DEUTSCHLANDFUNK Hintergrund Kultur / Hörspiel Redaktion: Sabine Küchler Feature Um fünf im Urwald zum Requiem im Sturm Hans Christian Schmid ? Porträt eines Kinoaußenseiters Von Josef Schnelle Sprecher/in REGIE: . Urheberrechtlicher Hinweis Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 44a bis 63a Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. © - unkorrigiertes Exemplar - Sendung: Freitag, 12. Februar 2010, 20:10 ? 21:00 Uhr ________________________________________________________ Musik Sturm Take 6 (Noch nicht endgültig max 2 Min) Collage: O-Ton Sturm Audio Presskit 2 bei 1:05 (Film noch in der Kinoauswertung; Pressematerial des Verleihs) "Hier geht es nicht einfach um blinde Rache." ? "Er muss bestraft werden!" ? "Wofür?" "Für Kasmaj." - Was geht Sie das überhaupt an?" ? "Soll alles umsonst gewesen sein." ? "Ihre Lügen haben alles kaputt gemacht. O-Ton HCS(45:14) Also wenn sie mich gefragt hätten, nach REQUIEM: Wird ihr nächster Film möglicherweise in Den Haag spielen, am Gerichtshof? Hätte ich gesagt: Wie kommen Sie auf die Idee? Da habe ich überhaupt keine Verbindung dazu. O-Ton Crazy APK (Film noch in der Videoauswertung) "Und? ? "Was und?" ? " Na ja Schon Mal gefickt? ? "Manchmal kommt es mir vor als wären wir alle die Hauptdarsteller in einer beschissenen Foto-Lovestory: O-Ton HCS (33:00) Das hat mich auch an einem bestimmten Punkt genervt und das wollte ich auf keinen Fall mehr sein: Der Regisseur der in Deutschland für die "Erwachsenwerden-Geschichten" zuständig ist. O-Ton 23 APK (Film noch in der Videoauswertung) Musik. "Ich weiß nicht wie oft ich den Roman "Illuminatus gelesen hab´. 50 Mal 60 Mal. Auf jeden Fall hat mich eine Stelle immer am meisten fasziniert. Alle großen Anarchisten starben am 23. Irgendeines Monats. Der 23. Ist ein guter Tag zum Sterben." Musik O-Ton APK Requiem (Film noch in der Videoauswertung) "Sag wer von Dir Besitz genommen hat. Sag es im Namen der Mutter Gottes." HCS (eigene Aufnahme ) O-Ton HCS (26:03) Manchmal wenn man merkt, dass das alles gut geht, dann fängt es sogar an richtig Spaß zu machen. Das kann auch passieren. (lacht) Sprecher: Hans-Christian Schmid ist Mitte 40 und einer der interessanteste Filmregisseur seiner Generation. Er hat seit 1991 sieben Spielfilme gedreht, dazu einige Kurzfilme und zwei lange Dokumentarfilme. Er ist das, was man einen nachdenklichen Filmemacher nennt. Er redet langsam und überlegt und ist ein angenehmer Gesprächspartner. Seit drei Jahren lebt er in Berlin, wo er in einer Kreuzberger Villa auch seine eigene Firma hat, die neben Schmids eigenen Filmprojekten auch andere Filme realisiert wie etwa Robert Thalheims Geschichte eines Ersatzdienstleistenden der sein Leben in der Ausschwitzgedenkstätte neu definiert. "Am Ende kommen Touristen" wurde 2007 gedreht. Seine Filme sind häufig mit Preisen ausgezeichnet worden. Allein drei Mal mit der hoch dotierten Silbernen Lola des deutschen Filmpreises und immer wieder mit dem Preis der deutschen Filmkritik. An der Kinokasse waren die meisten seiner Filme ebenfalls erfolgreich. Mit großem Abstand und seinen 1,4 Millionen Besucher war sein Internatsfilm "Crazy" nach dem Roman von Benjamin Lebert sogar ein ausgesprochener Hit. Versucht man eine Summe zu ziehen aus Hans-Christian Schmids Werk wird es schwieriger, denn er ist kaum zu fassen, hat die unterschiedlichsten Stoffe in einer großen Breite von Formvarianten realisiert. Was hält das Werk des Filmemachers Hans-Christian Schmid zusammen? O-Ton Schmid (45:14) Ja, ich sehe das ähnlich. Das fragt man sich natürlich selbst auch, wenn man fünf, sechs Filme gemacht hat, in wie weit man da immer wieder dieselbe Geschichte erzählt. Ich finde es für mich fast etwas spannender, mir da irgendwie mehr Freiräume zu lassen. Gleichzeitig ändert sich ja meine Haltung als Erzähler, oder auch einfach nur als Mensch, als Beobachter, nicht immer grundsätzlich von Film zu Film, sondern da guckt schon immer ein ähnlicher Autor oder Geist auf diese Geschichten. Es ist sehr viel weniger planbar als man sich das so vorstellt, also sowohl im Leben, als auch bei der Drehbucharbeit. Es kamen meistens Projekte auf mich zu in den Phasen, in denen ich auf der Suche war, wo ich davor gesagt hätte: Kann ich mir eigentlich gar nicht vorstellen. Also wenn sie mich gefragt hätten, nach REQUIEM: Wird ihr nächster Film möglicherweise in Den Haag spielen, am Gerichtshof? Hätte ich gesagt: Wie kommen Sie auf die Idee? Da habe ich überhaupt keine Verbindung dazu. O-Ton Sturm Audio Presskit 2 bei 1:05 (Film noch in der Kinoauswertung; Pressematerial des Verleihs) "Hier geht es nicht einfach um blinde Rache." ? "Er muss bestraft werden!" ? "Wofür?" "Für Kasmaj." - Was geht Sie das überhaupt an?" ? "Soll alles umsonst gewesen sein." ? "Ihre Lügen haben alles kaputt gemacht. Und wenn Sie weiter meine Zeit verschwenden möchten, dann können Sie sich am besten schon Mal darauf gefasst machen Duric am Flughafen abzuholen. Denn er wird freigelassen werden. Das ist, was Sie mit ihrer idiotischen Falschaussage erreicht haben." Sprecher: Mit seinem bislang letzten Film "Sturm" betrat Hans-Christian Schmid 2008 Neuland. In der großen internationalen Koproduktion über eine Anklägerin am Gerichtshof von Den Haag spielten internationale Stars wie die Neuseeländerin Kerry Fox und die Rumänin Annamaria Marinca und Rolf Lässgard aus Schweden mit. Die dänische Produktionsfirma Zentropa, bekannt geworden durch die Filme von Lars von Trier, war beteiligt. Auf der Berlinale 2009 hatte der Politthriller im Wettbewerb um den goldenen Bären seinen großen Auftritt und galt unter den Berichterstattern lange als einer der Höhepunkte des Festivals. O-Ton Berlinale Pressekonferenz "Sturm" Eigener Mitschnitt Rainer Rother Vorstellungsrunde: "Und ich begrüße den Regisseur des Films: Hans Christian Schmid." Viel Beifall. Sprecher: Die Auswertung des Films in den deutschen Kinos im letzten September verlief jedoch enttäuschend - trotz zahlreicher Preise und internationaler Festivalerfolge in der Zwischenzeit und einer spektakulären und emotionalen Premiere als Eröffnungsfilm des bosnischen Filmfestivals in Sarajewo quasi am Ort des Geschehens. "Sturm" wurde auch mit dem Filmpreis des europäischen Parlaments ausgezeichnet und mit dem "Bernhard Wicki Preis "Die Brücke"" für sein Menschenrechtsengagement geehrt. In den Kritiken wurde er rundweg gerühmt. Dennoch hat "Sturm" bislang den