COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Länderreport: Wohin geht die Linkspartei? Autoren: Barbara Schmidt-Mattern, Susanne Schrammar, Axel Flemming, Wolf- Sören Treusch Die Linke in Nordrhein-Westfalen Von Barbara Schmidt-Mattern Atmo Gruppe skandiert: Spritpreise runter, Spritpreise runter... Ein Häuflein Parteimitglieder von der Linken steht mit einem knallroten Transparent vor einer Tankstelle in der Düsseldorfer Innenstadt. Doch kaum ein Autofahrer beachtet sie, einer zeigt den Aktivisten gar einen Vogel. Katharina Schwabedissen, die Landesvorsitzende der NRW-Linken, ist empört. Und dann auch noch das: Genosse Niels ruft die falsche Parole: Tankstellen enteignen, Tankstellen enteignen...Nicht die Tankstellen, Niels! Die Mineralölkonzerne, nicht die Tankstellen! Es läuft nicht gut für die Linke in NRW. Mitte Mai ist sie nach nur zwei Jahren Parlamentserfahrung, mit gerade einmal 2,5 Prozent Stimmenanteil, aus dem Landtag geflogen. Schockierte Reaktionen am Wahlabend: Mann: Ich finde, dass dieses Wahlergebnis katastrophal für die Linkspartei ist. Das hat sie nicht verdient. // Frau: Ich hatte mit so wenig nicht gerechnet, obwohl es egal ist, ob man mit 4,9 oder mit 2,5 (Prozent) verliert. Darauf kommt's dann auch nicht an. Als Oppositionspartei hat die Linke an Rhein und Ruhr kein eigenes Profil entwickeln können, weder personell noch inhaltlich. Hinzu kamen exzentrische Forderungen wie das Recht auf Rausch und die Abschaffung des Religionsunterrichts. Als "Hort des Wahnsinns" wird der als besonders links geltende Landesverband bis heute verspottet. Die Wünsch-Dir-Was-Botschaften der Linken - höhere Löhne, ein Sozialticket, kostenlose Bildung für alle - kamen bei den Bürgern nicht an. Stattdessen sind 90 000 Wähler bei der Landtagswahl von der Linken zur SPD abgewandert. Aber Katharina Schwabedissen, die gescheiterte Spitzenkandidatin, hält trotzig dagegen: Das Bild von der SPD als "Kümmerer-Partei" sei falsch: Dieses Bild, das Frau Kraft von der Agenda-Politik abgerückt wäre, das stimmt ja auch so nicht. Also es gab keine Initiative für eine Umverteilung von Frau Kraft. Es hätte ja eine Bundesrats-Initiative geben können, die hat es nicht gegeben. Und wenn man sich anguckt, dass zum Beispiel in dem Projekt "Eine warme Mahlzeit für jedes Kind im jetzigen Haushalt vorgesehen ist, die Mittel um 70 Prozent zu kürzen, dann ist das keine soziale, sondern eine herzlose Politik. Auch einen knappen Monat nach der Wahl wirkt die Linke noch immer gelähmt. Eigene Fehler, Selbstkritik, Analyse - bisher ist davon nichts zu hören. Stattdessen dienen die Medien in den Augen vieler Parteimitglieder als Sündenbock, besonders die Basis ist verbittert: Frau: Warum interessieren Sie sich für uns? Sie interessieren sich für uns, weil Sie eine Sensation erleben wollen und wie Sie hier alle weinend durch die Gegend sitzen. Das werden Sie aber nicht erleben. Totgesagte leben länger. Viele Parteimitglieder erinnern sich in diesen Tagen an das Jahr 2010 zurück: Da war die Linke mit hohen Erwartungen erstmals in den Landtag eingezogen und wollte im bevölkerungsreichsten Bundesland eine Art innerparlamentarische Protestpartei sein. Doch dann stellte sie sich selbst ein Bein. Die elfköpfige Fraktion verhalf Rot-Grün anfangs häufig zur Mehrheit und wurde bald schon als "Schoßhündchen" der Landesregierung verspottet. Das war