COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Deutschlandrundfahrt, 850 Jahre München 19. Januar 2008 Autorin: Nana Brink Redaktion: Sonja Scholz Regie: Musik 1(a). O-Ton: Wirtschaftsstadtrat Wieczorek Die Geburtstunde München ist praktisch ein Akt der Piraterie, eine sehr gewalttätige Wirtschaftsförderung, Heinrich der Löwe, Herzog von Sachsen und Bayern hat die Brücke des Bischofs von Freising niederbrennen lassen, um den Salzhandel - Salz war eines der wertvollsten Wirtschaftsgüter - über München zu leiten. Regie: Musik hoch 1(b). O-Ton: Marta Reichenberger, "Galerie der echten Münchner" In München leben Menschen aus 185 Nationen, es gibt insgesamt 189 Nationen, und der echte Münchner ist nicht der bayrische Trachtler, der bayrisch spricht, sondern ist durchaus auch ein Weltenbürger... Regie: Musik hoch 1(c). O-Ton: Werner Mayer, Augustinerbräu Augustinerbrauerei ist ein Gesamtkunstwerk, das besteht aus vielen Mosaiksteinchen, die einzeln für sich genommen nicht immer wirtschaftlich sind, aber unterm Strich ist das Gesamtbild absolut wirtschaftlich. Regie: Musik hoch SpvD: Geschichten von der Bavaria - 850 Jahre München. Eine DeutschlandRundfahrt mit Nana Brink. Atmo: Musik 1 Autor: Ludwig I., ein in München sehr geliebter König, war verliebt in die Diva Lola Montez, - ein Skandal im 19. Jahrhundert. Noch skandalöser: Der König ließ seine Geliebte malen, und nicht nur sie. In der "Galerie der schönen Münchnerin" verewigte er sie alle. Heute - zum Stadtjubiläum - hat man sich im Münchner Rathaus etwas Ähnliches ausgedacht: Die "Galerie der echten Münchner". Wer ist heute ein echter Münchner? 2. O-Ton: Brigitta Erdödy, Fotografin Multikulturell, alles durcheinander, bunt gemischt... die Wurzeln? Väterlicherseits Ungarn, Österreich, Kroatien, alles so in den Ostraum und mütterlicherseits Deutschland, .. ich habe keinen deutschen Pass, wollte ich auch nicht, möchte ihn nicht, ich habe einen kanadischen und ungarischen Pass. Ich hätte den deutschen dann genommen, wenn ich die anderen beiden Identitäten nicht aufgeben müsste ... ich fühle mich multikulturell und wollte das eigentlich auch durch die Staatsangehörigkeit zum Ausdruck bringen. Autor: Brigitta Erdödy, Fotografin und Multi-Media-Produzentin, hat sich für die Galerie malen lassen. Die 30jährige hat die Punk-Szene in München mit aufgebaut. "Volx"-Musik, Volks- mit x geschrieben, nennt sie ihren Musikstil. Ihr München ist immer schon bunt gewesen. 3. O-Ton: Brigitta Erdödy, Fotografin München besteht mittlerweile fast nur noch aus Zugereisten...(lacht)...klar in meinem Umfeld ist alles vertreten und ich müsste jetzt mal lange überlegen, wie viel echte, in München geboren und aufgewachsene Münchner ich kenne, sind gar nicht so viele. Autor: In der "Galerie der echten Münchner" hängen 36 Bilder und Geschichten, die in Kenia, Ostpreußen oder Sachsen beginnen. Alle haben sie in ihren Fragebögen geschrieben: Meine Heimat ist München. Auch Brigitta Erdödy. Deshalb kann man seine Heimat auch mal mit anderen Augen sehen. 4. O-Ton: Brigitta Erdödy, Fotografin Ich finde schon, dass München sehr darauf bedacht ist, ein sauberes Bild nach draußen abzugeben, was auch Kultur killt oder nicht mehr möglich macht und das ist, was mich nervt. Das ist München immer sehr bedacht darauf, den Schein zu wahren, diese Saubere, Aufgeräumte, Reglementierte...Wenn ich von meinen Reisen zurück komme, habe ich immer so den Eindruck, ich komme in einen Kurort, ich mache jetzt hier jetzt Urlaub, es ist alles so beschaulich und aufgeräumt und ruhig. Atmo: Musik (Klavier) Sprecher: München leuchtete. Über den festlichen Plätzen und weißen Säulentempeln, den antikisierenden Monumenten und Barockkirchen, den springenden Brunnen, Palästen und Gartenanlagen der Residenz spannte sich strahlend ein Himmel von blauer Seide, und ihre breiten und lichten, umgrünten und wohlberechtigten Perspektiven lagen in dem Sonnendunst eines ersten, schönen Junitages. Atmo: Musik (Klavier) Autor: Thomas Mann, der Lübecker und Wahlmünchner, hat recht. Auch heute noch leuchtet München an diesem kalten Januartag, an dem die Sonne etwas tiefer, dafür umso klarer über der gelben Barockfassade der Theatinerkirche steht. Gegenüber protzt im kalten Licht die eisgraue Feldherrnhalle mit ihren beiden Löwen, die hinüber zur Residenz starren. Keiner hat München, das an einem Junitag 1158 als Stadt zum ersten Mal aktenkundig wurde, so schön beschrieben wie der Schriftsteller Thomas Mann. Für Oberbürgermeister Christian Ude ist München d i e idealtypische europäische Stadt. 