COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Nachspiel: Einmal Löwe, immer Löwe. Die wechselvolle Geschichte des TSV 1860 München Sendedatum: 15.09.2013 Autor: Georg Gruber Beitrag 1.O-Ton 19.05.1965 Finale Europacup der Pokalsieger Westham United - 1860 München Hier ist England, hier ist das Wembley Stadion in London, ich grüße Sie daheim in Deutschland von einem ganz großen Fußballfest, hier auf der Insel, im Mutterland des Fußballs vom Europacupendspiel zwischen Westham United und 1860 München! ... (unter Autor legen) Autor 19. Mai 1965. Das Endspiel im Europapokal der Pokalsieger. So weit wie der TSV 1860 München hatten es in einem europäischen Wettbewerb bis dahin nur wenige deutsche Mannschaften geschafft. 2. O-Ton Finale 1965 10-12.000 Zuschauer aus München werden dabei sein, aus Deutschland, die diese 16stündige Busreise oder den Flug nicht gescheut haben, um beim größten Fußballereignis, das die Münchner Fußballgeschichte überhaupt zu verzeichnen hat, dabei zu sein - und Küppers treibt den Ball der ganz in weiß spielenden Münchner - Rudi! Läuft ins Leere ... (Unter Autor legen) Autor Heute spielt 1860 München in der zweiten Bundesliga, seit bald 10 Jahren, abgetaucht im Mittelmaß. Fußballdeutschland spricht nur von dem anderen Münchner Verein, dem ewigen Rivalen, dem Triple-Gewinner und Supercup-Sieger FC Bayern. Vor 50 Jahren sprach ganz Fußballdeutschland vom TSV 1860 München, Gründungsmitglied der Bundesliga 1963, 1964 deutscher Pokalsieger, 1965 das verlorene Finale in Wembley, 1966 deutscher Meister. Trainer der Mannschaft war Max Merkel: 3. O-Ton Manfred Wagner, Interview 2013 Der Merkel, der war ein ganz ein harter Trainer, Menschenführung da hat er große Schwächen gehabt. Aber er hat genau gewusst, um was es geht. Autor Manfred Wagner. Er spielte von 1958 bis 1971 für den Verein als Verteidiger. 4. O-ton Manfred Wagner 2013 Wir haben also trainiert von Montag bis Donnerstag, in der Früh und Nachmittag. Und teilweise am Freitag noch. Wir sind vom Trainingsplatz fast nicht runter gekommen, und wenn wir mit dem Training fertig waren, dann ist das angestanden, Trainingslager, Auswärtsspiel sind wir am Donnerstag mit Zug, mit der Eisenbahn, nach Köln rauf oder nach Hamburg, und am Sonntag in der Früh sind wir dann wieder mit dem Schlafwagen runter gekommen. Und wenn wir recht schlecht gespielt haben, haben wir gleich noch mal trainieren müssen. Also wir haben ein brutales Training gehabt, waren läuferisch und konditionsmäßig allen Mannschaften fast überlegen und haben auch die richtige Mischung gehabt. Autor Manfred Wagner hat all die Erfolge miterlebt, die glorreichen 60er Jahre, auf die der Verein bis heute stolz ist - auch weil der TSV an diese Erfolge nie mehr anknüpfen konnte. Seit dem ersten Abstieg 1970 taumeln die Löwen durch den professionellen Fußball. Steigen auf, steigen ab, steigen auf, steigen ab. Immer wieder knapp vor der Insolvenz. Schon in den 60er Jahren verschuldete sich der Verein: 5. O-Ton Claus Melchior, Interview 2013 Aus der Zeit noch der sportlichen Erfolge gibt es ein Zitat eines Vorstandsmitglieds von 1860, die Bank soll wohl mitgeteilt haben, dass die Schulden jetzt bei 975.000 Mark lägen. Und der besagte Herr soll dann wohl gesagt haben: Dann machen wir doch noch 25.000 Mark Schulden, mit einer Million merkt's sich leichter. Autor Claus Melchior ist seit jenem Spiel im Wembley-Stadion, das er als 10jähriger am Fernsehen verfolgte, 60-Fan. Und einer der besten Kenner des Vereins als Mitverfasser des Standardwerkes "Die Löwen. Die Fußball-Geschichte des TSV München von 1860". Auch Manfred Wagner, der Meisterlöwe, sieht die Schuld für die Dauermisere in Fehlern der Vereinsführung. 