COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Länderreport / 12.01.2011 "16 Johr in Deitschland" - Von der schwierigen Integration der Russlanddeutschen Autor: Hendrik Heinze Red.: Claudia Perez Länge: 19:24 Anmoderation: In der kasachischen Steppe spielten Peter und Maria Warkentin als Deutsche unter Russen Theater, spielten Dürrenmatt und die Klassiker. Dann kollabierte die Sowjetunion, die Deutschrussen zogen nach Deutschland, und auch die Schauspieler des Deutschen Theaters Alma Ata wanderten aus. Einige landeten im Norden Baden-Württembergs. Peter und Maria Warkentin sind heute noch dort, als Russen unter Deutschen. Die Warkentins müssen sich durchbeißen. Sie können sich nichts anderes vorstellen als das Bühnenleben, so schwierig es auch ist als freies Theater in einem fremden Land. Aber sie haben einen Vorteil: Dem deutschen Publikum können sie etwas neues aus dem Osten erzählen. Und dem russlanddeutschen Publikum können sie so eine wichtige Frage stellen wie: Ist Heimat das, was wir Russlanddeutschen zurückließen? Oder doch das ersehnte "Vaterland" Deutschland, das uns gar nicht mit offenen Armen empfing? Und vor allem: Wie können wir uns hier heimisch machen? Peter und Maria Warkentin sind angekommen, manchmal wehmütig, meist zufrieden. "16 Johr in Deitschland" haben sie hinter sich, wie sie es in ihrem russlanddeutschen Dialekt ausdrücken. Nun helfen sie ihren Landsleuten von der Bühne herab, sich einzuleben in diesem vertrauten, fremden Land. ANFANG Ausschnitt Bühne 2 Musik Akkordeon als Bett für O-Ton Ausschnitt Bühne 5 Introsequenz: [Maria] "So kamen wir in dieses für uns völlig unbekannte Land, mit neuen Hoffnungen, Erwartungen, Ideen." Ausschnitt Bühne 2 Musik Akkordeon hochkommen lassen Ausschnitt Bühne 5 Introsequenz: [Peter] "Doch nun sind die meisten von uns 10, 15 oder aber auch mehr Jahre in Deutschland. Im Gröbsten haben wir die Probleme des Einlebens überwunden. Haben den Abstand gewonnen, einige Dinge anders oder neu zu bewerten. Für einen Neuankömmling ist ja alles neu." (beide Teile: 36sec) Ausschnitt Bühne 2 Musik Akkordeon hoch und unter Autor zu Ende Wenn unsere Warkentins Theater spielen, dann fahren im Dorf keine Trecker. So hat es der Ortsvorsteher angeordnet, und die Landwirte halten sich daran. Die Fensterscheiben des alten Amtshauses von Oberstetten bei Bad Mergentheim sind dünn - jeder Traktorlärm auf der Schrozberger Straße stiehlt dem Publikum ein Stück vom Stück. Peter und Maria Warkentin sind beide Anfang 50 und seit 16 Jahren zuhause in Ober- und in Niederstetten, in Baden-Württemberg, in Deutschland. Und der Name ihres Zwei-Personen-Theaters drückt das aus: Russland-Deutsches Theater, mit Bindestrich zwischen Russland und Deutsches. O-Ton PW 1 "Wir wollten damit sagen, wir gehören einerseits zu dieser Minderheit. Aber andererseits wollten wir auch sagen, wir haben auch noch etwas zu bieten. Wir dachten schon, wir könnten etwas hierher bringen, was man nicht kennt hier." Atmo Saal 1 und 2 (mit Theaterglocke) Im Saal des Amtshauses wärmen sich gut 80 Zuschauer die Hände am Glühwein. Die Frauen des Dorfes haben einen Kuchenstand aufgebaut. Hier ist Theater noch ein Ereignis. Von der Bühne aus erklärt das Schauspielerehepaar den Russlanddeutschen das immer noch fremde Vaterland - und den alteingesessenen Deutschen