geringsten Zuschauerschnitt aller Hans-Christian Schmid-Filme zu verzeichnen. Auch das gehört zu einem Filmemacherleben. Der Misserfolg. Hans-Christian Schmid kann sich den Kassenflop seines bislang reifsten Film immer noch nicht erklären. O-Ton Schmid (eigene Aufnahme im DLR) (00:35) Auf alle Fälle, da würde ich gar nicht versuchen wollen das schön zu reden. Das war für uns alle sehr enttäuschend, dass nur 40.000 Zuschauer den Film sehen wollten. Vor allem weil ich das Gefühl hatte, nach REQUIEM und nach LICHTER, dass STURM eigentlich sogar der zugänglichere Film ist, dass er, wenn man so will, kommerzieller ist, dass er eine spannende Geschichte zwischen zwei Frauen erzählt, das ist emotional. Und das wundert mich schon sehr. Oder ich denke wir haben es einfach nicht geschafft, den möglichen Zuschauern klar zu machen um was es im Kern geht. Also, dass es nicht vordergründig nur um die Aufarbeitung des Balkankrieges geht, dass es nicht um so etwas trockenes und unfilmisches wie das Völkerrecht geht, sondern, dass es da um eine Frau geht die kämpft und die leidet und die letztlich doch eine Kinofigur ist, glaube ich. (01:55) Ich kann es ja immer nur aus meiner Erfahrung von der Kinotour wiedergeben. Wenn man dann mit den Leuten spricht, die es dann schon von sich aus ins Kino geschafft haben, dass die dann meistens so was sagen wie: "Och, das hätten wir jetzt aber nicht gedacht. Das ist jetzt ja ein spannender packender Film. Es geht um diese zwei Frauen. Wir hatten befürchtet es wäre sehr viel trockener, es wäre sehr viel weniger Gegenwartsbezogen. Sind wir jetzt mal froh, dass wir da waren." Und das lässt dann einfach Rückschlüsse zu, auf all die, die eben nicht ins Kino kommen. Ist es das Plakat? Ist es der Titel? Ist es einfach das was sie über den Film lesen? Ich hatte schon das Gefühl, dass der präsent war. (03:38) Man kann über den Film auch nur schwer diskutieren, wenn man nicht zunächst mal klärt, was so die Folie ist, oder der Hintergrund vor dem er spielt. Und das war für manche dann offenbar schon abschreckend genug. Ich erinnere mich an eine Überschrift eines Artikels, der durchwegs positiv war, und die lautete: Stellungskrieg zwischen Aktenbergen. Und man denkt: Oh ja, danke, eines der beiden Wörter hätte gereicht um wahrscheinlich nicht ins Kino zu gehen. O-Ton Sturm APK 7 bei 006 (Film noch in der Kinoauswertung) "Wieso waren Sie nicht bei der Polizei?" ? "Diesen Männern ist das völlig egal. Die schicken einfach andere. Die Drahtzieher kriegt nie jemand zu fassen. Das war schon immer so." ? "Ihr Bruder hat da aber eine vollkommen andere Meinung vertreten und ich genauso." ? "Ich hatte keine Ahnung von Alans Plänen. Er hat sich immer selbst die Schuld gegeben. Da fährt er nach DenHaag und erzählt solche Sachen nur um Duric zu kriegen. () Meinem Mann Simon hab ich nie was davon gesagt. Ich hab versucht das alles zu vergessen. Die letzten 15 Jahre." ? "Sagen Sie aus. Ich brauche Sie vor Gericht in DenHaag." Sprecher: "Sturm" erkundet auf ungewöhnlich spannende Weise das komplexe Zwischenreich von Justiz und Politik, das der internationale Gerichtshof bearbeitet. Alle Figuren behalten ihre Wahrheit. Die Sympathie des Filmemachers gilt jedoch den beiden Frauen im Mittelpunkt der Geschichte. Es geht um einen Fall von Massenvergewaltigung in den Wirren der Jugoslawischen Auflösungskriege und eine junge Frau, die die Suche nach wahrer Gerechtigkeit eigentlich längst aufgegeben hat. Diplomatische Mächte nehmen Einfluss auf den Gerichtshof und eine unerschrockene Anklägerin kämpft in einem mit Computern voll gestopften unansehnlichen Saal in Den Haag darum, dass die Idee des Gerichtshofs nicht auf dem Altar der Diplomatie geopfert wird. Die dramatischen Höhepunkte sind trotzdem die Ereignisse in einem Hotel in Sarajewo, in dem die Frauen festgehalten wurden. Eine äußerst schockierende Wahrheit ist es, die die junge Frau schließlich zu Protokoll gibt. Sie wurde wie ihre Leidensgenossinnen immer wieder gequält und vergewaltigt und war ständiger Lebensgefahr ausgesetzt. O-Ton Sturm APK 8 ab 1.15 (Film noch in der Kinoauswertung) "Wer sich weigerte oder krank war, wurde in den Keller gebracht und erschossen." Sprecher: Schmid opfert aber auch die Welt der Diplomaten nicht dem simplen Politthriller-Plot amerikanischer Prägung. Aus diesem komplizierten Geflecht der Interessen, kommt keiner mehr ungeschoren heraus. Dieser Gerichtshof ist gefangen zwischen politischen Interessen und einer Idee von weltweit gültiger Gerechtigkeit, die nur schwer durchzusetzen ist, aber einige Kriegsverbrecher, die sich in ihren Staatsämtern so sicher fühlten, aufgescheucht hat. Schmid versucht in seinem Film diese verschiedenen Stimmen und Interessen alle zum Klingen zu bringen. Vielleicht hat er sich mit dieser Komplexität und Wahrhaftigkeit um ein Massenpublikum gebracht, das klare Geschichten mit kräftigen Plots und Happy Endings bevorzugt. Im Mittelpunkt von "Sturm" steht immer wieder die Frage: kann ein politischer Gerichtshof Gerechtigkeit schaffen und dann Widergutmachung und Frieden? O-Ton HCS: (07:18) Nein, im Gegenteil. Es ist ja oft so, dass das was ein Gericht möchte, den politischen Interessen sehr stark widerspricht und dass es deswegen, gerade beim Völkerrecht für die Justiz fast unmöglich ist, ohne auch mit einem Blick auf das politische Geschehen, Entscheidungen zu treffen. Es ist natürlich kein Idealzustand, weil die Justiz völlig unabhängig von politischen Interessen sein sollte, oder von wirtschaftlichen Interessen. Ich bin kein Völkerrechtsexperte, aber in der Geschichte des Tribunals war es ja häufig so, gerade auch zu Beginn, dass mit Milosevic zum Beispiel ein damals noch amtierender Regierungschef angeklagt wurde. Also welche politische Entwicklung begünstigt man dadurch? Welche behindert man? Das sind alles Überlegungen die in der ganzen Zeit des Tribunals immer wieder eine Rolle gespielt haben. In letzter Zeit natürlich, wenn es darum geht ob man Serbien den Weg in die EU öffnen soll oder nicht und Carla del Ponte, die Chefanklägerin, immer wieder dort auftrat und sagte: Nein, so lange ihr uns nicht helft bei der Suche nach Mladic und Karadzic - den man jetzt ja gefasst hat ? und einigen anderen, solltet ihr diesen Schritt nicht gehen dürfen. Es ist für mich am Ende eigentlich nur letztlich das Gefühl geblieben ,dass es ein sehr sehr komplexes Unterfangen ist, in einer Stadt wie