6. O-Ton Manfred Wagner, Interview 2013 Die haben des nie in den Griff bekommen und nur teilweise dann einmal wieder. Aber insgesamt hat uns Bayern das vorgemacht und dann war das die große Wachablösung. Und so muss man halt einen Fußballverein führen, der dann immer professioneller geworden ist dann. Bis zum heutigen Tag ist das bei 60 das große Problem: Mal waren ein paar Jahre, wo es einigermaßen gegangen ist, aber es haben sich immer dann auch die Schulden angehäuft und dann ist der nächste Vorstand gekommen, nächste Führung, nächster Geschäftsführer. Und bei Bayern hat es sich langsam aufgebaut, mit den richtigen Leuten und einer sehr guten Mannschaft. Und bei 60 geht es ja auch jetzt praktisch ums Überleben, so ist der Verein, es tut mir zwar weh, mit der schlecht geführteste Verein über 30, 40 oder 50 Jahre. Autor Der TSV 1860 wurde am 16. Mai 1860 unter dem Namen "Verein zur körperlichen Ausbildung" gegründet, damals auch noch ohne Jahreszahl. Ein Vorläufer, der "Münchner Turnverein" war 1850 nach nur 2 Jahren verboten worden, die Turner waren der Obrigkeit suspekt, wurden nicht nur im Königreich Bayern als potentielle Revolutionäre angesehen. Fußball wurde zu dieser Zeit in Deutschland noch nicht gespielt, in München trafen sich erst in den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts Männer auf der Theresienwiese zum kicken, noch unorganisiert. Der erste Münchner Fußballverein gründete sich 1896, er existiert heute nicht mehr. Für Löwenfans viel wichtiger ist, dass in ihrem Verein im Jahr 1899 eine sogenannte "Spielriege" gegründet wurde. Claus Melchior: 7. O-Ton Claus Melchior Das waren Sachen wie Schlagball, Faustball oder was es da alles noch gegeben haben mag, und wohl auch Fußball. Das erste Spiel fand erst 1902 statt, und es gibt so gewisse Anzeichen, dass Fußball wahrscheinlich erst vielleicht 1901 tatsächlich angefangen wurde, aber offiziell seit 1899, damit liegt man eben auch vor dem FC Bayern, der 1900 gegründet wurde, sein erstes Spiel dann auch austrug, also das erste Spiel haben die Bayern allemal vor den Löwen gemacht, da kommen wir nicht dran vorbei. Autor Vor dem ersten Weltkrieg gab es in München neben 1860 und Bayern noch zwei weitere Fußballvereine, Wacker München und den MTV München. 8. O-Ton Melchior Die Bayern waren vor allem auch ein Vorreiter bei dem Bemühen, internationale Mannschaften nach München zu holen, die hatten auch mal englische Profis zu Gast oder österreichische Spitzenmannschaften, der österreichische Fußball war damals besser als der deutsche Fußball, ungarische Mannschaften waren attraktiv, solche Gastspiele gab's auch bei 1860, aber die Bayern waren da bedeutender und auch der MTV war sportlich noch überlegen. Das hat sich nach dem ersten Weltkrieg dann geändert. Autor Der TSV 1860 war 1931 dann als erste Münchner Mannschaft in einem Endspiel um die deutsche Meisterschaft - und verlor gegen Hertha BSC Berlin 3:2. Der Schiedsrichter war schuld, so steht es in Zeitungsberichten, denn die beiden spielentscheidenden Tore für Berlin fielen aus klaren Abseitssituationen. 