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Juni 2007 Redaktion: Peter Kirsten Wenn der Schlaf gestört ist Neue Erkenntnisse aus Chronobiologie und Psychologie Von Matthias Eckoldt Im O-Ton: - Ingo Fietze, Leiter des interdisziplinären Schlaflabors der Berliner Charité - Marie-Luise Hansen, Psychiatrischen Klink der Berliner Charité - Brigitte Kurella, Schlaflabor des Vivantes-Klinikums Berlin-Hellersdorf - Geert Meyer, Chefarzt der Hephata-Klinik in Schwalmstadt und Vorsitzender der "Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin? - Hajo Schneider, Vorsitzender des Bundesverbandes Schlafapnoe Deutschland - Alexander Loch, Oberarzt in der Klinik für HNO-Heilkunde der Berliner Charité - Lilo Habersack, Vorstandsvorsitzende der Deutschen RLS Vereinigung - Christine Lichtenberg, Selbsthilfeverein Narkolepsie Deutschland - Monika Martin, Selbsthilfeverein Narkolepsie Deutschland - Joseph Wirth, Vorsitzender des Forums Selbsthilfe der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin Regie: Minimalmusik (1) O-Ton(Fietze 2:13): Warum schlafen wir eigentlich? Das ist eine Frage, die sich jeder Schlafgestörte stellt. Wenn man gesund schläft, fragt man sich das ja gar nicht, denkt man über den Schlaf gar nicht richtig nach. Letztendlich ist es ganz trivial. Wir sind gleichwarme Organismen. Wir haben eine Körpertemperatur von siebenunddreißig Grad. Und die müssen wir erhalten und das kostet sehr viel Energie. Und das können wir nicht über vierundzwanzig Stunden machen. Deswegen brauchen wir die Nachtphase allein dafür, um Energie zu sparen und zu tanken, indem wir uns halt nicht bewegen, sondern liegen und schlafen. ... Das ist das eine, aber wir wissen natürlich, dass Schlaf noch andere Funktionen hat: Schlaf hat die Erholungsfunktion, die Gedächtnisfunktion, Schlaf hat die Funktion, dass wir nicht so schnell altern, und Schlaf hat die Funktion, dass wir unser Immunsystem stärken. (45??) Regie: Musik hoch, dann unter Sprecher verschwinden lassen. Sprecher: Der Schlafmediziner Ingo Fietze ist Leiter des interdisziplinären Schlaflabors der Berliner Charité. Er hat den ersten deutschen Patientenkongress zum Thema Schlaf und Schlafstörung ins Leben gerufen. Ein Novum. Denn hier gab es erstmals die Gelegenheit, dass die Betroffenen direkt mit den Kapazitäten des Fachs zusammentrafen. Der Unterschied zum Fachkongress lag darin, dass weniger der wissenschaftliche Austausch unter den Ärzten und Forschern im Vordergrund stand, sondern der Patient mit seinen Symptomen. Sprecherin: Und da gibt es einige. Insgesamt kennt die moderne Schlafmedizin achtundachtzig unterschiedliche Formen, in denen der Nachtschlaf gestört sein kann. Der Kongress widmete sich dem Schnarchen in Zusammenhang mit Atemstillständen, der durch das Unruhige-Beine-Symptom verursachten Schlafstörung, weiterhin den Schlaf-Wach-Regulationsproblemen und natürlich der psycho-physischen Schlafstörung. Sprecher: Dass man hin und wieder mal nicht gleich einschlafen kann oder dass man morgens früher aufwacht als geplant und dann nicht wieder in den bewusstseinsfernen Zustand hinüberzudämmern vermag ? zählt noch nicht als Schlafstörung. Die Mediziner haben diesen Begriff klar definiert. Dazu Marie- Luise Hansen von der Psychiatrischen Klink der Berliner Charité und Brigitte Kurella vom Schlaflabor des Vivantes-Klinikums Berlin-Hellersdorf: (2) O-Ton(Hansen1:15): Man sagt, wenn man mindestens über drei Monate drei bis viermal pro Woche an einer Ein- und Durchschlafstörung, an einem Früherwachen leidet, an einer Leistungsminderung als Folge dieser Schlafstörung, oder