COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Sendung: Deutschlandrundfahrt Thema: Auf Sand gebaut - 850 Jahre Brandenburg, 09.Juni 2007 Autorin: Nana Brink Redaktion: Sonja Scholz Regie: Musik 1(a). O-Ton: Kinder in der Slawenburg Albrecht der Bär? da hat er so eine slawische Burg erobert und da begann dann die Geschichte von Brandenburg und er hat sie Brennabor genannt und das war so ungefähr vor 1000 Jahren. Regie: Musik hoch 1(b). O-Ton: Günter de Bruyn Wenn man Deutschland oder Europa im Auge hat, dann taucht die Gegend in der Geschichte spät auf; irgendwie spürt man das bis heute, das ist doch altes Kolonialland gewesen und man findet nie ganz alte Dinge, die Geschichte fängt immer erst mit den Preußen so richtig an. Regie: Musik hoch 1(c). O-Ton: Stefan Schwarz Die Mark Brandenburg, ist eigentlich ein Grenzland, heute nicht mehr so, aber früher und heute lebt er an der Grenze des Machbaren, weil das Land, in der er lebt, ist ja von den Bodenwerten her mit Ostseestrand zu vergleichen, da wächst eigentlich nichts und aus diesen Bedingungen das Beste zu machen, das zeichnet den Märker aus. Regie: Musik hoch SpvD: Auf Sand gebaut ? 850 Jahre Brandenburg. Eine Deutschlandrundfahrt mit Nana Brink. Atmo: Frösche am Teich in Görsdorf Autor: Görsdorf, Landkreis Oder-Spree, Brandenburg. 200 Einwohner, eine Kirche, ein Dorfteich. Vormittags um 11 Uhr hört man nur die Frösche ? und manchmal ein Auto. 2. O-Ton: Günter de Bruyn (Atmo Froschteich) In den letzten fünf und zehn Jahren ist die Straße neu gemacht worden, der Dorfteich ordentlich angelegt worden und dieses Dorfgemeinschaftshaus neu gebaut worden und so verschiedene Ruinen abgerissen, es sah nicht sehr schön aus früher. Autor: Günter de Bruyn steht neben dem Teich und wartet auf seinen Besuch. Wir treffen uns am Teich, hat er gesagt, Sie finden mich sonst nicht. Seit fast vierzig Jahren lebt der Schriftsteller in einem abgeschiedenen Gehöft mitten im Wald. Kurz vor seinem 80. Geburtstag im letzten Jahr schreibt er ein Buch über sein Brandenburger Dorf. ?Abseits? heißt der Titel und ? natürlich schreibt er nicht nur über Görsdorf, sondern über seine große Liebe zur ?Mark Brandenburg?. Deren Geschichte beginnt am 11. Juni 1157, als der askanische Fürst Albrecht der Bär die Herrschaft der Slawen beendet und sich ?Markgraf von Brandenburg? nennt. Atmo: Auto rumpelt über den Feldweg Autor: Nach ein paar Minuten Fahrt über einen staubigen Weg ? rechts und links liegen endlose Getreidefelder - steuert Günter de Bruyn seinen Jeep über einen holprigen Waldpfad. Plötzlich lichtet sich das grüne Dickicht. 3. O-Ton: Günter de Bruyn Tor auf (bimmelt)?.Tor zu?.das ist das alte Haus, was ich damals fand, während das hier, das ist alles neu, wissen Sie, dass ist früher mal ein Stall gewesen, der ging bis zur Ecke, das war ja alles ruiniert, während dieses alte Haus, das war zwar auch völlig ruiniert, aber die Mauern waren stehen geblieben und auch innen ist nichts verändert?.haben sehr arme Leute gewohnt. Autor: An der Blabbermühle 1. Wir sind angekommen im selbst gewählten Exil des Dichters. Blabber heißt der Bach, der längst ausgetrocknet ist, sagt er erklärend. Auf dem Gesicht des 80jährigen liegt ein warmes Lächeln. Liebevoll deutet seine Hand auf ein kleines gedrungenes Backsteinhaus mit rotem Ziegeldach, umrahmt von krummen Bäumen und wuchernden Grünpflanzen. 4. O-Ton: Günter de Bruyn (Treppen hoch?.Tür auf)?wissen Sie, dass ist so ein Haus, das ist 1870 gebaut, und das hat nur so eine Backsteinverkleidung, das ist noch innen alles mit Lehm gebaut, aber Sie sehen, hier innen bröckelt das ab, die Wände sind auch aus Lehm und die Decken. Autor: An der schiefen Wand steht ein ausladendes uraltes Sofa und eine Vitrine, die fast an die niedrige Decke stößt. Es riecht nach Wald ? und Kaffee. Günter de Bruyn deckt den Tisch, setzt sich und beobachtet sein Gegenüber zurückhaltend. In den späten 60er Jahren, als die DDR am dunkelsten ist und der damals sehr bekannte Schriftsteller schon heftig mit der realsozialistischen Wirklichkeit hadert, entdeckt er während eines sonntäglichen Spaziergangs diesen Landstrich fern ab seiner Heimatstadt Berlin. 