die zweieinhalb Millionen oft immer noch fremden Zuwanderer. Ausschnitt Bühne 1 "Zwei Bettler sitzen mit Plakaten auf der Straße. Dem einen wird selten etwas gegeben, der andere erhält reichlich Gabe und dabei auch noch große Scheine. - Hey, was steht'n auf deinem Plakat, dass man dir so reichlich spendet? - Dass ich ein Russlanddeutscher bin, nach Russland zurückmöchte und bitte mir zu helfen genügend Geld für die Rückfahrkarte zu sammeln! [Gelächter]" Das Niemandsland zwischen Würzburg, Stuttgart und Nürnberg heißt bei seinen Einwohnern Fränkisch-Sibirien - die in Sibirien geborene Maria Warkentin hat keine Einwände gegen den Spitznamen. Sie und Peter haben einen weiten Weg zurückgelegt, um hier anzukommen - er ein Russlandmennonit aus der Altai- Region, sie eine Wolgadeutsche. O-Ton MW 6, Teil 1 "Ich bin in einem sibirischen Dorf aufgewachsen, ein kleines Dorf, mit 70 Häusern nur, und wi hätt dahoam bloss Deitsch verzählt. Bis siwwe Johr konnt ich kein Russisch verzählen. Und in der Schul, da hat man aufgepasst, dass wir, in der Pause zum Beispiel, dass wir net Deitsch miteinander verzählen." Ende der 70er treffen sich Maria und Peter an der Schauspielschule in Moskau und gehen gemeinsam in die kasachische Steppe. Dort spielen sie Theater als Deutsche unter Russen, einmalig in der Sowjetunion. Aber dann kollabiert das Riesenreich und die meisten Russlanddeutschen ziehen nach Deutschland. Auch die 36 Schauspieler des Deutschen Theaters von Alma Ata wandern aus. Sieben landen in Niederstetten. Die Warkentins bleiben als einzige, seit 1994 schon als Russen unter Deutschen. O-Ton MW 6, Teil 2 "Und dann als wir nach Deutschland kamen, da haben wir ganz stark die ersten Jahre das Gefühl gehabt, ich hab's auch heute noch, dort war ich eine Deutsche unter Russen, und hier dann die Russlanddeitsche unter den Deutschen. Und dann ist immer, man ist immer so ein bisschen unsicher, ja, also man hat dieses Selbstbewusstsein nicht gehabt." Die Russlanddeutschen kamen nach Deutschland, um ihr Glück zu suchen. Viele aber wollten vor allem nach Hause. "Wenn du 200 Jahre in China lebst, hast Du immer noch keine Schlitzaugen" - mit dem Spruch hatten sie sich zu Sowjetzeiten immer getröstet. Und nun kamen sie in die Heimat ihrer Vorfahren und fühlten sich hier so fremd wie Chinesen. Peter und Maria Warkentin hatten ihr Leben lang Theater gespielt - aber was als sowjetischer Staatsschauspieler komfortabel war, wird nun schwierig, als freie Theatergruppe in einem fremden Land. O-Ton PM 1 [Maria] "Es waren Momente, wo wir mit unserer Arbeit nicht so zufrieden waren. Wir haben ja versucht die ganzen Jahre, selbständig zu sein. Und wenn man aus dem Sozialismus kommt in dieses System Kapitalismus, das war völlig fremd für uns. Und das war schon hart manchmal, manchmal haben wir wirklich überlegt, wie geht es weiter. [Peter]: Sich selbst vermarkten, das ist uns fern. Diesen Beruf haben wir nicht erlernt, wir haben gelernt schauspielern, aber uns selbst zu vermarkten haben wir nicht gelernt, und das haben wir lernen müssen." Allerdings haben die Warkentins einen Vorteil, und den erkennen sie auch: Dem deutschen Publikum können sie etwas neues aus dem Osten erzählen. Und dem russlanddeutschen Publikum können sie so eine wichtige Frage stellen wie: Ist Heimat das, was wir