einmal anders geplant gewesen: Der Einzug in den Düsseldorfer Landtag sollte eigentlich Auftakt sein für den Siegeszug der Linken durch die Westparlamente. Das räumt auch Landeschefin Schwabedissen ein: Die Verankerung in Nordrhein-Westfalen - es ist das größte Bundesland - ist natürlich auch für unsere Partei sehr wichtig gewesen, und da ist auch die Verankerung im Landesparlament nicht unwichtig. Deswegen ist das eine wichtige Frage, aber... ...Strategie ist aus Sicht der 39-Jährigen nicht alles. Die Pfarrerstocher aus Westfalen gilt zwar als hoch kompetent und authentisch, aber Taktik und Machtgelüste sind nicht ihr Ding. Anfang des Monats zog sie auf dem Parteitag in Göttingen ihre Kandidatur für den Bundesvorsitz freiwillig zurück, als deutlich wurde, dass sie chancenlos war. Mir geht's tatsächlich darum, politische Arbeit zu machen, und das kann ich in meinem Kreisverband gut machen, die kann ich als Stellvertreterin gut machen, die kann ich auch als Parteivorsitzende gut machen. Mir ist dieses Denken fremd. Also ich denke nicht in Vorsitzenden- oder Stellvertreter(-Posten)l, sondern ich habe einen kollektiven Ansatz, wo man gemeinsam die Stärken, die alle von uns unterschiedlich haben, gemeinsam einsetzt, um wie gesagt die herrschenden Verhältnisse zu ändern Doch trotz aller Gelassenheit: Die verpatzte Kandidatur in Göttingen ist nach der verlorenen Landtagswahl die zweite große Niederlage von Katharina Schwabedissen. Ob sie sich als Vorsitzende der NRW-Linken halten kann, ist ungewiss. Ende des Monats hält der Landesverband auf seinem Parteitag Vorstandswahlen ab. Neue Hoffnungsträger, die die Linke aus ihrem Tal der Tränen herausholen könnten, sind derzeit nicht in Sicht. Eine immerhin wagt jetzt ein offenes Wort, die ehemalige Landtags-Abgeordnete Gunhild Böth: Nach unserem Rauswurf aus dem Landtag müssen wir, glaube ich, erst mal dazu kommen, in NRW zu diskutieren, woran hat's denn eigentlich gelegen, und zwar mit allen Kreisverbänden zusammen. Wir müssen auch besprechen, was ist die Aufgabe eines Landesvorstandes, was soll er eigentlich tun. Viele Fragen, aber keine Antworten: Die NRW-Linke hat schon bessere Zeiten erlebt. Die Linke in Niedersachsen Von Susanne Schrammar SOHN: Wir haben jedem Delegierten und Gast des Göttinger Parteitags einen Zettel in die Hand gedrückt. Auf dem steht: Liebe Leute, Ihr seid herzlich eingeladen, für einen Wahlkampfurlaub in Niedersachsen im Januar. Da gibt es die Möglichkeit, 18 Tage Kost und Logis frei in Niedersachsen - dafür müsst Ihr uns aber plakatieren helfen. Angesichts aktueller Umfragewerte können die niedersächsischen Linken wirklich jede Hand im kommenden Wahlkampf gebrauchen, das weiß auch der Landesparteivorsitzende Manfred Sohn, ein Ex-DKP-Funktionär mit kleinen ovalen Brillengläsern. Gerade mal drei Prozent der Wähler im Land würden derzeit ihr Kreuz bei den Linken machen. Demnach wäre die Partei raus aus dem niedersächsischen Landtag und Sohn seinen Job als haushalts-, finanz- und tourismuspolitischer Sprecher der Landtagsfraktion los. Der macht für die miesen Werte vor allem das personelle Hickhack in der Bundespartei verantwortlich. SOHN: Wir machen jetzt nicht in künstlich guter Laune, also es ist schon so, dass wir im Moment im Loch hängen - die gesamte Partei - und auch in Niedersachsen in einem Landesverband da gilt der alte Spruch "Wenn der