5. O-Ton: Günter de Bruyn Wissen Sie, das ist so eine Art von Liebe, - wie jede Liebe hat sie immer im Vertrauen zu tun, mit vertraut sein, in gewisser Weise war das natürlich ein Abenteuer, aber ich hatte sofort das Gefühl, dass ich hier zu hause sein könnte. Autor: Der Dichter kauft das zerfallene Haus, lebt jahrelang ohne Strom und Warmwasser, ohne Telefon sowieso. Die Dorfbewohner halten ihn für ein bisschen verrückt, aber karren Baumaterial auf ihren Treckern in den Wald. Der Schriftsteller bedankt sich mit einem Buch. ?Abseits? ? eine leise Hymne an einen Landstrich, den außer Theodor Fontane nie einen berühmten Künstler interessiert hat. 6. O-Ton: Günter de Bruyn Vielleicht ist gerade dieses Unscheinbare, das typische Brandenburgische, also alles, was man über dieses Dorf sagen kann, kann man über 100 Dörfer in Brandenburg sagen und insofern ist jede Einzelheit, die ich hier finde, immer auch etwas Bezeichnendes, auch das es so wenig zu sagen gibt?(lacht)? wissen Sie, das ist so ähnlich wie mit der Landschaft, die ja auch keine besonderen Sensationen bietet, wie jeder Küstenort oder jede Gebirgslandschaft, sondern man muss sich da immer Mühe geben, etwas Interessantes zu finden. Autor: Der Dichter findet zwischen den weiten Feldern und hinter den efeubewachsenen alten Backsteinkirchen, wie er schreibt, ?das Beste, was wir hier haben: eine unzeitgemäße Stille?. 7. O-Ton: Günter de Bruyn Wenn Sie so wollen, sind natürlich diese so ganz landwirtschaftlichen Teile hier von Brandenburg alles in irgendeiner Weise verspätet, also wenn man es mit Berlin vergleicht oder auch der Entwicklung in Westdeutschland, dann ist es Jahrzehnte verspätet, aber das ist eben auch der Vorteil? Autor: Geschichtsverspätung als Vorteil? Den Dichter stört es nicht. Er schreibt ? und lebt zwischen Gestern und Heute. 8. O-Ton: Günter de Bruyn Und das ist die alte Pumpe?.wir haben eine elektrische Pumpe, aber wir holen immer noch aus der alten Bohrung unser Wasser?(gehen raus)?das ist mein Reich?(gehen ins Haus)? das ist meine Bibliothek?.ich schätze 6000? habe ich mir noch nie Gedanken gemacht, außerdem werden es täglich mehr. Autor: Am umfangreichsten ist die Sammlung über brandenburgische und preußische Geschichte. Zu einer Liebe, sagt er, gehört auch, dass man weiß, wo sie herkommt. Bekannt sind Günter de Bruyns Werke über die preußische Königin Luise oder die Berliner Prachtstraße ?Unter den Linden?. Gerade schreibt er am zweiten Teil seiner ?Schicksale aus Berlins Kunstepoche? des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Er sitzt an einem schmalen Schreibtisch in seiner Bibliothek mit Blick auf das verwunschene kleine Haus. Berlin aber hat er deshalb nie vergessen. 9. O-Ton: Günter de Bruyn Sie müssen auch immer bedenken, zu Brandenburg hat bis 1920 auch immer Berlin gehört, war die Hauptstadt von Brandenburg, das kann man sich immer heute so schlecht vorstellen, am allerwenigsten können es die Brandenburger übrigens, die immer so eine leichte Aversion gegen Berlin haben, verständlicherweise, weil der Moloch Berlin das Land im Laufe der Zeit immer so aufgefressen hat, aber Sie müssten eigentlich, wenn Sie fragen nach berühmten Leute, Berlin immer dazu rechnen. Soviel hat man da nicht aufzuweisen außer Kleist, Schinkel, Fontane, - das sind alles Berliner gewesen, die sind in der Mark Brandenburg geboren. Autor: Günter de Bruyn ist ein Sonderfall. Er hat den umgekehrten Weg gewählt. Er, der in der DDR in die innere Emigration geht, weil er seine Heimat nicht verlassen will, wählt die maximale Entfernung von der Hauptstadt, - ein Dorf in der märkischen Provinz. Kein schlechter Ort, um in Ruhe nachzudenken. 10. O-Ton: Günter de Bruyn Wenn man ganz Deutschland oder Europa im Auge hat, dann taucht die Gegend in der Geschichte spät auf, das fällt einem ja auf, man muss nicht unbedingt bis nach Köln fahren, um die Überbleibsel der Römer zu erleben, es ist ja schon wenn man Thüringen fährt, ist es schon etwas anders?irgendwie spürt man bis heute, das ist doch so altes Kolonialland gewesen ? die Industrialisierung nur an wenigen Punkten mitgemacht hat und ?die Geschichte fängt immer erst mit den Preußen so richtig an. Musik 2?42 Interpret: Chris Barber& His Jazzband Titel: Petite fleur CD Track: Komponist: Sidney Bichet Text: LC/Best.-Nr.: DLR- Archiv#: Dira, Musikspeicher Atmo: Kinder toben in der Slawenburg Autor: Geschichtsstunde in der Slawenburg Raddusch. Die rekonstruierte Burg liegt an ihrem Originalstandort in der Niederlausitz, ungefähr 80 Kilometer von Berlin entfernt. Die Klasse 4b aus der Grundschule in Blankenfelde unternimmt einen Ausflug in die 850jährige Geschichte Brandenburgs. 