5. O-Ton: OB Christian Ude Ich gebe durchaus zu, dass Berlin die aufregendere und bedeutendere Stadt ist, aber doch häufig zu weitläufig ohne ein Altstadtherz, in dem man sich so echt identifizieren kann, wie mit dem Ensemble von Marienplatz, Alter Peter, Frauenkirche, Maximilianstraße, Ludwigstraße, Prinzregentenstraße, Residenz, das ist wahnsinnig eng beieinander. Autor: Der Oberbürgermeister sitzt entspannt auf seinem Sofa und lächelt. Es ist kein arrogantes Lächeln, was alle den Münchnern unterstellen, es ist einfach nur ein zufriedenes Lächeln. Insofern ist Ude der idealtypische Oberbürgermeister für die Stadt, in der vor 59 Jahren geboren wurde - und die er bis auf die jährlichen Urlaube nie verlassen hat. Werktags schwingt sich Christian Ude mit einem Packen Akten auf sein Fahrrad und radelt zum Neuen Rathaus am Marienplatz. Ohne Leibwächter und Dienst-BMW wie die Kollegen von der Bayrischen Landesregierung. Am Wochenende, wenn er Zeit hat, gönnt er sich sein "Genuss-München". 6. O-Ton: OB Ude Ich fahre dann hier vom Kaiserplatz über die Münchner Freiheit, Leopoldstraße, der Boulevard meiner Jugend, durch Altschwabing mit seinen romantischen Winkeln in den Englischen Garten, habe dann schon das Radlerparadies erreicht, fahre am See vorbei, am Monopterus, komme in der Prinzregentenstraße raus, dann geht's mit dem Radweg zur Isar, und dann habe ich die Alternative, raus nach Norden, wo es etwas ruhiger und einsamer ist, und sportliche Distanzen bis Freising zu überwinden sind, oder nach Süden, wo es leicht auswärts geht, aber beim Heimkommen leichter etwas abschüssig ist und da kommt man an einem Biergarten nach dem anderen vorbei, und kann für eine Radlermaß einkehren, wo man will... Autor: Im Flur seiner großen Altbauwohnung am Schwabinger Kaiserplatz steht ein Kasten Augustinerbräu, die älteste Brauerei Münchens, fast so alt wie die Stadt. "Tradition", sagt der Oberbürgermeister nur, und geht in die Küche, um Kaffee zu machen. Trotz Termindrucks ist Ude die Gelassenheit selbst. Er setzt sich wieder aufs Sofa, krault seinem Kater Udefix das Fell und erklärt "sein München". 7. O-Ton: OB Ude. München war in einem Ausmaß zerstört, dass wir uns gar nicht mehr vorstellen können, also ich bin ja in München erst nach dem Krieg geboren, 1947 und das heißt meine ersten Kindheitserlebnisse, die haften geblieben sind, stammen aus den frühen 50er Jahren, da gab es zwar noch viele Ruinen, die wir aber nur als Abenteuerspielplatz wahrgenommen haben und eigentlich nicht als Schicksalsschlag bewerten konnten und es sind nach und nach die Ruinengrundstücke bebaut worden und das alte Stadtbild ist wieder erstanden. Autor: München sollte wieder leuchten nach den Verheerungen des 2. Weltkrieges. Die "Stadt der Bewegung" wollte ihre braune Schicht abtragen. Anders als in Hannover oder Kassel setzte Münchens erster Nachkriegs-Oberbürgermeister Thomas Wimmer auf eine komplette Rekonstruktion der zerstörten Bauwerke. Autor: Weiß-blauer Pragmatismus, - ein Wesenszug übrigens, der München über die Jahrhunderte hinweg erfolgreich gepflegt hat. Was aber wäre all der Erfolg wert, wenn das Herz verloren ginge? 9. O-Ton: OB Ude Es ist wirklich d i e europäische Stadt, deren Geschichte man über die Jahrhunderte im Stadtbild ablesen kann, die von einem Altstadtkern aus gewachsen ist, was natürlich sehr viel zu tun hat mit dem öffentlichen Verkehrsystem, das für die Olympischen Spiele 72 unter Zeitdruck geschaffen worden ist, denn sonst wäre die Altstadt gar nicht mehr erreichbar für heutige Mobilitätsbedürfnisse, aber dadurch dass ich aus der ganzen Stadt mit der U-Bahn und aus der ganzen Region mit der S-Bahn an den Marienplatz fahren und vorm Rathaus wieder auftauchen kann, ist das Herz der Stadt auch unter heutigen Bedingungen noch das Herz...Pulsschlag es ankommt. Musik Nina Miranda, With you , Rita Records, LC 7925 Autor: Traditionen in der 850jährigen Geschichte Münchens zu finden, fällt nicht schwer. Oberbürgermeister Ude fährt mit seinem Fahrrad oft an einer vorbei, - mitten in der Innenstadt, in der Landsberger Straße. 10. O-Ton: OB Ude Die Augustinerbrauerei fasziniert mich aus mehreren Gründen, einmal weil sie so eine wunderschöne Anlage noch hat, wo man studieren kann, wie im 19. Jahrhundert eine Brauerei ausgesehen hat, was das für Imperien gewesen sind, dann fasziniert mich das Traditionsbewusstsein dieser Brauerei, andere haben zwar auch alte Vorfahren, aber haben damit nix mehr zu tun, verhökern ihre Gesellschaftsanteile an irgendwelche Getränkekonzerne dieser Welt. Atmo: Landsberger Straße 11. O-Ton: Werner Mayer, GF Augustiner Bräu Eigentlich steht die Brauerei, man kann sagen, nahezu komplett unter Denkmalschutz, das ist für uns keine Last, keine Bürde, das ist für uns ein ganz wesentliches Element, - wir pflegen unsere Gebäude auch, dass der Backstein erhalten bleibt, dass das Erscheinungsbild der Brauerei so erhalten bleibt, so wie es früher war, man kann sagen, die Zukunft heißt bei uns Tradition. Autor: Werner Mayer, einer der Geschäftsführer der Augustinerbrauerei, steht eingeklemmt zwischen Gabelstaplern und LKW mit Bierkisten. Links und rechts ragen die roten Backsteinbauten empor. Alles ist blitzblank geputzt. Kein Fetzen Papier am Boden. 