Den Haag, sich ein Urteil bilden zu wollen über das was damals passiert ist. Dass es dennoch sehr sehr wichtig ist und dass es sehr wünschenswert ist, dass diese internationale Gerichtsbarkeit weiter existiert und dass man es weiter versucht. O-Ton Sturm APK 5 (Film noch in der Kinoauswertung) "Alic, Beauftragter der Republik Srpska für die Beitrittsverhandlungen mit der EU." ? Diplomat: "Sie können sich das nicht aussuchen. Ihre Kooperationsbereitschaft mit DenHaag ist obligatorisch, wenn ihr Land weiter an den Beitrittsverhandlungen teilnehmen will." Alic: "Ja natürlich aber wir sind ein souveräner Staat und Sie wollen polizeiliche Ermittlungen durchführen." ? Diplomat: "Was die Frau Anklägerin will ist eine Autorisierung seitens ihrer Behörde für die Durchsuchung eines einigen Hotels." ? Alic: "Uns wurde ein schlanker Prozess versprochen, aber Goran Duric sitzt schon drei Jahre in Untersuchungshaft." Sprecher: Wie kommt ein junger Filmemacher an so einen Stoff. Schmid und sein Drehbuchautor Bernd Lange hatten durchaus amerikanische Vorbilder aus den goldenen Zeiten des amerikanischen Independet-Kinos wie Alan J. Pakulas Journalistenthriller über die Watergate-Affäre "Die Unbestechlichen" 1976 oder "Die drei Tage des Condors" von Syney Pollack im Blick. Und wie Schmid eigentlich langweilige Gerichtssäle mit Emotionen zu füllen vermag, das ist äußerst beeindruckend. "Sturm" hat für lange Zeit die Standards für politisches Kino in Deutschland gesetzt. Woher kommt dieser Hans-Christian Schmid, den man vor 14 Jahren noch keiner gekannt hat. Sein erster Kinofilm hieß 1995 "Nach Fünf im Urwald" und war im gleichen Jahr eine echte Sensation auf den Hofer Filmtagen. Der Film war ursprünglich nur fürs Fernsehen produziert und sollte gar nicht im Kino laufen. Aber der unerwartete Erfolg auf dem bayrischen Provinzfestival, auf dem sich die bundesdeutsche Prominenz jedes Jahr trifft, um nach jungen Talenten Ausschau zu halten, katapultierte den Film ins Kino. Eigentlich ist es eine typische "coming of age" Geschichte, eine Geschichte vom Erwachsen Werden. Die 17jährige Anna will ihre spießige bayrische Kleinstadt hinter sich lassen und trifft auf den schüchternen Simon, der ihr noch nicht mal seine Liebe gestehen kann. O-Ton Nach fünf im Urwald aus APK (Film noch in der Videoauswertung) "Ich glaub ich muss dir was sagen. Es wird dich bestimmt wundern aber: Ich hab keine Freunde in München. Ich hab dich zu Hause an der Straße stehen sehen. Und dann hab ich einfach Olivers Wagen genommen. Ich wollt nur die eine Stunde nach München im Auto neben dir sitzen. ES ist nämlich so. Immer wenn ich was sagen will, kommts mir total bescheuert vor." Sprecher: "Nach fünf im Urwald" war als Film eines Newcomers nicht nur der Durchbruch für Hans-Christian Schmid sondern auch für die damals 17jährige Schauspielerin Franka Potente, die neben ihrem Partner dem Jungschauspieler Thomas Schmauser in diesem Film ihren Weg ins Leben suchte. Hans Christian Schmid aber war zunächst einmal festgelegt auf die Rolle des Regisseurs für Geschichten aus der Jugendkultur. Erwachsen Werden und die Probleme damit, ein Themenfeld das viele Regiedebütanten so gerne bearbeiten. Das wurde sein Markenzeichen. Die Verfilmung des Jugendromans "Crazy" von Benjamin Lebert wollte man 1999 also folgerichtig niemanden anderem anvertrauen als Hans-Christian Schmid. O-Ton HCS (33:00) Das hat mich auch an einem bestimmten Punkt genervt und das wollte ich auf keinen Fall mehr sein: Der Regisseur der in Deutschland für die "Erwachsenwerden-Geschichten" zuständig ist. Also das ist auch die einzige wirklich bewusst gefällte Entscheidung bei mir, wenn es um den jeweils nächsten Stoff geht, dass ich nach CRAZY das Gefühl hatte: Nach so was werde ich erstens, selbst nicht mehr suchen und zweitens, habe ich bestimmt zwei Jahre lang alle Angebote die kamen und wo Hauptfiguren Teenager waren, einfach ungelesen abgelehnt. Das ist das eine. Zum anderen sehe ich die Filme dann doch unterschiedlich. Also 23 war für mich, nach NACH FÜNF IM URWALD, wirklich ein großer Sprung, in jeder Hinsicht. Also die Geschichte die wir erzählen, der Hintergrund vor dem die Geschichte spielt. CRAZY finde ich auf eine bestimmte Art dann eher wieder vergleichbar mit NACH FÜNF IM URWALD. Von der Hauptfigur von 23, August Diehl, würde ich dafür eine ganz starke Verbindungslinie ziehen zu Sandra Hüller in REQUIEM. Insofern könnte man REQUIEM auch noch zu diesen Geschichten zählen. Junge Menschen in ihren 20ern, versuchen einen eigenen Weg zu gehen, versuchen sich abzulösen vom Elternhaus. Also das sehe ich im Moment jetzt weniger dogmatisch als vielleicht noch vor ein paar Jahren. Ich würde mich wenn ich das Gefühl hätte, dass es mich interessiert, mittlerweile auch wieder mit einem Jugendstoff beschäftigen. O-Ton Crazy APK (Film noch in der Videoauswertung) "Und? ? "Was und?" ? " Na ja Schon Mal gefickt? ? "Manchmal kommt es mir vor als wären wir alle die Hauptdarsteller in einer beschissenen Foto-Lovestory: Verwirrung der Gefühle. Was bisher geschah: Der clevere Anführer einer Internatsclique- Janosch ? und sein bester Freund, der halbseitig gelähmte Benjamin sind beide in dasselbe Mädchen verliebt ? die makellose Marlen." Sprecher: Auch "23 ? Nichts ist so wie es scheint" ist eine Jugendkulturgeschichte, die Schmid 1998 nach der wahren Geschichte des Hackers Karl Koch drehte, der mit einem Kommodore-PC und Akustikkoppler aus zunächst spielerischen Interesse sogar in das System der Atomversuchsanlage Jülich eindrang, später Daten und Passwörter an den KGB lieferte, um sich sein tägliches Quantum Koks zu sichern. Zwischen Größenwahn und Genialität bewegte sich die Truppe um Koch im Grenzbereich zwischen jugendlicher Begeisterung für das wilde Leben und einer kriminellen Grauzone der frühen Computerhackerszene - bis sie aufflogen. Schmid macht aus ihnen in seinem wohl bis heute einflussreichsten Film keine vordergründigen Helden, sondern zeigt auch wie sie in ihrem Wahn über Grenzen hinweggehen, die sie nicht hätten überschreiten dürfen. "23" ist eine verführerische Hommage an den jugendlichen Leichtsinn. Mit heutigem Blick ist aber die damals 1986 gerade erst zur Entdeckung freigegebene Internet-Computerwelt fast ein wenig antiquiert: O-Ton HCS(36:10) Also da hat sich sicher unglaublich viel getan in der Szene, seit damals. Es war ja schon als der Film ins Kino kam ´99 so, dass man