11. O-Ton: Kinder der 4b Albrecht der Bär?der hat Brandenburg so zu sagen erschaffen ... er hat auch so eine slawische Burg erobert und da begann dann die Geschichte von Brandenburg?und er hat sie Brennabor genannt und das war ungefähr von 1000 Jahren?.und wahrscheinlich hat Albrecht der Bär sich Albrecht der Bär genannt, weil er auf seinem Wappen einen Bären hatten. Autor: Der Bär im Wappen hat sich nicht gehalten, wissen die Kinder, aber der Markgraf von Brandenburg. Mit diesem Titel schreibt sich der askanische Fürst Albrecht der Bär am 11. Juni 1157 in die Geschichtsbücher ein. An diesem Tag vor 850 Jahren erobert der Markgraf die Brandenburg von den Slawen. Harriet Bönisch, die Leiterin der Slawenburg Raddusch, erzählt von den Ureinwohnern Brandenburgs. 12. O-Ton: Harriet Bönisch, Museumsleiterin Die Ureinwohner Brandenburgs, des heutigen Brandenburgs, das ist die slawische Bevölkerung gewesen, wobei wir unterschiedliche Stämme haben, in der Niederlausitz waren es Lusizi, um Brandenburg die Heveller, die dann später erobert werden?.und in der Niederlausitz hat sich ja bis heute das slawischen Bevölkerungssubstrat bis heute gehalten, fahren Sie in die Niederlausitz, finden Sie jeden Ortsnamen zweisprachig, also in Sorbisch, der alten slawischen Schriftsprache und in Deutsch. Atmo: Kinder spielen in der Ausstellung (am Schleifstein etc.) Autor: Die Viertklässler toben durch die Ausstellung in der Slawenburg Raddusch. In großen Schaukästen liegen die Fundstücke, die man im ehemaligen Niederlausitzer Braunkohlerevier ausgegraben hat. Werkzeuge, Töpfe, Pfeilspitzen. Die Kinder bekommen Nachbauten in die Hand, um sich vorzustellen, wie die Slawen vor 850 Jahren hier gelebt haben. Museumspädagogin Doreen Götzen liest eine Geschichte vor. 13. O-Ton: Doreen Götzen und die Kinder (Lehrerin liest vor aus dem Leben der Slawen)?.wisst ihr jetzt, was ihr machen sollt? Wenn ihr den Gegenstand gefunden habt?bleib noch einen kleinen Moment?und dann lest mal, was da steht?guckt euch mal den Topf an. Autor: Während die Kinder spielen, erklärt Museumsleiterin Harriet Bönisch den Lehrern ein heute vergessenes Kapitel aus der frühen brandenburgischen Geschichte. 14. O-Ton: Harriet Bönisch, Museumsleiterin Im 12. Jahrhundert passiert etwas, was in dieses Gesamtkonstrukt des Entstehens des Landes Brandenburgs hineinpasst, es kommt zur deutschen Ostkolonisation?und hier entstehen dann unsere ersten Städte, symbolisiert durch diese Fachwerkhäuserzeile, und es werden neue Dörfer errichtet, gemeinsam von den hier lebenden Slawen und den Neusiedlern und ? wir können dort sehen, dass Slawen und Deutsche gemeinsam diese Dörfer angelegt?Es gab ja immer mal so die Auffassung, die Slawen sind an den Rand gedrängt worden und die hatten dann die schlechten Gehöfte und Sie finden dann im 12. und 13. Jahrhundert die Dörfer und gleiche Gehöfte?.das ist sehr sehr wichtig als Erkenntnis. Autor: Bis weit in das 19. Jahrhundert hinein hält sich die sorbische Sprache auf dem Land, bis der preußische Staat auch dort Deutsch als Staatssprache durchsetzt. Überhaupt Preußen! Hat nicht schon der märkische Dichter Günter de Bruyn gesagt, die märkische Geschichte fängt eigentlich erst mit Preußen an? Atmo: Musik aus dem 17. Jhd 0?50 Autor: Zuvor gehörte der Landstrich dies- und jenseits der Oder mal den Wittelsbachern oder den Luxemburgern. Keiner jedoch interessierte sich sonderlich für die Mark, die als Grenzland des Heiligen Römischen Reiches ? daher der Name Mark ? schlechte Böden und eine renitente slawische Urbevölkerung ihr Eigen nennt. Es dauert ein paar Jahrhunderte, bis das Geschlecht der Hohenzollern aus märkischen Rübenäckern die preußische Idee aufkeimen lässt. Erst nach dem 30jährigen Krieg, Mitte des 17. Jahrhunderts, baut Friedrich Wilhelm, auch genannt der Große Kurfürst, die Macht seines Reiches aus: Er verleibt sich das Herzogtum Preußen ein, ? zwischen Königsberg und Danzig. Sein Sohn krönt sich 1701 zum König von Preußen. Atmo: Preußische Fanfaren Autor: Im Jahre 1713 besteigt Friedrich Wilhelm I., der Soldatenkönig, den Thron und begründet den Mythos vom preußischen Staat und seinen Tugenden: Pflicht, Gehorsam, Sparsamkeit, aber auch Drill und Disziplin. Die Kinder aus der 4b der Grundschule in Blankenfelde erinnern sich an ihren Ausflug in die Landeshauptstadt Potsdam, - vor allem an den Mann mit der spitzen Nase und dem großen Hut. 15. O-Ton: Kinder der 4b Er war der Sohn von dem Soldatenkönig?der lebte auch in Sanssouci, in Potsdam?da waren wir mit unserer Klasse, das hat er sich gebaut und er hat seine, waren es 14 oder 11 Hunde? ... seine Hunde hatte er neben sich begraben?da hat er als Sommersitz gebaut? er wurde mit einer Prinzessin verheiratet, aber irgendwie mochte er die nicht ? seine Hunde waren sein Ein und Alles und er war in den Krieg gegangen und hat mit gekämpft? Den 13jährigen Krieg?gegen so ne Königin von Österreich? und er hat unheimlich gerne gelesen und deshalb hat er auch einen Bibliothek gehabt?er hat gewonnen?er hat gewonnen gegen sie. Autor: Gleich im ersten Jahr seiner Herrschaft ? 