12. O-Ton: Werner Mayer, GF Augustinerbräu Jetzt gehen wir mal über den Hof und gehen durch die Brauerei, sie ist relativ lang, 400 Meter lang... nur 60 Meter breit, immer wenn man hier was umbauen muss, muss man erstmal an der Stelle, wo man es hinbaut, etwas anderes wegbauen....es riecht nach Malz und Hopfen, wir sind jetzt gerade am Sudhaus vorbeigelaufen, sehr angenehm, aromatisch, ein Brauer braucht das eigentlich jeden Tag. Autor: Jetzt lacht Werner Mayer sogar ein wenig, als er den Duft einatmet. Es dauert eine Zeit, bis der große schlanke Mann im Trachtenanzug gesprächig wird. Bei der ältesten Brauerei Münchens ist man Fremden und Veränderungen gegenüber reserviert. In Mayers altem holzgetäfelten Büro sieht es aus wie in einem Kontor des 19. Jahrhunderts. 13. O-Ton: Werner Mayer, GF Augustinerbräu Man kann schon zugeben, dass die Brauerei im Verlauf größer geworden ist, aber wir wickeln den ganzen Bierverkehr, den Transport, die Produktion und auch die Mälzerei auf dem Gelände ab und wir haben eigentlich kaum Platz, um Führungen zu organisieren und ein kleines bisschen ist es auch Tradition, - wir wollen uns nicht zu sehr öffnen, Sie wissen vielleicht auch, dass wir keine Werbung machen, keine klassische Werbung machen und das ist uns auch wichtig, so ein kleines bisschen Mythos schadet dem ganzen nicht. Wir sind kein Fernsehbier, sondern wir sind die Augustinerbrauerei, eine bürgerliche Privatbrauerei und glauben, dass unsere Werbung unser Bier ist. Autor: Es ist also etwas Besonderes, wenn Werner Mayer einen Gast in die Geheimnisse der ältesten Brauerei der Stadt einweiht. Über Jahrhunderte brauten die Mönche des Münchner Augustinerklosters ihren "Edelstoff". Das Bier heißt noch immer so: Edelstoff. Erst das Jahr 1803 erschütterte die mönchische Bierbrauertradition: Durch die Säkularisierung wurden viele Klöster in Bayern verstaatlicht und die Brauerei fand neue Besitzer. Das Bier und die Schenke allerdings blieben erhalten. Noch heute liegt der "Augustiner Keller" in der Münchner Fußgängerzone. Die Brauerei hingegen zog Ende des 19. Jahrhunderts in die Landsberger Straße, in einen vom bekannten Münchner Architekten Emmanuel von Seidl entworfenen Gebäudekomplex. Atmo: Gabelstapler fahren über den Hof Autor: Vor einem fensterlosem Haus parkt ein LKW mit gekipptem Anhänger. Ein Strom goldgelber Gerstenkörner fließt durch eine Luke in den Speicher. Aus der Gerste wird das Malz gewonnen: Dazu müssen die Gerstenkörner in der Mälzerei keimen, bevor sie geschrotet werden. 14. O-Ton: Werner Mayer, GF Augustinerbräu Jetzt gehen wir mal runter in die Mälzerei... besteht aus 16 Tennen, in den Tennen findet die Keimung statt....das sind Keller, Gewölbekeller, die schauen wir uns jetzt an... ebene Flächen, wo auf einer Fläche von 100 Quadratmeter das Malz in einer niedrigen Schütthöhe liegt und dementsprechend schonend keimen kann, die Gerste... man sieht jetzt hier den Wurzelkeim, wie er rauskommt, wie er rausspitzt, die Keimzeit ist fünf bis sechs Tage und man kann sich schon vorstellen, wenn in einer modernen Mälzerei das einen Meter hoch liegt oder einen Meter zwanzig, und bei uns liegt 12 bis 15 Zentimeter, - ist natürlich ein riesen Aufwand, ist klar, aber man kann hier ein Malz herstellen, wie man es in einer modernen Mälzerei nicht mehr machen kann und da setzen wir drauf, und deswegen haben wir noch einen Tennenmälzerei. Autor: Mindestens ebenso aufwändig ist das Abfüllen des Bieres in Holzfässer. 15. O-Ton: Werner Mayer, GF Augustinerbräu Wir haben mehrere Größen, 15er, 30er, 50er, 100er, 200 Liter Holzfässer, die so genannten Hirschen und auf der Wiesn sind wir die einzige Brauerei, die komplett die ganze Wiesn mit Holzfässern bestückt... die sind zum Teil sehr sehr alt...man muss es pflegen, ist viel Handarbeit dabei, aber die Qualität ist eigentlich nicht zu überbieten, ist ein mildes Bier, hat weniger Kohlensäure und das setzen wir drauf, ist süffig, gerade auf der Wiesn, das Bier muss süffig sein. und gleich dran: 16. O-Ton: Arbeiter Die Fässer werden verschlossen mit einem so genannten Schrödel...ein Verschluss, der kommt da drauf...(haut den Schrödel auf das Fass).... Atmo: Flaschenabfüllablage Autor: Während im Lager mit den Holzfässern der Biergeruch aus allen Ritzen quillt, riecht es ein Haus weiter - nach Seife. Die Augustinerbrauerei hat eine der modernsten Flaschenabfüllungsanlagen. 