DEUTSCHLANDFUNK Redaktion Hintergrund Kultur / Hhörspiel Redaktion: Ulrike Bajohr Feature KAFKA UNCHAINED Hörcomic von Malgorzata Zerwe und David Zane Mairowitz Produktion: DLF/ORF 2014 Urheberrechtlicher Hinweis Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 44a bis 63a Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. (c) - unkorrigiertes Exemplar - Sendung: Freitag, 04. Juli 2014, 20:05 - 21:00 Uhr O-Ton: (Salzburg): "Kafka Band" improvisiert die Vorbereitung des Liedes "Kafka Unchained". Dann: Musik: Kafka Band. "Kafka Unchained". ERZÄHLERIN: Kafka Unchained. Der entfesselte Kafka. Titel auch in Französisch und Tschechisch und Wolof. Hörcomic von Malgorzata Zerwe und David Zane Mairowitz. ERZÄHLER: (empört) Was? Kafka und Comics ?! ERZÄHLERIN: Ja, Kafkacomics. Von drei weltberühmten Comiczeichnern. Einer Französin... O-Ton: (Chantal) "C'est Chantal Montellier. Si on veut donner tous mes noms c'est Chantal Louise Marie Montellier. Et voilà" + Lachen. ERZÄHLERIN: ... die mit 17 Jahren Kafkas "Verwandlung" entdeckt und sich sofort mit Kafka identifiziert hat, wegen ihres dominierend-kafkaesken Vaters... O-Ton: (Chantal): "Et je me sentais moi-même très métamorphosée par le regard de mon père ... un père qui portait sur moi un regard pas très valorisant, quoi." ERZÄHLERIN: Er behandelte sie schlecht, weshalb sie beschloss... O-Ton: (Chantal): "Il fallait que je sois metamophosée en cafard, quoi, indigne de vivre... ERZÄHLERIN: ...sich in ein ekliges Insekt zu verwandeln, nicht wert, am Leben gelassen, dazu da, zertreten zu werden. O-Ton: (Chantal ) ... comme un insect assez vile" + Lachen. ERZÄHLERIN:...Und dann haben wir einen Amerikaner... O-Ton: (Crumb ) "My name is Robert Crumb." ERZÄHLERIN: ... die Sixties-Underground-Comiclegende, Erfinder von Fritz the Cat und Mister Natural... O-Ton: (Crumb ) "I got to feel a really kind of like soul-mate in Kafka. It was kinda mystical actually" + Lachen. ERZÄHLERIN: ...der sich auch Kafka seelenverwandt fühlt wegen... O-Ton: (Crumb ) "Alienation and self-loathing..." ERZÄHLER: .... Selbsthass? ERZÄHLERIN: Klar. Kafka ist für Crumb... O-Ton: (Crumb ) "...a creature who is a worm. At some point he compares himself to a worm" + Lachen. ERZÄHLERIN: ... ein Wurm. In seinen Briefen an seine Braut Felice Bauer schreibt Kafka: ERZÄHLER: "Schließlich bist du doch ein Mädchen und willst einen Mann und nicht einen weichen Wurm". ERZÄHLERIN: Dann kommt unsere Prag Connection... O-Ton: (Jaromir): Jaromir Name. Übersetzung von Jaroslav. "Sein Spitzname ist Jaromir 99". ERZÄHLERIN: ...der tschechische Illustrator und Popmusiker Jaromir99... O-Ton: (Jaromir): J99: (tschechisch) Kafka war ein Punk. Lachen. Jaroslav R : "Ich meine Kafka war auch ein bischen wie ein Punk, und wir passen gut zusammen." ERZÄHLER: Wer übersetzt da für "99"? O-Ton: (Jaromir): "Ich bin Jaroslav Rudis, Schriftsteller aus Tschechien und jetzt bin ich der Bandleader bei Kafka Band, was ist ein bischen verrückt!" MUSIK: Kafka Band. Fortsetzung von "Kafka Unchained". ERZÄHLER: Naja, aber trotzdem!!! Kafka in Comics? Unmöglich! Kafka ist: "dunkel", "düster", "obskur", "ominös", "schwere Kost", oder? O-Ton: (Chantal ): "La bande déssinée a toujours une image un peu suspect, quoi, en tout cas pour les tenants de l'art officielle et noble". ERZÄHLERIN: Comics sind Verfechtern der Hochkultur meistens suspekt. Et voilà! MUSIK: Kafka Band. Fortsetzung von "Kafka Unchained". * O-Ton: (Crumb) "I've developed this theory about Kafka... I really get the impression that there's so much free association in his work that he was in the hypnogogic state when he wrote a lot of it." ERZÄHLER: Hypnagogischer Zustand? ERZÄHLERIN: Das ist der Moment kurz vor dem Einschlafen. Laut Robert Crumb versetzte sich Kafka also in eine Vor-Schlaf-Trance um zu schreiben, eine Art Pseudo-Halluzination. O-Ton: (Crumb): "At home, after work, and he didn't get much sleep, and there was a lot going on..." O-Ton: (Crumb): "I think he was like...half-asleep..." ERZÄHLER: "Schreiben", notiert Kafka..."ist ein tieferer Schlaf, also Tod, und so wie man einen Toten nicht aus seinem Grabe ziehen wird und kann, so auch mich nicht vom Schreibtisch in der Nacht." O-Ton: (Crumb): "...and that allows your mind to free associate. I've done some of that myself in drawing comics." ERZÄHLERIN: Also, bei den Kafkas zu Hause in