Russlanddeutschen zurückließen? Oder doch das ersehnte "Vaterland" Deutschland, das uns gar nicht mit offenen Armen empfing? Und vor allem: Wie können wir uns hier heimisch machen? In ihrer Revue "MixMarkt - einfach anders" zitieren die Warkentins den russlanddeutschen Dichter Viktor Heinz: Ausschnitt Bühne 4 [Peter, bewegt]: "Und als ich dann in Düsseldorf war, da musste ich vor Rührung fast weinen, ich kam ja aus Russland und nicht aus Paris, wie der Dichtermensch Heinrich Heine. Ich hatte mich drüben so lange gesehnt, nach schönen deutschen Liedern, nach Osterglocken und Weihnachtsmarkt, drum neigte ich mich ehrfürchtig nieder. Jetzt wird mich schon keiner mehr anschwärzen hier und keiner betrügen und täuschen, jetzt bin ich zuhause im Vaterland, Ein Deutscher unter Deutschen! Ausschnitt Bühne 2 Brückenmusik traurig Akkordeon Berlin. Ein Wintertag. "Sibirische Kälte" schreiben die Zeitungen, die Verkehrsbetriebe sind heillos überfordert. "Sibirien", Synonym für Mühsal, Strafe, Frost, Verdammnis. Christoph Bergner ist 62, war in den 90ern kurz CDU- Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt und ist nun der "Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten." Als Migrationspolitiker ist Bergner auch Frustrationsmanager - wie etwa am 23. November: Der ehemalige Kanzler Helmut Schmidt kritisiert in der Bild-Zeitung die Einwanderungspolitik der vergangenen Jahre: Man habe zu wenig darauf geachtet, wer ins Land kommt. "Wir haben Hunderttausende Menschen aus Osteuropa als Deutsche aufgenommen", sagt Helmut Schmidt der Zeitung, "weil sie mal eine deutsche Urgroßmutter hatten - unabhängig davon, was sie können oder leisten." "ALS Deutsche aufgenommen" - gerade so, als ob sie keine seien. Die Sätze des Helmut Schmidt ärgern zweieinhalb Millionen Menschen. Und sie sind falsch, sagt Bergner, der seitdem versucht, die Wogen zu glätten. O-Ton Christoph Bergner 1 NEU "Helmut Schmidt hat unrecht, denn es ist Ausdruck einer oberflächlichen Betrachtung, mit der wir es leider in der deutschen Gesellschaft häufiger zu tun haben. Die Wahrheit ist natürlich, dass wir uns einer Gruppe zuwenden, der gegenüber wir eine besondere historisch-moralische Verpflichtung haben. Als Hitler die Sowjetunion überfiel, hat Stalin an ihnen Rache genommen, nicht weil sie als Russlanddeutsche für diesen Überfall schuldig und verantwortlich waren, sondern nur weil sie Deutsche waren." Helmut Schmidt bohrt seinen Finger in die Lebenswunde der Russlanddeutschen. Ein Leben lang waren sie die Deutschen, die "nemcy", wie es auf russisch heißt. Dann kamen sie nach Deutschland. Und niemand hatte auf sie gewartet, niemand schloss sie in die Arme. Schlimmer noch: Als Deutsche galten sie auch nicht mehr unbedingt. O-Ton Christoph Bergner 3 "Es gibt in der Wahrnehmung in der deutschen Öffentlichkeit gegenüber den Deutschen aus Russland ein großes Problem: Man beginnt ihre Zugehörigkeit als Deutsche zu bezweifeln, weil viele von ihnen die Bindung an die deutsche Muttersprache verloren haben. Dass die deutsche Muttersprache verloren gegangen ist, ist nicht die Schuld der Russlanddeutschen. Es waren die deutschen Lehrer, die liquidiert wurden von Stalin, es waren die deutschen Schulen, die aufgelöst wurden, und die deutsche Sprache wurde als die Sprache der Faschisten unterdrückt und verpönt. Das