1740 - fällt Friedrich der Große in Schlesien ein, streitet sich mit der österreichischen Kaiserin, der russischen Zarin und etabliert Preußen unter hohen Blutverlusten auf der politischen Landkarte. Aus der abgeschiedenen Mark Brandenburg wird eine europäische Großmacht. Die Landbevölkerung bekommt es zu spüren. Der Militärdienst wird eingeführt, die Steuern steigen und ? die deutsche Sprache setzt sich durch. Und das, obwohl der König nur Französisch spricht. Aber die Herrschaft der Hohenzollern hat auch Vorzüge, - haben die Kinder aus der 4b gelernt. 16. O-Ton: Kinder der 4b Friedrich Wilhelm II und der I und der Alte Fritz nennt man auch den zweiten?die hatten die Kartoffelpflanze und dann hat er entdeckt, dass man die Knolle essen kann. ? Atmo: Musik aus dem 18. Jhd. 1?15 Autor: Zu hunderten lässt Friedrich der Große seine Soldaten die neuen Kartoffeläcker im Oderbruch bewachen. Sie zwingen die Bauern, die Knolle zu essen und nicht die giftige Frucht. Eine gewisse Schrulligkeit soll übrigens bis heute eine märkische Eigenart sein. Immerhin, - bevor er Kartoffeln pflanzen lässt, holt Friedrich die besten Fachleute ins Land, um das Oderbruch trocken zu legen. Und: Er holt Menschen. Hugenotten aus Frankreich, Katholiken aus Salzburg, Hussiten aus Böhmen und Pietisten aus der Pfalz. Sie sollen die ?Streusandbüchse des Heiligen Römischen Reiches? urbar machen. Legendär ist sein Spruch: ?Und wenn Türken und Heiden kämen und wollen das Land peubliren, so wollen wir ihnen Moscheen und Kirchen bauen?. Preußen wird ein Einwanderungsland, das ?Amerika Europas?. Dessen Karriere allerdings macht Brandenburg nie, - im Gegenteil: Das Dritte Reich führt die preußischen Tugenden ad absurdum und das Land Preußen in den Abgrund. Im Jahr 1952 wird es endgültig aufgelöst. Erst nach der Wende entsteht das Bundesland Brandenburg neu. 17. O-Ton: Kinder der 4b 1157, da hat die Burg wieder zurückerobert, das ist das Gründungsdatum? und wir wissen gar nicht, warum er der Bär hieß, ich glaube, den Namen hat er sich vielleicht selber gegeben, wenn jemand der Bär heißt?weil er so stark war?weil alle gedacht haben, dass er bärenstark ist?gibst nicht so Zeichen, wo ein Bär drauf ist. Autor: Es dauert eine Zeit, bis sich der rote märkische Adler ? den schon der Sohn Albrechts des Bären einführt ? wieder als Wappentier etabliert hat. Die Hymne ?Märkische Heide, märkischer Sand?, die Gustav Büchsenschütz 1923 komponiert und dichtet, lernen die Kinder wieder in der Schule. 18. O-Ton: Kinder der 4b 1. Märkische Heide, Märkischer Sand |: Sind des Märkers Freude, Sind sein Heimatland. :| Refrain: Steige hoch, du roter Adler, Hoch über Sumpf und Sand, |: Hoch über dunkle Kiefernwälder, Heil dir mein Brandenburger Land. :| Musik 4?09 Interpret: Titel: Brandenburgisches Konzert Nr.1/ Allegro CD: Brandenburgische Konzerte Track: 3 Komponist: J.S. Bach Text: LC/Best.-Nr.: LC7045 DLR- Archiv#: 50-12247 Atmo: Frösche am Dorfteich von Görsdorf Autor: Der Schriftsteller Günter de Bruyn steht am Teich in Görsdorf, einer 200-Seelen-Gemeinde im Landkreis Oder-Spree, etwa 60 Kilometer von Berlin entfernt. Von hier aus sehen Sie alles, erklärt er seinem Besuch und schaut etwas verklärt in die Landschaft. 19. O-Ton: Günter de Bruyn Das kann man nicht erklären, in dem man die Vorzüge der Landschaft preist, sondern das lässt sich bloß individuell erklären, ich gehöre wahrscheinlich zu den Menschen, die, um sich irgendwo zu hause zufühlen, immer sehr vertraut sein müssen und das bin ich von Kindheit an, ich bin in Berlin groß geworden, aber in Verbindung mit Brandenburg, meine Mutter kam aus Brandenburg ? Atmo: Frösche am Dorfteich von Görsdorf 20. O-Ton: Günter de Bruyn An sich kann man über Görsdorf gar kein Buch schreiben, weil es ja wenig gibt, also auch historisch ist hier wenig zu sagen, weil nichts überliefert ist, es ist nie so ein adliges Dorf gewesen wie Neuhardenberg oder Altmadlitz, über das ich auch mal geschrieben, wo große Geschichte hineinspielt, das ist hier nie gewesen, aber gerade das hat mich gereizt. Autor: Görsdorf ist wie hundert andere Dörfer in der brandenburgischen Provinz, schreibt der Dichter in seinem Buch ?Abseits?. Es handelt von Görsdorf. 