aber an einer verstärkten Tagesschläfrigkeit, dann leidet man unter Schlafstörungen. (3) O-Ton(Kurella dito): Wenn man das vielleicht so ein bisschen volkstümlicher ausdrücken dürfte, dann ist das der Zustand, in dem man nicht so viel schläft, wie man eigentlich schlafen möchte. Das heißt also: Patienten meinen, sie brauchen einen Schlaf von acht Stunden, sie liegen auch diese Zeit im Bett, aber es dauert lange Zeit, bis sie eingeschlafen sind, oder sie wachen nachts auf und können dann nicht wieder einschlafen. Und wenn sich das wiederholt und sie schon eine Angst vor diesem Nicht-Schlafen-Können entwickeln, dann spricht man von einer Schlafstörung. (50??/3?) Sprecherin: Erst ab einem bestimmten Leidensdruck kann man also von einer medizinisch relevanten Schlafstörung sprechen. Wahrscheinlich würde man auch ohne eine entsprechende Minderung der Lebensqualität nicht zum Arzt gehen. Sprecher: Grob lassen sich die Schlafstörungen in zwei Gruppen einteilen: Solche, die organische Ursachen haben und solche, für die man keine physischen Auslöser findet. Letztere machen es der Schulmedizin erfahrungsgemäß schwer, da es nichts zu messen gibt. Sprecherin: Gleichwohl gibt es sie: Schlafstörungen, die einzig durch den nimmermüden Gedankenstrom in unseren Köpfen verursacht werden, durch das stetige Grübeln, Sich-Ängstigen und Sorgen. (4) O-Ton(4:50): Die Patienten gehen häufig ins Bett mit dem Gefühl: O Gott, diese Nacht wird ganz schrecklich. Bestimmt wird es ganz furchtbar. Das heißt also, das Gedankenkarussell läuft an und sie machen sich große Sorgen, nicht zu schlafen in der Nacht, sie machen sich Sorgen, dass der nächste Tag schrecklich wird, sie haben vielleicht einen Termin am nächsten Tag und befürchten, dass sie das nicht gut absolvieren können, dass sie Fehler machen, dass Konsequenzen im Beruf und im Sozialleben daraus entstehen. Das heißt, das ist ein ganzer Rattenschwanz, der sich da entwickelt. (30??) Sprecher: In den USA soll ein Drittel der Bevölkerung an dieser Art der Schlafstörung, der so genannten Insomnie, leiden. Diese ungeheure Zahl zwang auch die Schulmedizin dazu, sich eingehend mit dem manifesten Problem zu beschäftigen. Sprecherin: Hierzulande gründete sich die "Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin? ? kurz DGSM ? erst 1992. Die interdisziplinäre Ausrichtung des vergleichsweise jungen Fachgebiets erschwerte seine Profilierung und Akzeptanz. Wer auf effektive Weise Patienten mit gestörtem Schlaf ? oder um den Fachbegriff zu nehmen: mit Schlaf-Wach-Störungen ? helfen möchte, braucht Kenntnisse in Innerer Medizin, Pneumologie, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Neurologie, Psychiatrie, Physiologie und Psychologie. Sprecher: Bei der Behandlung der Insomnie beispielsweise muss der Arzt über diagnostische Fähigkeiten verfügen, um mögliche organische Ursachen ausschließen zu können. Die darauf folgende Therapie aber erfordert dann verhaltenstherapeutische Kompetenzen: (5) O-Ton(05:38): Die Angst vor dem Nicht-Schlafen-Können ist der erste Schritt zum Nicht- Schlafen-Können. ... Zunächst einmal muss man wahrnehmen, was man da tut, Man muss sich sagen: Jetzt ist bei mir so eine Situation, wo sich bei mir im Kopf das Gedankenrad dreht. Dann muss man das unterbrechen, zum Beispiel indem man ein Stoppsignal setzt. Einen akustischen Reiz zum Beispiel. Und dann muss man, da wir ja Schwierigkeiten haben, gar nichts zu denken, muss man diese sorgenvollen Gedankeninhalte ersetzen durch etwas anderes. Günstig ist zum Beispiel, sich ein inneres Ruhebild zu schaffen. ... Man kann sich das ein bisschen so klar machen: Wenn Sie sich vorstellen, dass wir zwei Gehirnhälften haben: Die linke ist bei den meisten mit Sprache assoziiert, und unsere negativen Gedanken lösen negative Emotionen aus. Die rechte Gehirnhälfte ist verknüpft mit einem mehr ganzheitlichen und bildlichen Erleben. Wenn wir auf der einen Seite des Gehirns sind, sind wir nicht auf der anderen. Das heißt: Wenn ich dabei bleiben kann, ein Bild zu betrachten, dann unterdrücke ich damit meine Gedankenketten. (1?