Deutschlandfunk GESICHTER EUROPAS Samstag, 9. September 2017, 11.05 - 12.00 Uhr KW 36 Leben ohne Terror - Die Basken und das Ende der ETA Mit Reportagen von Hans-Günter Kellner Redaktion: Ursula Welter Musikauswahl und Regie: Babette Michel Urheberrechtlicher Hinweis Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 44a bis 63a Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. (c) - unkorrigiertes Exemplar - 20. Oktober 2011. Die ETA verkündet das - Zitat - "definitive Ende des bewaffneten Kampfes". Rund sechs Jahre später wird sie beginnen, ihre Waffen abzuliefern. Ein zäher Prozess. Mehr als 40 Jahre nach Gründung der baskischen Terrororganisation. Ursprünglich hatte sich die ETA gegen die Franco-Diktatur gerichtet. Dessen, Francos Tod aber überdauert. Der nationalistisch motivierte Kampf der Basken forderte mehr als 800 Menschenleben. Willkommen zu den "Gesichtern Europas" . Die Reportagen von Hans-Günter Kellner handeln von Opfern und Tätern, von Leid und Versöhnung und vom vorsichtigen Blick der Basken nach vorne - in eine friedliche Zukunft: Der schwierige Ausstieg aus der ETA Es sind wohl viele Faktoren zusammengekommen, die zum Ende des Terrors geführt haben. Die spanische Polizei arbeitete immer effektiver und sehr eng mit den französischen Sicherheitsbehörden zusammen. Der interne Druck bei den militanten Separatisten wuchs, seit ihre Partei, Batasuna, zeitweise verboten war. Und selbst in den eigenen Reihen, bei den zeitweise mehr als 750 Mitgliedern der ETA in den Gefängnissen, bröckelte die Front. Häftlinge widersprachen der Führung offen. Einer der ersten Dissidenten war Kepa Pikabea, der inzwischen seit mehr als 20 Jahren in Haft ist, zunächst in Frankreich, inzwischen in Spanien. Maite Goizueta hat ihn als Sympathisantin in allen Gefängnissen besucht, in die er immer wieder verlegt worden ist. Darüber sind die beiden ein Paar geworden: "Die Leute der ETA waren für uns nicht vom anderen Stern. Sie waren unsere Brüder, Freunde, gehörten zur Familie. Leute aus dem Volk. Wir bewunderten sie für ihren Mut, zu den Waffen gegriffen zu haben". Maite Goizueta, 55 Jahre alt, erzählt im Park von Zubieta in der Nähe von San Sebastián aus ihrer Jugend - das war zu Beginn der 1980er Jahre im Baskenland. Als alle glaubten, die ETA kämpfe für die Freiheit. "Ein Cousin erzählte mir von Kepa . Kepa hatte in der gleichen Fabrik wie mein Vater gearbeitet. Wir gingen in eine Kneipe und mein Cousin stellte uns vor". Maite, mit roter Bluse, drei langen Halsketten und dem im Baskenland so weit verbreiteten Kurzhaarschnitt, ist eine selbstbewusste Frau. Nein, sie war nie Mitglied der ETA, sagt sie entschlossen und mit fester Stimme, fuhr aber als junge Frau oft ins französische Baskenland zu den "baskischen Flüchtlingen", wie sie die Mitglieder der baskischen Terrorgruppe nennt. Immer wieder traf sie dort auf Kepa Pikabea, schon damals ein bekanntes Mitglied der Organisation: Aber nein, sagt sie, und schüttelt mit dem Kopf, verliebt waren sie da noch nicht. "Als ich ihn kennenlernte war er gerade nach Frankreich geflohen. Wir sprechen vom nördlichen Baskenland. Das Kommando war bereits aufgeflogen. Sie lebten Jahre dort. Wir sahen uns oft, tranken Kaffee zusammen, aber nur als Freunde. Er lebte sein Leben und ich meins. Wir waren uns sympathisch, aber nicht mehr." Maite war inzwischen in einem Hilfskomitee für die hunderten in Spanien und Frankreich inhaftierten ETA-Gefangenen aktiv, organisierte Reisen in die teilweise weit entfernten Gefängnisse. Als Kepa Pikabea 1994 in Frankreich verhaftet wurde, besuchte sie auch ihn. Die spanischen Behörden machten ihn für mehr als 20 Morde verantwortlich. Im Untersuchungsgefängnis von Paris funkte es zwischen den beiden. Nach einiger Zeit wollte das Paar auch ein Kind. "Ein Häftling, der in Frankreich ein Kind haben möchte, muss das schriftlich beantragen. Auf demselben Formular bittet man auch um Schuhe oder Zahncreme. Ich würde im Krankenhaus künstlich befruchtet werden. Die französischen Gesetze erlauben zudem nicht mehr als zwei Versuche. Bin ich dann nicht schwanger, gibt es keine weitere Möglichkeit. Als ich davon erfuhr, war ich entsetzt. Wer ist der Staat, dass er sich dermaßen