21. O-Ton: Günter de Bruyn Die meisten Dörfer, die hier so im 12. und 13. Jahrhundert angelegt sind, sind fast alles Angerdörfer, das in der Mitte des Dorfes ein Platz ist, der immer der Dorfgemeinschaft gehört, wo die Kirche, die Schule und meistens auch die Schmiede stand, und später ein Gasthaus stand, und das lässt sich hier noch erkennen, obwohl die Anger meistens privatisiert worden sind. Atmo: Dorf (mit Auto) Autor: Es ist zwei Uhr nachmittags. Manchmal fährt ein Auto, meistens ein japanisches Modell, über die neue Straße. Rechts und links der Straße ducken sich die niedrigen alten Bauernhäuser. Viele haben über dem lehmgrauen Putz noch die alten bunten Zierkacheln aus DDR-Zeiten. Manchmal blitzt aus der gleichförmigen Häuserzeile ein himmelblaues Haus hervor. Wie ein Aufschrei. In manchen Dörfern gibt es mintgrüne oder lachsfarbene Häuser oder Häuser mit blauen Dächern. Görsdorf hat ein dottergelbes, neues Gemeindehaus direkt neben dem Teich. Und: Eine freiwillige Feuerwehr. Die Gaststätte und die Bäckerei sind geschlossen. Aber die Straßenbeleuchtung würde einer Kleinstadt zur Ehre gereichen. Dafür hat die Kirche keinen Turm mehr. 22. O-Ton: Günter de Bruyn Man erkennt sie auch deshalb so schwer, weil sie so unglücklich verputzt worden ist in DDR-Zeiten, das ist eigentlich eine schöne alte Feldsteinkirche, die innen auch noch schöne alte Teile hat und da ist der Glockenturm nicht wieder aufgebaut worden nach den Zerstörungen im Krieg. Autor: Meistens ist die Geschichte über Görsdorf und seine Bewohner hinweggefegt. Günter de Bruyn hat in seinem Buch die Geschichte seines Hauses dokumentiert. Nichts Aufregendes. Bauern, arme Bauern. Aber sie bekommen ein Gesicht, einen Namen, eine Geschichte. Der letzte Sohn bleibt im Krieg, irgendwo in Russland. Der Vater arbeitet sich zu Tode, die Mutter bleibt allein in dem Haus, das auch in den 60er Jahren keinen Strom hat. 23. O-Ton: Günter de Bruyn Wenn Sie bloß Bedenken, die letzten 100 Jahre, die ja auf dem Dorf so unheimlich viele Veränderungen gebracht haben, die man als Städter gar nicht wahrnimmt, es ist noch nicht lange her, dass die Bauern überhaupt mal selbstständig wurden, so im Laufe des 19 Jahrhunderts, und kaum waren sie ein halbes Jahrhundert selbstständig, .. .da kam nachher durch die Sozialisierung, durch die LPG und heute? die alten Leuten können Ihnen immer noch erzählen, wie sie diese schwere Landarbeit gemacht haben? und die jungen Leuten, die wissen nicht einmal mehr, wo ihre Felder liegen. Autor: Sie haben andere Sorgen. Viele von ihnen ? im Landesdurchschnitt über 20 Prozent ? sind arbeitslos. Ihre Kinder gehen nach Stuttgart oder München. Was sollen sie in einem idyllischen Dorf mit neuen Straßen, aber ohne Perspektive. Die Alten schweigen. 24. O-Ton: Günter de Bruyn Sie haben auch wenig darüber zu reden, die alten Leute, die so alt sind wie ich, die haben die ganze Nazizeit noch miterlebt als Kinder, aber sie haben sie immer miterlebt als Gewalten von oben, wissen Sie, die waren auch politisch nicht besonders interessiert, die haben immer mitgemacht, und als es sich wieder änderte, haben sie wieder mitgemacht, haben sich sicher ihre Gedanken darüber gemacht, aber sie konnten ja auch gar nicht anders. Autor: Ein Indiz für die nicht sehr ausgeprägte brandenburgische Identität. Aber woher sollte sie auch kommen. Preußen hat abgewirtschaftet, die DDR spaltet das Land in drei Bezirke und das Einzige, was nach der Wende viele Neubrandenburger verbindet ist das Gefühl der kompletten Bedeutungslosigkeit. Während der 80jährige Günter de Bruyn liebevoll dagegen anschreibt, verfällt die nächste Generation in Sarkasmus. Der 40jährige Autor Stefan Schwarz, gebürtiger Potsdamer, nimmt in seinem Buch ?Die Märker - pauschal? die Eigenarten seiner Landsleute gern aufs Korn. 25. O-Ton: Stefan Schwarz Ich glaube, das Brandenburgische ist so eine staatspolitische Entscheidung?wird nur benutzt, wenn man Fördermittel beantragt, der Märker ist etwas, was den Landstrich auszeichnet, die Mark Brandenburg, und das ist eigentlich ein Grenzland, heute nicht mehr so, aber früher war es ein Grenzland, und heute lebt er an der Grenze des Machbaren, weil das Land, in dem erlebt, ist ja von den Bodenwerten her mit Ostseestrand zu vergleichen, da wächst ja eigentlich nichts und aus diesen Bedingungen das beste zu machen, da zeichnet eigentlich den Märker aus. Autor: Kein Wunder, dass man über die Jahre ein wenig schrullig wird, - eine Tugend übrigens, die man vergeblich unter den preußischen Tugenden sucht. 