/6,30) Sprecherin: Doch der Weg zum Schlafmediziner ist für viele unter Insomnie leidende Menschen sehr lang. Davor stehen oft jahrelange Versuche, die Schlaflosigkeit durch Tabletten zu heilen. Etwa 160 Millionen Euro zahlen die Krankenkassen jährlich für Schlaftabletten. Die Betroffenen geben darüber hinaus noch einmal rund 200 Millionen Euro für nicht verschreibungspflichtige Tabletten aus. Sprecher: Das Problem bei einer andauernden Einnahme von Schlaftabletten ist der Wirkverlust. Man muss ? um denselben Effekt zu erzielen ? immer höhere Dosen einwerfen. Darüber hinaus machen die meisten Schlaftabletten abhängig, so dass man schließlich mit einem Schlaf- und mit einem Suchtproblem beim Therapeuten landet. Regie: Musik. Sprecherin: Ein Interessepunkt der Schlafforscher ist die innere Uhr des Menschen. Die Chronobiologie sucht bereits seit längerem nach diesem biologischen Taktgeber, dem eine zentrale Funktion bei der Steuerung des Schlaf-Wach-Rhythmus beigemessen wird. Zitator: Berühmt wurde die Chronobiologie durch ein Bauwerk, das Jürgen Aschoff Mitte der 1960er Jahre im bayerischen Andechs einrichtete. Zwei Räume ohne Uhren, Telefon und Tageslicht, abgeschirmt durch meterdicke Mauern, getrennt durch schalldichte Doppeltüren, bildeten ein Versuchsareal, das einen einzigen Zweck erfüllt: seinen Bewohnern den Zugang zur Tageszeit vorzuenthalten. Im ?Andechser Bunker? lebten freiwillige Testpersonen wochenlang. Bald war klar: Auch der Mensch hat eine physiologische Zeitmessung, die ohne Wecker, Sonnenaufgang oder morgendlichen Kaffeeduft auskommt. Auf sich allein gestellt geht sie meistens etwas zu langsam, so dass die Bunkerbewohner im Abstand von 24 bis 26 Stunden zu Bett gingen. Sprecher: So schildert Peter Spork in seinem 2007 erschienenen ?Schlafbuch? den Initialversuch der Chronobiologie. Der deutsche Verhaltensforscher Jürgen Aschoff hatte mit seinem Bunker-Experiment bewiesen, dass die innere Uhr nicht nur eine Metapher, sondern ein physiologischer Fakt ist. In den letzten Jahren bekam die Chronobiologie dann entscheidende Schützenhilfe von Seiten der molekularen Genetik. Sprecherin: Es wurden so genannte Uhren-Gene gefunden, in denen Baupläne für verschiedene, sich wechselseitig unterdrückende Eiweiße gespeichert sind. Der Auf- und Abbau der Eiweißkomponenten geht periodisch vor sich, so dass man tatsächlich von einer Art Pendel auf genetischer Ebene sprechen kann, das die inneren Uhren zum Ticken bringt. Sprecher: Über verschiedene Stellgrößen wird die Innere Uhr mit der Außenwelt synchronisiert. (7) O-Ton(Fietze 12:03): Die innere Uhr, die für den Schlaf-Wach-Rhythmus verantwortlich ist, die sitzt im Zentralnervensystem ... und wird beeinflusst im Wesentlichen durch Licht und das Hormon Melatonin. Das sind die beiden Stellgrößen für die innere Uhr. Was man aber heute weiß: Die innere Uhr sitzt nicht nur im Zentral- Nervensystem, sondern jedes Organsystem für sich ? nehmen Sie die Niere, nehmen Sie die Leber, nehmen Sie den Magen-Darm-Trakt, ... hat eigene innere Uhren. Das ist eine Erkenntnis der letzten Jahre tatsächlich. Was man zurzeit