in mein Leben einmischt? Ein Häftling ist verurteilt, aber ich doch nicht. Ich bin ein freier Mensch." ...empört sich Maite, und zündet sich eine Zigarette an. Die großen Ohrringe pendeln von einer Seite zur anderen. Das Paar fügte sich den Verordnungen nicht und überlistete stattdessen die französischen Wächter. So kam der heute 17-jährige Sohn zur Welt. Da waren dem einst so überzeugten Terroristen längst Zweifel am Sinn der Gewalt gekommen. Entscheidend waren die Mordanschläge der ETA auf baskische Kommunalpolitiker, die Mitte der 1990er Jahren begannen. "Während eines Besuchs sagte er mir: ‚Maite, Du musst wissen, ich bin aus der ETA ausgestiegen.' Ich sagte ihm, dass ich ihn respektiere und für mich sich nichts ändert. Auf der Straße sahen mich die Leute aus den linksnationalistischen Gruppen plötzlich anders an. Aber er war noch im Gefangenenkollektiv. Da waren die Reaktionen nicht so schlimm." Denn bis dahin war Pikabea noch kein Dissident, der seinen Austritt öffentlich machte. Das änderte sich 2006. Aus Protest gegen den Anschlag auf den Madrider Flughafen inmitten einer Waffenruhe verließ Pikabea auch die Organisation der Häftlinge der ETA, das Gefangenenkollektiv. Stattdessen gründete er zusammen mit anderen Dissidenten eine neue Gruppe. Sie nannten sich: "Häftlinge, die sich dem Friedensprozess im Baskenland verpflichtet fühlen." Etwa 30 solcher Dissidenten gibt es inzwischen. "Das hatte natürlich Konsequenzen, nicht nur für sie selbst, sondern auch für uns, die Angehörigen, die draußen sind. Die haben ja Anwälte, politische und soziale Unterstützung, das ist plötzlich alles weg. Auch ich, die draußen ein großes soziales Netz hatte, hatte plötzlich niemanden mehr. Wir sind vollkommen ins Leere gefallen. Dann kamen sehr schwerwiegende Anschuldigungen hinzu, die sich natürlich als falsch herausgestellt haben." Die Dissidenten wurden als Verräter und Kollaborateure beschimpft. Maite blickt nachdenklich auf die Kinder, die im Park spielen. Sie will ein paar Schritte gehen, der Sand des Wegs dringt in ihre Sandalen ein. "Uns war klar, dass Schluss sein musste. Wir konnten den künftigen Generationen, unserem eigenen Sohn, dieses Leid nicht mehr zumuten. Ich bin durch so viele Gefängnisse gereist und habe dabei so viele Kinder gesehen, die ihre Väter im Gefängnis besucht haben. Wir haben nicht das Recht, ihre Zukunft zu zerstören! Niemand sollte mehr leiden. Das war mir und Kepa sehr wichtig. Wir haben vor allem an die künftigen Generationen gedacht." Inzwischen muss Pikabea nur noch nachts ins Gefängnis. Doch die Beziehung hat die Lockerung im Strafvollzug nicht ausgehalten. Maite ist ihrem Partner bei seinen vielen Verlegungen in Gefängnisse in Spanien und Frankreich hinterhergereist, doch jetzt haben sie sich getrennt. Es ist nicht die erste Partnerschaft, die die Freiheit nicht aushält, sagt Maite gedankenversunken Literatur: Felipe Juaristi, Frieden: Alkibiades: Meister, warum ist es so schwierig, dass Frieden herrscht auf der Erde? Sokrates: Weil wir 30 Jahre Krieg hatten. Und das Gegenteil von Krieg ist in einer solchen Situation nicht der Frieden. Alkibiades: Was ist dann das Gegenteil? Sokrates: Das Leben, mein Freund. Das Leben. Große Geste einer Witwe Als 1997 das Guggenheim-Museum in Bilbao eröffnet wurde, glaubte kaum jemand daran, dass tatsächlich irgendwann Touristen in die baskische Hafenstadt strömen würden. Inzwischen ist das Museum ein internationaler Magnet. Daran glaubten 1997 daran nur Optimisten - wer würde schon Urlaub in einer Stadt machen wollen, in der eine Terrorgruppe die Leute erschießt? Auseinandersetzungen zwischen der Sympathisanten der ETA und der Polizei waren in den 90er Jahre noch Alltag in Bilbaos Altstadt. Damals standen die Angehörigen der Opfer der ETA selten im Fokus der Medien, manche beklagen sich sogar, sie seien totgeschwiegen worden. Das hat sich längst geändert. Die meisten der Opferverbände fordern eine harte Linie im Strafvollzug für inhaftierte Terroristen. Doch manche Angehörige sind auch zu Treffen mit den Tätern bereit. Die Liebe geht weit über den Tod hinaus. Die Wohnung von Rosa Rodero zeigt das sofort. Seit mehr als 20 Jahren ist ihr Mann Joseba Goikoetxea schon