Prag circa 1913... **Ton Installation "Kafka u. Geräusche. ** "Ich will schreiben mit einem ständigen Zittern auf der Stirn. Ich sitze in meinem Zimmer im Hauptquartier des Lärms der ganzen Wohnung. Alle Türen höre ich schlagen...Der Vater durchbricht die Türen meines Zimmers und geht im nachschleppenden Schlafrock durch....Valli fragt durch das Vorzimmer wie durch eine Pariser Gasse..., ob denn des Vaters Hut schon geputzt ist...Die Wohnungstür wird aufgeklinkt und lärmt wie aus katarrhalischem Hals... Der Vater ist weg, jetzt beginnt der zartere, zerstreutere, hoffnungslosere Lärm, von den Stimmen der zwei Kanarienvögel angeführt." * MUSIK: Der Rapprozess (0,00-0,49) ERZÄHLERIN: August 1914. Der erste Weltkrieg bricht aus. Inmitten dieser welterschütternden Ereignisse setzt sich Kafka eines Nachts hin und schreibt einen "welterschütternden" Einleitungssatz für die Weltliteratur: O-Ton: (Mbaye Seye): Prozess Satz auf Wolof. ERZÄHLER: Warte Mal! Was soll das jetzt? O-Ton: (Mbaye Seye): "Das ist die Übersetzung auf Wolof." ERZÄHLER: Wolof? O-Ton: (Mbaye Seye): "Eine lokale Sprache in Senegal." ERZÄHLER: Im Senegal? Und was soll der Satz heißen!? O-Ton: (Mbaye Seye): "Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet." ERZÄHLER: Und wer sind Sie? O-Ton: (Mbaye Seye): "Ja, ich bin Mbaye Seye, Deutschlehrer im Senegal." ERZÄHLER: Ist Kafka überhaupt ein Begriff im Senegal? Und Der Prozess? O-Ton: (Mbaye Seye): "Ja, das ist eine gewöhnliche Geschichte bei uns. Dass jemand ging ...in die Polizei und sagt zu ihnen: Kafka oder so hat so und so gemacht. Ich gebe einfach Geld, damit er verhaftet wird oder so." MUSIK: Der Rapprozess (0,50) Fortsetzung. O-Ton: (KAFKA_RAPPER): "Guten Tag. Mein Name ist Tobias Stoll. Ich bin 19 Jahre alt. Und bin auch bekannt unter dem Namen "Kafka Rapper". MUSIK: Der Rapprozess. Fortsetzung. Bleibt unter Sprecher. O-Ton: (KAFKA_RAPPER): "Ja ich musste noch eine Prüfung halten. In Deutsch." O-Ton: (LEHRER): "Mein Name ist Herr Mahnke und ich bin Deutschlehrer am Peter-Petersen-Gymnasium in Mannheim. Ich hatte vor zwei Jahren einen Schüler im Abitur... Ich habe gewusst, dass er selber Rap schreibt. Und als er dann sich vom Kafka, eines unserer Themen für's Abitur - so begeistert gezeigt hat, und so fasziniert war von der Lektüre des Prozess, habe ich ihn angesprochen und gesagt: "wie sieht's aus, willst du nicht mal darüber ein Rap schreiben?" MUSIK: Der Rapprozess. Fortsetzung. Bleibt unter Sprecher. O-Ton: (KAFKA_RAPPER): "Ich denke, Kafka hätte das Rap viel besser geschrieben als ich... Ich denke, ich artikuliere ganz anders als er. Der Mannheimer Dialekt ist ein bischen rauszuhören." MUSIK: Der Raprozess. Fortsetzung. Bleibt unter Sprecher. O-Ton: (KAFKA_RAPPER): "Ich versuche die Aggressivität, eher nicht durch Worte, sondern eher durch meine Stimme... MUSIK: Der Rapprozess. Fortsetzung. Bleibt unter Sprecher. O-Ton: (LEHRER): "Du wurdest dann interviewt von verschiedenen Zeitungen, und in einer war zu sehen ein Foto von deinem Tonstudio...ist ein umgebauter Kleiderschrank gewesen... Und das hat erinnert an diese Rumpelkammer vielleicht..." ERZÄHLERIN: Er meint diese Szene, aus dem Prozess... **Ton Installation: Der Prügler (Kafka 1_ver2). ** Schon aufgenommen. Als K. an einem Abend den Korridor passierte, der sein Büro von der Haupttreppe trennte -, hörte er hinter einer Tür, hinter der er immer nur eine Rumpelkammer vermutet hatte, Seufzer ausstoßen. In der Kammer selbst aber standen drei Männer. " Was treibt ihr hier? " " Herr! Wir sollen geprügelt werden, weil du dich beim Untersuchungsrichter über uns beklagt hast. " Und nun erst erkannte K., daß es wirklich die Wächter Franz und Willem waren, und daß der dritte eine Rute in der Hand hielt, um sie zu prügeln... " Herr , wenn Ihr wüßtet, wie schlecht wir bezahlt sind, Ihr würdet besser über uns urteilen. Euere feine Wäsche hat mich verlockt, es ist natürlich den Wächtern verboten, so zu handeln, es war unrecht, aber Tradition ist es, daß die Wäsche den Wächtern gehört, es ist immer so gewesen, glaubt es mir; es ist ja auch verständlich, was bedeuten denn noch solche Dinge für den, welcher so unglücklich ist, verhaftet zu werden? " " Laß dich nicht durch solche Reden rühren ", sagte der dritte zu K., " die Strafe ist ebenso gerecht als unvermeidlich. " ... * O-Ton:(Prag Boot): "OK. We are coming to the