heißt, die Deutschen aus Russland begegnen uns als eine Schicksalsgemeinschaft, aber sie begegnet uns nur noch teilweise als eine deutsche Sprachgemeinschaft." Bergner zitiert die Pisa-Studie und auch ein aktuelles Papier des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung: Bei den Schulabschlüssen sei kein Unterschied mehr festzustellen. Auch die Heiratsvorlieben seien unauffällig, sonst ein klassisches Zeichen fehlender Integriertheit. Zwei Drittel der jüngeren Russlanddeutschen heiraten einheimische Deutsche. Bergners Botschaft: Die ältere Generation schlägt sich tapfer - und die jüngere Generation ist von den Einheimischen kaum noch zu unterscheiden. O-Ton Christoph Bergner 5 Neu Neu "Es sind immerhin 2,3 Millionen innerhalb von 20 Jahren nach Deutschland gekommen. Ich komme aus Sachsen-Anhalt, 2,3 Millionen, das ist exakt die Einwohnerzahl meines Bundeslandes. Alleine die Dimension zeigt, dass es Herausforderungen gibt. Aber was eben ganz auffällig ist, ist, dass in der zweiten, der hier aufwachsenden Generation sich eine vollständige Integration nachweisen lässt. Das Wichtigste Integrationsmotiv dabei ist, dass es sich um Deutsche handelt." Ausschnitt Bühne 2 Brückenmusik traurig Akkordeon Atmo Sushi-Restaurant Ein Sushi-Restaurant in Berlins Mitte. Hier trifft sich die junge Generation der Russlanddeutschen. Vier Menschen um die 30, alle nicht hier geboren, aber hier aufgewachsen, zur Schule gegangen oder studiert. Christina aus der Wolgograder Gegend erzählt, dass ihre Mutter als Russin gilt, deren zwei Schwestern aber als Deutsche. In der Sowjetunion sahen viele Deutsche zu, dass ihr Pass sie nicht mehr als Angehörige der deutschen Volksgruppe auswies, denn das machte das Leben oft schwerer. Auch Christinas Mutter handelte so, und deswegen ist Christina keine Deutsche, sondern als Russin an einer deutschen Universität eingeschrieben. Swetlana kam vor zehn Jahren aus der Ostukraine und arbeitet nun als Migrationsberaterin. Inna (sprich: Ina) aus Kasachstan mag nicht mehr erklären, warum ihr Vorname Inna mit zwei -n- geschrieben wird. Es stört sie, dass das Gespräch dann immer auf ihre Herkunft kommt. Und Edwin ist zornig. Er ist überzeugt, dass viele "Biodeutsche" in ihm immer nur den Balalaika spielenden und Wodka trinkenden Russen sehen wollen. O-Ton Diskussion der Gruppe über Integration und ihre Stellung in Deutschland Die vier wollen keine Sonderbehandlung. Sie fühlen sich als Deutsche. Und dennoch ist es ihnen wichtig, dass ihr russland-deutsches Erbe bewahrt bleibt. Dafür engagieren sie sich, etwa im Jugend- und Studentenring der Deutschen aus Russland. Edwin ist außerdem einer der Organisatoren eines russisch-deutsch- internationalen Theaterfestivals in München - kaum verwunderlich, denn er ist ein echtes Theaterkind. Edwin Warkentin ist der Sohn von Peter und Maria. Als sich im Dezember 1980 der erste Vorhang des deutschen Theaters hob, war seine Mutter im sechsten Monat mit ihm schwanger. In Temirtau, einer giftigen Schwerindustrie-Hölle in der kasachischen Steppe. Hierhin hatte Stalin zahlreiche Deutschrussen deportieren lassen, damit sie in den Industrieanlagen arbeiten. Und ausgerechnet hier nun dieses deutsche Theater, das einzige in der ganzen Sowjetunion. Ausschnitt Bühne 9 Historischer Ton Heinrich von Kleist Das Theater