45.000 Flaschen werden in der Stunde gespült und neu gefüllt. Vielleicht ist dies eines der größten Geheimnisse: Tradition und Moderne gleichermaßen zu nutzen. Über die Jahrhunderte. 17. O-Ton: Werner Mayer, GF Augustinerbrauerei Augustinerbrauerei ist ein Gesamtkunstwerk, das besteht aus vielen Mosaiksteinchen, die einzeln für sich genommen nicht immer wirtschaftlich sind, aber unterm Strich ist das Gesamtbild absolut wirtschaftlich. Autor: In München gibt es ein paar Dinge, die sich wahrscheinlich nie ändern werden. Dazu gehört mit Sicherheit der Föhn, diese merkwürdige Großwetterlage über München, - und: Das Reinheitsgebot. Die bayrische Fassung stammt aus dem Jahr 1516, festgelegt durch die damaligen bayrischen Herzöge: Sprecher: Ganz besonders wollen wir, dass forthin allenthalben in unseren Städten, Märkten und auf dem Land zu keinem Bier mehr Stücke als allein Gersten, Hopfen und Wasser verwendet und gebraucht werden sollen. Wer diese unsere Androhung wissentlich übertritt und nicht einhält, dem soll von seiner Gerichtsobrigkeit zur Strafe dieses Fass Bier, so oft es vorkommt, unnachsichtlich weggenommen werden. Autor: Selbst wenn die EU das Reinheitsgebot kippen würde, - die Münchner Augustinerbrauerei würde daran festhalten. Eine gewisse Renitenz hat man den Münchnern immer schon nachgesagt. 18. O-Ton: Werner Mayer, GF Augustinerbräu Selbstverständlich, aber das Reinheitsgebot wird nicht aufgehoben...da bin ich mir absolut sicher!! Atmo: Hofbräuhausküche in der Früh Autor: Ebenso hartnäckig scheinen sich bestimmte Frühstücksbräuche zu halten. Zum Beispiel Weisswurst im Münchner Hofbräuhaus. 19. O-Ton: Robert Koller, Metzger Stellt Teller auf Tisch... frischer geht's nimmer, ganz frisch aus der Produktion...Also so die alten Bayern, die zuzelns, also die saugen sie mit dem Mund aus der Haut, aber heutzutage tuts man mit dem Besteck essen....Des ist ein bayrisches Frühstück...Weißwurst mag ich nach wie vor sehr gerne. Autor: Später würde Robert Koller, Metzger im Hofbräuhaus, gern ein Weißbier trinken. Aber jetzt? Es ist erst halb sieben Uhr morgens, Koller steht seit einer Stunde in der Wurstproduktion. Die Küche des berühmten Wirtshauses, das letztes Jahr sein 400jähriges Bestehen gefeiert hat, ist noch leer. In der Schwemme, wo in ein paar Stunden täglich bis zu 25.000 Gäste über ihrer Maß Bier hocken, stehen die Stühle auf den Bänken. Biergeruch vermischt sich mit Seifenwasser. Unten im Keller wirft Koller eine Maschine an, die aussieht wie ein Betonmischer. Atmo: Fleischmaschine 20. O-Ton: Robert Koller, Metzger Das ist der Kutter...des ist eine Maschine, da wo die Messer drinlaufen, zum Verkleinern....vorwiegend Kalbfleisch und Schweinefleisch, Speck und Eis...Gewürze sind hauptsächlich Pfeffer, Salz und Muskat, und halt frische Sachen wie Petersilie und Zwiebeln, wir haben noch ein bisserl Lauch drin... Atmo: Fleischmaschine läuft aus Autor: Das Hofbräuhaus ist eines der wenigen Wirthäuser in München mit eigener Metzgerei. Jeden Tag verarbeiten Robert Koller und seine zwei Helfer bis zu 100 Kilo Fleisch. Nach einem Rezept, ähnlich geheim wie das Bierrezept der Brauer, mixt Koller das Wurstbrät und schüttet zum Schluss gestoßenes Eis dazu, damit die Wurst schön locker bleibt. Die nächste Maschine presst das Brät in die Schweinedärme, - exakt 95 Gramm pro Wurst. 21. O-Ton: Robert Koller, Metzger (Atmo dran) Die werden bei uns gebrüht, 30 Minuten bei 68 Grad.... und dann san sie gar, aber nicht lange haltbar, drum machen wir sie täglich....früher war es einen Tag, aber mittlerweile haben wir ja Kühlschränke, also so drei bis fünf Tage je nach Kühlung...aber da verlieren sie sehr an Qualität. Autor: Weshalb es das ungeschriebene Gesetz gibt: Weißwürste dürfen das Zwölf-Uhr-Läuten nicht mehr hören. Daran hält sich auch der Oberbürgermeister. 22. O-Ton: OB Ude Weißwurst ist natürlich eine Frage der Uhrzeit, wenn man am Nachmittag unterwegs ist, wäre das fast eine Freveltat, nach dem 12 Uhr Läuten noch eine Weißwurst zu sich zu nehmen, das kann sich der Oberbürgermeister schon überhaupt nicht leisten, aber am Vormittag ist das statthaft. Autor: Die Erfindung der Weißwurst hat übrigens sehr viel mit jenem weiß- blauen Pragmatismus zu tun, für den die Münchner bekannt sind. Am 22. Februar 1857 passierte dem Metzger Joseph Moser vom Gasthaus "Zum Ewigen Licht" am Marienplatz beim Bratwurstherstellen ein folgenschweres Missgeschick, - erzählt Sabine Bartlmeß vom Hofbräuhaus. 