Himmel einstürzt, sind alle Spatzen tot." Also, das können wir auch durch niedersächsische Politik - die ist, glaube ich, gut, was wir machen - natürlich nicht ausgleichen. Die niedersächsische Linke hofft nach dem Bundesparteitag jetzt auf ein bisschen innerparteilichen Frieden. Denn der Druck ist groß. Als letzte Wahl vor der Bundestagswahl im Herbst 2013 wird der niedersächsische Gang zur Urne ein noch stärkeres Gewicht haben, glaubt Sohn. Nach den zwei verlorenen Landtagswahlen in Folge spürt auch Patrick Humke die Last der Erwartung. Die schlechte Stimmung auf der Bundesebene, sagt der 43jährige Landtagsabgeordnete aus Göttingen, habe sich auch auf die Landespartei übertragen. Hilflos muss auch der sozialpolitische Fraktionssprecher mit ansehen, wie ehemalige Linken-Wähler scharenweise zu den Piraten abwandern. HUMKE: Ein weiterer Grund ist in der Ablehnung natürlich auch, dass wir mittlerweile zu den etablierten Parteien zählen und Menschen, die damit ein Problem haben, mit allem, was etabliert ist und Protest ausdrücken wollen, die schlagen uns jetzt - weil wir schon so lange dabei sind - zu den anderen Parteien zu. Klar sei, sagt Patrick Humke, die Linke habe auch ein Vermittlungsproblem. Die seit Jahren praktizierte Transparenz, das Engagement für soziale Gerechtigkeit, der Einsatz für den Frieden müsse in den verbleibenden sechs Monaten bis zur Landtagswahl stärker unter die Leute gebracht werden. HUMKE: Vielleicht war es auch ein Warnschuss zum richtigen Zeitpunkt, um sich auch klarzumachen, dass man mehr tun muss, dass man umsteuern muss, vielleicht waren wir auch zu selbstzufrieden. SOHN: Unsere Erfahrung ist: Ohne ein intensives Gespräch gibt es keine Stimmen für die Linken, das ist kein Selbstläufer. ...ist sich Manfred Sohn sicher. 1000 Termine wollen die zehn Landtagsabgeordneten im niedersächsischen Wahlkampf absolvieren. Der Landesparteichef setzt dabei auf ein Erfolgsrezept, das er sich bei den ostdeutschen Genossen abgeschaut hat: Die Linke als Kümmerer-Partei. SOHN: Wenn Ihr Probleme habt, mit Euren Hartz-IV-Anträgen, wenn ihr Probleme habt mit Eurer Rentenberechnung, wenn Ihr Probleme habt im Betrieb und bei Eurem Betriebsrat nicht weiterkommt: Die Geschäftsstelle der Linke ist immer die - oder die linken Abgeordneten in den Kreistagen, davon haben wir über 250 - das sind immer die, die werden sich kümmern vor Ort. Trotz schlechter Stimmung - die Linken in Niedersachsen hoffen, das Ruder bis zur Landtagswahl am 20. Januar noch rumreißen zu können. HUMKE: Bisher habe ich das Gefühl, dass wir noch nicht in Panik verfallen oder dass Leute sich jetzt schon umgucken, umorientieren, ihre Arbeit nicht mehr machen, das passiert insgesamt nicht. Ich bin schon noch optimistisch. SOHN: Ich werde zwar viel belächelt, aber ich verwette mehrere Kisten Pils darauf, wir landen am Schluss bei sechs bis acht Prozent. Die LINKE in Brandenburg Von Axel Flemming Die Spaltung ist ausgeblieben, die Arbeitsbedingungen sind gleich geblieben, viele Probleme sind liegen geblieben. Kerstin Kaiser, die Fraktionsvorsitzende der LINKEN im Landtag verteidigt das bundesweite Alleinstellungsmerkmal mit der Regierungsbeteiligung in Brandenburg; nachdem die SPD in Berlin von rotrot zu rotschwarz wechselte. Die CDU-Opposition wird nicht müde, deshalb immer wieder von der ‚letzten linken Landesregierung' zu sprechen. Eine