Deutschlandradio Kultur Länderreport COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Tradition und andere Zeiten - Frauen und ehrwürdige Bremer MännerVereine - Autor Christina Selzer (Beitrag 1 : 3'03") Gaby Mayr (Beitrag 2 : 15'18" Red. Claus Stephan Rehfeld Sdg. 10.02.2012 - 13.07 Uhr Länge 20.16 Minuten Moderation (siehe Ablaufplan- -folgt Script Sendung- Script Sendung M 01 ErkMu REGIE Musik kurz frei & unter Moderator legen MOD Traditionen in anderen Zeiten. Frauen und ehrwürdige Bremer MännerVereine. Am Mikrofon begrüßt Sie Claus Stephan Rehfeld. REGIE Musik kurz frei & unter Moderator weg MOD In knapp anderthalb Stunden beginnt in der Hansestadt Bremen die 468. Schaffermahlzeit. Was dazumalen ein Abschiedsessen für Kapitäne war, hat heutzutage sozialen Stiftungscharakter und ist ein politisches Ereignis. Bundestagspräsident Norbert Lammert ist diesmal Ehrengast auf der Schaffermahlzeit, wo Männer den Ton angeben, Frauen sind bislang die Ausnahme - beim Schaffermahl. Und in der bremischen Politik und Wirtschaft? Christina Selzer ging dieser Frage nach. LR-k Frauen in Politik & Wirtschaft / Selzer - 3'03" AUTOR Frauen in der Bremer Politik? Spielen sie eine große Rolle? (Linnert) Könnte besser sein! (lacht) AUTOR Karoline Linnert, die grüne Finanzsenatorin Bremens meint das natürlich ernst, aber sie weiß auch, dass sie auf hohem Niveau jammert. Denn ganz so schlecht steht Bremen gar nicht da. Die rot-grüne Landesregierung kann immerhin mit drei Frauen auftrumpfen. Die Ressorts Soziales, Bildung und Gesundheit sowie Finanzen werden von Senatorinnen geführt. (Linnert) Im Senat haben wir es geschafft. Vier zur drei, das spiegelt wider, dass es Verbesserungen gibt. Auf Staatsräteebene sind wir deutlich unterrepräsentiert. Das kann auf jeden Fall noch besser werden. AUTOR Besonders für die Finanzsenatorin gilt: Ihr Bereich ist eine klassische Männerdomäne. Wer aufs Geld aufpasst, hat Macht. Dabei ist Bremen hochverschuldet, die Schuldenbremse ist bis Anschlag angezogen und zu verteilen gibt es wenig. Hier werden ein paar Millionen für die Schulen gefordert, dort für ein soziales Projekt. Da muss sie hart sein. (Linnert) Das ist ja objektiv so, dass es eine Männerdomäne ist, das hat mich auch besonders gereizt. Wenn Frauen sich immer mit den weichen Politikfeldern abspeisen lassen, die auch wichtig sind, aber dass wir dann nicht weiterkommen. Es ist eine Männerdomäne, aber ich fordere alle auf, mit mir zusammen das zu verändern. AUTOR In der Regierung kümmert sich Karoline Linnert um die Finanzen, hält gewissermaßen den Laden zusammen. Und auch in der CDU-Opposition soll es eine Frau richten. Denn nach monatelangen Querelen und Machtkämpfen haben die Bremer Christdemokraten jetzt eine Frau an ihrer Spitze. Rita Mohr-Lüllmann setzte sich - zwar mit den üblichen männlichen Methoden und gar nicht zimperlich - gegen den langjährigen Vorsitzenden Thomas Röwekamp durch. Das Amt will sie jetzt anders führen, irgendwie weiblich. (Mohr-Lüllmann) Unsere Bremer CDU braucht wieder eine Seele, ein Herz. Strahlkraft und Emotion! AUTOR Während die Frauen in der Politik des Landes also durchaus mitreden, hinkt die Wirtschaft in Sachen Gleichberechtigung weit hinterher. Fragt man Martha Pohl von der