23. O-Ton: Sabine Bartlmeß Die Därme gingen aus, die man damals verwendet hat, die Schafsdärme und dann hat man eben übrige Schweindärme, die sie noch hatten, schnell verwendet... und diese Schweinsdärme konnte man nicht einfach braten, so wie die Schafsdärme, sondern man musste sie sanft behandelt und sie wurden dann gekocht oder gebrüht, das ist dann die Weißwurst. Musik Allotria Jazzband, Travel Lodge, Elite Special, LC 0194 Atmo: Fanfare und Hymne der Olympischen Spiele 1972 Autor: Sommer 1972. Die ganze Welt blickt auf die bayrische Hauptstadt. 24. O-Ton: Blacky Fuchsberger, Stadionsprecher Meine Damen und Herren, in wenigen Minuten werden über 70 Fernseh- und Radiostationen aus aller Welt mit der Übertragung aus dem Münchner Olympiastadion beginnen. Tausende Journalisten sind anwesend...um die Eröffnung der Spiele der 20.Olympiade gemeinsam zu begehen. Autor: Blacky Fuchsberger, damals Stadionsprecher, kündigt am 26. August 1972 die Eröffnung der Olympischen Spiele an. München "leuchtet" an diesem heißen Sommertag. Ein unvergesslicher Moment, wie Oberbürgermeister Christian Ude erzählt. 25. O-Ton: Christian Ude, OB 72 ist tatsächlich das erste Münchner Erlebnis, dass durch Weltoffenheit und Internationalität gekennzeichnet war, ansonsten war München bis dahin schon eine etwas behäbige Stadt, in den 60er Jahren gab es mal die Schwabinger Krawalle, die aber völlig unpolitisch waren, und dann die Jahren 67/68, die ich als Reporter sehr intensiv miterlebt habe, wo es aber auch nur um nationale Fragen gibt, allenfalls der Vietnam-Konfikt als fernes Thema, über das man aber nichts näher wusste. Autor: Christian Ude lehnt sich in seinem Sofa zurück und wird plötzlich etwas melancholisch, - wie viele Münchner, die sich an die Olympischen Spiele, das Sommermärchen 1972 erinnern. Alles ist neu, alles anders, heiter, unbeschwert. Die kühne, luftige Architektur des Olympiastadion zaubert Beschwingtheit in das biedere Stadtbild der Bayernmetropole. Aber man will mehr, mehr als nur fröhlich sein: In München will man die "Nazi-Spiele" von 1936 vergessen machen. 26. O-Ton: Christian Ude, OB Und mit den Olympischen Spielen hat sich München plötzlich der Welt geöffnet, hat man auch mit Erleichterung wahrgenommen, wir sind in der Völkerfamilie wieder als Gastgeber vorstellbar und als Partner akzeptiert trotz der nationalsozialistischen Verbrechen, die ja gerade an einer Hauptstadt der Bewegung besonders nagt, da war ein richtiges Durchatmen, ein herrliches Gefühl, die Welt ist zu Gast bei und die heiteren Spiele vermitteln ein positives Bild dieser Gesellschaft. Atmo: Fanfaren Autor: Der amerikanische Schwimmer Mark Spitz holt sieben Goldmedaillen. Heide Rosendahl siegt im Weitsprung und eine 16jährige Schülerin namens Ulrike Meyfarth deklassiert die Weltelite im Hochsprung. Die Sonne strahlt, - und eine deutsche Hostess verliebt sich in den schwedischen König. München erscheint als perfekte Kulisse für die Olympische Idee. Bis zum Morgengrauen des 5. September: Die heiteren Spiele enden im Kugelhagel von Maschinenpistolen. Arabische Terroristen dringen in das Olympische Dorf ein, töten zwei israelische Sportler und nehmen neun Geiseln. Der ARD-Reporter Lothar Loewe steht am späten Nachmittag des nächsten Tages vor dem Haus der israelischen Mannschaft. 27. O-Ton: Lothar Loewe, Live-Reportage In diesem Moment läuft das Ultimatum der arabischen Terroristen ab, die Sie hier in diesem Flügel links in der Konollystraße sehen, gegenüber dem Haus 24... die Situation ist außerordentlich ernst, hier auf dem Sportplatz stehen hunderte von Journalisten... der Bundesgrenzschutz hat das Gelände abgesperrt und die Schaulustigen zurückgedrängt...die Olympischen Spiele sind unterbrochen worden vor einer Stunde, es gibt keine Sportveranstaltungen, aber man kann die Besucher nicht wegschicken und wenn die Terroristen mit Sprengstoff sich und die Geiseln in die Luft sprengen, dann sind auch die Schaulustigen, auch die Journalisten und Angehörigen des Bundesgrenzschutzes sehr gefährdet. 28. O-Ton: Christian Ude, OB Das war eine Schreckstarre, die uns erfasst hat, das hatte man sich damals gar nicht vorstellen können, inzwischen sind ja Terroranschläge der grausamsten Art gewöhnt und reden schon Monate vorher drüber, ob sie zu befürchten sind ... damals war das ein Blitzeinschlag in eine vermeintlich heile Welt. Autor: Der Schock sitzt tief, vor allem als bekannt wird, dass die Terroristen ihre Geiseln am Flughafen Fürstenfeldbruck in die Luft sprengen. Israelische Tote auf deutschem Boden. Atmo: Lesung der Opfernamen 29. O-Ton: Gustav Heinemann, BuPrä und Avery Brundage, IOC-Präsident Die Olympische Idee ist nicht nicht widerlegt, wir sind ihr stärker verpflichtet als zuvor....the games must go on! (Beifall) Autor: Schließlich