Wortwahl, die Kaiser nicht übernehmen will: "Die Redewendung die letzte rotrote Koalition haben wir noch nie benutzt und die werden wir auch nicht benutzen. Es ist die im Moment leider einzige rotrote Landesregierung dass sehen im übrigen auch die Genossinnen und Genossen aus der Bundespartei so. Weil die Versuche, die ernsthaften Versuche für die Linke in verschiedener Konstellation in Verantwortung zu gehen aufgrund von Landtagswahlergebnissen im Saarland, in Thüringen in Mecklenburg-Vorpommernaber auch in Hessen und NRW, ich darf daran erinnern, die hat es gegeben, und die sind in keiner Weise an der Kompromissbereitschaft der Linkspartei gescheitert." Kaiser hatte sich vor dem Bundesparteitag in Göttingen für Dietmar Bartsch als Vorsitzenden ausgesprochen. Sie muss nun mit dem Führungsduo Katja Kipping/Bernd Riexinger leben. Stefan Ludwig, der Vorsitzende der Landespartei, hatte seine eigene Präferenz ausdrücklich offen gelassen und sieht sich darin bestätigt: "Unsere Arbeitsbedingungen in Brandenburg sind eher unverändert bis leicht verbessert. Wir haben ein Klima erlebt auf dem Parteitag, das die bisher erreichten Ergebnisse dieser Koalition mit Interesse zur Kenntnis genommen werden, und frühere Skepsis eher in Fragen übergeht, was wir tun, wie wir das erreichen und wie wir das gemeinsam mit vielen Partnern auch in der Zivilgesellschaft in Brandenburg umsetzen." Und schließlich besetzt die LINKE vier der neun Ministerstellen im Kabinett, stellt die Ressortchefs für Umwelt, Justiz, Wirtschaft und Finanzen. Finanzminister Helmuth Markov ist gleichzeitig stellvertretender Ministerpräsident. Zur Halbzeit der Koalition sagte er: "Ich find das immer spaßig, ich weiß natürlich, woher das kommt mit dem Koch und mit dem Kellner, wenn der Koch nichts kochen würde, hätte der Kellner nichts zum Austragen. Und der Koch könnte das beste Essen kochen, wenn der Kellner es nicht dem Gast bringen würde, würde das Essen auch schlecht werden. Insofern: das ist rotrot. Das ist die Halbzeit dieser Landesregierung. Das ist nicht die Halbzeitbilanz der SPD, das ist nicht die Halbzeitbilanz der LINKEN." Aber die Umfragen zeigen den Effekt, den die LINKE und ihre Vorgängerpartei schon in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin machen musste: Regierungsbeteiligung entzaubert; die Zahl der Wählerstimmen schmilzt um ein Drittel. Und zwar schon in den Zeiten, als der Streit um die Bundesspitze noch nicht eskaliert war. Dennoch oder deswegen ist Ministerpräsident Platzeck mit seinem Koalitionspartner ganz zufrieden: "Sie werden noch nie gefunden haben, dass ich Parteiumfragen kommentiere, das habe ich nicht gemacht, das werde ich auch nicht machen, Aber die anderen Umfragewerte: was den Menschen wichtig ist im Lande, worauf sie hoffen, dass eine Landesregierung sich drum kümmert, das ist für mich schon von hoher Relevanz und da haben wir gefunden, wenn man +über 90% Zustimmung zu den Maßnahmen hat, die man bisher realisiert hat, dann zeigt das zumindestens, dass wir nicht am Volk vorbei regieren." Im Bund gab es nach Göttingen schon erste Angebote für den unterlegenen Parteiflügel, doch zur SPD zu wechseln. So etwas habe es in Brandenburg nicht mehr gegeben, seit sie in einer Koalition zusammensitzen, sagt der Landesvorsitzende Stefan Ludwig: "Ist schon ein merkwürdiger Umgang, auch vor allem über die Öffentlichkeit dann