spielte - wie in diesem Ausschnitt - Heinrich von Kleist, spielte Tschechow, Dürrenmatt, die Klassiker. Immer unterwegs durch die weitverstreuten deutschen Dörfer in Kasachstan und Sibirien. Immer auf Bühnendeutsch mit russischer Simultanübersetzung. Und irgendwann begriffen die Schauspieler, dass ihr deutsches Publikum das Stück auf Russisch verfolgte, Mütterchen mit Kopfhörern über den Kopftüchern. Die Vorfahren der Deutschrussen waren zwar zu Goethes Zeiten nach Russland gekommen, Goethes Deutsch aber verstand in der kasachischen Steppe deswegen noch lange niemand. O-Ton PM2 [im Dialekt] "Ja klar, Plattdeutsch war Muttersprache. Wir haben zuhause nur Plattdeutsch geredet." (5sec) Das Theater entwickelte sich, und mit ihm die Warkentins. Umzug von Temirtau nach Alma Ata, Deutschrussische Autoren, deutschrussische Dialekte, vielbeachtete Stücke über die traurige Geschichte der Deutschrussen. Aber die Ironie der Geschichte ist schneller: Der Eiserne Vorhang geht auf, und der Theatervorhang recht bald darauf zu. Das Ensemble folgt seinem Publikum in den Westen - ein Volk macht sich auf den Weg. O-Ton PM 3 [Maria]: "Wir waren eine von den letzten die dann ausgewandert sind, wir sind praktisch die letzten vom Theater gegangen. [Peter]: Ja, um es genau zu sagen, die Ziele des Theaters waren verfallen, man musste nicht mehr kämpfen um die Wiederherstellung der Rechte und Wiederherstellung der Kultur. Und wir sind dann auch samt unseren Zuschauern nach Deutschland ausgereist." Die Warkentins reisen aus, und mit ihnen das geschnitzte Nudelholz, die Bettwäsche, die Töpfe. Auch davon erzählen sie auf der Bühne, meist in Marias liebster Rolle: ein russlanddeutsches Mütterchen. Vieles an ihr ist sehr sibirisch, die schreiend unmodische Kleidung, ein unförmiger Anorak, das Kopftuch. Die Großmutter versucht, die neue Heimat zu verstehen. Und sie erzählt gerne von früher. Ausschnitt Bühne 8 Maria erzählt als Bühnenfigur 'russlanddeutsches Mütterchen', wie die Russlanddeutschen Töpfe mitnahmen. O-Ton MW 3 "Was ich zum Beispiel auf der Bühne darstelle mit den Töpfen, das ist wirklich wahr. Und wenn ich das erzähle, dann lachen die Russlanddeutschen, da erkennt sich jeder. Fast alle haben wir Bettzeug mitgebracht, dann Töpfe mitgebracht. Da hat man nur geguckt, dass man eine Bratpfanne hat, dann so ein [Russisch] heißt es, das ist so ein Gusstopf für kasachisches Gericht heißt es 'Plow', oder Strudel macht man drin, weil das so ein Gusstopf ist, er ist richtig schwer, und er hält die Wärme." An diesem Abend sitzt ein Mütterchen mit einer größeren Gruppe im Publikum. Die alte Frau hat viel Ähnlichkeit mit der Bühnenfigur. Die Gruppe lacht an den wenigen russischsprachigen Stellen, daran erkennen die Warkentins ihre Landsleute. Nach der Aufführung kommen sie zu Maria: Sequenz Atmo Theaterfoyer - "[Maria]: Von wo kommt ihr? [alte Frau aus Sibirien, im Dialekt]: Von Russland! [Maria]: Nee, ich waaß, aber jetzt? [alte Frau aus Sibirien]: Jetzt von Schwäbisch Hall. [Gruppe lacht] [alte Frau aus Sibirien]: Sie sehen so aus wie eine Matroschka, so schön [Gruppe lacht]. [Maria]: Aber mei Mama hat wirklich hat so getragen, die wollte nie sich umstellen! [alte Frau aus Sibirien]: Ich trag mich jetzt noch so, mir doch egal, wie die Deutschen laufen, ich zieh mich an, dass es warm ist, dass