erforscht ist das Zusammenspiel aus diesen verschiedenen inneren Uhren ... und der Metauhr im Gehirn. ... Das beste Merkmal ist das Melatonin ? das ist halt nachts erhöht und am Tage niedrig. Das ist ein Zeiger der inneren Uhr. Und ein anderer Zeiger der inneren Uhr ist die Körpertemperatur, die auch durch Hormone und Enzyme gestellt wird. Es gibt keinen stabileren Zeiger der inneren Uhr als die Körpertemperatur. Sie fällt jede Nacht zwischen 20 und 24 Uhr ab und steigt morgens zwischen vier und sechs wieder an. Die geht fast so genau diese innere Uhr wie die Grennwich-Zeit. (1,10?/10,30?) Sprecher: Beim gesunden Schläfer zumindest. Geht die innere Uhr falsch oder kann sie sich nicht mit den äußeren Gegebenheiten abstimmen, kommt es zu dramatischen Verschiebungen der Schlafphasen. Die Fachleute sagen dazu zirkadiane Rhythmusstörungen, womit man bei der Gruppe der organisch bedingten Schlafstörungen angelangt wäre. (8) O-Ton(Meyer 1:45): Seitdem man diese Gene entdeckt hat, hat man dann auch viele Patienten untersucht, die eine zirkadianen Rhythmusstörung haben. Das heißt zum Beispiel Patienten mit dem Symptom der vorverlagerten oder verzögerten Schlafphase. Sprecherin: Geert Meyer, Chefarzt der Hephata-Klinik in Schwalmstadt und Vorsitzender der "Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin?. (9) O-Ton(dito): Was ist das? Menschen mit einer vorverlagerten Schlafphase müssen schlafen gehen zum Beispiel um 19, 20 Uhr. Die schaffen es nicht wie gesunde Menschen bis 23 oder 24 Uhr aufzubleiben. Schlafen dann aber wie Gesunde sechs bis sieben Stunden und sind erholt. Hierzu hat man über mehrere Aufrufe in den USA ganze Familien entdeckt und ist dann sehr schnell dazu gekommen, Gene zu entdecken, die diese Störung bedingen. Und diese Gene bedingen eine Veränderung der inneren Uhrzeit. ... (26:49): Was mich immer sehr erstaunt ist, dass die Selbsthilfegruppen mit zirkadianen Rhythmusstörungen sagen: Nö, nö, das wollen wir alles gar nicht. Wir sind ja eigentlich nur aus der Phase und dafür wollen wir entsprechende Jobs. Ganz witzig ist, dass viele von ihnen halt so Jobs haben, die mit Nachtarbeit was zu tun haben. Also Croupier oder ähnliches. Sie haben halt eine zirkadianen Wach-Rhythmusstörung. Auch dafür gibt?s heute den passenden Job. (1,20?/12,30?) Regie: Musikakzent Sprecher: Mit weniger Humor nehmen die Schlafapnoiker ihr Schicksal. Verständlicherweise. Denn ihr Leidensdruck ist oft um ein Vielfaches höher. Apnoiker schnarchen. Aber das ist noch nicht das Problem. Mit der Zeit kann die Rachenmuskulatur so erschlaffen, dass es zu Atemstillständen kommt. Regie: Autoreifen quietschen. Sprecherin: Oft ist es erst der sich wiederholende lebensbedrohliche Sekundenschlaf beim Autofahren, der den Schlafapnoiker zum Arztbesuch veranlasst. (10) O-Ton(Schneider 2:55): Ich hatte es in der Regel im Griff. Allerdings bei drei Fällen hatte ich es eigentlich nicht mehr im Griff. Der eine Fall war: Ich bin ... von Trier gekommen und bin wohlgemerkt während der Fahrt eingeschlafen und werde dann kurz hinter einem LKW wach. Und habe dann einen Adrenalinschub bekommen, um überhaupt noch reagieren zu können. Und hatte trotzdem noch Glück, dass mir nichts passiert ist, dass ich nicht auf den LKW draufgeprallt bin. Das hat mich dann rasend gemacht, weil ich gesagt habe: Irgendwo ist ein Fehler bei mir, der schlicht und einfach behoben werden muss. (45??