26. O-Ton: Stefan Schwarz Also der Alte Fritz war ein großer schrulliger Kerl, sein Vater und sein Großvater auch und die Märker sind eigentlich alle sehr schrullig, heute hat da aber eher mehr mit der Langzeitarbeitslosigkeit zu tun, wenn man so 15 oder 20 Jahre lang arbeitslos ist, dann hat man zwei Möglichkeiten, entweder man debilisiert komplett oder wird sehr, sehr sonderbar. und gleich dran: 27. O-Ton: Rainald Grebe (Musik) ? ?Brandenburg? 0?50 Es gibt Länder, wo was los ist. Es gibt Länder, wo richtig was los ist. Und es gibt: Brandenburg, Brandenburg. In Brandenburg, in Brandenburg ist wieder jemand gegen einen Baum gegurkt, was soll man auch machen mit 17, 18 in Brandenburg? Es ist nicht alles Chanel es ist meistens Schlecker, kein Wunder dass so viele von hier weggehen, aus Brandenburg. Autor: Rainald Grebe gehört zu den bekanntesten jungen Musiker Brandenburgs. Seine Hymne ?Brandenburg? ist ein Hit in vielen Diskotheken. Sarkastisch, boshaft, - seine Liebe hat einen anderen Tonfall als die des märkischen Dichters Günter de Bruyn. 28. O-Ton: Günter de Bruyn Noch heute ist es so, dass die Leute auf dem Dorf immer von ihrem Schloss sprechen, selbst hier in Görsdorf, wo dieses bescheidene Gutshaus, was in den 20er Jahren gebaut worden, das ist auch heute noch das Schloss?. das kommt daher, dass Brandenburg als Agrarland immer so zurückgeblieben war, und die Genies, die hier sicherlich auch geboren wurden, die blieben hier nicht. Musik (Fötenstück von Friedrich dem Großen) Interpret: Kammerorchester des BSO Titel: Konzert Nr. 4 D-dur/ Allegro CD: Musik am Preußischen Hofe Track: 4 Komponist: Friedrich II. von Preußen Text: LC/Best.-Nr.: LC7082 DLR- Archiv#: 50-01760/b Atmo: Laufen auf Kies Autor: Man traut seinen Augen nicht. So etwas ist selten gebaut worden in der 850jährigen Geschichte Brandenburgs. Das Schloss Gusow im Oderbruch. Ein Wasserschloss, umrahmt von einem Graben, der mehr wucherndes Unkraut beherbergt als Wasser. Ein berühmter Baumeister hat hier in der fernen märkischen Provinz seinen Namenszug hinterlassen. 29. O-Ton: Peter Engelhardt, Besitzer von Schloss Gusow Die Fassade ist von Schinkel, ? er hat das ganze Schloss in neogotischer Manier in Friedersdorf bei Seelow errichtet und der gleich Baumeister, der das Haus gebaut hat, hat hier das Haus umgebaut und alle Versatzstücke, die dort angebracht worden sind, auch hier angebracht, so dass wir diese eigenartige Fassade und Form haben, Schinkel zu verdanken, die Farbe ist ja eine Toskanafarbe, das ist auch ungewöhnlich? Mark Brandenburg. Autor: Das kräftige Rot der Fassade ist von weitem zu sehen. Wie ein Ausrufezeichen steht das Schlösschen inmitten des unscheinbaren Dörfchens Gusow nahe der Oder. Der Berliner Architekt Peter Engelhardt kaufte das Gut vor 15 Jahren. Der elegante bedächtige Herr im hellen Anzug suchte eine Bleibe für seine Antiquitäten ? und fand ein Schloss. 30. O-Ton: Peter Engelhardt Ich hatte nämlich angefangen, Brandenburg-Preußen nach meinem Studium, nach meinem Aufenthalt in Japan, zu sammeln, weil ich die Kunst und Kultur der Japaner bewundert habe und dann habe ich nachforscht, was wir eigentlich für unsere Kultur getan haben und habe festgestellt, dass wir relativ wenig Interesse gezeigt haben und das war der Anlass dafür, dass angefangen habe zu sammeln, Bücher, Bilder, kleine Möbel, und das wurde dann immer mehr, es war ein Umzug öfter angesagt und so dass wir uns gesagt haben, wir wollen den Bauernhof meiner Schwiegereltern zurückbekommen, was nicht gelang, so dass wir ein kleines Herrenhaus gesucht haben?dass das nun so ein großes Schloss geworden ist, ist nun eine Fügung des Schicksals. Atmo: Bauarbeiten am Schloss Autor: Viel Geld hat Engelhardt bislang in den Erhalt von Schloss Gusow investiert. Über die genaue Summe schweigt er. Der Zustand des 250 Jahre alten Barockschlosses mit der neogotischen Fassade allerdings ist erbärmlich, als er es kauft - und seine Geschichte nach dem Krieg typisch für viele Herrenhäuser in Brandenburg. 31. O-Ton: Peter Engelhardt 27 Nutzungen, angefangen vom Getreidespeicher, über Düngemittellager, Eierannahmestelle, Schule, Kindergarten, Aussiedlerheim?und zum Schluss waren hier im Saal Essen für 800 LPG-Mitglieder, die wurden dann wurden dann durch eine Großküche versorgt, hier war die Essenausgabe, das war bis 89 der Fall und dann brach die LPG zusammen und das Schloss hatte so viel Unterteilungen, einen Teil für den Kindergarten, für die Schule, einen Teil für die LPG und für die Jugendübernachtungen, so dass überall erstmal wieder die Mauern eingerissen werden mussten, sämtliche Flure waren aufgeteilt. Autor: Heute hat Engelhardt ein kleines Museum der Preußisch- Brandenburgischen Geschichte in seinem Schloss untergebracht. Er hätte keinen besseren Ort finden können. Unter den ehemaligen Hausherren ist der ?Große Derfflinger?, einer der berühmtesten Militärs in der an Kriegsherren nicht armen Geschichte Brandenburgs. 