ich nicht frier!" Inzwischen finden auch viele Russland-Deutsche Gäste den Weg ins Russland- Deutsche Theater - und Peter Warkentin ist froh darüber, denn das war all die Jahre anders. O-Ton PW 2 "Es liegt wahrscheinlich daran, dass man am Anfang mit anderen Problemen zu tun hat. Am Anfang kommt erst mal der Wohlstand, man muss schauen, dass das Einkommen stimmt, man muss schauen, dass man die Wohnung hat, dass die Kinder in Ausbildung gehen, dass alles funktioniert. Erst dann kommt vielleicht Kultur, oder wir gehen mal irgendwo hin essen oder wir gehen vielleicht und schauen uns was an. In letzter Zeit ist es doch besser geworden, weil wir merken, so langsam kommen unsere Landsleute zu sich." Nach 15, 16, 18 Jahren im Spagat sind viele Russlanddeutsche nun in Deutschland angekommen. Ihre Eigenheiten haben sie behalten. Sie sind zu sich gekommen. Einige Weggefährten der Warkentins vom Deutschen Theater der Sowjetunion arbeiten ebenfalls weiter im Theaterbereich. Die anderen verdienen ihr Geld als Kirchenmaler, Krankenpfleger, LKW-Fahrer, Kellner. Auch Peter Warkentin arbeitet nebenbei als Nachtwächter in einem Projekt für junge Strafgefangene - nur wenige Russlanddeutsche dort, sagt er lächelnd. Sein Herz aber gehört dem Russland-Deutschen Theater - und auch wenn die Russland- Deutschen langsam hier angekommen sind: noch gibt es viele, die die Geschichte der Warkentins und ihrer Landsleute nicht kennen. O-Ton VoxPop-Sequenz "Hiesige" Theaterbesucherinnen loben RD-Theater nach einer Vorstellung für die ihnen gewährten Einblicke in russlanddeutsches Leben Der Bundesrepublik sind ihre Russlanddeutschen wichtig, so steht es zumindest im schwarz-gelben Koalitionsvertrag. Im Sommer wird sich die Politik daran erinnern, dann ist es 70 Jahre her, dass Hitler die Sowjetunion überfiel und Stalin im Gegenzug die Russlanddeutschen nach Sibirien deportieren ließ. Vielleicht wird dann im Sommer auch jemandem auffallen, dass von zweieinhalb Millionen Russlanddeutschen kein einziger im Bundestag sitzt - türkischstämmige Abgeordnete gibt es derzeit fünf. Vielleicht ist bis zum Sommer auch ein Anerkennungsgesetz auf den Weg gebracht, das Bildungsministerium schreibt gerade am Entwurf. Es soll all jenen helfen, deren Berufsabschlüsse bisher in Deutschland nichts gelten. Und es trägt einen verheißungsvollen Titel: Anerkennung! Das wäre doch schön. O-Ton MW 2 "Manchmal wenn ich mich unterhalte so mit meinen Landsleuten, dann denke ich oft, man müsste ein Denkmal setzen, was sie in diesen 15 Jahre oder 18 durchschnittlich, was sie alles doch geschaffen haben. Und ich denke, viele viele sagen dann auch, sie würden nicht mehr zurückgehen. Es ist hart hier, es ist schwer, aber zurück: nein." Ausschnitt Bühne 3 Schnörkellied 1: Maria besingt sehr fröhlich und in Versform die gelungene Integration O-Ton Christoph Bergner 2 NEU "Das Russlanddeutsche Theater in Niederstetten bringt die Geschichte der Deutschen aus Russland den Menschen mit künstlerischen Mitteln nahe. Verständnis für die Geschichte der Russlanddeutschen ist für die Integration in die deutsche Gesellschaft ganz wichtig. Und das Theater leistet hierzu einen wertvollen künstlerischen Beitrag." Ausschnitt Bühne 3 Schnörkellied 2: Maria besingt sehr fröhlich und in Versform die gelungene Integration. Schlussapplaus. ENDE