eine Geschichte erzählte die ´86 passierte und man so lächelnd mit den Zuschauern im Kino saß und sich gewundert hat wie sehr Karl Koch und seine Leute damals Vorreiter waren für etwas was auch ´99 schon selbstverständlich war und jetzt, zehn Jahre später, überlegen wir ja gar nicht mehr. Ins Internet gehen, surfen, was weiß ich alles. Ich weiß nicht ob man so eine Geschichte heute wiederholen könnte, oder welche Geschichte man heute erzählen müsste, die möglicherweise dann einen ähnlichen Gegenstand hat oder eine ähnliche Stimmung erzählt. Bei mir hat es sehr viel auch mit eigener Jugend zu tun. Karl Koch und ich sind beide Jahrgang ´65, also genau in dieser Zeit der Friedensbewegung, des kalten Krieges, groß geworden. Dieses Engagement in der Schülerzeitung oder in der Anti-AKW-Bewegung, bis zu dem Punkt ist es mit meine eigene Biografie verfilmt. Ich hab mich dann nie weiter mit Computern beschäftigt und eigentlich auch nicht mit den Illuminaten. Aber es gibt sicherlich auch vorstellbare Szenarien die heute für so was stehen und sicher auch Geschichten die man erzählen könnte. O-Ton 23 APK (Film noch in der Videoauswertung) Musik. "Ich weiß nicht wie oft ich den Roman "Illuminatus gelesen hab´. 50 Mal 60 Mal. Auf jeden Fall hat mich eine Stelle immer am meisten fasziniert. Alle großen Anarchisten starben am 23. Irgendeines Monats. Der 23. Ist ein guter Tag zum Sterben." Musik Sprecher: Karl ist ein Fan des damaligen Kultromanes "Illuminatus" von Robert Anton Wilson, den er vielleicht ein wenig zu wörtlich nimmt. Verschwörerische Geheimbünde beherrschen und bestimmen in diesem Buch die Welt. Selbst auf dem Dollarschein sind die Symbole der rätselhaften Freimaurerloge der Illuminaten anscheinend abgebildet. "23" ? das war der große Auftritt von August Diehl in der Hauptrolle und es fällt sowieso auf, dass kein deutscher Regisseur in seinen Filmen mehr junge deutsche Schauspieler und Schauspielerinnen entdeckt hat wie Hans-Christian Schmid. Franka Potente begann ihre Karriere mit "Nach Fünf im Urwald", Robert Stadlober, Tom Shilling und Julia Hummer brillierten in "Crazy", August Diehl war der Star von "23" und Devid Striesow bekam seinen ersten bedeutenden Filmpreis für seine Rolle in dem Ensembledrama "Lichter". Offenbar ist Hans Christian Schmid ein Regisseur, der die Schauspieler liebt und immer neue Talente entdeckt. Sandra Hüller erhielt 2006 für ihre Rolle in "Requiem" sogar einen silbernen Bären auf den Berliner Filmfestspielen. Woher kommt dieses Gespür für Schauspielerkarrieren und wie verhält man sich weiter zu seinen Entdeckungen? O-Ton HCS (28:45) Ja, das wüsste ich nicht, wie man einen Film inszenieren sollte ohne die Schauspieler zu mögen. Ich würde nicht sagen, dass alles nur an mir liegt oder an meinem Talent. Es sind zwei Faktoren wichtig. Also zum einen habe ich eine ganze Zeit lang Geschichten erzählt, in denen es auch Rollen gab für junge Schauspieler. Also wenn man jemanden sucht der 17, 18, 19 sein soll und jemanden findet der sehr gut ist, dann hat man jemanden entdeckt. Wenn man eine Rolle hat für jemanden mit Mitte 40 und er ist genauso gut, aber hat schon zehn Filme gemacht, dann hat man niemanden entdeckt. Diese Filme und diese Stoffe gab es mit NACH FÜNF IM URWALD, mit CRAZY, mit 23, mit REQUIEM. (31:20) Man guckt auf die Zukunft dieser Schauspieler immer so etwas väterlich und hat das Gefühl, man möchte die gerne beschützen und bewahren, auch vor falschen Entscheidungen. Und manchmal ist es so, dass ich da wirklich auch verzweifeln könnte, weil ich denke: Wer ist denn ...wer hat so was wie den übergeordneten Plan? Wie funktionieren solche Karrieren? Oder manchmal funktionieren sie eben nicht. Vielleicht auch weil es nicht genug gute Kinostoffe gibt für diese Leute, um sie alle - ein, zwei oder drei Jahre - in so einem Film zu zeigen. O-Ton Requiem APK (Film noch in der Videoauswertung) "Die Zulassung fürs Studium.Ich kann am 3. Nach Tübigen gehen." ? Dozent: "Guten Morgen." Mutter:"Wie stellst denn Dir das vor mit deiner Sache." Sie:" Aber Mama , ich nehm doch die Tabletten nicht zum Spaß. Ich hab seit nem halben Jahr nichts mehr gehabt." Schrei Musik. Sprecher: Wenn man die Themen und Geschichten von Schmid anschaut, fällt sofort auf, dass er sich immer wieder mit Religiösität und Wahn beschäftigt hat. Wie schon "23" beruht "Requiem" auf einer wahren Geschichte, die auch in dem Hollywoodfilm "Der Exorzismus der Emily Rose" von Scott Derrickson thematisiert wird. Es geht um eine Teufelsaustreibung an deren Folgen die junge Anneliese Michel in einer Kleinstadt in der Nähe von Tübingen 1975 tatsächlich starb. Sie ist buchstäblich verhungert. Im Unterschied zu dem auf spektakuläre Effekte setzenden amerikanischen Film hat Schmid einen anderen, sehr viel differenzierten Zugang zu der Geschichte gefunden: Michaela hat epileptische Anfälle und gerät Anfang der 70er-Jahre in die lebensfrohe aber auch drogengefährdete Zeit der Studentenbewegung. Sie macht erste sexuelle Erfahrungen und findet - als ihre Anfälle wieder auftreten - nicht den Weg in professionelle medizinische Betreuung. Sie ist verwirrt, hört "Stimmen" Ein klarer Fall für die glaubensstrenge Familie. Es kann sich nur um den Teufel handeln. O-Ton HCS (41:18) Ich glaube schon, das Erkennen, dass es sich immer um Familiengeschichten und Familienkonstellationen handelt. Da macht bisher außer LICHTER eigentlich kein Film bei mir eine Ausnahme. Bei NACH FÜNF IM URWALD, bei 23, bei CRAZY, es geht immer um Familie und um den Platz in der Familie und um die mögliche Ablösung von der Familie. Und das Stand in REQUIEM auch ganz stark im Vordergrund. Diese Mutter-Tochter Beziehung und eine Tochter, die sich in ein Wahnsystem ? kann man das fast nennen ? flüchtet. Und da steht dann für mich wahrscheinlich die Auseinandersetzung mit dem Glauben gar nicht so sehr im Vordergrund, sondern diese Flucht in etwas, was so übersteigert betrieben wird, dass irgendwann die normale Welt so jemandem hilflos gegenüber steht und sagt: Wir kommen mit dir nicht mehr klar. Was passiert da? Und wenn dann noch so ein Elternhaus dazu kommt, wie eben in REQUIEM, das diese Vorstellungen erst mal schützt und das sagt: Moment, vielleicht hat das alles seine Richtigkeit und wir wollen uns erst mal von der anderen Seite nähern. Dann kommt es durchaus zu so einer tragischen Konstellation wie im Film REQUIEM. (Pause)Tja, was ist das eigentlich