tot, ermordet von der ETA, aber die Räume im Zentrum von Bilbao sind voller Erinnerungen. "Das ist von unserem Hochzeitstag. Joseba brauchte vier Jahre, um mich zu überzeugen. Ich hatte große Angst. Meine erste Ehe war schrecklich. Wir lebten schon zusammen. Aber Joseba wollte, dass wir eine richtige Hochzeit haben, dass ich eine glückliche Braut bin. Er sagte meiner Mutter, sie solle mich überzeugen. Sie antwortete nur: ‚So lange ihr glücklich seid, ist es gut für mich." Ganz in weiß hatte Rosa damals geheiratet, das Bild zeigt das Paar vor einem Fluss. Das war im kleinen Dorf Plencia, direkt am Atlantik, in der Nähe von Bilbao, erklärt die Witwe und zeigt auf ein zweites Bild von einem jungen Paar an derselben Stelle. Es ist das Hochzeitsfoto ihrer Tochter, mit der sie gerade etwas verärgert ist. Denn Rosa war im Urlaub, die Tochter hat so lange das Haus gehütet und ein wenig Unordnung hinterlassen. "Diese Kinder. Mal sehen, ob sie in ihrer Wohnung das besser machen. Den Kaffee trinke ich am liebsten mit Milch. Zucker nehme ich eigentlich nie zu mir. Aber im Kaffee schon. Viel Zucker. Wo haben die Kinder den Kaffee hin?" Eine resolut wirkende Frau mit vollem grauem Haar. Den Tod von Joseba wird sie wohl nie überwinden. Ihr Mann war Chef und Gründer der autonomen baskischen Polizei, der Ertzaintza. Die ETA tötete ihn am 22. November 1993: "Er verließ die Wohnung am Morgen, wie immer. Er setzte unseren Sohn an der Bushaltestelle ab, weil er mal wieder viel zu spät dran war. Der war damals 16 Jahre alt. Eine viertel Stunde später verließ auch ich das Haus. Auf der Straße sah ich dann alles. Das zerstörte Auto. Aber mein Mann und mein Sohn waren nicht da. Die Polizisten erzählten von dem Anschlag. Ich ging hoch ins Büro. Ich rief seinen besten Freund an. "Sie haben ihn getötet." Rosa holt ein weiteres Foto vom Regal. Es zeigt Männer und Frauen hinter einem Spruchband. "Joseba, wir sind hier", steht darauf in Euskera, in der baskischen Sprache. Kollegen Josebas, erklärt Rosa, die vor dem Zimmer ihres Mannes eine Krankenwache abhielten. Fünf Tage lang lag er im Koma. "An die fünf Tage bis zu seinem Tod kann ich mich kaum erinnern. Ich wollte unbedingt zu ihm. Als sie mich endlich zu ihm ließen, sagte ich nur: "Ich liebe Dich." Wir gehen immer davon aus, dass wir das wissen. Unser Partner liebt uns und wir ihn. Aber in diesem Moment sollte er wissen, wie sehr ich ihn liebe. Was er für mich bedeutet hat. Und was er mir heute noch bedeutet. Ich sagte immer nur: Ich liebe Dich. Ich liebe Dich - ich liebe Dich!" 20 Jahre später wurde Rosa in ganz Spanien noch einmal zum Aufmacher der TV-Nachrichten. Zu einer Gedenkveranstaltung für ihren Mann in Bilbao kam auch Carmen Guisasola, die schon Jahre zuvor aus der ETA ausgestiegen war und ihre Haftstrafe abgesessen hatte. Die ehemalige Terroristin und die Witwe des ETA-Opfers gingen vor laufenden Kameras aufeinander zu, umarmten und unterhielten sich. Guisasola war nicht unmittelbar am Anschlag auf Joseba beteiligt, trotzdem war Rosa schon damals klar, wieviel Symbolkraft in dieser Umarmung lag: "Mein Mann war lange hinter dieser Frau her. Einmal hätte er sie fast geschnappt. Sie will, dass dieser Schmerz, für den sie sich verantwortlich macht, aufhört. Als wir diese Ehrung für Joseba veranstaltet haben, kam dieser Schmerz wieder hoch. Es war ja genau an dem Ort, wo er starb. Am Platz der Concordia, am Platz der Eintracht. Die ETA hatte zwei Jahre vor dieser Veranstaltung das Ende des Terrors angekündigt. Da schloss sich der Kreis, das Ziel meines Mannes war erreicht. Seine ganze Arbeit hatte das Ende der Gewalt zum Ziel. Das alles lag in dieser Umarmung." Die Vokabel "Versöhnung" klingt ihr zu religiös. Aber Rosa Rodero hat sich entschlossen, die Mörder nicht zu hassen. Das bedeutet nicht, dass sie alles überwunden hätte. Sieben Jahre nach dem Anschlag fiel sie in eine tiefe Depression. Die Medikamente benötigt sie heute immer noch. "Der Traum war, zusammen alt zu werden, Arm in Arm spazieren zu gehen. In ein Café zu gehen. Ja, ich bin fröhlich, ich unterhalte mich gerne. Aber - mit 62 Jahren wäre jetzt die Zeit, in der ich das Leben mit meinem Mann genießen könnte. Ausgehen. Aber ich bin