/13,45?) Sprecher: Hajo Schneider ist heute Vorsitzender des Bundesverbandes Schlafapnoe Deutschland. Bei seinen ungewollten Abenteuern auf der Autobahn war diese Krankheitsbezeichnung noch ein Fremdwort für ihn. Dass der Sekundenschlaf, wiederholte Unkonzentriertheiten und eine ihm wesensfremde Gereiztheit mit dem Schlaf zu tun haben könnten ? auf diese Idee wäre er nicht gekommen. Sprecherin: Aber die Schlafmediziner! Die Diagnostik lief zielstrebig: (11) O-Ton(Schneider 4:30): Dann bin ich zum Arzt gegangen, habe eine so genannte Polygrafie gemacht. Ein Gerät, das ich mit nach Hause bekam. Habe in eigener Umgebung geschlafen. Und dabei hat man festgestellt, dass ich 480 Stillstände pro Nacht hatte. ... Daraufhin bin ich anschließend ins Schlaflabor gekommen und da hat man festgestellt: Ich hab pro Stunde 73 Stillstände mit einer längsten Dauer von 97 Sekunden. Und daraufhin bekam ich dann meine Therapie. (45??/15?) (12) O-Ton(Loch 1:35): Da ist es eben so, dass während des Schnarchens Teile der oberen Atemwege zusammenfallen und dadurch zeitweilig überhaupt keine Luft mehr durch die oberen Atemwege geht. Je nachdem, wie lange solche Phasen dauern, sinkt der Sauerstoffgehalt im Blut ab. Wenn der Sauerstoffgehalt absinkt, hat das zur Folge, dass das Herz stärker pumpen muss, um das restliche Blut mit dem Sauerstoff durch den Körper zu transportieren. Und wenn das über einen längeren Zeitraum passiert, passt sich der Körper eben dementsprechend an. Mit negativen Folgen. Die kurzfristige Folge ist, dass wenn der Sauerstoffgehalt absinkt, dass man dann öfters aufwacht, der Schlaf nicht mehr erholsam ist und man am nächsten Tag sehr müde sein kann. (45??/15,45?) Regie: Autoreifen quietschen. Sprecherin: Alexander Loch beschäftigt sich als Oberarzt in der Klinik für HNO-Heilkunde der Berliner Charité mit der Therapie der Schlafapnoe. Der Trend geht hierbei eindeutig zur sanften Chirurgie. Beispielsweise wird mit Hilfe von Elektrosonden das Rachengewebe vernarbt. Dabei kommt es zur Reduktion der schlaffen Muskeln, und dadurch schließlich zu einer Stabilisierung. Das Skalpell wird heutzutage nur noch selten eingesetzt. Sprecher: Eher schon die CPAP-Maske. CPAP steht dabei für: Zitator: Continuous Positive Airway Pressure. Sprecher: Der Apnoiker setzt sich die Maske vor dem Schlafengehen auf die Nase. Die ganze Nacht wird nun über Schläuche kontinuierlich Luft in die Atemwege geblasen, so dass ein vorher im Schlaflabor ermittelter leichter Überdruck entsteht, der die Atmungsaussetzer verhindert. Mit der Maske zu schlafen ist vielleicht gewöhnungsbedürftig, aber extrem wirkungsvoll: (13) O-Ton(Schneider 6:15): Nachdem ich die Maske bekommen habe, war ich war innerhalb von 24 Stunden ein komplett neugeborener Mensch, mit neuem Lebensgefühl, mit einer ganz anderen positiven Lebensweise. ... Und es hat auch in der Familie ein ganz anderes positives Gefühl mit sich gebracht. Sprecherin: Besonders für die Ehepartner ist die Therapie eine Wohltat, denn die CPAP- Masken verhindern nicht nur die Atemstillstände, sondern auch das Schnarchen selbst. (14) O-Ton(Loch 7:05): Da gibt es ganz ernsthafte wissenschaftliche Untersuchungen. Das Schnarchen kann wirklich erhebliche Ausmaße annehmen. Von der Schalldruckmessung ist das bei extremen Fällen vergleichbar sogar mit einem Presslufthammer. Und es gibt auch Patienten, deren Angehörige dann eben auf der einen Seite, auf der der Partner liegt, Hörminderungen haben. (20??