Faszinierende? Das erste glaube ich ist, wenn man von so einer Geschichte hört, dieses unfassbare ? und jetzt geht es wirklich nur um REQUIEM ? Entsetzen: Wie kann das sein? Eltern lassen ihr Kind verhungern. Das ist unmöglich. Und dann fängt man so nach diesem ersten Schock an einzutauchen, in die Welt dieser Menschen und merkt, dass man manche von diesen Verhaltensmustern durchaus auch kennt. Und versucht erst mal auch zu verstehen. Also niemand macht so etwas ohne nicht aller schwerste Bedenken zu haben, niemand macht so etwas leichtfertig. Und dann setzt man das so in den Kontext der Zeit und bemerkt, dass man zu einer sehr lebendigen Hauptfigur kommt und versucht dann dieses Entsetzen eigentlich eher umzumünzen, diese Energie die da her kommt aus diesem: Das kann doch nicht wahr sein! in: Ich möchte möglichst viel davon verstehen. Und das führt dann zu so einer Geschichte wie wir sie in REQUIEM versuchen zu erzählen. Eben auch mit Respekt oder mit dem Versuch, die Position der Menschen, die man eigentlich so gar nicht verstehen kann, nachzuvollziehen. O-Ton APK Requiem (Film noch in der Videoauswertung) "Sag wer von Dir Besitz genommen hat. Sag es im Namen der Mutter Gottes." "Neeein" Musik Sprecher: Schmid stammt aus Altötting und hatte schon 1994 mit dem Fernsehfilm "Himmel und Hölle" für den Südwestfunk eine extreme katholische Sekte und ihren zerstörerischen Einfluss auf eine Familie zeigen wollen. "Die Legion der heiligen Engel" gibt es nicht, verweist aber auf tatsächlich existierende Sekten. Hans Christian Schmid hatte schon während der Dreharbeiten Drohungen erhalten und die sich porträtiert fühlende Katholische Pfadfinderschaft Europas (KPE) erwirkte eine strafbewehrtes Urteil gegen ihre Nennung im Zusammenhang mit dem Film. Im vermeintlichen Skandal ging unter, dass ein sehr talentierter junger Regisseur die Szene betreten hatte. Schon mit seinem Abschlussfilm an der Filmhochschule hatte er sich am Thema abgearbeitet. "Die Mechanik der Wunder" ist ein Dokumentarfilm über seine Heimatstadt die beliebte Wallfahrtsstätte Altötting. Die düsteren Aspekte eines archaischen Katholizismus mit Wunderglauben und Teufelsaustreibung ist ihm also nicht fremd. Und haben drei seiner Filme geprägt. O-Ton HCS (38:11) Ja, das hat sicher immer etwas mit dem Aufwachsen und der Gesellschaft zu tun aus der man kommt. Wobei das bei mir eher auf so einer im nach hinein reflektierenden Eben ist. Also die Familie aus der ich da komme in Altötting, ist eine junge und aufgeschlossene Familie. Man darf sich Altötting jetzt wirklich nicht wie den unbedingten Nährboden für so etwas wie REQUIEM vorstellen. Das ist eine Stadt mit 10.000 Einwohnern, mit sehr vielen Pilgern in einem erzkonservativen Umfeld in Oberbayern, an der Grenze zu Niederbayern. Trotzdem ist die Stadt groß genug gewesen für die Beschäftigung mit den Dingen, die man dann eben als 15, 16, 17 Jähriger interessant fand. Und das war bei uns eine Parteimitgliedschaft bei den Grünen und das waren Demos und das was da so auf Pilgerseite passiert ist, das hat man mit sehr staunenden Augen als etwas exotisches, sehr fremdes, wahr genommen. Eine Million Pilger im Jahr, das ist natürlich eine Menge. Man bewegt sich dann irgendwie durch die Stadt und sieht: Jetzt ist hier schon wieder so ein Pilgerzug. Was machen die denn hier? Also ich musste dann schon erst mal nach München gehen und studieren, an der Filmhochschule, und dann fünf Jahre später wieder kommen, und sagen: Wovon wird mein Abschlussfilm handeln? Ich geh mal zurück nach Altötting und schaue auf all die Dinge die mich als Jugendlicher überhaupt nicht interessiert haben. Nämlich, wie ist es wirklich mit der Wallfahrt? Wie ist es wirklich mit dem Glauben? Bei uns in der Familie waren das die Großeltern, die diesen sehr unguten Glauben hatten. Also dieses: Man muss erst mal leiden um eine Chance zu haben in den Himmel zu kommen. Man muss Demut beweisen. Überhaupt nichts Fröhliches war da gefragt. Es war also dieser düstere Katholizismus, der Kindern auch schnell Angst machen kann. Aber wie gesagt, die Großeltern, das war sozusagen die Generation meiner Eltern, die sich davon emanzipiert hat, in den 70ern. Und insofern konnte ich fast wie so ein Feldforscher dann noch mal dahin und mir anschauen was es da zu erzählen gibt in Altötting. Und dann war aber das Interesse auf alle Fälle geweckt, auch nach DIE MECHANIK DES WUNDERS eben mit HIMMEL UND HÖLLE und REQUIEM, zu diesen, ja im weitesten Sinne: Themen, die sich mit dem Glauben der Menschen beschäftigen, zurück zu kehren. Sprecher: Hans-Christian Schmid hat zwischen 1985 und 1992 an der Münchner Hochschule für Film und Fernsehen in der Dokumentarfilmabteilung studiert, hatte also ursprünglich gar nicht vor, Spielfilme zu drehen. Nach seinem Abschlussfilm ist er aber bis 2007 nicht mehr aufs Dokumentarische zurückgekommen. Seinen Spielfilmen merkt man trotzdem - besonders stark in dem Ensemblefilm "Lichter" ? der die alltäglichen Sorgen einiger Figuren im Grenzgebiet zu Polen schildert, den präzisen dokumentarischen Blick an. Das ist geblieben. 1992 aber sah Schmid für sich als Dokumentarfilmer keine Zukunft. O-Ton HCS (13:18) Damals nach der Filmhochschule war das so, dass ich Dokumentarfilme machen wollte, dass ich ein paar Exposés geschrieben hatte und auch ein paar Kontakte hatte, durch den Abschlussfilm, durch DIE MECHANIK DES WUNDERS, aber gemerkt habe, dass ich keine Möglichkeit haben werde in absehbarer Zukunft solch einen Film zu realisieren. Die Dokumentarfilm-Sendeplätze waren damals doch sehr in den Händen von etablierten Dokumentarfilmern, da war für Nachwuchs wenig Platz. Auch Dokumentarfilm im Kino gab es ? 