allein. Die Kinder sind aus dem Haus - und ich bin allein." Traurig will sie trotzdem nicht in die Zukunft blicken. Die ETA hat die Waffen niedergelegt, sogar die Übergabe ihres Arsenals versprochen, die ihr nahestehende Partei ist wieder legalisiert. Rosa nimmt ihre Jacke und den Müll, den die Kinder vergessen hatten, rauszutragen. Sie will zu ihren Enkelkindern: "Seit fünf Jahren muss ich beim Aufstehen nicht mehr denken: Mein Gott, wer ist heute dran? Verliere ich noch mehr Freunde? Jetzt sehe ich meine Enkel: In der Schule lernen sie spanisch und baskisch gleichzeitig. Drei Kinder, zwischen zwei und fünf Jahre alt. Und sie sind so unbeschwert. Das hat uns gefehlt." Das Baskenland hat das beste öffentliche Nahverkehrssystem in Spanien. Selbst kleine Dörfer werden mehrmals am Tag angefahren. In früheren Zeiten konnte man leicht in eine Kontrolle der Guardia Civil geraten. Paramilitärische Kontrollposten. Momente des Schreckens, des mulmigen Gefühls waren das, wenn vor einem Bus plötzlich Männer mit Helmen, schusssicheren Westen und MPs im Anschlag standen. Schwerbewaffnete, die in den Bus stiegen, die Reisenden aufmerksam musterten, zwar freundlich drein blickten, aber doch junge Männer zur Personenprüfung aus dem Bus auf die Straße holten. Heute sagen die Beamten der Guardia Civil: "Wir haben den Krieg gegen die ETA gewonnen." Sie haben dabei ein wenig Stolz in der Stimme. Dafür haben sie selbst einen hohen Preis bezahlt, mehr als 200 Beamte der militarisierten Polizeieinheit hat die baskische Terrorgruppe ETA im Laufe der Zeit getötet. Sieger im Anti-Terrorkampf ? Die Guardia Civil Der Sommer ist heiß. Trotzdem drehen die Jogger am Abend im Madrider Retiro-Park ihre Runden. Jugendliche liegen auf der Wiese des großen Innenstadtparks. Pedro ist auf der Rückreise vom Urlaub an der spanischen Mittelmeerküste in die baskische Provinz Guipúzcoa bei San Sebastián. Der Zwischenstopp in Madrid kommt ihm gelegen. Als Polizist bei der Guardia Civil untersteht er dem Militärrecht. Und das macht nicht nur Gespräche mit Journalisten schwer und brisant. "Wenn Du in einem Fußballspiel mit einem Vorgesetzten diskutierst, wegen irgendeiner Spielsituation, kann das im Militärgefängnis enden. Das ist doch wahnsinnig. Das hat ja nichts mit der Arbeit zu tun. Du treibst Sport, es geht etwas hitzig zu und Dir entwischt irgendein Blödsinn. Wegen so etwas landest Du im Militärgefängnis. Du bist 24 Stunden am Tag Guardia Civil-Beamter." Auch dieses Interview will gut geplant sein. Ein Treffen am Strandboulevard von San Sebastián, wo er gesehen werden könnte, verbietet sich. Hier im Park, in Madrid, geht es schon eher. Die Erinnerung ist wach an eine Zeit, die so lange gar nicht zurück liegt: Vor der definitiven Waffenruhe der ETA 2011 wäre ein solches Gespräch im Baskenland lebensgefährlich gewesen: "Jetzt ist der baskische Terrorismus ja nicht mehr aktiv. Aber lange Zeit war es etwas anderes, in der Extremadura Dienst zu haben oder im Baskenland. Wenn wir von der Arbeit nach Hause fuhren, mussten wir immer erstmal auf die Knie, unter das Auto schauen, ob da eine Haftbombe angebracht ist. Im Alltag mussten wir ständig um uns schauen, ob uns jemand folgt. Nicht, dass uns jemand in den Kopf schießt. Wenn Du im Baskenland stationierst warst, musstest Du Dich an solche Dinge halten. Von dieser Routine hing Dein Leben ab." ...und auch das der Familie, die er immer erst ins Auto steigen ließ, wenn der Motor schon lief. Jedes Mal, wenn er den Zündschlüssel umdrehte, schlug sein Puls schneller, erzählt der heute 50-Jährige. Bei manchen Anschlägen waren die Sprengsätze so gut versteckt dass sie bei der morgendlichen Kontrolle nicht aufgefallen waren und erst bei Zündung des Motors explodierten. Ein Leben in Angst, kaum auszuhalten.. "Wir hatten Fälle von Medikamentenmissbrauch, Alkoholismus. Noch heute haben wir eine hohe Selbstmordrate. Das hat auch mit dem Leben in der Kaserne zu tun. Du hattest damals kaum Beziehungen zur Bevölkerung. Das Problem war ja nicht nur, dass Du draußen erschossen werden könntest. Du bist in eine Kneipe auf ein Bier, und niemand sprach mit Dir." Pedro wischt sich den Schweiß von der Stirn, steht von der Bank auf, sucht einen