end of our boat trip. One more thing --very good tip for you. If you want to save money in Czech Republic, stop drinking water and coca-cola. You must drink beer. Beer tastes better than water, yeah!" O-Ton: (Salzburg ): Kafka Band. JR: "Das hier ist Das Schloss. Zamek. The Castle. Written by Franz Kafka. Und ja, es fängt so an: Es war spät Abends als K ankam..." MUSIK: Kafka Band, "Ankunft". Musik bleibt im Hintergrund. O-Ton: (Jaroslav): "Allein das Setting von dem "Schloss" finde ich sehr böhmisch, oder tschechisch oder mitteleuropäisch." ... Die Kneipe, in der er reinkommt. Die Männer sitzen beim Bier, die Bauern sitzen beim Bier, dann muss ich an meinem Vater denken, ich bin in einer Kleinstadt aufgewachsen. Und es konnte jederzeit passieren, dass ein Fremder reinkommt. Und diese Männer gucken ihn so...was für ein komischen Vogel da in der Tür..." Text Song Jaromir: "Im Wirtshaus war man noch wach, der Wirt hatte zwar kein Zimmer zu vermieten, aber er wollte, von dem späten Gast äußerst überrascht und verwirrt, K. in der Wirtsstube auf einem Strohsack schlafen lassen. K. war damit einverstanden..." MUSIK: Kafka Band, "Ankunft" geht weiter. O-Ton: (Jaromir): J99 spricht von der Kaste Gesellschaft in CR. JR: "Jaromir kommt aus einer Kleinstadt. Der war Punk und es ist immer noch schwer, aus der (einen) Kaste in eine andere rüberzugehen. Dieses Schloss ist in uns. Der kann das gut nachvollziehen." Text Song Jaromir: "... Einige Bauern waren noch beim Bier, aber er wollte sich mit niemandem unterhalten, holte selbst den Strohsack vom Dachboden und legte sich in der Nähe des Ofens hin. Warm war es, die Bauern waren still, ein wenig prüfte er sie noch mit den müden Augen, dann schlief er ein." MUSIK: Kafka Band, "Ankunft" zum Ende mit "schlief er ein". O-Ton: (Jaromir): J99 dann JR: "Immer überall du hast zwei Kneipen, eine ist für die ganz einfachen Männer, wo nur Bier ausgeschenkt wird. Und in den anderen wird gekocht, zum Beispiel." ..."Diese Kneipe "Zur Brücke", da kann man mit dem Hund rein und da kann man rauchen. In der Schloss Kneipe wird nicht mehr geraucht und du kannst nicht mit dem Hund rein." MUSIK: Kafka Band, Anfang "Niemals" mit dem Refrain "Landvermesser". O-Ton: (Jaroslav): "Dieses Gefühl auch bedroht zu sein von etwas so fremd..." Einer kommt, und bringt Unruhe mit...Die Tschechen haben sehr viel Vorbehalte, den anderen gegenüber, immer so haben Angst vor Fremden, und K bringt eine gewisse Unruhe mit, ja". MUSIK: Kafka Band, "Niemals" vom 1,40 mit dem Refrain "Landvermesser" danach instrumentalische Stelle bis 2,12 über Text, dann Refrain zurück. ERZÄHLER: "Herr Landvermesser", sagte ein Mann, "hier könnt Ihr nicht bleiben. Verzeiht die Unhöflichkeit. Ihr wundert Euch wahrscheinlich über die geringe Gastfreundlichkeit, aber Gastfreundlichkeit ist bei uns nicht Sitte, wir brauchen keine Gäste." "Gewiß", sagte K., "wozu brauchtet ihr Gäste. Aber hier und da braucht man doch einen, zum Beispiel mich, den Landvermesser." - "Das weiß ich nicht", sagte der Mann langsam, "hat man Euch gerufen, so braucht man Euch wahrscheinlich, das ist wohl eine Ausnahme, wir aber, wir kleinen Leute, halten uns an die Regel, das könnt Ihr uns nicht verdenken." MUSIK: Kafka Band, "Niemals". Lied endet nach dem Erzähler Text. O-Ton: (Jaroslav): "Wir haben alle zusammen diese Bierkultur. Egal, ob du zum Schloss gehörst oder nicht zum Schloss gehörst, wir alle trinken Bier. Und wir sehen das ganz schön im Buch. Das ist was uns verbindet... Die einzige Demokratie ist das Bier. Und das haben wir bis jetzt." MUSIK: Kafka Band, "Frieda". 17 Sekunde Einleitung über O-Ton (oben), dann Lied-Text freistehend bis 1,07 ("Auf dem Tisch, stand ein Bierglass"). O-Ton: (Jaromir): J99 in Czech: Anekdote über K und Hasek. JR: "Der hat nicht getrunken. Kafka hat keinen Alkohol getrunken." ... "Es gibt eine Legende in Prag. Es gibt 2 große Schriftsteller... Jaroslav Hasek und Franz Kafka. Und die haben sich nie in Prag getroffen... Weil der Hasek saß in den Kneipen im Keller und der andere war oben in Cafes. Das war der Kafka. Diese Kneipenszenen im Schloss sind sehr genau, sehr präzise geschrieben, sehr tschechisch." MUSIK: Kafka Band, "Frieda". Lied-Text freistehend von 1,08 ("Frieda, sagte K, kennen Sie Herrn Klamm sehr gut?") bis 1,41 ("Frieda, Frieda"). * O-Ton: (Chantal): "Kafka a eu toute sa vie, une vie