1992 war das ? in dem Maße wie es heute stattfindet, noch nicht. Dann kam glaube ich mehr oder weniger mir der Zufall zu Hilfe, dass die Redaktion "Debüt im Dritten", Susan Schulte und Christian Granderath, auf mich aufmerksam geworden sind, auch DIE MECHANIK DES WUNDERS gesehen hatten und ich denen erzählt habe, dass ich an einem Stoff arbeite ? eben auch Dokumentarfilm ? in dem es um eine innerkirchliche Sekte geht ? das Engelwerk ? und ich aber Probleme hatte Interviews zu bekommen von diesen Leuten in dieser Sekte, und die beiden dann gesagt haben: Versuch doch das zu dramatisieren. Das könnte doch auch ein Spielfilm, eine fiktionale Form, werden. Und das habe ich dann gemacht bei dem Film der später den Titel HIMMEL UND HÖLLE bekam. Das war als ob man mich da auf die Spur gesetzt hätte, ganz eigenartig. Und eins kam dann zum anderen. Ein ehemaliger Schulfreund von mir und ich hatten zu der Zeit auch schon die Geschichte entdeckt, die dann später zu "23" führen sollte. Wir hatten über Karl Koch gelesen. Auch da war es also wichtig für uns, dass wir uns mit dem Drehbuchschreiben beschäftigen. Letztlich war dann Dokumentarfilm für mich dann erst mal so, dass ich dachte: Naja, irgendwann wird sich das schon wieder mal ergeben. Und in den ganzen Jahren, also seit 15 Jahren, habe ich das immer wieder mal im Kopf gehabt und auch schon so Anläufe unternommen. Ich habe einmal eine Geschichte recherchiert von jemandem der in Tel Aviv lebt, bin da hingeflogen. Habe mich mal mit den Flüchtlingen am Frankfurter Flughafen beschäftigt. Ich hatte dort auch einen Tag Recherche und aus irgendwelchen Gründen wurden daraus nie Projekte, weil es entweder keine Finanzierung gab oder weil ich das Gefühl hab, dass man die Geschichte dann doch einfach so nicht erzählen oder umsetzen könnte wie ich mir das vorgestellt hätte. Sprecher: Erst 2007, als anerkannter und preisgekrönter Spielfilmregisseur, wagte sich Hans-Christian Schmid wieder an einen Dokumentarfilm, der unter dem Titel "Die wundersame Welt der Waschkraft" gleichzeitig mit "Sturm" 2009 auf der Berlinale seine Premiere feierte. Es geht um die Berliner Hotelwäsche, die zu entsprechenden Dumpingpreisen über Nacht in Polen gewaschen wird und um die Menscher, deren Leben an dieser Arbeit hängt. Ein Vertreter der deutschen Wäscherei die in Polen mit polnischem Personal arbeitet erklärt das Geschäftsprinzip: O-Ton APK Die Wunderbare Welt der Waschkraft (Noch in der Kinoauswertung) "Wir sind im Fünf-Sterne-Bereich mit weitem Abstand Marktführer.Und wir waschen auch sicherlich in Berlin die meiste Wäsche und (haben) die meisten Hotels. Wir haben propagiert von Anfang die 7-Tage-Woche. Das heißt sieben Mal die Woche beliefern und das Ganze immer im 24-Stunden-Rhythmus. Das heißt, das was wir am Sonntag Nachmittag um 16 Uhr abholen bringen wir am Montag um 16 Uhr wieder. Das ist der normale Ablauf, den jeden Tag die Wäsche nimmt." Musik Sprecher: Dokumentarfilme sind etwas ganz Besonderes. Abgesehen davon, dass Dokumentarfilme auch leichter zu finanzieren sind, ist auch der Arbeitsstil ein völlig anderer, als bei dem minutiös vorbereiteten und dann an vielen Drehtagen realisierten Spielfilm. Hans-Christian Schmid hat diese völlig andere Arbeit als Ausgleich zu den fast parallel stattfindenden strapaziösen Dreharbeiten von "Sturm" offenbar geradezu genossen. O-Ton HCS (16:30) Ja, das ist ganz anders. Ich würde sogar sagen, das ist der genaue Gegenentwurf dazu. Also es ist ja nichts geplant. Es ist kaum etwas geplant, weil sich das Leben der Menschen die man beobachtet, schlecht planen lässt. Es passiert nichts für den Film, für die Kamera, für uns, sondern die Dinge passieren und wir versuchen mitzunehmen was man uns lässt. Am Spielfilmset ist das genaue Gegenteil der Fall, man hat vorher genau festgelegte Szenen, man hat genau festgelegte Kameraeinstellungen, man versucht mit den Schauspielern erst mal wieder zu so einem Gefühl zu kommen was mit Wirklichkeit zu tun hat, man versucht sich vorsichtig dem anzunähern was beim Dokumentarfilm einem einfach passiert. Deswegen war das für mich sehr schön. Einfach mit dem Equipment morgens in einem Auto zu sitzen, mit drei Personen loszufahren, ans Set zu fahren ? Set sage ich schon, es gibt keine Sets ? zu den Leuten zu fahren und zu sagen: Einfach mal schauen was der Tag heute bringt. Also Andrzej hat erzählt: - Morgen wird ein Schwein geschlachtet. ? Können wir mitkommen? ? Ja. ? Gut, dann kommen wir mit. Das finde ich eine sehr schöne Erfahrung, wenn man das machen kann, zwischen zwei Spielfilmen. Auch beim Schnitt ist das noch mal ganz ganz anders natürlich. Es ergeben sich bestimmte Rhythmen, Szenenfolgen, Sequenzen wirklich erst im Schneideraum. Es ist wie ein letztlich fortgeführtes schreiben einer Geschichte und der Schneideraum ist auf eine bestimmte Art sehr viel mehr noch in diesen Prozess involviert als beim Spielfilm, wo man in der Regel sich an das Drehbuch, an die Szenenfolge und an diese Dinge einfach hält. Sprecher: In der Werkstatt des Filmemachers fängt alles an mit der Geschichte, die erzählt werden soll. Fritz Lang sammelte kleine Zeitungsmeldungen der Seite "Vermischtes". Andere Autorenregisseure wie Michelangelo Antonioni gingen nie aus dem Haus ohne ein kleines Notizbuch, in das sie Alltagsbeobachtungen notierten und zusammenphantasierten, was wohl hinter dem spontanen Streit eines Paares in einer Kneipe oder dem Zusammenstoß zweier Autos für eine Geschichte stecken könnten. Wie geht es weiter nach dem nächtlichen Abschleppen in einer Bar? Weswegen balanciert eine junge Frau übermütig auf einem Mauerchen? Was haben die Sätze zu bedeuten, die ein in den Bart murmelnder Spaziergänger vor sich hinbrabbelt? Federico Fellino malte erst einmal ein paar Frauenporträts aufs Zeichenpapier, aus denen dann seine Filme entstanden. Manchmal waren es Träume aus der Nacht zuvor. Und Bernd Eichinger schaut jede Woche in seiner Münchner Buchhandlung nach, welche Romane gerade am Liebsten gelesen werden. Es gibt also viele Wege zur guten Filmgeschichte. Wie findet Hans-Christian Schmid seine Geschichten? O-Ton HCS (09:46) Das ist sehr unterschiedlich und folgt meistens aber doch gewissen Grundsätzen, die einem selber oft gar nicht so bewusst sind. Also es ist meistens so etwas da wie ein thematisches Grundinteresse. Wenn ich vergleiche, eine Figur wie Hannah Maynard in STURM, mit der Übersetzerin in LICHTER, sind es beide Figuren die eine zeitlang in ihrem System, in ihrem Apparat in dem sie eingebunden sind, funktionieren und dann irgendwann sagen: Bis hierher und nicht weiter. Figuren die in einem moralischen Konflikt stecken, mit moralischen Problemen konfrontiert werden, da scheint es so ein Grundinteresse bei mir oder bei Bernd Lange zu geben oder bei Michael Gutmann, mit denen ich bisher zusammengearbeitet habe. Gleichzeitig würde aus diesem Grundinteresse nie ein Drehbuch entstehen, wenn nicht irgendwann auch ein ganz entscheidender Hinweis und das ist dann meistens etwas was von Außen kommt, uns helfen würde um zu sagen: Das ist jetzt hier der Handlungsfaden einer möglichen Geschichte. Bei LICHTER war das eine kurze