminalroman einem guten Essen gleicht: Der Autor hat wie ein guter Koch viele Zutaten zusammengerührt - Charaktere, Tatorte, Motive, elegante Kleidung, Stimmungen - und wir als Leser, als Bücherverschlinger, versuchen, sie alle einzeln herauszuschmecken und zu würdigen. Sprecherin Vielleicht ist es aber auch so, dass wir Helden, die das Essen und damit das Leben genießen, eher vertrauen. Es war das Manko der Detektive der amerikanischen Schwarzen Serie, der Helden von Hammett und Chandler, dass sie zwar pflichtschuldigst auf der richtigen Seite standen, aber mit ihrem Alkohol- und Tabakverbrauch einen fast so zerstörten Eindruck machten wie ihre Gegner - von ihren Manieren ganz zu schweigen. So jemanden respektieren wir, aber wir fürchten ihn auch. Autor Der kochende Detektiv ist ein Genussmensch, er schätzt das gute Leben und deshalb glauben wir, dass er es schützen wird. Er liebt das Leben so wie wir, und er liebt den Genuss so wie wir, denn wir sitzen gerade auf dem Sofa, trinken Wein, essen Käse und lesen ein gut geschriebenes Buch. Vierich 4. Regie Zur Information: kursiv sind die Bemerkungen des Autors, gerade die Interviewpassagen von Thomas Askan Vierich Zur Einleitung Raumatmo unterlegen Sprecherin Kroatisch Essen mit Thomas Askan Vierich - ein Gespräch über Speisen und Morde. Die Teller sind abgeräumt, der Kellner naht mit dem unvermeidlichen Schnaps auf Kosten des Hauses. Wir kommen zum Schluss. O-Ton 7 Warum kam das Essen ? - Zum einen kennen Sie sicherlich die Szene aus ihrer Vergangenheit, zum anderen: es gibt ja relativ viele Romane in denen von Mord und Essen die Rede ist, oder Kochen, oder Detektive, die kochen oder dauernd essen gehen - Montalban - Ja, Montalban, obwohl ich den gar nicht kenne, muss ich sagen, ich habe, glaub ich, einen Roman von Montalban gelesen - Was ist daran das Spannende, diese beiden Faktoren zusammen zu kriegen, das richtig Kulturvolle, dass man etwas isst, zusammen mit etwas ganz Niedrigem, einfach Leute umzubringen? Oder ist es die Kunst beim Essen, also aus dem Essen heraus verschiedene Gewürze, verschiedene Stoffe herauszuschmecken, genau so, wie wenn man einen Roman liest , der auch versucht rauszukriegen, aus welcher Spur würde ich jetzt den Mörder herausfinden - Ja, ich glaube, das alles steckt da mit drin, auch so dieses - ich glaub, es ist die Sinnlichkeit, das Sinnliche, ist da ganz wichtig, dieses unmittelbare. Also, ich bin jetzt kein Mensch, der sich über den Tod und das Ermorden an sich ernsthaft Gedanken macht, ich glaub auch nicht , dass das das Entscheidende ist, ich mag zum Beispiel nicht diese Fernsehserien und auch viele Thriller, die so geschrieben sind, wo das Mordopfer bis ins Detail beschrieben wird - Pathologen-Romane - genau, das ist nicht so mein Ding, wie gesagt, ich wollte ja den Kriminalroman als populären Rahmen nehmen, in dem man dann andere Geschichten erzählen kann und das Essen und Mord - ich mein, die Szene - ich glaub , Umberto Eco hat auch mal erklärt, warum er den "Namen der Rose" geschrieben hat, er wollte einen Mönch umbringen, so ähnlich ging's mir auch - ich wollte einen Gastrokritiker umbringen, der denn auch beim Essen stirbt, dass war sozusagen unbewusst, gar nicht jetzt aufgeschriebene, Ur-Idee. - Jetzt käme natürlich der Psychoanalytiker und würde sagen, die Vergangenheit als Gastrokritiker, das ist sozusagen eine Form von Selbstmord - Ja! war es auch, ist sicherlich so. Regie Musik und Absage 29