9. O-Ton Melchior Und natürlich dann die Ironie des Ganzen, dass die Bayern ein Jahr später den Titel holten. Autor Schon damals bestand diese besondere Rivalität zwischen den Vereinen. Der eine, der FC Bayern, aus Schwabing, dem Künstlerviertel. Club der Bohemiens und geldigen Leute. Der andere, der TSV 1860, aus Giesing, dem Arbeiterviertel. Verein der einfachen Leute. Die Rivalität war Realität - doch das Image vom Arbeiterverein ist ein Mythos. 10. O-Ton Anton Löffelmeier, Interview 2013 Dieser Mythos ist erstens nicht sehr alt und ist ohne historische Grundlage. Autor Sagt der Historiker Anton Löffelmeier. Er arbeitet im Münchner Stadtarchiv und hat sich intensiv mit der Geschichte der Löwen beschäftigt. 11. O-Ton Löffelmeier Bis 1933 gab es ja eigene Arbeitersportorganisationen, eigene Arbeitersportvereine und mit diesen Vereinen hatte dieser bürgerliche "Turn- und Sportverein München von 1860" nichts zu tun, da gab es wenig Verbindungen. Man hat auch keine eigenen Freundschaften gepflegt, also da gab es eine ganz starke Trennungslinie, hier Arbeitersport, auf der anderen Seite dieser bürgerliche Sport. Bis dahin hätte sich auch keiner der Führungskräfte von 1860 als Angehöriger eines Arbeitervereins bezeichnet, also das wäre niemand in den Sinn gekommen 12. O-Ton Claus Melchior Der Verein war ja ein Münchner Großverein, der größte Münchner Sportverein, in der Mitte der Münchner Gesellschaft verankert, der bayerische Kronprinz hatte das Protektorat übernommen über den Verein vor dem ersten Weltkrieg, die Vereinsführung bestand immer aus Honoratioren, Akademikern, Hofräten und was weiß ich - bürgerlicher ging ja eigentlich gar nicht Autor Unterschiede gab es dennoch, der FC Bayern war der weltoffenere, fortschrittlichere Verein, kein Zufall, dass Münchner Juden vor allem dort hingingen. Und es gab noch einen Unterschied: Die Nähe zu den Nationalsozialisten. Anton Löffelmeier: 13. O-Ton Löffelmeier Bei den Löwen geht's zurück bis in die 20er Jahre, als sich eine immer stärker werdende völkische Gruppierung bei den jungen Sportlern da manifestiert hat, die Vereinsspitze hat diesen völkisch orientierten jungen Leuten Gelegenheit gegeben, Sport zu treiben, hat sie drin gelassen im Verein. Viele dieser jungen Leute waren beim Marsch auf die Feldherrenhalle 1923 dabei und diese Clique von völkischen Anhängern, Mitgliedern der SA, die haben dann 1933 schon in den Startlöchern gesessen und haben dann relativ schnell die führenden Positionen im Verein besetzt. Autor Wilhelm Brückner, Chefadjutant Adolf Hitlers, war beispielsweise jahrzehntelang Mitglied bei den Löwen, spielte auch bei den Alten Herren Fußball. 