/18?) Regie: Mehrere laute Schnarchstöße. Blenden mit Musik. Sprecher: Nicht minder quälend ? wenn auch nicht derart lebensbedrohlich wie die Schlafapnoe ? ist das Restless Legs Syndrom. Sprecherin: Kurz: RLS. Die unruhigen Beine. Von den Patienten wird beschrieben, dass es sich anfühlt, als würden aufgeregte Würmer in den Extremitäten herumkrabbeln. Hinzu kommen reißende und ziehende Schmerzen. Und das unwillkürliche Zucken der Beine. Sprecher: Die Symptome sind zwar seit Jahrhunderten bekannt, dennoch steht das RLS bis heute nicht auf der Liste chronischer Krankheit. Ein Grund dafür mag sein, dass diese Anerkennung mit weitreichenden finanziellen Konsequenzen für die Krankenkassen verbunden wäre. (15) O-Ton(Habersack 1:25): Tagsüber geht es ganz gut. Man ist ständig in Bewegung. Abends setzt man sich hin. Dann gehen die ersten Probleme los, denn man hat dann diesen unnatürlichen Bewegungsdrang in den Beinen. Schlimm wird?s dann, wenn man ins Bett geht. Man geht sowieso schon spät ins Bett, weil man richtig Angst vor dem Bett hat, denn im Bett kann es passieren: Man möchte gerne schlafen, was jeder gerne tut nachts. Und dann hat man periodische Beinbewegungen im Schlaf. Das heißt, die Beine zucken, ohne dass Sie es beeinflussen können in periodischen Abständen. Junge Leute schlafen oft noch dabei, aber wenn man älter wird, wird alles etwas schlechter und somit auch der Schlaf. Der wird leichter, und durch diese Bewegungen wird man aufgeweckt, aufgeschreckt und man hat einen zerhackten Schlaf und am nächsten Tag eine Tagesmüdigkeit. (50??/19,30?) Sprecher: Lilo Habersack ist Vorstandsvorsitzende der Deutschen RLS Vereinigung und als solche an einer Popularisierung des Themas ?unruhige Beine? interessiert. Denn noch immer gibt es Ärzte, die dieses Symptom keinem eindeutigen Krankheitsbild zuordnen können und die Betroffenen falsch oder gar nicht behandeln. Sprecherin: Die Forscher vermuten, dass die Ursache des RLS ? wie bei der Parkinson- Krankheit ? in der Störung des Dopamin-Stoffwechsels liegt. Es gibt daher entsprechende Wirkstoffe, mit denen die Beine zur Ruhe gebracht werden können. (16) O-Ton(Habersack 3:20): Wenn der Leidendruck so hoch ist, dass Sie überhaupt nicht mehr zur Ruhe kommen ? Sie haben ja auch einen sozialen Rückzug ? Sie gehen abends nicht mehr ins Theater, nicht mehr ins Kino, weil sie einfach nicht sitzen können, dann wird?s schon schwierig, dann sollte man mit einer medikamentösen Behandlung anfangen. Es gibt die Möglichkeit und man muss dann eben auch den richtigen Arzt finden. (40??/20,45?) Sprecherin: Auch im Falle des Restless Legs Syndroms werden große Erwartungen an die Genforschung gestellt. Denn eine erbliche Veranlagung zur Ausbildung des Symptoms wurde mithilfe von Familienstudien bereits belegt. Es gibt sogar erste Anzeichen dafür, auf welchen Chromosomen die Fehlinformation sitzt. Sprecher: Wen es interessiert: Es sollen die Chromosomen 12q, 14q und 9 sein. Sprecherin: Aber welche Gene oder Genkomplexe genau verantwortlich für RLS sind und wie man sie an ihrer Entfaltung hindert ohne andere Funktionen zu beeinträchtigen, das steht noch in den Sternen der Gen-Laboratorien. Regie: Musik (17) O-Ton(Meyer 14:45): Die Narkolepsie ist eine der seltenen faszinierenden Erkrankungen, von daher, als sie eigentlich alle Facetten der Symptome von Schlafstörungen enthält. Sie enthält das Symptom vermehrte Tagesschläfrigkeit, sie enthält das Symptom einer motorischen Störung. ... Es kommt zum Beispiel zu einem Verlust der Muskelanspannung bei starken Gefühlen. Das heißt zum Beispiel ... sie können mit einem mal nicht sprechen, bis hin zum Versagen der kompletten Muskulatur, so dass sie zum Beispiel beim Lachen oder wenn sie sehr stark überrascht werden, hinstürzen. Und es kommt zu einem dritten Symptom. Wenn die Patienten etwas älter werden ? sie erkranken meistens im zweiten Lebensjahrzehnt ? dass sie dann auch Schlafstörungen entwickeln. (45??