Parteimitgliedern, die seit fast 22 Jahren erklärt haben, warum sie in der PDS jetzt in der LINKEN Mitglied sind und warum sie einen Berg von Arbeit für diese Partei bewegen, gerade weil sie eben links neben der SPD in Deutschland viel zu tun sehen, denen so ein Mitgliedsangebot erneut zu machen, das ist nicht das erste Mal. Aber vielleicht das erste Mal, dass es erst über die Öffentlichkeit und dann persönlich gemacht wird..." ...es bleiben die Probleme der Partei: eine Mitgliedschaft im fortgeschrittenen Rentenalter, damit verbunden mangelnde Kampagnenfähigkeit; und immer wieder das Thema Stasi. Formal hat die Partei seit Jahren den Appell an ehemalige Mitarbeiter des DDRStaatssicherheitsdienstes sich zu offenbaren, wenn sie um Ämter kandidieren. Real glauben viele aber unentdeckt davon zu kommen. Die Spitzeltätigkeit der Fraktionsvorsitzenden Kaiser ist lange bekannt. Die Wähler sorgten dennoch oder gerade deswegen dafür, dass sie mehrfach als Direktkandidatin ins Landesparlament einzog. Immerhin zog sie sich aus der Enquetekommission zur Untersuchung der Vergangenheit zurück. Nun muss sie sich weiter um die Mühen der politischen Ebene kümmern: Auf der Habenseite: ein öffentlicher Beschäftigungssektor, Schüler-Bafög und ein Vergabegesetz, das einen Mindestlohn wenigstens für öffentliche Aufträge des Landes festschreibt. All diese Punkte wurden mit und nicht gegen den Koalitionspartner SPD durchgesetzt. Offenen Widerstand müsste es eigentlich bei der Abbaggerung von Braunkohle aus der Lausitz geben; Aber da die Sozialdemokraten daran festhalten, siegt die Koalitionsdisziplin. Die Regierungsbeteiligung ist immer noch ein Wert an sich und bei der Kohlefrage waren die LINKEN schon in den Koalitionsverhandlungen 2009 eingeknickt. Zustand der Linkspartei in Berlin Von Wolf-Sören Treusch TAKE 01 (Riexinger) Ich freue mich, dass mein erster Auftritt auf einem Landesparteitag in Berlin ist und bedanke mich ausdrücklich für die Einladung. Ich bin wirklich sehr gern hier. (Applaus) AUTOR 01 Eher reserviert empfingen die Berliner Delegierten der Linken gestern ihren neuen Bundesvorsitzenden. Schließlich wird Bernd Riexinger dem radikalen Lafontaine-Lager zugerechnet. TAKE 02 (Riexinger) Einige von Euch waren am letzten Wochenende in Göttingen, ich bin überzeugt davon, dass wir das Ergebnis der Delegierten jetzt als Chance nutzen können und begreife die Wahl von Katja und mir auch als Chance für einen neuen Aufbruch, bei dem wir gern alle mitnehmen wollen. Die Partei muss dringend wieder politikfähig sein, liebe Genossinnen und Genossen. (Applaus) AUTOR 02 Es habe ihn besonders gefreut, fügte Bernd Riexinger hinzu, dass alle Landesverbände im Osten, auch der reformorientierte Berliner Verband, zugesagt hätten, die neue Parteiführung zu unterstützen. TAKE 03 (Riexinger) Wenn wir wieder mit unseren Kernforderungen durchdringen und wenn wir Bündnisfähigkeit herstellen, dann wird die Linke schneller wieder auf den Erfolgskurs gebracht als wir denken können. Ich bin zuversichtlich, dass uns das gelingen wird, vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit. (Applaus) AUTOR 03 Vorsichtig, fast schüchtern hielt der Gewerkschafter Riexinger am Ende die geballte Faust in die Höhe. An seine neue Rolle als Bundesvorsitzender der Linken wird er sich noch gewöhnen müssen. Die Berliner Linke an ihn aber auch. In höchstem Maße