kühleren Platz im Schatten. Die Hitze macht ihm zu schaffen. Er lacht: Dass er eigentlich aus Südspanien stammt, habe sein Körper wohl schon vergessen, sagt er. Er wurde Polizist, weil sein Vater es auch war. Seit 30 Jahren ist er im Baskenland stationiert, er will dort auch nicht mehr weg. Er fühlt sich oben im Norden zu Hause, hat Freunde gefunden, dort im spanisch-französischen Grenzgebiet. Hat sogar Einlass in eine gastronomische Gesellschaft gefunden. Diese Kochklubs nehmen längst nicht jeden auf: "Die Basken kochen deutlich besser als die restlichen Spanier. Du bringst da Deine Lebensmittel mit, kochst und isst. Das einzige, was du zahlst, sind die Getränke und eine Gebühr für die Reinigung. Fast alle sind ein bisschen chauvinistisch, Frauen dürfen dort nämlich nur speisen. Die Männer kochen und decken den Tisch. Wir singen dort auch oder sehen uns Fußballspiele an. Wir kochen gern. Das ist fast wie ein Gottesdienst, der da zelebriert wird." Osobuco oder auch Schweinsbacken sind sein Lieblingsgericht, allerdings nicht, wie oft üblich, in Rotwein- sondern in Weißweinsoße, sagt er und klopft dabei lachend auf seinen Bauch. Solche Kontakte mit baskischen Freunden waren lange Zeit nicht selbstverständlich. Die Guardia-Civil-Beamten lebten in Kasernen, wurden von vielen als Instrument der Repression, der Unterdrückung wahrgenommen. Bei Verhören sollen Festgenommene systematisch gefoltert worden sein. Pedro neigt nachdenklich den Kopf: "Na ja, es gab Fälle in denen gefoltert worden ist. Aber die Verantwortlichen wurden verurteilt. Diese Fälle stammen ja aus den 1980er Jahren und haben die ETA sogar gestärkt, weil sie so ihren Terror rechtfertigen konnte. Als wir weniger mit Stärke und mehr mit Geheimdienstmethoden gearbeitet haben, mit verdeckten Ermittlern, mit langen Observierungen Verdächtiger, begann ihr Niedergang. Wir gingen intelligenter gegen sie vor, wurden besser ausgestattet und geschult. Und die Bevölkerung distanzierte sich von ihr! Die ETA wurde gleichsam aus dem System geworfen." Doch davor gab es eben die Zeit, als auch der spanische Staat der baskischen Terrororganisation mit Gegenterror antwortete, in Frankreich untergetauchte mutmaßliche ETA-Mitglieder entführte und ermordete. Das war die Zeit der sogenannten "Antiterroristischen Befreiungsgruppen", abgekürzt GAL. Die Guardia Civil war daran beteiligt, der Chef der Polizeieinheit in San Sebastián wurde dafür zu einer langen Haftstrafe verurteilt. "Damit haben wir uns auf deren Niveau begeben. Das darf nie passieren. Wir repräsentieren den Rechtsstaat. In einer Demokratie kannst Du nicht gleichzeitig Polizist, Richter und Henker sein. Das ist Faschismus. Man darf sie nicht mit ihren Mitteln bekämpfen. Das hat uns sehr geschadet. Die Bevölkerung, die vielleicht auf unserer Seite stand, war damit plötzlich gegen uns." Doch ganz ist der Korpsgeist der paramilitärischen Polizeieinheit nicht aus ihm verschwunden. Kollegen, die einen mutmaßlichen Terroristen hart rannehmen, hätte er nicht verraten "Das war der Feind, die wollten uns ja töten." Doch das ist für schon lange her, sagt Pedro und steht auf. Er freut sich auf zu Hause, auf die Freunde, auf die langen Wanderungen mit seinen Söhnen durch die baskischen Berge - und auch auf die Arbeit. "Mir und meiner Familie gefällt es dort. Meine Söhne sind dort geboren. Einer spricht fließend baskisch. Der andere auch, aber er verwendet es nicht so oft. Wir haben uns an das Baskenland gewöhnt, wir fühlen uns dort wohl." Literatur DIE HEIMAT DER VÖGEL von Felipe Juaristi Die Vögel haben ihre Heimat: leicht wie eine Feder, vital wie die Luft, breit und weitläufig wie ein großzügiges Herz. Dort finden alle Vögel ihre Unterkunft, die traurigen und die fröhlichen, die schreckhaften und die mutigen, die großen und die kleinen, die schönen und die hässlichen. In dieser Heimat gibt es keine Flaggen. Aber alle Farben vereinen sich in ihrem Himmel: das Schwarz der Krähe, das Weiß der Taube, das Grün des Stieglitz, das Gelb des Kanarienvogels, und natürlich das Rot des Rotkehlchens. Es gibt keine Mauern in dieser Heimat, auch keine Käfige, keine Irrenanstalten, keine Kasernen. Es gibt keine Waffen in dieser Heimat, keine Gewehre, keine