14. O-Ton Löffelmeier Also das Netz der Vereinsführung in die Kommunalpolitik hinein, in die führenden Stellen der Kommunalverwaltung in München, aber auch reichsweit war durchaus eng gespannt. Autor Der Verein, der in den 30er Jahren bereits das erste Mal vor dem wirtschaftlichen Konkurs stand, profitierte direkt von dem Machtwechsel. Er konnte sein Stadion an die Stadt verkaufen und damit die Pleite abwenden. Nach dem Krieg wurde über die NS-Zeit geschwiegen, die mit dem NS-Regime verstrickten Führungskräfte wurden vom Verein in Ehren gehalten. Anton Löffelmeier war der erste, der Jahrzehnte später diese Verstrickungen erforschte und 2009 offenlegte in seinem Buch: "Die Löwen unterm Hakenkreuz". Anfangs stieß er bei seinen Recherchen beim Verein auf keine große Gegenliebe, doch schließlich konnte er in den Vereinsmitteilungen inserieren, dass er Quellen und Zeitzeugen suche. Und er fand auch Unterstützung, zum Beispiel bei der Fangruppe "Löwen gegen rechts": 15. O-Ton Löffelmeier Die haben mir dann noch manche Wege in den Verein geöffnet, auch manchmal mit sanftem Druck und letztlich hat der Verein das Buch auch mit vorgestellt und präsentiert. Autor Der TSV 1860 gehörte 1963 als Süddeutscher Meister zu den Gründungsmitgliedern der Bundesliga - der FC Bayern nicht. Der stieg erst 1965 in die erste Liga auf, mit Spielern wie Franz Beckenbauer und Gerd Müller. Vielleicht wäre die Geschichte des TSV mit diesen beiden Spielern anders verlaufen. Franz Beckenbauer wollte als 13jähriger eigentlich vom SC 1906 München zu 1860 wechseln, bekam bei einem Spiel aber von einem Löwen-Spieler eine Ohrfeige - und entschied sich für den FC Bayern. Und Gerd Müller war sich mit 1860 schon fast handelseinig. Er lebte damals noch bei seinen Eltern in Nördlingen, erinnert sich Manfred Wagner, der Meisterlöwe. 16. O-Ton Manfred Wagner 2013 Und dann ist Bayern eine Stunde eher hingekommen, da gibt's ja die Stories, dann hat der unterschrieben bei Bayern, und 60 ist eine Stunde zu spät gekommen. Dann war das gegessen, dann ist er zu Bayern gegangen, Wahnsinn, das war typisch Bayern und des ist auch wirklich wahr. Und so hat sich das fortgesetzt. Ich weiß es, ich hab ja immer gegen Gerd Müller spielen müssen, meistens, oder oft. Naja. Autor Nur rund 400 Meter Luftlinie trennen die Trainingsplätze. Atmo Stadion "Scheiß FC Bayern" Autor Bayern gegen 1860 - das waren immer besondere Spiele, diese Lokalderbys. Das erste, 1902 gewannen die Bayern, das vorerst letzte, 2008 im DFB-Pokal, auch. 17. O-Ton Franz Beckenbauer Ich kann mich natürlich an die Derbys erinnern, vor allem an das erste bei unserm Aufstieg, wir waren noch gar nicht richtig auf dem Platz, da waren wir schon 1:0 hinten, das Spiel haben wir dann auch 1:0 verloren Autor Oft sind das Spiele auf Augenhöhe. Sehr kämpferisch und emotional aufgeladen. Jeder gibt alles, schließlich geht es nicht allein um den Sieg, sondern um die Ehre. 18. O-Ton Reporter, Lokalderby in München Herzlich willkommen, das ist schon ein Klasse Bild hier in dieser wunderbaren Arena, 69.000 Zuschauer, darunter 15.000 Blaue, 15.000 Löwenfans 19. O-Ton Reporter Günter Koch, Lokalderby 27.11.1999 Die 60er haben ein Kisterl gemacht, mein lieber Mann, es steht 1:0 weil der Riedl Burschi aus 28 Meter 20 volley halbhoch die Kiste macht! Autor Siege für 1860, wie dieser 1999, mit dem damals eine 22jährige Durststrecke zu Ende ging, sind Balsam für die geschundene Fanseele. 