Meldung über Flüchtlinge, die man auf der polnischen Seite der Grenze abgesetzt hatte, anstatt sie nach Deutschland zu bringen. Wo man dann sofort als Drehbuchautor das Gefühl hat: Das ist der Anfang einer Geschichte. Wie geht es weiter mit diesen Flüchtlingen? Und bei STURM war es ein Bericht über Hildegard Uertz-Retzlaff, eine deutsche Anklägerin in Den Haag, wo wir auch das Gefühl hatten, das ist eine Frau die würden wir gerne besuchen und von der würden wir gerne mehr erfahren - vielleicht gelingt es uns sie in den Mittelpunkt einer Spielfilmhandlung zu stellen. bestimmte äußerliche Art von Gefahr und Bedrohung. O-Ton Ausschnitt Sturm APK 4 Anklägerin:"Du hast mir einen schlecht vorbereiteten Fall überlassen und jetzt erwartest Du, dass ich dich aus der Scheiße ziehe. Wir müssen jetzt den Fall neu aufbauen. Wir müssen Allens Vergangenheit beleuchten. Der hat sich doch nicht umgebracht, nur weil er aufgeflogen ist. Wir müssen herausfinden, was dahinter steckt." ? "Wir fangen jetzt genau da wieder an, wo wir aufgehört haben." Sprecher: Nach seinem Studium ging Schmid als Stipendiat der Drehbuchwerkstatt München nach Los Angeles an die University of Southern California, bevor er 1994 seinen ersten Spielfilm nach eigenem Drehbuch realisierte. Er hat seither im Stile eines klassischen Autorenregisseurs auch die Drehbücher der meisten seiner Filme geschrieben oder zumindest daran mitgearbeitet. Er hatte aber zunächst mit Michael Gutmann und inzwischen mit Bernd Lange immer aufmerksame Partner auf der Drehbuchseite, mit denen er seine Filme bis zur Drehreife entwickeln konnte. Filmemachen ist eine kollektive schöpferische Arbeit, bei der es schon beim Drehbuch auf jedes Detail ankommt. Die Arbeit am Drehbuch ist allerdings die freiste Zeit im Prozess des Filme Machens. Alles ist noch Phantasie und alles ist noch Möglich. Auch das komplette Scheitern am Stoff, der dann nie realisiert würde. O-Ton HCS (19:30) Ich glaube die Stoffentwicklung und das Schreiben ist die wahrscheinlich, in Deutschland, am stärksten unterschätzte Tätigkeit, in Bezug auf die komplette Herstellung eines Films. Weil ich sehr stark das Gefühl habe, wenn man sich intensiv mit dem Buch beschäftigt und wenn das Buch gut ist, dass man dann mit großer Wahrscheinlichkeit auch zu einem guten Film kommt. Es gibt schon noch Möglichkeiten das zu verunstalten, aber gar nicht so viele wie man denkt, glaube ich. Ich bin einfach in der glücklichen Situation, dass ich mir die Stoffe aussuchen kann, das ist aber auch gleichzeitig die große Problematik, weil man dann natürlich erst mal wirklich auf sich selbst zurückgeworfen ist, oder auf sich und seinen Co-Autor und man überlegt was man denn erzählen möchte. Gibt es denn überhaupt etwas was man unbedingt glaubt erzählen zu müssen? Von dem man glaubt, dass man nur selbst es möglicher weise erzählen kann? Oder, dass es niemanden gibt der sich mehr eignen würde. Wir sind ja keine Auftragsarbeiter und da legt uns jemand fünf Stoffe hin und dann sagen wir: Och ich nehme jetzt mal den. Und da fällt man schon, besonders in so einer Phase in der sehr viel gemeinschaftlich passiert, also Dreharbeiten, auch noch die Arbeit im Schneideraum, da sitzt man zu zweit und hat aber auch Leute die sich mit den Titeln, oder anderen Dingen beschäftigen, also das ist dann auf einmal so: zurückgeworfen sein auf sich selbst. Der letzte Film den man gemacht hat war im Kino, das ist sozusagen abgeschlossen diese Arbeit und jetzt startet man bei Null. Das geht mir immer wieder so, dass ich dann denke: Wie lange wird es noch dauern? Bis man jetzt das Gefühl hat, in all den Gesprächen die man dann führt über Wochen oder Monate, einen Kern entdeckt zu haben, von irgend etwas was es wert sein könnte über die nächste Zeit hinweg entwickelt zu werden. Das finde ich den schwierigsten, unsichersten, am wenigsten greifbaren Moment in der ganzen Entstehungsgeschichte eines Films. Und ich würde mir auch durchaus wünschen, dass mir irgend jemand mal ein ganz tolles Buch auf den Tisch legt. Das ist bisher noch nie passiert. Ich war immer als Co-Autor involviert, außer bei REQUIEM, wo Bernd Lange einfach schon sehr stark selbst an dieser Geschichte gearbeitet hatte. Aber auch das finde ich schwer. Woher sollte jemand, der mich nicht sehr genau kennt, wissen oder spüren können, was ich als Nächstes erzählen möchte. Ich glaube schon, wenn man sich selbst als Autorenfilmer sieht, oder als jemand der seine Stoffe selbst findet, dann ist es wirklich schwer zu diesen Stoffen zu kommen. O-Ton Sturm/ Musik 3 The Notwist Sarajevo 1 Sprecher: Paul Schrader, er schrieb unter anderem Martin Scorseses Kultfilm "Taxi Driver", hat einmal gesagt, dass gute Drehbücher im Prozess des Filme Machens rückstandslos verbrennen. Sie sind, obwohl niedergeschrieben auf Papier und im Idealfall mit tollen Dialogsätzen auch sprachmächtig, gar kein literarisches Genre und hören auf zu existieren, wenn sie sich bei den Dreharbeiten in Filmszenen verwandelt haben. Der Prozess der Herstellung eines Films ist vielschichtig und kann mehrere Jahre dauern. Immer wieder sind andere Fähigkeiten gefragt: bei der Besetzung der Rollen, bei den Dreharbeiten, beim Blick durch die Kamera und später im Schneideraum. Und immer müssen Entscheidungen gefällt werden, die sich später nicht mehr rückgängig machen lassen. Was ist eigentlich die Lieblingsphase des Filme Machens für Hans-Christian Schmid? O-Ton HCS (23:20) Ach ich finde erst Mal diese Abwechslung, die der Beruf mit sich bringt, ganz wunderbar und könnte mir eigentlich gar nicht vorstellen so einen Beruf auszuüben wo ich weiß, dass mehr oder weniger jeder Tag genau gleich verläuft. Man sehnt sich eigentlich, nach diesem Jahr oder eineinhalb Jahren schreiben, danach, dass man es endlich mit Leuten zu tun bekommt, dass es endlich Schauspieler gibt die diese Rollen mit Leben füllen, dass es einen Kameramann gibt, dass es so etwas gibt wie Dreharbeiten. Und im Lauf der 10, 11, 12 Wochen, fängt man an sich nach der Arbeit im Schneideraum zu sehnen, weil Dreharbeiten einfach unglaublich Kräfte zehrend sind und weil man in jeder einzelnen Stunde dieser Drehphase das Gefühl hat: Wenn ich jetzt nicht alles richtig mache, dann ist dieser Moment unwiderruflich vorbei. Also diese ständige Anspannung, dass man jetzt, als ob so eine Zeitlinie über eine Klinge gehen würde, wo man sagt: Jetzt ist der Moment. Später im Schneideraum