Handelskammer, dann betont sie zwar, es gebe viele erfolgreiche Frauen - vor allem als Chefinnen mittelständischer Firmen. In den großen Industrieunternehmen seien es zu wenige. (Pohl) Verbesserungsbedarf gibt es in allen Bereichen, sowohl bei den großen Industrieunternehmen, aber auch Bankenbereich. Die Bankenvertreter, die in den Handelskammergremien sind, sind durchgängig Männer, obwohl, wir in unseren Kammergremien versuchen, mehr Frauen mehr voranzubringen. AUTOR Fazit: In Bremen haben es Frauen es genauso schwer wie in anderen Bundesländern die Führungsetagen zu gelangen. In der Politik ist man dabei schon ein gutes Stück weiter als in der Wirtschaft. -ENDE Selzer- MOD Tradition und Gegenwart - beides ist aufeinander angewiesen. Also heißt es bewahren und fortentwickeln. Keine leichte Sache. Zumal, wenn eine Tradition schon einige Jahrhunderte auf dem Buckel hat. Zum Beispiel die Schaffermahlzeit in Bremen. Die 468. Schaffermahlzeit heute. Seit 1561 laden die Schaffer zum Mahl. Privat finanziert, einem wohltätigen Zecke dienend. Von Männern veranstaltet. Also "Männerbündelei", wie manche vorwurfsvoll meinen, oder Verbeugung vor einer ehrwürdigen und alten Tradition? Ein Spannungsverhältnis - zwischen Männern und Frauen oder zwischen Tradition und Gegenwart? Gaby Mayr nahm sich des Themas an. LR-l Traditionsvereine & Frauen / Mayr - 15'18" TAKE 1 (GLOCKE UND RUF) SPRECHERIN Eine Schiffsglocke ertönt und der Ruf erschallt, mit dem einst Schiffsköche die Besatzung zum Essen herbeizitierten. So beginnt an jedem zweiten Freitag im Februar die Schaffermahlzeit in Bremen. Seit bald fünf Jahrhunderten. (TANNHÄUSER: EINZUG DER GÄSTE) SPRECHERIN Zu den Klängen des Marsches "Einzug der Gäste" aus Richard Wagners Oper "Tannhäuser" betreten 300 Männer in Frack respektive Uniform den großen Festsaal des Alten Bremer Rathauses. Ursprünglich trafen sich Bremer Kaufleute und Kapitäne am Ende des Winters zum gemeinsamen Speisen, bevor die Schiffsführer wieder auf Fahrt gingen. Bald erhielt die Tafelrunde eine soziale Note - sie gründete die Stiftung "Haus Seefahrt". Die baute Wohnungen für bedürftige Kapitäne und deren Witwen und Waisen. Kapitän Holger Janssen: (JANSSEN) "Insgesamt haben wir 36 Wohnungen hier, und die Gelder, die auf der Schaffermahlzeit gesammelt werden, die fließen natürlich selbstverständlich zum Unterhalt der Häuser." SPRECHERIN Die Schaffermahlzeit ist in der Hansestadt ein Ereignis. Der Reporter von Radio Bremen berichtete früher sogar live und Stunden lang - zum Beispiel 1955: (RB-REPORTER) "Die große Tafel ist im Dreizack angeordnet, symbolisch der Neptungabel nachgebildet. Das alte Silber des Hauses Seefahrt ist wieder für diesen Zweck geputzt worden. Das Mahl, die Schaffermahlzeit ist nicht so opulent, wie man vielleicht annehmen möchte...." SPRECHERIN ...es gibt unter anderem Stockfisch, Braunkohl mit Pinkel - das ist eine fette Grützwurst - und Rigaer Butt. Fünf Stunden lang nehmen die Herren das sechsgängige Menü zu sich - nach einem minutengenauen Ablaufplan. Dazu gibt es edle Tropfen aus dem Bremer Ratskeller. Und genau ein Dutzend Reden, darunter die des Ehrengastes: (LUDWIG ERHARD, WIRTSCHAFTSMINISTER, 1953) "Ich glaube, dieser Tag war für uns alle ein Erlebnis." (HEINRICH