assez courte, la mort sur les talons". ERZÄHLERIN: Der Tod folgt Kafka Zeit seines Lebens. Also zeichnet Chantal Montellier auf fast jede Seite ihrer Graphic-Novel Der Prozess wie besessen ... O-Ton: (Chantal): " La présence de la mort en forme de petite skelète à chapeau qui court derrière Joseph K." ERZÄHLERIN: ... einen niedlichen Knochenmann mit Melone, der ständig an Josef K hängt und ihn verfolgt. Aber laut Chantal hat Kafka einen Fluchtweg im ... O-Ton: (Chantal): "Il est sauvé par le sexe...." ERZÄHLER: Sex? Kafka? Der geschrieben hat: "Sexualität ist die Sehnsucht nach Schmutz" oder "Der Koitus ist die Bestrafung für das Glück des Beisammenseins."? O-Ton: (Crumb): "It's a funny kind of sex in Kafka; It's a very kind of oblique and neurotic sex (Lacht)....Which, again, I completely identify with." ERZÄHLERIN: Für Robert Crumb ist Kafkas Sex "verschämt und neurotisch". - Nein! Im Gegenteil, sagt Chantal Montellier... O-Ton: (Chantal): "Il réagit avec beaucoup de vitalité, avec beaucoup d'appetit vie à cette attaque intérieure par sa vie amoureuse, sexuelle, libidinale; J'ai l'impression que c'est quelqu'un qui aime baiser, par exemple." ERZÄHLERIN: Kafka liebte es offensichtlich zu vögeln. ERZÄHLER: Zum Beispiel im "Prozess": Josef K. wird von Leni, der Pflegerin des Advokaten Huld gefragt:.. LENI: "Haben Sie eine Geliebte? K: Nein... Leni: Oh doch! K: Ja, wirklich, denken Sie nur, ich habe sie verleugnet... " O-Ton: (Chantal): "Il est plutôt attiré par les belles femmes assez girondes que des laidons sexuagenaires comme moi." ERZÄHLERIN: Kafka ist eher angezogen von schönen, gut geformten Frauen als von häßlichen Sechzigjährigen wie ich, sagt Chantal. Aber Leni ist eine Ausnahme. Attraktiv, aber... LENI: "Mag sie also jetzt Ihre Geliebte sein.... Hat sie aber irgendeinen körperlichen Fehler? K: Einen körperlichen Fehler? LENI: Ja, ich habe nämlich einen solchen kleinen Fehler, sehen Sie." O-Ton: (Chantal): "La seule scène où je ramène de fantastique, c'est la scène avec l'infirmière qui est monstrueuse... ERZÄHLERIN: Leni hat für Chantal etwas monströses... ERZÄHLER: "Sie spannte den Mittel- und Ringfinger ihrer rechten Hand auseinander, zwischen denen das Verbindungshäutchen fast bis zum obersten Gelenk der kurzen Finger reichte." O-Ton: (Chantal): "Elle a des mains ... comme celle des batraciens, quoi. Très bizarre..." ERZÄHLERIN: Hände wie ein Frosch, bizarr... O-Ton: (Chantal Montage): "Et peut-être ça rajoute à l'attrait sexuel, l'attirance, pour une certaine forme d'étrangété de Joseph K". ERZÄHLERIN: ...aber gerade diese Abnormität ist es, die Josef K antörnt... "K: Was für ein Naturspiel. Was für eine hübsche Kralle! ERZÄHLER: Mit einer Art Stolz sah Leni zu, wie K. staunend immer wieder ihre zwei Finger auseinanderzog und zusammenlegte, bis er sie schließlich flüchtig küßte und losließ. LENI: Oh! Sie haben mich geküßt!" O-Ton: (Chantal): "Un espèce de folie du corps... On ne sais pas où fini l'animal et commence l'humain et inversement." ERZÄHLERIN: Wahnsinn des Körpers. Man weiß nicht, wo das Tier aufhört und der Mensch anfängt. ERZÄHLER: "Da glitt ihr Knie aus, mit einem kleinen Schrei fiel sie fast auf den Teppich, K. umfaßte sie, um sie noch zu halten, und wurde zu ihr hinabgezogen. LENI: Jetzt gehörst du mir." O-Ton: (Chantal): "Il y a plus d'érotisme quand il y a plus de danger." ERZÄHLERIN: Gefahr steigert die Erotik, sagt Chantal. Insbesondere für Leni, erklärt der Advokat... DER ADVOKAT (ERZÄHLER): "Es ist eine Sonderbarkeit Lenis, ... daß sie die meisten Angeklagten schön findet. Sie hängt sich an alle, liebt alle, scheint allerdings auch von allen geliebt zu werden; ...Wenn man den richtigen Blick dafür hat, findet man die Angeklagten wirklich oft schön. Das allerdings ist eine merkwürdige, gewissermaßen naturwissenschaftliche Erscheinung...." O-Ton: (Chantal): "Kafka, à sa manière, est un peu macho, quand même..." ERZÄHLER: Kafka als Macho, klar, was sonst. O-Ton: (Chantal): "C'est son désire qui compte, il saute à volonté là-dessus...c'est un fils de bourgeois, Kafka...." ERZÄHLERIN: Seine Geilheit zählt, und er springt nach Belieben auf jede, dieser kleine Bourgeois Kafka. ERZÄHLER: Da ist Pepi. Das Barmädchen aus dem Schloss... ERZÄHLERIN: "Nun ja", sagte Pepi, " du hast weder Arbeit noch Bett, komm zu uns, meine Freundinnen werden dir gefallen, wir werden