verunsichert seien die Mitglieder nach dem Göttinger Parteitag gewesen. Die Zahl der Parteiaustritte und die der -eintritte habe sich aber die Waage gehalten, sagt die neue Landesgeschäftsführerin Katina Schubert. TAKE 04 (Schubert) Es gibt Erleichterung darüber, dass Gregor Gysi Dinge ausgesprochen hat, die viele, gerade der Ost-Mitglieder, in ihren Herzen mit trugen oder wie so einen Knoten im Magen hatten, dass sie das Gefühl haben, ihnen widerfährt in der eigenen Partei das, was sie irgendwie zwanzig Jahre vorher im Vereinigungsprozess zwischen Bundesrepublik Deutschland und ehemaliger DDR erlebt haben, insofern hat es auch was gelöst. AUTOR 04 Katina Schubert wurde vor einer Woche auch wieder in den Vorstand der Bundespartei gewählt. Für Landeschef Klaus Lederer eine Wahl mit Signalwirkung. Trotz aller Differenzen habe seine Partei in Göttingen einen Emanzipationsprozess durchgemacht, sagt er. Zum ersten Mal seit der Vereinigung von PDS und WASG zur Linken sei vor einem Parteitag nicht klar gewesen, was am Ende rauskomme. TAKE 05 (Lederer) Dass selbst aus Berlin vier starke Menschen auch in den Vorstand gewählt worden sind, zeigt doch ganz deutlich: da ging es nicht mehr um Sieg oder Niederlage. Deswegen sind wir jetzt nicht schlecht drauf und empfinden uns nicht als Verlierer, sondern gehen selbstbewusst aus dem Parteitag raus und haben angemeldet, in diesem Parteivorstand mitwirken zu wollen, unsere Angebote zu machen und unsere Rolle zu spielen. AUTOR 05 Aufbruchstimmung statt Grabenkämpfe, heißt die Devise im Berliner Landesverband. Da passt es wenig, dass der gescheiterte Kandidat für den Bundesvorsitz, Dietmar Bartsch, in der aktuellen Ausgabe des SPIEGEL seine Vorwürfe bekräftigt, in der Bundestagsfraktion herrschten "Hass" und "pathologische Zustände". Harald Wolf, zehn Jahre lang Wirtschaftssenator in der rot-roten Koalition in Berlin, nun wieder einfacher Abgeordneter, findet es wichtiger, sich mit Inhalten zu beschäftigen. TAKE 06 (Wolf) Metadiskussionen über die Partei zu führen, halte ich für sinnlos, und ich rate allen, sich auf das zu konzentrieren, wofür die Partei da ist, nämlich gesellschaftliche Veränderungen voranzubringen und die Zustände im Land zum Besseren zu wenden, und das setzt voraus, dass wir über diese Themen reden und nicht über die Partei und wer gerade wieder irgendwas gemacht hat, sondern Konzentration auf die eigentlichen Themen. TAKE 07 (Lederer) Die Themen liegen auf der Straße: Mietenpolitik, Arbeitsmarktpolitik, soziale Sicherung, und da wollen wir einfach noch eine Schippe drauflegen. AUTOR 06 Außerdem sollten Gas-, Wasser- und Stromnetze in Berlin wieder vollständig in Landeseigentum zurückgeführt werden. Linkenchef Klaus Lederer hält seine Partei wieder für stark genug, den ehemaligen Koalitionspartner in der Stadt, die SPD, vor sich her zu treiben. TAKE 08 (Lederer) Nur wenn wir von links Druck machen, ist die SPD zu einer sozialen Politik in der Lage. Das ist unsere Rolle, wir müssen Druck machen, dass die tun, was wir wollen, dass sie es tun. Soweit wir es können aus der Opposition. AUTOR 07 Eine derart profilierte Haltung erwartet er auch von der Bundespartei. Und zwar schnellstens. Der Parteitag in Göttingen habe gezeigt, dass man mit den Vorbereitungen auf den Bundestagswahlkampf 2013 sehr spät dran sei, so Linkenchef Lederer gestern in Berlin. "Dramatisch spät".