20. O-Ton Fan, nach Derby 1999 Also das ist ein historischer Tag für alle Löwenfans in München, es ist letztendlich durch den Kampf erfolgt, also die deutsche Fußballhauptstadt ist fest in Löwenhand. Autor Solche Siege können dann für einen Moment darüber hinweg trösten, dass der Rivale weit enteilt ist. Vor allem wegen mangelnder Kompetenz in der eigenen Vereinsführung. Da gab es einen Mann wie den CSU-Bundestagsabgeordneten Erich Riedl, der als Präsident in den 70er Jahren den Verein zuerst sanierte und dann doch wieder mit Spielerkäufen in die roten Zahlen trieb. 21. O-Ton Melchior Nach einer Zweitligasaison, nach der der Aufstieg verfehlt wurde, obwohl damals der junge Rudi Völler 37 Tore erzielte für 1860, statuierte der DFB ein Exempel und entzog den Löwen die Lizenz. Autor Neuanfang in der Bayernliga, 1982. Und hier zeigten sich die wahren Löwenfans, sie blieben dem Verein treu, zu tausenden kamen sie zu den Spielen, gegen Ampfing, Plattling, Frohnlach. Die Zeit in der Bayernliga gehört genauso zum Mythos wie die erfolgreichen 60er Jahre. 1991 der Aufstieg in die zweite Bundesliga, dann sofort wieder der Abstieg. Es folgt der legendäre Durchmarsch: Bayernliga, zweite Liga, das entscheidende Spiel am 11. Juni 1994 in Meppen, unter Trainer Werner Lorant, 1:0, vor 10.000 mitgereisten Fans. Der Aufstieg in die Bundesliga. 22. O-Ton Werner Lorant zu Aufstieg 1860 München, aus Meppen 11.06.1994 Mannschaft hat's verdient, man hat's auch heute gesehen, mit was für einer Leidenschaft sie Fußball spielt, Glückwunsch an die Mannschaft und natürlich ist es auch eine hervorragende Sache für den Verein und toll! 23. O-ton Fans nach dem Spiel in Meppen 1994 - Der geilste Tag in meinem Leben, der geilste Tag! - Wir müssen den Löwen danken, für die ganze Saison, was die geleistet haben, von der Amateurliga durchgestiegen, das schafft nur 60!! - 11. Juni 94, ein Traum in weiß blau - und Bayern München, wir kommen! Autor Präsident war damals Karl-Heinz Wildmoser, ein Gastronom von barocker Statur, der nach dem Aufstieg allerdings irgendwann die Bodenhaftung verlor. Bis dahin spielten die Löwen im Stadion an der Grünwalder Straße in München Giesing, das klein ist, dafür aber immer gut gefüllt war. Für viele Fans schlägt dort auch heute noch das Herz des Vereins. Unter Wildmoser zogen die Löwen um, ins große Olympiastadion. Mit Vip-Bereich. Die Arena war allerdings meist bestenfalls halb gefüllt, wenn überhaupt. 24. O-Ton Claus Melchior Es gibt Fans, die seitdem wirklich nicht mehr zur ersten Mannschaft gehen, es sei denn sie spielt im 60er-Stadion, und diese Spaltung setzte sich eigentlich fort Autor Wildmoser war es auch, der sich für den Stadionneubau mit dem Erzrivalen FC Bayern stark machte. Worüber es in München schließlich sogar einen Volksentscheid gab: 25. O-Ton München nach dem Volksentscheid Wildmoser: Es ist ein Sieg der Vernunft und ich würde mir jetzt wünschen, dass die Gegner uns unterstützen beim Neubau, dass wir alle an einem Strang ziehen und nach einer Seite für die Stadt München und den Fußball in München. (Umfrage unter Fans:) - Das ist eine Niederlage für jeden echten Fußballfan und vor allem ist es das Ende von Traditionsvereinen wie 1860 München - Wir verlieren unsere Identität, 60 ist nichts mehr, wir sind FC Bayern2, quasi Bayern Amateure - Das ist das