es dir behaglich machen... wir Mädchen werden nicht auf uns angewiesen sein und in der Nacht nicht mehr Angst leiden. Komm zu uns!" O-Ton: (Chantal): "Ces femmes, leurs corps existent, mais leur parole existe peu." ERZÄHLER: Diese Frauen, ihre Körper existieren, aber zu sagen haben sie nicht viel , meint Chantal, diese militante Feministin. O-Ton: (Chantal): "Tout ça, c'est évidemment, des suppositions, des élucubrations de ma cervelle féministe dérangée." + Lachen. ERZÄHLER: Das alles sind natürlich Unterstellungen, Gespinste von Chantals "gestörtem feministischen Hirn". Sagt sie selber. ERZÄHLERIN: Es geht aber noch weiter... **Ton Installation: Der Prügler. ** " Wir werden uns ja ganz nackt ausziehen müssen ", sagte Willem. " Ach so ", sagte K. und sah den Prügler genau an, er war braun gebrannt wie ein Matrose und hatte ein wildes, frisches Gesicht. O-Ton: (Reiner Stach): "Es gibt zu dieser sadomasochistischen Szene in der Rumpelkammer, wo ja die beiden Wächter bestraft werden." ERZÄHLER: Warte Mal! Wer spricht da jetzt? O-Ton: (Stach): "Mein Name ist Reiner Stach. Ich bin der Autor einer dreibändigen Kafka-Biographie, an der arbeite ich seit 1995 etwa. ERZÄHLER: Ach so...ein "Kafkaologe". O-Ton: (Stach) : "Es gibt...in Kafkas Manuskript noch eine weitere Passage. Die hat er allerdings gestrichen. So eine Art Traumpassage, wo Josef K. phantasiert, daß er vor dem Titorelli kniet... ERZÄHLERIN: "Titorelli, der Maler, saß auf seinem Sessel und K. kniete vor ihm, strich über seine Arme und umschmeichelte ihn auf jede Weise. Titorelli wusste, wonach K. strebte, aber er tat, als wisse er es nicht, und quälte ihn dadurch ein wenig..." O-Ton: (Stach): ... und, ja, es ist sehr stark homoerotisch getönt und es ist auch, es läuft auch auf eine Unterwerfung hinaus... ERZÄHLERIN: "Er ließ sich nicht durch Titorellis schamloses Lächeln beirren, das dieser mit erhobenem Kopf ins Leere richtete, er bestand auf seiner Bitte und verstieg sich mit den Händen bis zum Streicheln von Titorellis Wangen. ... K. trug heute ein neues, langes, dunkles Kleid, es war wohltuend warm und schwer." * MUSIK: Kafka Band "Winter". Geht über nächste Jaromir-Passage. O-Ton: (Jaromir) MIT MUSIK. J99: Humor in K. vom tschechischen Standpunkt JR Übersetzung: "Diese Schmerzgrenze ist bei jedem Menschen anders, und auch diese Humorgrenze ist bei jedem Menschen anders... Und Kafka ist ein anderer Humor aus einem tschechischen Fenster." MUSIK: kommt zum Ende ("Der Winter ist lang"). * ERZÄHLER: "In den letzten Jahrzehnten ist das Interesse an Hungerkünstlern sehr zurückgegangen..." ERZÄHLERIN: Aus der Erzählung "Ein Hungerkünstler"... ERZÄHLER: "Damals beschäftigte sich die ganze Stadt mit dem Hungerkünstler; von Hungertag zu Hungertag stieg die Teilnahme; jeder wollte den Hungerkünstler zumindest einmal täglich sehn; an den spätern Tagen gab es Abonnenten, welche tagelang vor dem kleinen Gitterkäfig saßen." ERZÄHLERIN: Der von Robert Crumb für sein Buch "Kafka" gezeichnete Hungerkünstler sieht Robert selbst verdächtig ähnlich. O-Ton: (Crumb): (lacht) "Well, he's a skinny guy like me. That's identification with Kafka. Sometimes the thin, sensitive star character looks a little bit like me and a little bit like Kafka." ERZÄHLER: "Und nun ... sahen die Kinder staunend, mit offenem Mund, ... zu, wie er bleich, im schwarzen Trikot, mit mächtig vortretenden Rippen, ... auf hingestreutem Stroh saß, ... angestrengt lächelnd Fragen beantwortete, auch durch das Gitter den Arm streckte, um seine Magerkeit befühlen zu lassen, dann aber wieder ganz in sich selbst versank, um niemanden sich kümmerte..." O-Ton: (Crumb): "It's funny. It is funny. When he's fading at the end and laying in the cage and nobody's interested anymore...people are bored with the hunger artist and they want something more dazzling and sensational to look at..." ERZÄHLER: "Einmal ... fragte ein Aufseher, warum man hier diesen gut brauchbaren Käfig mit dem verfaulten Stroh drinnen unbenützt stehen lasse; ... Man rührte mit Stangen das Stroh auf und fand den Hungerkünstler darin. "Du hungerst noch immer? Wann wirst du denn endlich aufhören?" " O-Ton: (Crumb): "They're sarcastic to him. That's very funny. (Lacht) And he says "I always wanted people to admire my fasting.' And they say 'We do admire it..." ERZÄHLER: ""Immerfort wollte ich, daß ihr mein Hungern