jedoch siegt in München der Olympische Geist. Und München will es noch einmal wissen: Gerade hat sich die Stadt als deutscher Kandidat für die Sommer- und Winterspiele 2018 qualifiziert. Musik (Mozart, Klavierkonzert Nr. 20 D-Moll, 2. Romance) Autor: Den schönsten Ausblick auf 850 Jahre München hat man von Reinhard Wieczoreks Büroterasse in der Nähe des Karlsplatzes, auch "Stachus" genannt, eines der alten Stadttore Münchens. Ein Blick, den Münchens Wirtschaftsstadtrat jedem Besucher zeigt. Man schaut auf ein Meer aus ziegelroten Dächern, grünen Kirchturmzwiebeln und modernem Glas, - und weil heute "Föhn ist", wie der Münchner sagt, jene bajuwarische Großwetterlage, sind die weißen Berggipfel zum Greifen nah. 30. O-Ton: Reinhard Wieczorek, Wirtschaftsstadtrat Man sieht hier von meiner schönen Terrasse aus den Olympiaturm, über den BMW-Zylinder, rüber dann zur Ludwigskirche, die Theatinerkirche grüßt herüber, dann natürlich die Frauenkirche und das Rathaus, rechts davon der Alte Peter und dann kommen die modernen Bauten, der Gasteig und das Müllersche Volksbad, ein traumhaftes Jugendstilbad, muss man unbedingt besuchen, wenn man in München ist, und dann kommen das Deutsche Museum natürlich und man sieht an schönen Tagen die Benediktenwand, die ganze Gebirgskette und davor die Flutlichtmasten von alten Sechzgerstadion, also die ganze Stadt zu unseren Füßen. Autor: 2008 feiert München sein 850jähriges Bestehen. Man feiere eine Erfolgsstory, so heißt es selbstzufrieden im bunten Flyer der Stadt. Schon früher wusste man sich wirtschaftlich durchzusetzen. 31. O-Ton: Reinhard Wieczorek, Wirtschaftsstadtrat Die Geburtstunde Münchens ist praktisch ein Akt der Piraterie, eine sehr gewalttätige Wirtschaftsförderung, Heinrich der Löwe, Herzog von Sachsen und Bayern hat die Brücke des Bischofs von Freising niederbrennen lassen, um den Salzhandel - Salz war eines der wertvollsten Wirtschaftsgüter - über München zu leiten, in der Nähe der jetzige Ludwigsbrücke, das hat sich der Bischof natürlich nicht gefallen lassen, hat beim Kaiser geklagt, sowohl er wie der Herzog waren mit Friedrich Barbarossa verwandt und wir feiern heute den Stadtgründungstag immer am Tag des Schiedsspruches am Reichstag in Augsburg, 1158, 14./15. Juni. Atmo: Musik 2 Autor: Der Kaiser traf eine salomonische Entscheidung und der Herzog von Bayern legte den Grundstein für den Aufstieg Münchens, - eine hübsche Legende mit kleinen Schönheitsfehlern, die in der offiziellen Geschichtsschreibung gerne ignoriert werden. 32. O-Ton: Reinhard Wieczorek, Wirtschaftsstadtrat Der Kaiser hat entschieden, dass die Brücke stehen bleiben darf, der Herzog aber eine Entschädigung zahlen muss, was die meisten nicht wissen, diese Entschädigung ist bis in 19. Jahrhundert geleistet worden, als dann der Kirchenfürst mediatisiert wurde, hat dann der König von Bayern sich die Entschädigung von der Stadt München zahlen lassen und erst um 1860 ist es durch eine einmalige Abfindungszahlung endgültig beigelegt worden. Atmo: Musik 2 Autor: Geschadet hat es dem Ansehen Münchens nicht, das erst als kurfürstliche Residenz und dann, ab 1806, als Hauptstadt des Königreichs Bayern zu einem der großen Kunst- und Wirtschaftszentren heranwächst. König Ludwig I. engagiert die Architekten Leo von Klenze und Friedrich von Gärtner, denen München seine klassizistischen Bauten entlang der Ludwigstraße verdankt. Sie endet am Odeonsplatz, wo die königliche Residenz sich ins Stadtbild schmiegt und wo man an schönen Tagen vergisst, dass Hitler schon 1923 beim Marsch auf die Feldherrnhalle versucht hat, die braune Ideologie an die Macht zu putschen. 33. O-Ton: Reinhard Wieczorek, Wirtschaftsstadtrat Die Lebenskultur, dass man, wenn die Sonne scheint, sich sofort raussetzt, führt dazu, dass man sagt, wir seien die nördlichste Stadt Italiens, da ist wann dran, wenn man einem Föhntag und das kann der 18. Januar sein, am Odeonsplatz sitzt vor der barocken Fassaden der Theatinerkirche, den Hofgarten im Rücken, dann macht man die Augen kurz zu und wieder auf und könnte genauso gut in einer wunderbaren oberitalienischen Stadt sein, also da ist sehr viel Lebensfreunde dran, da ist Festhalten an dem, was schön ist, auf der einen Seite, gleichzeitig verbunden mit der Bereitschaft, sich neuen Herausforderungen zu stellen. Autor: Der eigentlich große Erfolg Münchens kommt nach dem totalen Zusammenbruch. Großkonzerne wie Siemens und die Allianzversicherung siedeln sich nach 1945 in der bayrischen Hauptstadt an. Heute ist München die drittgrößte Stadt Deutschlands. Eine Stadt der Besserverdienenden. Mit den höchsten Mieten und Lebenshaltungskosten. Eine Stadt mit der niedrigsten Arbeitslosenquote in