LÜBKE, BUNDESPRÄSIDENT, 1960) "Und man muss nicht die Blocke, die Blocks zusammen oder die Blöcke zusammen, gegeneinander antreten lassen, sondern man muss die Dinge auflösen durch vorläufig zweiseitige Verträge, von einem zum anderen, innerhalb und außerhalb der Blocks." (MARTIN BANGEMANN, EU-KOMMISSAR, 1993) "Ich bin zwar nicht Kapitän, aber Segler und segle mit Begeisterung..." (ATMO SCHAFFERMAHLZEIT "HEPP") "Hipp, Hipphipp, Hurra!" SPRECHERIN Das örtliche Radio überträgt die Schaffermahlzeit schon lange nicht mehr. Aber Bürgermeister Jens Böhrnsen schwärmt - schon von Amts wegen - von dem festlichen Beisammensein der Herren im Frack. (BÖHRNSEN) "Ohne Zweifel gehört die Schaffermahlzeit zur Kultur unserer Stadt. Es ist aber nicht nur eine Gelegenheit, die Tradition Bremens zu leben, sondern sie auch zu zeigen - also auch ein guter Werbeträger." SPRECHERIN Bezahlt wird das Festmahl von den Kaufleuten. Genauer gesagt: Jedes Jahr finanzieren drei Kaufleute das Ereignis, die sogenannten kaufmännischen Schaffer. Wer einmal "geschafft" hat, darf fortan lebenslang an dem Traditionsessen teilnehmen. Und wer wird Schaffer? Schifffahrtskaufmann Andreas Bunnemann, derzeit auf kaufmännischer Seite verantwortlich für die Organisation des Schaffermahls: (BUNNEMANN) "Das haben Sie sich eigentlich so vorzustellen, dass wir aus dem Kreis der bremischen Kaufleute jüngere Kaufleute mit herauswählen, die in Führungspositionen sind, und es müssen schon Führungspositionen sein in Unternehmen, denn damit geht natürlich auch Hand in Hand, dass man die Kosten für die Ausrichtung der Schaffermahlzeit aufbringen kann." (ATMO RESTAURANT) SPRECHERIN Ein Restaurant in der Bremer Innenstadt. Am Nebentisch sitzen zwei gut gekleidete Herren. Das Gespräch dreht sich um die Schaffermahlzeit: Wer Schaffer werden kann? Welche Vorteile es hat, Schaffer zu sein? Es ist Sommer - ein halbes Jahr vor dem heutigen Esstermin. (GEUTHER) "Man redet immer über die Schaffermahlzeit, denn die Schaffermahlzeit ist ja gerade in Bremen das große Ereignis." SPRECHERIN Ralph Geuther hat 2011 die Schaffermahlzeit mitfinanziert. Er freut sich, dass er als Schaffer nun jedes Jahr einen Gast mitbringen darf. Der Schifffahrtsunternehmer über die Qual der Wahl: (GEUTHER) "Es ist immer so ein Abwägen. Auf der einen Seite möchte man gerne Freunde einladen. Auf der anderen Seite sollen´s natürlich auch Geschäftsbeziehungen sein, Persönlichkeiten sein, die auch für die Bedeutung der Schaffermahlzeit etwas bringen. Und ich meine, wir reden ja auch schließlich über Geld." SPRECHERIN Otto Lamotte war schon weit über 50, als er gefragt wurde, ob er Schaffer werden wollte. Eigentlich kann in einer Familie nur einer pro Generation Schaffer werden - und sein Bruder war es schon. Andererseits kam man an dem einflussreichen Kaufmann offenbar nicht vorbei - Lamotte ist mittlerweile Präses der Handelskammer. Er hat sich damals über die Anfrage sehr gefreut: (LAMOTTE) "Ich war schon stolz. Das ist eine sehr schöne Sache und auch eine Auszeichnung, gefragt zu werden und das zu machen." SPRECHERIN Otto Lamotte führt zusammen mit seinem Bruder eine international operierende Lebensmittelhandelsfirma. Seine Ehefrau Nicole Lamotte ist ebenfalls Mitglied der Geschäftsführung