32. O-Ton: Peter Engelhardt ?30jährigen Krieg ist er zum Generalleutnant aufgestiegen, nach dem Krieg hat er sich hier in Gusow zur Ruhe gesetzt und das war der Anlass, ? dass der Große Kurfürst im die Aufgabe aufgetragen hat die brandenburg-preußische Armee nach den Richtlinien der Schweden aufzubauen ? er hieß dann Georg Freiherr von Derfflinger und hat die große Verwandtschaft von Gusow begründet, das Haus umgebaut und den Park angelegt und er ist sogar so geehrt worden vom Großen Kurfürsten, dass er aus Holland Pflanzen bekommen, die er hier im Park gepflanzt hat und er war auch sicherlich hier im Haus, denn Küstrin war nicht weit von hier, 15 Kilometer .. und er ist in jedem Fall hier vorbei gekommen. Atmo: Musik aus dem 18. Jhd 0?30 Autor: Das kleine Schlösschen Gusow bekommt öfter Besuch von den ? nicht gerade zahlreichen ? großen Namen der brandenburgischen Geschichte. Ein eigener Raum erinnert an den Alten Fritz, der die Arbeiten zur Trockenlegung des nahen Oderbruchs beaufsichtigte. 33. O-Ton: Peter Engelhardt Er hat 1763 Gusow besucht am 23. Mai und er hat um fünf Uhr in der Früh den Hausherr aus dem Bett geworfen, dass war ja sein Kriegsminister, Friedrich der Große stand im Sommer so zwischen drei und vier Uhr auf und er kam aus Schwedt von seiner Schwester und er hat um fünf Uhr hier seinen Besuch gemacht, so der Tagebuchschreiber, so genau wissen wir das. Autor: Friedrich der Große war nicht nur ein wenig sonderbar, - er hatte auch Geheimnisse. Hobbyhistoriker Engelhardt zeigt auf eine Vitrine mit zwei Vasen aus Meißener Porzellan. Auf einer ? unverkennbar ? das Konterfei Friedrichs. Die andere ziert ein Frauenkopf, die Gräfin Orzelska, - eine uneheliche Tochter des sächsischen Königs August des Starken. Friedrich verliebt sich in sie, da ist er gerade 20. 34. O-Ton: Klaus Engelhardt Der Vater wollte es nicht, es war auch seine eigene Geliebte und er hat sie dann sofort nach Warschau expedieren lassen, im Gegenbesuch nach Berlin brachte August der Starke dann seine Tochter mit und da hat Friedrich noch eine Besenkammer gefunden im Schloss und er hat ihr tatsächlich ein Kind gemacht und dieses Kind kam nach Frankfurt/Oder, wurde hier erzogen von einem Richter namens Karell, so steht es offiziell im Hofkalender und deshalb sind die Meißener Deckelvasen entstanden, die Gräfin Orzelska und Friedrich der Große, man hat vielleicht gehofft und geglaubt, dass die beiden sich noch näher kommen und vielleicht heiraten, aber das war ja nicht standesgemäß, auf jeden Fall war es das erste uneheliche Kind Friedrich des Großen. Autor: Es soll noch ein zweites Kind geben, ein Mädchen namens Friederike, auch hier im Oderbruch gezeugt mit der Ehefrau eines seiner Militärs. Warum die offizielle Geschichtsschreibung darüber schweigt, kann sich Klaus Engelhardt auch nicht erklären. In Schloss Gusow zumindest kann man über die Besenkammer-Ausflüge Friedrich des Großen ausführlich lesen. Atmo: Alte Türen gehen auf Autor: Jeder Raum in Schloss Gusow ist voll gestopft mit Antiquitäten, Schaukästen voller Porzellan, Zinnfiguren, Medaillen, Büchern und alten Briefen. Hier erfährt man, dass der berühmte Dichter Heinrich von Kleist, der im nahe gelegenen Frankfurt/Oder wohnt, bevor er sich in Berlin das Leben nimmt, - dass jener zart besaitete Dichter nichts Gutes über seine Heimat Brandenburg zu berichten weiß. Am 1. Februar 1801 schreibt er an einen Freund: 35. O-Ton: Sprecher (Kleist) Brandenburg, wo, wie Sie wissen, der Künstler bei der Arbeit eingeschlummert zu sein scheint?. ich finde nichts, das mich auch nur auf einen Augenblick erfreuen könnte. Autor: Theodor Fontane, hugenottischer Abstammung, in Neuruppin geboren, hätte seinem Dichterkollegen wahrscheinlich vehement widersprochen. Wie kein anderer beschreibt er in seinen ?Wanderungen durch die Mark Brandenburg? diesen Landstrich. Auch Schloss Gusow besucht er und rühmt die Schinkelsche Architektur. Aber nur ein paar Kilometer weiter findet er, was er in Brandenburg so oft findet: 36. O-Ton: Sprecher (Fontane) Einsamkeit auch hier. Sie klang wie ein Idyll aus alten Zeiten und schuf dem Herzen süßes Glück. Ich wurde des stillen Lebens, das aus diesen Bildern zu mir sprach, nicht müde. In Front des Hauses stand ein uralter Birnbaum, in der einen Hälfte abgestorben, aber in der anderen noch frisch und mit Früchten bedeckt. Autor: Klaus Engelhardt wirft große Holzstücke in einen alten Kachelofen. 