kann ich in Ruhe die ganzen Takes und Muster gucken, und da wird man dann schon eine gute Lösung finden. Aber: Jetzt muss es passieren? Wenn sie sagen: Was gefällt Ihnen und wovor haben Sie Angst? Das gefällt mir sehr, davor habe ich aber auch große Angst. Man wacht jeden Morgen auf und denkt: Hoffentlich habe ich alles für heute gut vorbereitet. Hoffentlich stehen wir nicht irgendwo an einem Motiv und merken, das ist heute so überhaupt nicht möglich zu drehen, wir müssen Kompromisse eingehen. Wie viel von der Vorstellung, die ich mal hatte von dem Film, schaffe ich auf die Leinwand zu bringen. Das ist immer diese Phase. Und nachdem man dann ein viertel oder halbes Jahr geschnitten und gemischt hat, freut man sich, dass der Film ins Kino kommen kann. Und dann fängt das alles wieder von vorne an. Sprecher: Jean-Luc Godard hat den Regisseur eines Filmes einmal mit einem General verglichen und betont, dass die logischen Anforderungen eines Filmdrehs, denen eines militärischen Feldzuges durchaus entsprechen. Alles muss zur rechten Zeit am rechten Ort sein. Jeder muss wissen, was er zu tun hat. Und einer allein hat das Sagen: der Befehlshaber des Films, der Regisseur. Francois Truffaut hat in seinem Film über das Filme Machen "Die amerikanische Nacht" den Filmregisseur eher als einen beschrieben, den die Mitwirkenden mit ihren ständigen Detailfragen vor sich her treiben. Welche Krawatte soll ich anziehen? Soll es dicker Regen sein oder eher ein Nieseln? Darf der Hauptdarsteller sich verlieben oder wird es dann schwierig, den Film überhaupt fertig zu stellen? Muss die Figur nicht etwas ganz anderes sagen, als es im Drehbuch steht, damit sie überzeugend bleibt? Brauchen wir nicht noch eine Explosion? Bei Fellini in seinem Film "8 1/2" überfallen den Regisseur mitten in den Dreharbeiten heftige Selbstzweifel. Kann man überhaupt noch den Überblick behalten und die künstlerischen Vorstellungen über das Chaos der Dreharbeiten hinwegretten? Musik Sturm The Notwist CD 8 O-Ton HCS (26:03) Ja, das ist genau die Situation, dass man in dem Moment, in dem so ein Film dann wirklich gedreht wird, derjenige ist, der all diese Entscheidungen fällen muss. Das erwartet, zu recht auch, das Team. Und ich bin überzeugt davon, dass sich das gelingen des Films, abgesehen von der Stoffentwicklung und von der Besetzung - und auch das sind ja schon viele viele Entscheidungen im Kleinen - schreib ich die Szenen nun so oder so, nehme ich den oder den Schauspieler -. dass sich das Gelingen wirklich zusammen setzt aus einer Unzahl von kleinen und kleinsten Entscheidungen. Und ich bin eigentlich nicht unglücklich über diese Situation. Ich habe so eine gewisse Entscheidungsfreudigkeit und bin auch überhaupt nicht konfliktscheu, im Gegenteil, ich glaube ich kann damit ganz gut umgehen. Es geht ja auch überhaupt nie ohne Streit ab. Dreharbeiten sind prädestiniert dafür, dass irgendwann jemand, der auf die Kosten guckt, sich hinstellt und sagt: Wie viel Geld gebt ihr hier eigentlich gerade aus? Sei es das Drehverhältnis oder sei es ein bestimmtes Motiv, das man unbedingt möchte. Also ich kann mit all den Dingen eigentlich ganz gut umgehen, das belastet mich auch nicht allzu stark. Was mich eher belastet ist eben diese Vorstellung: Habe ich dafür gesorgt, dass in diesem Moment wirklich alle Umstände ideal sind um diese Szene drehen zu können? Habe ich dem Schauspieler alles erklärt so wie ich denke dass es wichtig ist? Was macht der Kameramann in dem Moment? Habe ich es mit zwei Schauspielern zu tun, von denen der Eine von Take zu Take stärker wird und der Andere eher schwächer? Das gibt's ja auch. Also wo findet man dann den besten Kompromiss? Und manchmal wenn man merkt, dass das alles gut geht, dann fängt es sogar an richtig Spaß zu machen. Das kann auch passieren. (lacht) 0-Ton Sturm Musik Take 1 Sprecher: Im Augenblick befindet sich Hans-Christian Schmid in einer Ruhephase zwischen den Projekten. "Sturm" und "Die wundersame Welt der Waschkraft" laufen noch im Kino. Die Festivaltournee auf der Schmid im vergangenen Jahr in der ganzen Welt herumgereicht worden ist, ist abgeflaut. Nur selten wird er nach seiner Tour durch die deutschen Kinos noch angefragt ob er seinen Film begleiten will. Der Deutsche Filmpreis wird im April vergeben. Die Chancen für Schmid zum vierten Mal unter den besten deutschen Filmen des Jahres aufzutauchen stehen nicht schlecht. Damit wäre eine Geldprämie verbunden, die er in eine neue Produktion stecken kann. In der Villa in der Methfesselstraße in Berlin-Kreuzberg ist es still zur Zeit. Nur wenige der Büroräume sind besetzt. Auch Schmid nutzt diese Zwischenzeit um andere Dinge zu machen. Er lehrt zum Beispiel an der Münchner Filmhochschule, dort wo auch er ausgebildet worden ist. Der nächste Film steht noch nicht fest. Eine der schwierigsten und vielleicht eine der schönsten Phasen der Filmentwicklung, findet Schmid. O-Ton HCS (47:50) Ja, mir den Kopf zerbrechen, gemeinsam mir Bernd Lange. Aber noch ohne zu wissen: das wird der nächste Stoff. Das ist wie: Man setzt sich zusammen und fängt an zu reden. Hat man selbst etwas in sich, was man glaubt jetzt loswerden zu wollen? Hat man in den letzten Jahren irgendwas in diesen ganzen Schubladen abgelegt, von dem man sagt: Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt dafür. Reicht es aus um zu sagen: Bisher ging´s doch immer um Familie, also geht es jetzt auch wieder um Familie. Versucht man eher einen Gegenentwurf zu STURM? Also einen Film, der auf den ersten Blick ja weit weg ist von unserem Erleben. Geht man also in die Gruppe von Menschen Mitte 30, Mitte 40, die in Berlin leben und versucht etwas über die zu erzählen? Das sind die Dinge die uns im Moment beschäftigen. O-Ton Sturm Musik 11 drunterlegen Sprecher:. Mit Mitte 40 gehört Hans-Christian Schmid nicht mehr zu den ganz Jungen im Filmgeschäft. Er ist schon ein fast gestandener Meister seiner Kunst und repräsentiert die Folgegeneration nach dem Neuen Deutschen Film der 70er und 80er-Jahre. Auch deren Protagonisten Wim Wenders und Werner Herzog sind immer noch aktiv. Man wird also von Hans-Christian Schmid noch Einiges zu erwarten haben. Auf alle Fälle wird er wieder einmal eine ganz neue Richtung einschlagen nach dieser spannenden Mitte eines Filmemacherlebens. Wo man ihn treffen kann? Nach Fünf im Urwald zum Requiem im Sturm! Ende offen. 23 Nach Fünf im Urwald zum Requiem im Sturm 23