in dem Familienunternehmen. Auch wenn in Bremens mittelständischen Traditionsunternehmen die Anzahl der Frauen in Führungspositionen noch geringer ist als im Bundesdurchschnitt - es gibt sie durchaus, die Bremer Unternehmerinnen und Managerinnen. Als Schafferinnen wurden sie bis dato noch nicht geladen. Die Tradition. Die Tradition? (ATMO INNEN) SPRECHERIN Das ist auf Seiten der Kapitäne anders. Wer das Kapitänspatent besitzt, darf beim Schaffermahl dabei sein. Seit 2004 weiß auch Kapitänin Barbara Massing, wie der Stockfisch im alten Bremer Rathaus schmeckt. Und heute kann eine weitere Kapitänin an der Tafel Platz nehmen. (ATMO HEPP) SPRECHERIN Ein Mal war eine Frau Ehrengast: Bundeskanzlerin Angela Merkel. Das war 2007. Ohne Satzungsänderung. Die erfolgte erst später. Nun sind grundsätzlich auch weibliche Ehrengäste erlaubt. Schaffer und Handelskammerpräses Otto Lamotte: (LAMOTTE) "Wir haben diese gesellschaftliche neue Entwicklung, und wir werden mit dieser Neuheit richtig umgehen, nur wird das seine Zeit brauchen." (Autorin) "Wieviel Zeit?" (LAMOTTE) "Ich möchte mich nicht mit Jahren festlegen, sondern das ist etwas, was wachsen muss." SPRECHERIN Und manchmal braucht es Zeichen. Vizepräses der Bremer Handelskammer ist Janina Marahrens-Hashagen. Sie führt ein Unternehmen für Beschilderungen mit 200 Beschäftigten. Letztes Jahr setzte Marahrens-Hashagen gemeinsam mit ihren Kolleginnen aus dem Handelskammerplenum so ein Zeichen: Beim traditionellen Empfang der Handelskammer vor der Schaffermahlzeit hatten sich die weiblichen Mitglieder früher immer zurückgezogen - 2011 blieben sie: (MARAHRENS-HASHAGEN) "Wir sind uns auch ein bisschen bewusst geworden: Wir sind Gastgeber, sollten wir Frauen auch mal Flagge zeigen, dass wir dazu gehören, dass wir die Gastgeber zum Empfang der Schaffermahlzeit sind." SPRECHERIN Die Aktion zielte natürlich über den Empfang der Handelskammer hinaus: (MARAHRENS-HASHAGEN) "Schlussendlich ist vielleicht auch bei uns ins Bewusstsein gerutscht: Es nehmen ja auch Unternehmer an diesem Schaffermahl teil. Und wir sind Unternehmerinnen. Und man sollte mal auch ein bisschen an die Zukunft denken. Das wird der Tradition keinen Abbruch tun." SPRECHERIN Wie Traditionen sich anpassen können, dies zeigt auch ein Blick in die Geschichte der ehrwürdigen Veranstaltung. Der Ort, die Speisenfolge und Dauer des Mahls, die Musik - alles wurde immer mal wieder verändert. Zur Wirkung ihres Auftritts als Gastgeberinnen im vergangenen Jahr meint Unternehmerin Marahrens-Hashagen: (MARAHRENS-HASHAGEN) "Dass wir Damen da waren, ist sicherlich überall zur Kenntnis genommen worden. Ob da was in Bewegung geraten ist, kann ich jetzt so nicht sagen." SPRECHERIN Außerhalb von Unternehmerkreisen gibt es schon länger Kritik an dem Prozedere, das aus der Geschichte gewachsen ist. So veranstalten Sozialdemokratinnen seit 1975 alljährlich im Herbst ihr Schafferinnenmahl. (ATMO MUSIK, AUßEN) SPRECHERIN Die "Eiswette". Sie hat ihren Ursprung im Jahr 1829. Damals sollen sich 19 Bremer - zumeist Kaufmänner, aber auch Offiziere und ein Lehrer - nach einer Wette am Dreikönigstag zum Braunkohlessen getroffen haben. Der Wettverlierer musste bezahlen. Bei der Wette war es darum gegangen, ob ein 99 Pfund schwerer