37. O-Ton: Klaus Engelhardt (macht Ofen auf) Holz aus dem Garten, aus dem Park?das ist mit 14 Öfen keine leichte Arbeit?weil wir soviel Holz durch die Orkane verlieren, sehr feucht und die Bäume ?sehr anfällig gegen Orkan?.können die Öfen heizen. Autor: Das Museum ist das ganze Jahr über geöffnet. Erst vor kurzem hat er einen neuen Raum eingerichtet. Als das letzte Mal die Geschichte über Gusow hinwegrollt, soll das Schloss eigentlich gesprengt werden. Im sechs Kilometer entfernten Seelow findet die letzte große Entscheidungsschlacht des II. Weltkrieges statt. Im April 1945 setzt die Rote Armee über die Oder und marschiert auf Berlin. 38. O-Ton: Klaus Engelhardt Und dann haben wir hier die Stahlhelme, die ich aus dem Wassergraben gezogen habe, und die Kartuschen, die haben aus dem Wassergraben, denn hier an der Brücke standen 2 Flakgeschütze, und die Überreste findet man heute noch überall. Musik Interpret: G. Mulligan & The Concert Jazz Band Titel: Come Rain Or Come Shine CD: Bar Jazz Track: 6 Komponist: Arlen/ Mercer Text: LC/Best.-Nr.: LC08259 DLR- Archiv#: 92-05500 Atmo: Vogelgezwitscher und Frösche am Dorfteich in Görsdorf Autor: Ist Görsdorf so alt wie Brandenburg? 850 Jahre? Der Dichter Günter de Bruyn, der seit 40 Jahren in dem kleinen märkischen Dorf wohnt, hat sich das oft gefragt. Er recherchiert und findet heraus, dass Görsdorf erst 1443 urkundlich erwähnt wird. Mehr nicht. Ein Dorf wie hundert andere in Brandenburg. Damals wie heute. 39. O-Ton: Günter de Bruyn Görsdorf hatte vor der Wende ungefähr 200 Einwohner und hat heute auch noch, es sind nur viele Junge weg, es sind vorwiegend alte Leute, die hier wohnen, und die Jungen, man hört immer wieder, die arbeiten heute in Stuttgart oder ? wie ich gestern hörte, dass sie nach Dänemark gegangen sind?.Geringer ist es nicht geworden, weil ab und an auch mal wieder Leute zuziehen, aus Berlin, aber es sind ältere Leute. Atmo: Fröschequaken Autor: Viele Spötter, vorwiegend aus der Hauptstadt, sehen Brandenburg schon als Altersheim von Berlin. Städte wie Neuruppin werben sogar mit ihren Seniorenresidenzen. Das Verhältnis zwischen Berlin, das bis 1920 zu Brandenburg gehörte, und seinem Umland allerdings ist nicht erst seit der 1996 gescheiterten Fusion gespalten. 40. O-Ton: Günter de Bruyn Ich finde das geradezu Irrsinn, dass es nicht so ist, ? aber das sind verschiedene Gründe, die vorwiegend von den Brandenburgern kommen, das muss ich ja leider sagen, denn die Berliner haben mehrheitlich dafür gestimmt. wenn Sie die Leute heute fragen und die Gegner dieser Vereinigung sagen immer, Berlin hat so viele Schulden, das alleine ist es aber nicht, es ist das Gegenargument? aber es hängt mit einer Aversion gegen die Großstadt zusammen? Minderwertigkeitskomplexe haben immer die Eigenschaft, dass sie so eine Art Trotz hervorrufen? man hat immer das Gefühl in Brandenburg, dass die Berliner die Brandenburger majorisieren würden. Autor: 3,5 Millionen Berliner gegen 2,5 Millionen Brandenburger? Der gebürtige Berliner und Wahlbrandenburger Günter de Bruyn schüttelt bei solchen Zahlenspielen den Kopf. Wie alle vernünftigen Menschen wirbt er für eine Vereinigung mit Berlin, auch wenn er die schon sprichwörtliche Renitenz seiner Brandenburger kennt. Die Politik lässt das Thema Fusion erst einmal ruhen. Eine Volksabstimmung hätte zum jetzigen Zeitpunkt keine Chance. Was aber wäre Brandenburg ohne Berlin, den wirtschaftlichen Motor? Allein im Speckgürtel rings um die Hauptstadt ist ein Großteil der überlebensfähigen brandenburgischen Industrie angesiedelt. Ohne die Berliner könnte die brandenburgische Gastronomie nicht überleben. Wenn sie schlau sind, die Brandenburger, so lacht Günter de Bruyn, schlagen sie aus ihren Nachteilen Kapital. 43. O-Ton: Günter de Bruyn Wissen Sie.. ich habe ja kurz nach dem Krieg in einer ganz anderen brandenburgischen Landschaft, nämlich im Havelland, gewohnt, im Luch, was ja geradezu ? so was langweiliges ist, was man sich kaum vorstellen kann, völlig glatt, hier ist es ja immer mal hügelig, glatt wie ein Tisch und ? ab und zu mal ein Baum, sonst nur Wiesen und Felder und da habe ich gemerkt, das auch so eine Landschaft unglaublich interessant ist, wenn man in die Details geht?wenn Sie zu Fuß über diese tafelglatte Ebene gehen, finden Sie immer irgendetwas Interessantes?(lacht)?und so geht es überhaupt in Brandenburg. Regie Schlußmusik Spr.v.D.: Auf Sand gebaut ? 850 Jahre Brandenburg. Eine Deutschlandrundfahrt mit Nana Brink. 1 1