bewundert", sagte der Hungerkünstler. "Wir bewundern es auch", sagte der Aufseher entgegenkommend." O-Ton: (Crumb):"The Hunger Artist says 'you shouldn't"... ERZÄHLER: ""Ihr sollt es aber nicht bewundern", sagte der Hungerkünstler. "Nun, dann bewundern wir es also nicht," sagte der Aufseher," O-Ton: (Crumb): "And they say 'Allright, we don't admire it.' It's very funny. But that's the way life is in a way. Dreamlike and surreal. Dream stuff." ERZÄHLER: ""Warum sollen wir es denn nicht bewundern?" "Weil ich hungern muß, ich kann nicht anders", sagte der Hungerkünstler. "Da sieh mal einer," sagte der Aufseher, "warum kannst du denn nicht anders?" "Weil ich," sagte der Hungerkünstler, hob das Köpfchen ein wenig und sprach mit wie zum Kuß gespitzten Lippen gerade in das Ohr des Aufsehers hinein, damit nichts verloren ginge..." ERZÄHLERIN: Und nun kommt einer der größten jüdischen Witze der deutschsprachigen Literatur... ERZÄHLER "..."weil ich nicht die Speise finden konnte, die mir schmeckt. Hätte ich sie gefunden, glaube mir, ich hätte kein Aufsehen gemacht und mich vollgegessen wie du und alle." " O-Ton: (Crumb) (lacht) "It's so absurd." ERZÄHLERIN: Na klar. Es geht um's Essen. O-Ton: (Crumb) (lacht) "Then he dies and the supervisor says ‚clean up this mess'. That's great." ERZÄHLER: ""Nun macht aber Ordnung!", sagte der Aufseher, und man begrub den Hungerkünstler samt dem Stroh." * MUSIK: Der Rapprozess (3,20) "Ich sitze am Schreibtisch und weiss nicht wo mein Kopf ist..." GEHT WEITER UNTER LEHRER. O-Ton: (LEHRER): "Die Schüler können eigentlich diesen Prozess gut nachvollziehen... Die Schüler stecken selbst in der Situation von Josef K....Es gibt ganz grossen Druck auf den Schülern...Die Schüler werden immer mehr in diese Arbeit und Leistungsgesellschaft gedrängt." MUSIK WEITER. O-Ton: (LEHRER): "Und die Schule ist doch überall und omnipresent, und sie ist auch nicht transparent..." MUSIK WEITER. O-Ton: (LEHRER): "Auch schon die Frage: warum lesen wir den Prozess? Ja, weil das im Kultusministerium irgendwo so entschieden wird für das Abitur...Und das ist irgendwo wie dieses Gericht, das so unerreichbar ist." MUSIK WEITER. O-Ton: (LEHRER): "Und das zeigt auch diese enorme Bedeutung des Prozesses. Und dass die Schüler sich in einer ähnlichen Lage befinden...und ich denke, dass DER PROZESS von daher wichtig ist, um eine Lehre draus zu ziehen, um am Ende nicht wie ein Hund zu sterben, eben wie Joseph K selbst, sondern zu kämpfen, und dagegen anzugehen, und selbst aktiv zu werden..." MUSIK: Der Rapprozess (4,35) Theaterstück, dann Refrain. * ****HIER FOLGT EINE KURZE COLLAGE AUS AKUSTISCHEN ELEMENTEN DER KAFKA-AUSSTELLUNG. O-Ton: (Erwin Krottenthaler): Mein Name ist Erwin Krottenthaler. Ich bin seit 12 Jahren hier im Literaturhaus, Stuttgart... Ich habe in den letzten Jahren diverse Projekte umgesetzt... und jetzt...die Ausstellung "K: Kafka in Komiks". ERZÄHLER: Aus einem Lautsprecher dringt Orson Welles: Er liest "Vor dem Gesetz" aus dem Prozess. O-Ton: (Ausstellung) Ende von Orson Welles: "His hearing is failing, etc. "No one else could enter this door. This door was intended only for you. And now I'm going to close it. " + Geräusch. SOUNDTRACK: AMBIANCE AUSSTELLUNG. ERZÄHLERIN: (liest) "Kafka arbeitete in der Arbeiter-Unfall-Versicherungs-Anstalt für das Königreich Böhmen in Prag. Industriearbeiter waren immer von schlimmen Arbeitsunfällen betroffen. Diese gehörten in Kafkas Zuständigkeitsbereich..." Und jetzt... SIE DRÜCKT AUF EINEN KNOPF. **Ton Installation "Kafka u. Geräusche.** "Wie betrunken fielen die Leute von den Gerüsten herunter, in die Maschinen hinein, ...was man hinaufgibt, das stürzt hinunter, was man heruntergibt, darüber stürzt man selbst. Und man bekommt Kopfschmerzen von diesen jungen Mädchen in den Porzellanfabriken, die unaufhörlich mit Türmen von Geschirr sich auf die Treppe werfen." SOUNDTRACK: AMBIANCE AUSSTELLUNG. ERZÄHLERIN: Und wer sind Sie? O-Ton: (Salzburg): "Ich heisse Franz Kafka... ERZÄHLERIN: Wo kommen Sie denn her? O-Ton: (Salzburg):...Ich lebe in Salzburg... ERZÄHLERIN: Und was machen Sie beruflich? O-Ton: (Salzburg):... Ich bin Einkäufer... O-Ton: (Salzburg) "Mein Urgrossvater, der hiess auch Franz Kafka, auch mein Grossvater ist Franz Kafka und auch mein Vater hiess Franz Kafka..." SOUNDTRACK: AMBIANCE AUSSTELLUNG. ERZÄHLER: (liest) "Kloprozess". Steht an