Schneider mitsamt Bügeleisen trockenen Fußes die Weser überqueren konnte. Ob die Weser also zugefroren war oder nicht - ob sie "geiht" oder "steiht". (ATMO STIMMEN) SPRECHERIN Alljährlich am Dreikönigstag findet am Weserdeich ein Eiswett-Spektakel nach genau festgelegten Regeln statt, teils auf Plattdeutsch: (EISWETTE, PLATTDEUTSCH) "Die Winterzeit ist Eiswettzeit, das ist nun wieder mal so weit. Ein Schneider, plietsch und kerngesund mit seinen 99 Pfund.... REGIE WEITER UNTERLEGEN SPRECHERIN Am Punkendeich herrscht Volksfeststimmung, alle haben ihren Spaß. Nur manchmal klingt es dann etwas merkwürdig: (MÄNNERSTIMME) "Meine Herren, ich begrüße die Novizen." (TANNHÄUSER: EINZUG DER GÄSTE) SPRECHERIN Beim Fest der Eiswettgenossen und ihrer Gäste sind dann mehr als 700 Männer unter sich. Zu Beginn ertönt Wagners "Einzug der Gäste" aus dem Tannhäuser - genau wie beim Schaffermahl. Eiswett-Präsident Peter Braun ist seit neun Jahren im Amt. Der Chef einer Personalberatungsfirma sorgt gerne mit prominenten Gastrednern für Aufmerksamkeit. Denn alle bremischen Männerrunden müssen ihr Profil schärfen - schließlich verwenden sie dieselben Zutaten: Der Rahmen ist festlich, die Kleiderordnung strikt, die Abfolge von Ereignissen und Speisen vorhersehbar. Meist werden Spenden gesammelt, für einen guten Zweck. Und die Reden sollen möglichst inspirierend sein. REGIE MUSIK WEG SPRECHERIN Auch das Bremer Tabak Collegium - erst Mitte der 1950er Jahre gegründet - funktioniert nach diesem Muster, allerdings ohne karitative Komponente. Man "tagt" mittlerweile drei Mal pro Jahr, davon zwei Mal an wechselnden Orten außerhalb Bremens. Das Gestühl, zwischendurch in Bremen eingelagert, wird jedesmal an den Ort der Zusammenkunft geschafft und nach fester Regel aufgestellt. Eiswett-Präsident Braun hatte 2010 den mittlerweile unschön aus dem Amt geschiedenen Freiherrn zu Guttenberg eingeladen und 2011 den ebenso leutseligen wie konservativen Münchner Kardinal Reinhard Marx. Dieses Jahr hatte er einen doppelten Coup gelandet: Springer-Vorstand Mathias Döpfner und Deutsche Bank- Chef Josef Ackermann sagten zu. (BRAUN) "Ich glaube, die Zusage von Doktor Döpfner,dieses Jahr als Deutschland- und Bremen-Redner, Vorstandsvorsitzender der Springer AG, und von Doktor Ackermann, symbolisiert ein bisschen, dass die Eiswette in den letzten Jahren doch - ich sag das mal in aller Zurückhaltung - ein gewisses Renommee erarbeitet hat, bundesweit." SPRECHERIN Aber natürlich kommen all die Herren zur Eiswette und anderen Bremer Männerrunden nicht nur wegen einem Vortrag plus Braunkohl. (BRAUN) "Das ist natürlich ein exzellentes Netzwerk. Ich erlebe das dann auch an den Tischen, da wird kommuniziert, Männer sind auch sehr kommunikationsfreudig. Es gibt die sogenannte Raupipau, das ist die Pause während der Eiswette, Rauch- und Pinkelpause, wie das verkürzt charmant heißt, wo natürlich sehr viel sich ausgetauscht wird. Also insofern ist das dann schon enorm Netzwerk bildend oder Netzwerk bestätigend." SPRECHERIN Die Eiswette ist nach wie vor eine Herrenveranstaltung. Was nun ist der besondere Charme einer derartigen Herrengeselligkeit? Eiswett-Präsident Peter Braun, beruflich häufig mit der Suche nach Mangerinnen beschäftigt und Vater von vier