Pistolen. Es ist das Land der Freiheit. Ich träume jede Nacht, dass ich dort bin. GAL-Der andere Terrorismus Durango, Ermua, Tolosa... Kein Ortsschild im Baskenland, das nicht an blutige Anschläge erinnern würde. Die ETA sähte den Schrecken breit. Aber da war auch die andere Seite. Da war die staatlich organisierte Gewalt, die in Gestalt der sogenannten GAL daherkam - der "Antiterroristischen Befreiungsgruppen". Auf deren Konto gingen zwischen 1983 und 1987 27 Morde. Die GAL zielte vor allem auf ETA-Flüchtlinge in Frankreich. Eine Gewaltspirale. Es ist schwül an der Atlantikküste. Pili Zabala stellt eine Karaffe mit Wasser und zwei Gläser auf den Tisch ihrer Terrasse. Die malerische, grüne Landschaft hier bildet einen harten Kontrast zu Pilis Geschichte: "Im Alter von 21 Jahren, am 16. Oktober 1983, ließen sie meinen Bruder verschwinden. Er war ein sympathischer Bursche mit einem großen Sinn für Gerechtigkeit. Man darf ja nicht vergessen, 1975 war Diktator Franco gestorben, die Jahre der Demokratisierung Spaniens waren sehr konfliktreich." Pilis Bruder José Ignacio war eng befreundet mit dem Jungen vom Bauernhof in Tolosa, José Antonio Lasa. Sie gingen 1981 zusammen zur ETA, überzeugt, der spanischen Polizei die Stirn bieten zu müssen. Doch ausgerechnet in ihrer Heimatstadt wollten sie eine Sparkasse überfallen und wurden erkannt. Sofort flohen sie über die Grenze. Frankreich gewährte den Mitgliedern der ETA damals noch Asyl. Doch die spanischen Sicherheitsbehörden begannen, auf den Terror mit Gegenterror zu antworten. "Zwei Mitglieder des Komitees der baskischen Flüchtlinge besuchten uns und berichteten, dass José Antonio und José Ignacio seit mehreren Nächten nicht zu Hause geschlafen haben. Dass ihr Auto aufgefunden wurde, aufgebrochen, mit der Jacke meines Bruders und einem Haarbüschel auf dem Fahrersitz. Dass dieses Verschwinden nicht freiwillig war." Sie war damals 15 Jahre alt, erinnert sich noch heute die kleine und zierliche Pilar und nimmt einen Schluck aus ihrem Glas. 1985 fand ein Jäger die beiden Leichen in der Nähe von Alicante. Gerichtsmediziner konnten Folterspuren nachweisen, aber die Identität der Toten nicht klären. Zehn Jahre später brachte ein Polizeibeamter die Gebeine mit dem Verschwinden der jungen Basken in Verbindung. Pili hatte inzwischen Zahnmedizin studiert. Sie kannte die Unterlagen des Zahnarztes ihres Bruders und sah sofort, dass einer der beiden Toten José Ignacio war: "Für mich war traumatischer, die Wundverbände an den Knochen zu sehen, als seinen Kiefer. Vielleicht, weil ich mit der Anatomie keine Probleme habe. Die Untersuchung des Kiefers war wie ein herbeigesehntes Treffen. Die Verbände trafen mich hingegen sehr. Sie deuteten auf schlimme Folter hin. Die Wunden selbst sahen wir ja nicht, es waren nur noch nie Knochen übrig." Pili geht zum Bücherregal. "Das ist das Buch", sagt sie und streicht über den Titel. Der Schriftsteller Harkaitz Cano hat einen dokumentarischen Roman über den Fall geschrieben. "Er hat die Namen geändert. Ich habe das Buch meinen Brüdern geschenkt, aber keiner von beiden hat es gelesen." Außer ihr hat auch niemand in der Familie den gerichtsmedizinischen Bericht gelesen. Die Einzelheiten der Folter seien der 87-jährigen Mutter nicht zuzumuten, meint Pili. Zu einer Tortur wurde auch das Begräbnis. ETA-Sympathisanten wollten die Toten als Märtyrer bestatten, die baskische Polizei sollte eine solche Inszenierung verhindern: "Eine Bestattung ist etwas Intimes. Wir aber waren umringt von Polizisten. Sie behandelten uns wie Straftäter, während wir nur den misshandelten Körper unseres Bruders bestatten wollten, der uns 12 Jahre lang vorenthalten wurde. Das war schon schlimm genug. Und dann knüppelte die Polizei plötzlich völlig sinnlos auf uns Angehörige ein." Die Trauernden wollten die Särge öffnen, rechtfertigte die Polizei das Vorgehen, Pili verneint das. Sie berichtet stets in einem sehr neutralen Ton, fast protokollhaft, gestikuliert nicht, verzieht kaum eine Mine. Die Ereignisse hätten sie verändert, sagt sie, ihre Fröhlichkeit sei verschwunden. Die der ETA nahestehenden Linksnationalisten seien die einzigen gewesen, die ihnen zur Seite standen, aber auf diese