der Herrentoilette. O-Ton: (Ausstellung) Tür öffnet. ERZÄHLER: Selbst im Klo hört man Kafka... O-Ton: (Salzburg): Als Franz Kafka drei Jahre alt war, wurde mein Urgrossvater geboren...Schon in Österreich. Seine Mutter ... sie hiess Kafka und stammte aus Süd-Böhmen aus der Gemeinde Meinetschlag--heute heisst es Malonty--im (Tschechischen). Es ist nur ein Steinwurf über die Grenze zum heutigen Österreich, ja. ENDE COLLAGE. * MUSIK: Kafka Unchained. Bleibt hinter der "Kritiker". ERZÄHLERIN: Also was ist nun "kafkaesk"? ERZÄHLER: Stumpfe Bürokratie. Übermächtig, böse... ERZÄHLERIN: Und...humorvoll. **Ton Installation: Prozess Man erzählt zum Beispiel folgende Geschichte, die sehr den Anschein der Wahrheit hat. Ein alter Beamter, ein guter, stiller Herr, hatte eine schwierige Gerichtssache, welche besonders durch die Eingaben des Advokaten verwickelt worden war, einen Tag und eine Nacht ununterbrochen studiert ... Gegen Morgen nun, nach vierundzwanzigstündiger, wahrscheinlich nicht sehr ergiebiger Arbeit, ging er zur Eingangstür, stellte sich dort in Hinterhalt und warf jeden Advokaten, der eintreten wollte, die Treppe hinunter. Die Advokaten sammelten sich unten auf dem Treppenabsatz und berieten, was sie tun sollten... Schließlich einigten sie sich darauf, daß sie den alten Herrn ermüden wollten. Immer wieder wurde ein Advokat ausgeschickt, der die Treppe hinauflief und sich dann unter möglichstem, allerdings passivem Widerstand hinunterwerfen ließ, wo er dann von den Kollegen aufgefangen wurde. Das dauerte etwa eine Stunde, dann wurde der alte Herr, wirklich müde und ging in seine Kanzlei zurück. O-Ton: (Stach) "Das ist eine Szene, die ist so Slapstickartig, daß ich mal stark vermute, daß Kafka das aus dem Kino hat. ERZÄHLER: Sagt Reiner Stach, der Kafkaologe. O-Ton: (Stach): "Kafka war ein großer Kinogänger, er hat außerordentlich viele Slapstick-Filme gesehen, ich bin mir ganz sicher, daß das auch eine Slapstick-Szene ist, die er aus dem Kinematographen hat. ...Es gibt sogar noch eine zweite Szene ähnlichen Charakters... Also das ist etwas, was so irreal ist..." * Musik: Kafka Band. "Böses Wetter". O-Ton: (Jaromir) J99: Czech über K und Kommunisten, dann JR Übersetzung: "An Kafka Bücher ranzukommen war vor der Wende nicht so leicht. Der war einfach auf einer Liste der Autoren, die verboten waren. In den 60er Jahren wurde er entdeckt in der Zeit des Prager Frühlings... Dann nachher in der Zeit der "Normalisierung" nach 1968, der war persona non grata wieder. Dann erst mit Gorbachev, in den späten 80ern kam wieder eine Wiederentdeckung von Franz Kafka". **Ton Installation: Schloss ** " Herr Landvermesser, da Sie so freundlich sind, selbst mich aufzusuchen, muß ich Ihnen freilich die volle, unangenehme Wahrheit sagen. Sie sind als Landvermesser aufgenommen, wie Sie sagen; aber leider, wir brauchen keinen Landvermesser. Es wäre nicht die geringste Arbeit für ihn da. Die Grenzen unserer kleinen Wirtschaften sind abgesteckt, alles ist ordentlich eingetragen. Besitzwechsel kommt kaum vor, und kleine Grenzstreitigkeiten regeln wir selbst. Was soll uns also ein Landvermesser? " Musik: Kafka Band. "Böses Wetter". O-Ton: (Jaromir) J99: Fühlt sich als Fremder in eigenem Dorf. JR: "Ja, dieses Gefühl ...ist mir sehr nah. Er hatte auch das Gefühl, dass er nicht in dieser Stadt hingehöre... Die Geschichte wird dort spielen, wo er das kennt, in der Gegend aus der er herkommt." Musik: Kafka Band. "Böses Wetter". * O-Ton: (Mbaye Seye): spricht Wolof. ERZÄHLERIN: Das ist doch der erste Satz der Verwandlung...Schon wieder Mbaye Seye aus dem Senegal. O-Ton: (Mbaye Seye): "Als Gregor Samsa eines morgens aus unruhigen Traümen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt." ERZÄHLERIN: Das ist doch der erste Satz aus der Verwandlung. Und was sagt man im Senegal zu solch unheimlichem Geschehen? O-Ton: (Mbaye Seye): " Das ist gar nicht so fremd... Eine mögliche Geschichte in Afrika ist es"... Vielleicht kann man sagen, dass er etwas böses getan hat, dass Gott oder ein Mann ihm zu diesem Ungeziefer verwandelt hat... Oder man kann sagen auch, dass er ein ausserordentlicher Mensch ist... in Klammern, ja?" O-Ton: (Crumb) (lacht): "For me the bug was not particularly horrifying, although people are repulsed by this giant insect. But the character of the insect is so harmless. He's not a menacing insect... ERZÄHLERIN: Das Insekt in Die Verwandlung ist keineswegs ein Monster, kein Raubtier... O-Ton: (Crumb): ...Doesn't have any predatory urges at all. ERZÄHLERIN: Robert Crumb findet es sogar "liebenswert". O-Ton: (Crumb): So then to me he becomes almost a loveable bug. So I made him a kind of big fat beetle (laughs)... He's not a monstrous thing, a thing out of a horror movie (laughs). ERZÄHLERIN: Gregor Samsa stammt aus keinem Horrorfilm... O-Ton: (Crumb) "It's very Jewish self-hatred kind of humour. Which you find in Lenny Bruce and other types of Jewish humor..." ERZÄHLER: Jüdische Selbstverachtung, meint Robert Crumb. Wie bei dem amerikanischen Komiker Lenny Bruce, der sich selber darstellt als... O-Ton: (Crumb): "...something really repulsive." ERZÄHLER: Abstoßend... O-Ton: (Crumb): "...something really repugnant about them." ERZÄHLER: ...abscheulich... O-Ton: (Crumb): ..."which is why some people thought I was Jewish." ERZÄHLER: ... und befremdlich. Die Qual der Entfremdung. O-Ton: (Crumb): "That all comes out of alienation. Alienation and the pain of alienation. You can turn it into humour, but it's a dark humour." * Musik: Kafka Band. "Grab". ERZÄHLER: Phantasien der Selbstvernichtung finden sich massenhaft in Kafkas Tagebuch... ERZÄHLERIN: "Immerfort die Vorstellung eines breiten Selchermessers, das eiligst und mit mechanischer Regelmässigkeit von der Seite her in mich hineinfährt und ganz dünne Querschnitte losschneidet die bei der schnellen Arbeit fast eingerollt davonfliegen." O-Ton: (Jaromir) J99: Destruktive Seite von Kafka. JR: "Kafka mochte sehr das Schöpfen, aber zugleich dabei war auch eine sehr destruktive innere Kraft. Der wollte die Bücher verbrennen... Der hatte Freude an Schöpfen für sich selbst...der erwartete keine grosse Popularität. Das hat sowas von destruktives, etwas von Punk in sich hat." Musik: Kafka Band. "Grab". O-Ton: (Crumb) RC: "Someone has reached out and touched you from the grave. This guy's been dead since 1924. (Lacht) That's amazing. That you can feel so close with someone who's been dead for a couple generations back. Before you were born. And touch something universal, this alienation, that there's something loathsome about you, and it's a social thing. Part of you knows that you're not loathsome, but part of you feels loathsome in relation to society, to other people." ERZÄHLER: Da greift einer aus dem Grab nach dir. Der Kerl ist seit 1924 tot. Erstaunlich, daß man sich jemandem, der seit zwei Generationen tot ist, so nah fühlen kann. Der etwas Universales berührt, diese Entfremdung, daß da was Abscheuliches an dir ist, im Sozialen. Ein Teil von dir weiß, daß du nicht abscheulich bist, aber ein Teil von dir fühlt sich abscheulich in Bezug auf die Gesellschaft, auf andere Leute. Musik: Kafka Band. "Grab". O-Ton: (Chantal) "Il montre la sottise...de tous ces gens qui n'ont pas intégrés le fait qu'ils sont mortelles;... qui ne voit pas qu'il y a de monstrueux dans la vie quoi. Lui, Kafka, il voit le monstrueux dans la vie. Et ça amène un décallage qui peut produire le rire. Le monde actuel a tendence de faire le contraire qui a fait Kafka. Le monde dans lequel nous sommes, européen, français, allemand, est un monde qui évacue l'étrange, qui évacue le macabre, qui évacue le cadavre... Oui, il y a une dimension surréaliste chez Kafka, ...que j'ai rendu au mieux, en rajoutant mon propre surréalisme...de rendre visible l'invisible, quoi. Parfois, il y a l'invisible dans le texte lui-même, donc, j'ai essayé de rendre visible ce qui est invisible dans les textes de Kafka." ERZÄHLERIN: (Voice over gemixt) Kafka zeigt die Dummheit all dieser Leute, die die Tatsache, daß sie sterblich sind, nicht begriffen haben... die nicht sehen, daß es im Leben Ungeheuerliches gibt. Er, Kafka, sieht das Monströse im Leben. Und das führt zu einer Verschiebung, die Lachen auslösen kann. Die Welt, in der wir leben, Europäer, Franzosen, Deutsche, ist eine Welt, die das Unheimliche ausblendet, die das Makabre, den Kadaver evakuiert... Musik: Kafka Band. "Grab". Absage: Kafka Unchained. Der entfesselte Kafka Ein Hörcomic von Malgorzata Zerwe und David Zane Mairowitz Es sprachen: Leslie Malton und Felix von Manteuffel Mit der Kafka-Band aus Prag Regie: die Autoren Ton: Lutz Pahl Redaktion:Ulrike Bajohr Eine Produktion des Deutschlandfunks mit dem Österreichischen Rundfunk 2014. 4