Töchtern, äußert sich zurückhaltend. (BRAUN) "Tja, also ich glaube, man sollte so eine Veranstaltung nicht ideologisch bewerten." SPRECHERIN Bremens sozialdemokratischer Bürgermeister Jens Böhrnsen bewertet die Herrenrunden seit Kurzem ein wenig kritisch - im Unterschied zu all seinen ebenfalls sozialdemokratischen Vorgängern nach 1945. (BÖHRNSEN) "Ich glaube, dass Traditionen, wenn sie sich erhalten wollen, auch einer gewissen Weiterentwicklung bedürfen." SPRECHERIN Der Bremer Bürgermeister nimmt traditionell an der Schaffermahlzeit teil und darf einen Gast vorschlagen. 2011 wollte Böhrnsen eine - selbstverständlich wichtige, erfolgreiche - Frau als Gast mitbringen. Die verantwortlichen Herren sagten "Nein". Daraufhin lud Böhrnsen niemanden ein. (MUSIK, INDISCH ODER CHINESISCH ODER JAPANISCH) SPRECHERIN Weniger bekannt in der Hansestadt ist der Ostasiatische Verein. Gegründet wurde er im Jahr 1901 von zehn Bremern, die in Asien gelebt hatten und nach ihrer Rückkehr die Erinnerung daran wach halten wollten - Kaufleute, Kapitäne, Ärzte. Heute organisiert der Verein öffentliche Vorträge, er pflegt Kontakte Richtung Osten, unterstützt junge Männer und Frauen, die sich für Asien interessieren, und er hilft Asiaten in Bremen. (VOLLERS) "Also auf Deutsch gesagt: Wir verstehen uns als Brücke zwischen Bremen und Asien." SPRECHERIN Arend Vollers ist seit mehr als 20 Jahren Vorsitzender des Ostasiatischen Vereins. Der Achtzigjährige kam über sein Teehandelsunternehmen auf Asien: (VOLLERS) "Ich bin Tee-Mann von Anfang an gewesen. Tee hat mich eben extrem gereizt, weil die Geschichte und Kunstgeschichte, die sich um Tee, den Artikel, rankt, so schrecklich interessant ist." (MUSIK "AULD LANG SYNE") SPRECHERIN Der Ostasiatische Verein feiert jedes Jahr einen Höhepunkt: Das Curryessen. Traditionell erklingt die schottische Weise Auld Lang Syne. Die Plätze für das Festessen im Rathaus sind heiß begehrt. Und bleiben Männern vorbehalten. (VOLLERS) "Wir machen nur eine Ausnahme, dass Diplomatinnen aus Fernost, also die den Rang eines Botschafters haben, als Mann betrachtet werden - die werden eingeladen, natürlich. Das lässt sich heute gar nicht mehr vermeiden. Zum Beispiel eine indische Botschafterin, die eine hervorragende Persönlichkeit war, die in den deutsch- indischen Beziehungen viel bewegt hatte. Und das wäre schade, wenn die nicht zu diesem Fest als Inder teilnehmen würde." SPRECHERIN 2011 dann weicht der Ostasiatische Verein von seinem selbst gesetzten Regelwerk ab. (VOLLERS) "Wir haben zum ersten Mal unsere Damen mit zu einem Geburtstagsfest ins Rathaus eingeladen." (Autorin) "Unsere Damen - das sind dann die Ehefrauen?" (VOLLERS) "Da konnte jeder jeden einladen. Wieviele Ehefrauen gibt es noch? Wieviele Begleiterinnen gibt es, weil die Ehefrauen nicht da sind. Oder nicht mehr da sind? (...) Es ist ein Thema, was wir da aufgenommen haben, weil wir einfach mal im Rathaus nicht nur das Smoking-Schwarz sehen wollten, sondern auch etwas Buntes und Freudiges und Lustiges." -ENDE Mayr- MOD Traditionen in anderen Zeiten. Frauen und ehrwürdige Bremer MännerVereine. Christina Selzer und Gaby Mayr beleuchteten ein Ereignis des Tages. Am Mikrofon verabschiedet sich von Ihnen Claus Stephan Rehfeld. -ENDE Sendung-