Deutschland: Sie liegt bei 5,6 Prozent. Für viele im Osten Deutschlands ist München ein "Märchenland". Aber München hat einfach Glück gehabt, bekennt Oberbürgermeister Christian Ude. 34. O-Ton: OB Ude Beim wirtschaftlichen Erfolg sollten wir mal ganz ehrlich und selbstkritisch sagen: Wir sind Teilungsgewinner, d.h. München hat nach dem zweiten Weltkrieg einfach davon profitiert, dass Berlin als Hauptstadt und größte Industriestadt Deutschlands gespalten war, dass ein Siemenskonzern genauso eine neue Heimat suchen musste wie die Max-Planck-Gesellschaft, und die sind dann beide nach München fündig geworden. Da sollten wir nicht zu hochnäsig sein, wir haben da z.T. von der politischen Behinderung Berlins profitiert und das hat sich dann über 89/90 gehalten, weil die die Max-Planck- Gesellschaft und die Unternehmen hier derart tiefe Wurzeln geschlagen haben, dass sie nicht wegen einer politischen Entscheidung den Standort wechseln wollten. Atmo: BMW-Auto Autor: Manchmal reicht es auch schon, sich die Erfindungen anderer zu nutze zu machen, - darin war München schon immer führend. Zum Beispiel BMW: Das Auto mit der weißblauen Plakette als Erkennungszeichen wird ausgerechnet in Berlin erfunden und in Eisenach konstruiert. Erst 1951 läuft der erste Münchner BMW vom Band und wird zu jener berühmten Automarke. Für diese Erfolgsstory hat der Konzern sich nicht nur ein Museum, sondern seit Oktober 2007 auch seine eigene "BMW-Welt" gebaut. Man zeigt gern, was man ist. 35. O-Ton: Manfred Grunert, BMW-Group Wir befinden uns jetzt in der zweiten Ebene und können rüber schauen in die Automobilauslieferung, da sehen Sie einen großen Glaskasten, da werden die Fahrzeuge aus dem Tagesspeicher hochgebracht, die Kunden kommen dann mit ihrem persönlichen Verkäufer, und denen wird das Auto noch mal erklärt und ... dann über die Bahn, die Kurve rausfahren in den Autoverkehr. Atmo: BMW-Welt innen Autor: Manfred Grunert, zuständig für die Abteilung Historie des BMW- Konzerns, wirkt im riesigen gläsernen Dom der BMW-Welt fast verloren. Der Mensch ist hinter das Auto gerückt. Alle Modelle von BMW stehen wie Kunstwerke auf kleinen Podesten. Durch die gläsernen Wände sieht man das ganze BMW-Ensemble: das Verwaltungsgebäude, auch Vierzylinder genannt, daneben das Museum in Form einer Schüssel - beide Gebäude sind neben dem Olympiastadion zu modernen Wahrzeichen der Stadt geworden. Und links schiebt sich das Werk ins Bild. Nicht nur der schöne Schein regiert, - hier werden noch Autos produziert. 36. O-Ton: Manfred Grunert, BMW-Group Wir bauen Automobile über 1000 Stück mitten in einer Stadt, also nicht auf der grünen Wiese und da haben wir natürlich gewissen Luftbelästigungen, Lärmbelästungen, dass ist weitgehend eingeschränkt worden, aber es ist immer eine enge Partnerschaft mit den Münchner gewesen, ich meine, stellen Sie sich das vor, wenn bei Ihnen der Garten aufhört und da fängt ein Automobilwerk an, das ist natürlich etwas anderes, als wenn Sie in die freie Fläche schauen, - aber gerade deswegen ist da so eine enge Verbindung, - BMW und München Autor: BMW ist München, - die Marketing-Strategen des Konzerns, der längst an vielen Standorten in der Welt produziert, nutzen das weißblaue Image der modernen, aber traditionsbewussten Stadt. 37. O-Ton: Manfred Grunert, BMW-Group Wir heißen BMW, Bayrische Motorenwerke, Bavarian Motorworks in Englisch ... wir sind mit über 20.000 Leuten an einem Standort nun mal sehr präsent und wir sind aus München, die BMW-Welt zeigt es, das ist ein Standortbekenntnis. Ich würde es mal so nennen, wir sind in der Branche einem sehr engen Innovationsdruck unterlegen, wir sind immer wieder aufgefordert, dem Kunden Innovationen anzubieten, die ihm das Autofahren angenehmer, individueller machen, so was lässt sich in einem Umfeld wie München sehr gut machen, ich sage mal, es ist einfacher, nach vorne zu denken, wenn man sich auch mal zurücklehnen kann, und München ermöglich einem dieses Zurücklehnen, ... und ich bin mir auch sicher, unsere Produkte würden anders aussehen, wenn wir sie anderswo produzieren würden. Autor: Über 500 Millionen Euro kostete der gläserne Automobil-Tempel im Herzen der Stadt. Daneben laufen Tag für Tag Autos vom Band. Eine schöne Symbiose. Vielleicht zu schön. Kurz nach Weihnachten verkündete die Konzernleitung, dass 8.000 Stellen gestrichen werden. Betroffen sind vor allem die Werke in Leipzig und Regensburg. Aber auch im Münchner Stammhaus sollen Mitarbeiter eingespart werden: Zuerst wird es die Leiharbeiter treffen. Die Nachricht hat für erhebliche Unruhe in der heilen BMW-Welt gesorgt. Musik (Allotria Jazzband, "As time goes by") Autor: Als München vor 850 Jahren gegründet wurde, war klar: Ein Münchner war, wer hier geboren wurde. Und heute? Oberbürgermeister Christian Ude lacht, als hätte man ihm eine unanständige Frage gestellt. 