Unterstützung wollte sie lieber verzichten: "Die Toten gehören niemandem. Und wenn, dann gehören sie ihren Familien, nicht dem Volk. Mein Bruder ist Opfer von Straftätern mit sehr grausamen Vorstellungen von Vaterland geworden, die mir überhaupt nicht gefallen. Aber die Vorstellungen der ETA von Vaterland gefallen mir auch nicht. Mein Bruder war ein Mensch, ich liebte ihn. Immer wird versucht, aus den Toten Helden zu machen, aber das sind sie nicht." So kandidierte Pili Zabala bei der Wahl zum baskischen Parlament 2016 auch nicht für Bildu, die Formation der Linksnationalisten, sondern für die neue linke Partei Podemos. Sie nimmt ein Foto aus dem Bücherregal, es zeigt sie an der Seite von Sara Buesa, der Tochter des im Jahr 2000 von der ETA erschossenen Sozialisten Fernando Buesa, zwei Freundinnen in inniger Umarmung. Doch Spanien erkennt nur die Angehörigen der Opfer der ETA als Terroropfer an, nicht jene der Staatsgewalt, beklagt sich Pilar Zabala. Geradeso als habe gebe es die Morde durch die " Antiterroristische Befreiungsgruppe" "GAL" nie gegeben: "Das ist sehr schwerwiegend. Sie haben uns nicht nur unermessliches Leid zugefügt, sie erkennen zudem auch ihre Schuld nicht an. So wie mir, geht es vielen. Wir müssen alle Opfer anerkennen. Ich bin mir sicher, dass viele Täter ihre Taten bereuen, die sie im Rahmen des Staatsterrorismus begangen haben. Es müssen noch viele offene Fragen beantwortet werden, um diese Erzählung zu vervollständigen. Damit sich das alles nicht wiederholt." "Die Generation des Schweigens" Der Verkehr, die Hochöfen der Stahlindustrie... Bilbao war eigentlich immer eine laute und schmutzige Stadt. Im 19. Jahrhundert war Bilbao das Zentrum der spanischen Industrialisierung. Menschen aus den ärmeren, spanischen Regionen kamen - das nährte die Angst der Basken vor massenhafter Einwanderung. Die ETA nutze Jahrzehnte später diesen Nährboden - und hoffte seit ihrer Gründung 1958, bei den Arbeitern Unterstützung für ihre Vorstellung vom marxistischen baskischen Staat zu finden. Heute regieren die Nationalisten das Baskenland. Aber sie rufen nicht nach Unabhängigkeit. Sie setzen auf Ausweitung der Autonomie und darüber verhandeln sie mit der spanischen Regierung. Und überhaupt: die ETA verschwindet zunehmend aus dem öffentlichen Bewusstsein: Der große Indautxu-Platz liegt im Herzen Bilbaos. Die Teenager stören sich nicht an der tristen Betonästhetik des Indautxu-Platzes. Etwa 50 Heranwachsende, keiner älter als 16 Jahre alt, üben sich in Rap-Duellen. Ein Zeremonienmeister stoppt die Zeit und gibt ein Thema vor, Technologie oder Sport, dann starten jeweils zwei Jugendliche ihren Sprechgesang. Die Texte zeichnen sich zwar durch viel verbale Gewalt aus. Aber keiner greift das Thema ETA auf. Die Eta habe sich doch aufgelöst, oder zumindest mache sie doch nichts mehr, fragt einer der Rapper etwas hilflos seinen Freund: Die jungen Leute kümmern sich eben um andere Dinge, meint Eñaut, der mit Gorka etwas abseits auf einer Bank sitzt. Die beiden sind Mitte 20, der eher schmächtige Gorka ist Informatiker, der kräftige und stets optimistisch lächelnde Eñaut hat sein Sportstudium gerade abgeschlossen. Sie können sich im Gegensatz zu den Rappern auf der Mitte des Platzes noch gut an die ETA erinnern: "Wir gehören einer Generation an, die ein wenig zwischen den Stühlen sitzt. Wir haben auf der einen Seite die spanische Diktatur nicht erlebt und auch nur die letzten Jahre der ETA. Aber wir können eine Brücke zu den Jüngeren schlagen, damit dieser Teil unserer Vergangenheit nicht vergessen wird, damit der Frieden auf soliden Fundamenten errichtet wird und sich dieser Konflikt nicht wiederholt." Bei einem Friedensworkshop des baskischen Jugendwerks zur Aufarbeitung der gewaltgeprägten Vergangenheit haben sich die beiden Angehörige der Opfer der ETA kennengelernt, bedrohte Journalisten und auch Opfer der Polizeigewalt - Menschen, die während der harten Jahre im Baskenland im Fokus standen. Die baskische Regierung versucht mit solchen Initiativen, einen gesellschaftlichen Dialog über die eigene Geschichte in Gang zu bringen. Das ist auch dringend nötig, meint Gorka: "Wir haben dort alle festgestellt, dass wir zu Hause nie