/22,15?) Sprecherin: Die Betroffenen haben sicherlich eine andere Perspektive auf die Narkolepsie als Professor Geert Meyer. Sie würden ihre Krankheit niemals als ?faszinierend? bezeichnen. Eher als beängstigend, quälend, verunsichernd. Sprecher: Narkolepsie ist eine vergleichsweise seltene, neurologische Erkrankung. In Deutschland gibt es schätzungsweise 40.000 Fälle. Der vielleicht einzige positive Aspekt dabei ist, dass die Narkolepsie weder zu Folgeerkrankungen führt, noch die Lebenserwartung der Betroffenen verkürzt. Doch das ist selten genug ein Trost: (18) O-Ton(Lichtenberg 1:30): Es steht fast immer im Vordergrund, dass die Leute sagen: Ich schlafe ein tagsüber, ich kann mich nicht wach halten, in den unmöglichsten Situationen selbst schlafe ich ein. Und das gibt natürlich etliche Probleme für die Leute. ... Sie können es vergleichen gegenüber einem Gesunden: Den müssen Sie achtundvierzig Stunden wach halten, um das vergleichen zu können mit dem Schläfrigkeitszustand, in dem wir eigentlich ohne Medikamente immer sind. Sprecherin: Christine Lichtenberg und Monika Martin haben im Februar 2007 den Selbsthilfeverein Narkolepsie Deutschland gegründet, um Betroffenen zu helfen und in der Öffentlichkeit für Verständnis für ihre Schlaf-Wach- Regulationsstörung zu werben. (19) O-Ton(Martin 2:15): Das kommt hauptsächlich daher, dass wir einfach keinen ausreichenden Schlaf in der Nacht bekommen. Das heißt, wir liegen noch nicht ganz auf dem Kopfkissen, sind wir schon eingeschlafen. Wir haben keinen Zwischenpuffer zwischen Einschlafneigung und Traum. Wir träumen meistens sehr heftig ? oft aufwachend durch einen Alptraum ? und so kommen wir überhaupt nicht in die gesundmachende Tiefschlafphase, die der Mensch braucht, um einfach ausgeruht zu sein. Sprecher: Zwar zieht die Narkolepsie, umgangssprachlich auch "Schlafkrankheit" oder "Schlummersucht" genannt, keine Folgeerkrankungen im organischen Sinne nach sich, dennoch sind die Konsequenzen für die Erkrankten oft verheerend: Sprecherin: Man kann sich gut vorstellen, wie eingeschränkt Lebensqualität und Leistungsfähigkeit in einem Dauerdämmerzustand von zwei aufeinanderfolgenden schlaflosen Nächten sein muss. Wenn man nie wirklich wach ist, sind die Probleme am Arbeitsplatz vorprogrammiert. Aber auch in familiären und sozialen Beziehungen ist der Narkoleptiker stark beeinträchtigt. Sprecher: Rückzug, Einsamkeit und Resignation sind oft die Folgen. Wiederum verstärkt durch Schlaf-Furcht und Angstzustände: (20) O-Ton(Martin 5:05): Dann gibt es auch eine sogenannte Schlaflähmung. Wenn man das zum ersten Mal hat, also wirklich lebensbedrohlich, weil man denkt, jetzt gibt man den Löffel ab. Also nun ist es passiert. Das heißt, wir sind vollkommen bewegungsunfähig, können uns nicht artikulieren. Wir können keinen Finger heben, können nichts sagen, wir liegen da, nur dass wir alles mitkriegen. ... Das löst sich nachher, aber wenn man das das erste Mal hat, also ich hab wirklich gedacht, ich hab einen Schlaganfall. ... Dann gibt es ein weiteres Symptom, das sind Halluzinationen. ... Das sind Trugbilder, Traumbilder, die wir nicht nur im Schlaf sehen, sondern auch während des Wachzustands, die sehr wirklichkeitsnah sind. Und zwar: Wir sehen, wir schmecken, wir fühlen, wir riechen ganz intensiv. Und wir schwören tausend Eide, dass genau das passiert ist. Dass also ? wie du gestern sagst ? jemand im Froschanzug mit Badelatschen durchs Hotelzimmer kommt. (21) O-Ton(Lichtenberg dito): Ja, ich hätte geschworen, der wäre da. Aber ich wusste natürlich aus der Erfahrung raus, dass das nicht stimmt. Das ist eine Halluzination. Die gibt es beim Einschlafen und beim Aufwachen. Das kann am Anfang sehr erschreckend sein. Weil manche sehen sogar auch Tote, die gar nicht da sein können. (1,15?