38. O-Ton: Christian Ude, OB Gebürtiger Münchner und leidenschaftlicher Münchner! Autor: Selbstzufrieden sitzt Ude auf dem Ledersofa in seiner Schwabinger Altbauwohnung. Eine große Münchner Zeitung hat ihn kürzlich den "Meisterbürger von München" genannt: Er fährt mit dem Fahrrad zum Dienst, hat eine Ferienwohnung auf Mykonos, regiert mit dem Grünen und macht in seiner Freizeit Kabarett. Er ist Mitglied der SPD, - aber konservativ. In München ist das kein Widerspruch. 39. O-Ton: Christian Ude, OB Richtig ist, dass München bis auf eine einzige Ausnahme, die sehr unglücklich war und niemand zur Wiederholung einlädt, immer SPD- Oberbürgermeister hatte, über mehrere Amtsperioden hinweg auch sozialdemokratische Mehrheiten, zumindest war die SPD die stärkere Partei, wie jetzt, seit 18 Jahren mit den Grünen, das gibt es in ganz Deutschland nicht noch einmal, dass ein rot-grünes Bündnis jede Wahl mit Regelmäßigkeit wieder gewinnt und das mitten im schwarzen Bayern. Autor: Am 2. März stellt sich Ude erneut zur Wahl. Wahrscheinlich wird er gewinnen. Er ist in guter Gesellschaft: Die Wittelsbacher regierten 800 Jahre in Bayern, die CSU regiert schon seit über 50 Jahren. Es käme einem Erdbeben gleich, wenn Ude nicht als Oberbürgermeister das 850-Jahr-Fest im Juni dieses Jahres eröffnen würde. Keiner hält so schöne Festreden wie Ude, noch dazu so politisch korrekte. Für die Jubiläumsfeierlichkeiten hat sich die Stadt ein besonderes Motto ausgedacht: "Brücken bauen", in Anspielung auf die Gründungsgeschichte. Heinrich der Löwe, Herzog von Bayern, ließ die Brücke des Bischofs von Freising niederbrennen, - um so den Salzhandel für München zu kontrollieren. Brücken bauen will Ude hauptsächlich zu den rund 24 Prozent Ausländern, die ihn München wohnen, - mehr als in Berlin. Vor allem Gastarbeiter aus dem ehemaligen Jugoslawien und der Türkei kamen in den 70er Jahren an die Fließbänder von BMW und Siemens. Atmo: Musik 3 Autor: Wer also ist heute ein echter Münchner? 40. O-Ton: Marta Reichenberger, "Galerie der echten Münchner" In München leben Menschen aus 185 Nationen, es gibt insgesamt 189 Nationen, und der echte Münchner ist nicht der bayrische Trachtler, der bayrisch spricht, sondern ist durchaus aus ein Weltenbürger... nur ein Drittel aller Münchner, die in München leben, sind auch hier geboren, zwei Drittel, die in München leben, kommen von woanders her. Autor: Marta Reichenberger zum Beispiel kommt aus der Oberpfalz. Sie und ihre Kollegin Tatjana Hänert leiten ein Kulturbüro, das für die 850-Jahr-Feier ein ganz besonderes Projekt organisiert, - die "Galerie der echten Münchner". Die Portraits von 36 Münchnern mit ihren Geschichten werden ausgestellt, - analog zur "Galerie der schönen Münchnerin" des Bayernkönigs Ludwig I. im Schloss Nymphenburg. 41. O-Ton: Tatjana Hänert München war für mich nach dem Abitur die weitest möglich entferntest Stadt, mir ist es vor allem so ergangen, dass ich in München heimisch würde, als ich mit meiner Arbeit viele Projekte gemacht habe, durch viele Stadtviertel gegangen bin, und genau dadurch wird man in München zuhause, und genauso ist es ja mit den Biografien dieser echten Münchner, weil sie alle für ein Stück Heimat stehen. Autor: Mit seiner Heimat München hat der Malermeister Ernst Grube im Laufe seiner 75 Jahre oftmals gehadert. Er war einer der ersten, der sich für die "Galerie der echten Münchner" hat porträtieren lassen. 42. O-Ton: Ernst Grube, Malermeister Die Mutter ist Jüdin, der Vater war Nicht-Jude, stammt aus Ostpreußen, war Malermeister, und ist nach München gekommen, es war ja früher üblich, dass die Handwerker auf die Walz gingen und wurde hier krank und kam aus welchen Gründen auch immer in das jüdische Krankenhaus, wo die Mutter beschäftigt war und so samma halt geworden.... Autor: Als 12jähriger wurden er und seine Familie noch im Februar 1945 nach Theresienstadt deportiert. Nach dem Krieg kam er nach München zurück, - es war seine Heimat. 44. O-Ton: Ernst Grube, Malermeister Ich habe die Menschen in meiner Kindheit erlebt, dass sie mich nicht wollten. Hier habe ich die Menschen in München doch als sehr reserviert, sagen wir das mal so, anstatt intolerant und blind erlebt. Es gab Ausnahmen... und es ist ja auch heute so, Gruppierungen und Minderheiten, die auch ausgegrenzt werden, die Asylsuchenden, die Dunkelhäutigen und ... da ist bei einem Teil der Bevölkerung doch eine große Offenheit da, diesen Menschen zu helfen, die es in der Nazizeit nicht gegeben hat. Musik (zum Unterlegen unter Schluß-Collage) 1 1