über die ETA gesprochen haben. Nie haben wir über einen dieser Morde gesprochen. Auch nicht unter Freunden. Wir waren die Generation des Schweigens. Erst jetzt, nach vielen Jahren, beginnen wir, uns darüber zu unterhalten." Es waren Gespräche in einem Landhaus, abgeschottet von der Öffentlichkeit, die erst nach Beendigung des Treffens in einem Dokumentarfilm vorgestellt wurden. "Ja, sie schlossen uns ein und warfen die Schlüssel raus", sagt Gorka und lacht. Eñaut stimmt zu. Manche Dinge hätte er vorher öffentlich nicht eingestanden: "Es stimmt schon, mit 14 oder 15 Jahren konnte ich die Ansichten der ETA schon teilen. Ich kannte aber auch keine andere Sicht auf die Dinge. Das Umfeld der ETA hat ihre Wahrheit diktiert. Nicht in meinem Elternhaus, aber auf der Straße. Doch plötzlich benötigte jemand aus unserer Familie einen Leibwächter. Er war Stadtverordneter der Sozialisten in einem anderen Dorf. Das habe ich nicht verstanden. Wie kann jemand, den ich so sehr mag, so schlecht sein, dass er den Tod verdient? Aber wenn Du jung bist, bist Du wie ein Schwamm, der alles aufsaugt. Das Gute wie das Böse. Mit der Zeit konnte ich die andere Seite, die der Opfer, besser verstehen." "Immer, wenn sie jemanden getötet haben, haben wir uns gedacht, dass er schon irgendetwas getan haben wird. Die ETA würde ja niemanden einfach so umbringen." So setzt bei vielen Basken erst jetzt, sechs Jahre nach dem Ende der Gewalt, ein Nachdenken über die eigene Haltung zum Terror nach. Der Einfluss des Umfelds, der Gruppe, sei in den Dörfern, in denen sie aufgewachsen seien, sehr groß gewesen, geben die jungen Männer zu. Anders als in den großen Städten sei die Haltung der ETA und ihrer Unterstützer tonangebend gewesen. Und sie hätten keinen Widerspruch geduldet. So etwas darf sich nicht wiederholen: "Die Leute sollen nie mehr politische Ansichten für einen Grund halten, weshalb sie nicht miteinander sprechen. Das würde mir schon genügen." "Vor kurzem hat mir ein Stadtrat der Volkspartei berichtet, dass seine Hausfassade immer noch mit feindseligen Sprüchen beschmiert wird. Das muss alles aufhören. Unsere Generation muss aus all diesen Ereignissen lernen, damit wir in Frieden zusammen leben können. Frieden ist mehr als "keine Gewalt". Damit die Gesellschaft vorwärts kommt, müssen wir die Unterschiede zusammen bringen." Auffällig: Keiner der beiden erwähnt bei der Frage nach der Zukunft die Unabhängigkeit des Baskenlandes, der die ETA ihren Kampf ja gewidmet hatte. Wichtig sei ihm, in Frieden zu leben, sagt Gorka nachdenklich, und Eñaut, der zugibt, sich als Heranwachsender einmal über den Tod zweier Guardia-Civil-Beamter gefreut zu haben, denkt praktisch: "Mir ist der Wohlstand wichtig. Ich wünsche mir, dass das Baskische überlebt. Dass wir eine Stimme haben, eine Fußballnationalelf. Dass meine Kinder Baskisch, Spanisch, English oder auch Deutsch sprechen. Die Frage nach einem Bruch..., ich weiß nicht..." ETA, Unabhängigkeit... für die jugendlichen Rapper in der Mitte auf dem Indautxu-Platz von Bilbao sind das Themen aus einer Vergangenheit, die zunehmend in die Ferne rückt.. Es ist spät geworden. Vom Atlantik kommt ein kalter Wind über die Stadt. Gorka und Eñaut ziehen sich die Reißverschlüsse ihrer Jacken hoch und gehen ihrer Wege. Literatur Zeitung, von Xabier Montoia Für das Erlernen jeder Sprache empfiehlt man die Zeitungslektüre. Aber nicht für die Gesundheit. Auch in Sprachen, die Du überhaupt nicht verstehst kann irgendetwas auftauchen, was Dir das Leben ruiniert. Zum Beispiel eine deutsche Zeitung: "Baskenland: Zwölf Morde seit Beginn des Jahres". Du wirst nichts verstehen aber zwei Begriffe reichen: "Baskenland" - "Morde" Jesus Christus benötigte nur zwei Wörter. Zwei Wörter: Steh auf, und: geh! Das Nötigste, um sofort unzählige Tote zum Leben zu erwecken! Das waren die Gesichter Europas. "Leben ohne Terror - Die Basken und das Ende der ETA". Unser Reporter war Hans-Günter Kellner. Die Literatur stammte von den baskischen Lyrikern Felipe Juaristi und Xabier Montoia, Literatursprecher war Carlos Lobo. Musik und Regie Babette Michel . Ton und Technik Eva Pöpplein und Caroline Thon..... Die Redaktion hatte Ursula Welter, ich Danke fürs Zuhören ! 1