/25,45?) (22) O-Ton(Meyer 22:20): Narkolepsie! Wenn sie eine Halluzination haben, gehen sie zuerst zum Psychiater. Haben sie eine Kataplexie ? das heißt den plötzlichen Verlust von Muskelanspannung und sie fallen auf der Straße hin ? denken die Leute., es ist eine Epilepsie, also gehen sie zum Epileptologen. Und das Typische ist, dass bei diesen Erkrankungen erstmal drei bis fünf Ärzte aufgesucht werden, bevor überhaupt die Diagnose gestellt wird. Und die Zeit zwischen dem Ausbruch der Erkrankung und der Diagnostik liegt bei bis zu acht Jahren. Und das ist für unsere sehr auf Fortschritt bedachte Medizin ist das eigentlich viel zu viel. (30??/26,15?) Regie: Musik Sprecher: Eine sehr gute Hilfe bei Schlafstörungen ist die Selbsthilfe. In Deutschland gibt es ein mittlerweile nahezu flächendeckendes Netz an Selbsthilfevereinen, die sich mit Schlafstörungen in ihren verschiedensten Ausformungen beschäftigen. Hier gibt es Gesprächsrunden mit und Schulungen für Erkrankte und deren Angehörige. Und die Selbsthilfegruppen stehen im engen Kontakt mit der Industrie. Denn nur die Betroffenen können wissen, was ihnen wirklich hilft. Sprecherin: So haben sie Schlafapnoiker beispielsweise in Absprache mit den Herstellern der CPAP-Masken eine Geräusch-Reduktion der angeschlossenen Pumpgeräte erreichen können. Sprecher: Selbsthilfegruppen sind nach außen eine Art Interessenverbände der Patienten. Nach innen können sie Aufklärung leisten und durch den Erfahrungsaustausch mit anderen Betroffenen Trost spenden. Regie: Musik Sprecher: Etwa 12 Millionen Deutsche haben Probleme mit dem Schlaf, sagt die Statistik. Dort ist auch zu lesen, dass die Menschheit in den letzten hundert Jahren zwei Stunden Schlaf verloren hat. Die Industrialisierung fordert ihren Tribut. Sprecherin: Sicherlich tickten innere und äußere Uhr in der Menschheitsgeschichte noch nie so unterschiedlich. Doch diese Asynchronität erklärt noch nicht, warum manche Menschen mit verschiedensten Symptomen der Schlaflosigkeit reagieren und andere unter denselben Bedingungen wie die sprichwörtlichen Murmeltiere schlafen können ? unabhängig von physischen Dispositionen. Die Forscher suchen derzeit unter anderem nach einem Masterplan für Schlafstörungen, einem oder mehreren Genen, die für die Sensibilität gegenüber äußeren Einflüssen verantwortlich sein könnte. Joseph Wirth ist Vorsitzender des Forums Selbsthilfe der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin. (24) O-Ton(Wirth 22:00): Überall sind wir eigentlich nur noch von Hektik getrieben. ... Also die Schlafstörungen, das wird ein großes Problem des 21. Jahrhunderts werden. ... (24:05): Es gibt gute Studien mit Studenten, lassen Sie die vier Wochen permanent wecken. Die werden depressiv, werden adynam, bekommen Muskelschmerzen ... So, das ist ein Experiment, aber dieses Experiment läuft schon draußen voll an in unserer industrialisierten Gesellschaft. Regie: Musik hoch und unterlegen. (25) O-Ton(Hansen 15:25): Ich denke, ein Grund ist auch unsere Lebenseinstellung. Bedenken Sie bitte, dass oftmals die Vorstellung vorherrscht: Wenn ich etwas erreichen will, muss ich mich nur genug anstrengen, dann kann ich das auch. Beim Schlafen funktioniert das überhaupt nicht. Das heißt, der Schlaf ist auch die letzte Bastion der Biologie in unserem Leben. Das heißt: Schlaf muss man zulassen können, und das können heute auch viele nicht mehr. 1