Stadion vom FCB, wir sind dabei, damit die Steuermittel fließen, sonst gar nichts. Autor Fußball und Politik: Dem FC Bayern werden inzwischen die besseren Verbindungen in die Politik nachgesagt, vor allem in die CSU. Edmund Stoiber etwa ist langjähriger Bayernfan und Vorsitzender des Verwaltungsbeirates des Clubs. Es gibt aber auch CSU-Größen unter den Löwen-Anhängern: Theo Waigel war sogar einmal als Präsident im Gespräch. Horst Seehofer hingegen liebt den Erfolg, in den 60er Jahren war er Fan der Meisterlöwen, heute jubelt er bei Bayernsiegen. Christian Ude, der Herausforderer von der SPD, seit einer gefühlten Ewigkeit Oberbürgermeister von München, ist dagegen 60-Fan, er saß 13 Jahre bis 2009 im Aufsichtsrat des TSV, also auch in jener Zeit, in der für die wahren Fans alles schief lief - wegen des Abenteuers Allianzarena. Atmo Stadion Pfiffe Autor Womit Wildmoser damals nicht gerechnet hatte: 2004 stieg 1860 mal wieder ab. Die Folge: Weniger Fernsehgelder und Zuschauer - und damit platzte auch die Finanzierung des Stadions. 1860 musste seine Anteile an der Arena an den FC Bayern verkaufen. Und weiter dort spielen. Der Mietvertrag läuft bis 2025. Einer der vielen Fehler der Vereinsführung, sagt Manfred Wagner, Spieler der Meistermannschaft von 1966: 26. O-Ton Manfred Wagner Erst ist man 50 Prozent beteiligt an der Allianzarena. Und jetzt haben wir aufgrund der Schulden billig die Anteile abgeben müssen, hat Bayern billig gekriegt. Und jetzt zahlen wir jedes Jahr so ca 5 Millionen, dass wir drin sein können, und das ist natürlich schon heftig. Und dann kommt der Etat von Spielern, liegt auch bei 7 bis 9 Millionen, ja, und da müsstest du halt mal aufsteigen, da geht's dann leichter, wenn 60 aufsteigt, geht's leichter in der Bundesliga, weil die andere Gelder kriegen und der wert ist anders, Zuschauer kommen mehr. Autor Seit bald 10 Jahren kickt 1860 nun schon in der zweiten Bundesliga, Jahr für Jahr wird der Aufstieg angepeilt - und verpasst. Die Nachwuchsarbeit ist vorbildlich - doch Jahr für Jahr werden Talente verkauft, um die Löcher im Etat zu stopfen. 27.O-Ton Manfred Wagner Weil's Geld gebraucht haben, und da haben sie ja weit weit unterm Wert verkaufen müssen und das ist leider schade, wenn man dann sieht, wo die in der Bundesliga überall spielen! Also dann, da wird es einem schon irgendwie schwer ums Herz, das muss ich schon sagen. Autor Im Frühjahr 2011 droht erneut die Insolvenz. Doch dann betritt ein bis dahin unbekannter jordanischer Investor die Bühne: Hasan Ismaik. Er kauft sich mit 18 Millionen Euro ein und erhält dafür 49 Prozent stimmberechtigte Anteile der KGaA, der "Kommanditgesellschaft auf Aktien", in die der Profifußballbereich schon 2002 ausgegliedert worden war. Und er erklärt: "Ich würde mir wünschen, dass wir in zehn Jahren auf einer Stufe mit Barcelona und dem FC Bayern stehen". Doch Ruhe kehrt nach dem Einstieg des Investors noch lange nicht ein. Fast täglich kann man seitdem in der Presse mitverfolgen, wie sich die Partner in den Haaren liegen und wieder versöhnen. Während der FC Bayern im Frühjahr 2013 auf das sagenumwobene "Triple" zusteuert, versinkt der TSV im Chaos. Wo die Fronten verlaufen, wird immer unklarer: Aufsichtsrat, Präsident, Geschäftsführer, Investor - jeder gegen jeden. Atmo Delegiertenversammlung April 2013 Stimmengemurmel, Servus!, Servus! kurz frei, dann unter Autor Autor Delegiertenversammlung im April 2013. Die Vereinsmitglieder sind wenig erfreut: 28. O-Ton Delegiertenversammlung, Mann Also meine Einstellung ist eigentlich, komplett Break und ein absoluter Neuanfang. Dass man die ganzen alten Seilschaften, die ganzen Irrungen und Wirrungen, das ganze Verfahrene, die traurige Tristesse in der Allianz-Arena und und und, ich möchte jetzt keinen langweilen, aber dass das endlich mal der Vergangenheit angehört. Autor Die Delegierten lassen den Kandidaten des Aufsichtsrates, den Grünen-Politiker Hep Monatzeder, bei der Wahl zum Präsidenten durchfallen: 29. O-Ton Delegiertenversammlung Mann Der war seit dem Wildmoser immer im Aufsichtsrat dabei, bei allen Entscheidungen, die unseren Verein zu dem Witz gemacht haben, der er jetzt ist. 30. O-Ton Delegiertenversammlung Frau "Aber noch dazu kommt bei mir, seit dem Anteilsverkauf, es wurde einfach die Seele des Vereins verkauft. Und für mich war da Schluss. Ich kann schon mittlerweile fast sagen: Ich hasse 60. Ich werde zwar immer Löwenfan bleiben, es geht gar nicht anders, weil es ist halt so, einmal Löwe immer Löwe. Aber das ist halt Wahnsinn, von daher ist es mir wurscht. Dann sind sie halt ohne Präsidium, noch mehr Chaos, ja. 31. O-Ton Delegiertenversammlung Mann "Wir müssen wieder einen Löwenstolz zurück gewinnen und eine Strahlkraft entwickeln, dann können wir auch im Pool derer fischen, die mit diesem Mega- Giganten FC Bayern nichts am Hut haben. Und da gibt's genug, bloß haben wir im Moment keine Strahlkraft, dass wir die für uns gewinnen. Ich bevorzuge so ein Modell St. Pauli im Norden, 60 im Süden. Autor Seit Juli hat der Verein nun einen Präsidenten, der den TSV 1860 vielleicht wirklich in ruhigeres Gewässer führen könnte. Gerhard Mayrhofer, ein Kommunikationsfachmann, der sich für ein eigenes Stadion ausspricht und an den Aufstieg glaubt. Und sagt: "Ich will keinen Löwenblues. Ich will Rock `n' Roll!" Die Fans auf dem Weg ins Stadion sind vorsichtig optimistisch - zu gut kennen sie ihren Verein: 32. O-Töne Umfrage Fans über Präsident, Sommer 2013 - Ich glaube schon, dass er uns nach vorne bringt, Perspektive ist schon viel besser, wie die letzten Jahre - Reden tun's ja am Anfang immer viel, und ob's dann wirklich hinhaut, das muss man abwarten, aber meine Hoffnung besteht da schon. - Die Hoffnung ist da, die ist immer da, sonst bräuchte man ja nicht hergehen Autor Und wenn der Erfolg doch wieder ausbleibt und das Chaos weiter geht? Einmal Löwe, immer Löwe - es ist die Frage, wie lange dieser Spruch noch gilt. 33. O-Ton Manfred Wagner Ein Löwe, ein 60-Anhänger, bleibt immer 60-Anhänger, ein Löwe, auch wenn's schlecht geht. Und das ist bei Bayern sicher nicht der Fall, da sind die meist, weil es so eine Riesenmannschaft, so ein Erfolg ist. Aber im Herzen oder auch bei schlechten Zeiten - gut, bei Bayern weiß man nicht, wann's kommt und ob's überhaupt kommt - aber da erkennt man den richtigen Anhänger. Oder ich geh gleich ins Stadion, ich möcht guten Fußball sehen, das sind die Neutralen. Aber ein 60- Anhänger, der muss leidensfähig sein, sehr leidensfähig. 1