COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Kultur und Gesellschaft Kostenträger : P 62100 Organisationseinheit: 46 Reihe : Forschung und Gesellschaft Titel : Turing Test reloaded Wie intelligente Antwortmaschinen den alten Traum der Künstlichen Intelligenz wiederbeleben Autor : Ben Schwan Redakteur : Jana Wuttke Sendung : 28. April 2011 / 19:30 Uhr Regie : Gabriele Brennecke Sprecher Sprecherin Zitator Übersetzer Zitator Die Zukunft ist längst hier. Sie hat sich nur noch nicht gleichmäßig verteilt. William Gibson. Musik UNKLE - Trouble in Paradise (Variation on a Theme) (Sounder Outtake) 01 OTON Watson (Ausschnitt Jeopardy) "Literary charcter APB for 400. - His victims include Charity Burbage, Mad Eye Moody and Serverus Snape. He'd be easier to catch if you'd just name him... ...With that, you add to your lead, you're at 5200 Dollars, Brad is next with a 1000, Ken on the board with 200 and we are going to take this break." (Musik) Sprecherin Das ist Watson - ein Supercomputer, der in den USA kürzlich in der TV-Quizshow Jeopardy auftrat. Er gewann in mehreren Runden haushoch gegen zwei menschliche Champions. David Ferrucci, Forscher bei IBM, könnte man Watsons Vater nennen. Er arbeitete mehrere Jahre lang mit einem Team aus Dutzenden Wissenschaftlern an der Soft- und Hardware. 02 OTON Ferrucci "That's right, it learned, but it wasn't just about aquiring content. Because even if you had the Internet and you just put the keywords into the Internet you know, maybe half a the time a document would come up that contained the answer... Übersetzer Das System lernte. Es ging dabei aber nicht darum, einfach nur ins Internet zu gehen und sich dort über eine Suchmaschine Inhalte zu besorgen, die zu den Fragen passen. Da würde dann vielleicht in der Hälfte der Zeit ein Dokument herauskommen, das eine Antwort enthält. Aber was ist überhaupt die Antwort? Was in dem Dokument ist die Antwort? Das bedingt ein gewisses Maß an Text- und Leseverständnis. Und selbst wenn ich weiß, dass die Antwort in einem Dokument steckt, wie bekomme ich heraus, dass sie stimmt? Bei "Jeopardy" kann man nicht einfach sagen, schauen wir mal, hier ist etwas, das kam ganz oben in der Ergebnisliste vor. Jedes Mal, wenn man den Antwortknopf bei einer Frage drückt, muss man wissen, dass man richtig liegt. Ansonsten verliert man Geld. Jedes Mal, wenn man antwortet, geht man ein Risiko ein. ...You have to have confidence that you get it right because if you get it wrong you lose the Dollar value associated with the clue. So everytime you answer you are taking a risk." Musik: Peshay - The Real Thing (90 BMP Version) Sprecherin IBMs "Watson" greift auf eine Datenbank zurück, die das Äquivalent einer Million Bücher enthält. Über 2000 Rechenkerne können auf vier Terabyte Informationen aus Lexika, Nachrichtendatenbanken und dem Internet zugreifen und daraus dann mit erstaunlicher Genauigkeit ermitteln, welche Antwort bei "Jeopardy" die Richtige ist. Aber ist das schon eine Computerintelligenz? Auch das Online-Lexikon Wikipedia - selbst ein Ausdruck sogenannter kollektiver Intelligenz - findet keine eindeutige Definition: Zitator Intelligenz - von lateinsch intellegere "verstehen", wörtlich "wählen zwischen" - ist in der Psychologie ein Sammelbegriff für die kognitive Leistungsfähigkeit des Menschen. Es gibt keine von allen Psychologen geteilte, eindeutige Definition von Intelligenz. Stattdessen existieren verschiedene Intelligenzmodelle. 03 O-TON Haynes Es wird so viele Definitionen von Intelligenz geben, wie es Intelligenzforscher gibt. Aus meiner Sicht sind drei Faktoren ganz wichtig: Zum einen, das ein Organismus die Umwelt repräsentieren muss, es muss also irgendeine Art von Art und Weise haben zu speichern, wie die Außenwelt beschaffen ist; es muss die Fähigkeit haben, sich flexibel an Umwelten und Umweltveränderungen anzupassen und es muss die Fähigkeit haben, seinen Zielen entsprechend seine Handlungen zu gestalten. Sprecher John-Dylan Haynes ist Professor für Theorie und Analyse weiträumiger Hirnsignale am Bernstein Center for Computational Neuroscience in Berlin. 04 O-TON Haynes Wir müssen Intelligenz auf jeden Fall in verschiedene Teilkomponenten aufspalten. Also das war in der frühen Intelligenzforschung immer eine Diskussion. Es gab Forscher auf der einen Seite, die davon ausgegangen sind, dass Intelligenz ein globaler Faktor ist. Etwas, was Menschen entweder haben oder nicht und je nachdem, wie viel sie davon haben, um so besser können sie viele Probleme lösen. Es stellte sich dann später heraus, das man über Intelligenz in Form von einer Intelligenzstruktur nachdenken muss. Man ist vielleicht gut bei sprachlichen Aufgaben oder schlecht bei Matheaufgaben oder umgekehrt. Ende Musik Peshay Zitator Bei dem Versuch, intelligente Maschinen zu bauen, sollten wir nicht respektlos einfach die Macht Gottes an uns reißen, Seelen zu erschaffen. Wir sollten es eher wie bei der Zeugung von Kindern tun. Wir sind in beiden Fällen Werkzeuge seines Willens. Wir stellen nur Häuser bereit für die Seelen, die er erschaffen hat. Alan Turing Musik PFM - Love & Happiness Sprecherin Die moderne Vorstellung der Künstlichen Intelligenz geht auf den Mathematiker, Logiker und Kryptologen Alan Turing zurück. Er entwickelte sie zu einer Zeit, als Rechner noch aus zahllosen mechanischen Bauteilen und Röhren bestanden und Menschen dabei halfen, mathematische Formeln zu lösen, für die heute ein Taschenrechner ausreichen würde. Sprecher Alan Turing ist der Vater des sogenannten Turing-Tests. Die Idee: Eine Maschine soll einem Menschen gegenüber Intelligenz demonstrieren. Ein "harter" Turing-Test bedeutet, dass die Maschine einen intelligenten audiovisuellen Eindruck macht, für die etwas abgemilderte Variante reicht eine Form des Textverständnisses. Der Mensch tippt Fragen ein, die Maschine antwortet. Fachleute bezeichnen ein solches System als einen Chatterbot. Wirklich bestanden hat den Turing-Test noch kein Gerät. Musik PFM Sprecherin Der Loebner-Preis ist ein von dem amerikanischen Soziologen und Privatier ausgeschriebener Wettbewerb, bei dem es um das Bestehen des realen Turing- Tests geht. 100.000 Dollar soll der Sieger erhalten. Gewonnen hat bislang noch niemand. Die sogenannte Bronzemedaille wird jedoch seit 1991 an Programme vergeben, die menschliche Kommunikation täuschend echt simulieren können. Musik PFM Sprecher 2003 gewann mit Jürgen Pirner der erste Deutsche die Bronzemedaille beim Loebner-Preis. Sein Chatterbot ist ursprünglich ein Charakter aus einem Abenteuerspiel. 05 OTON Pirner Das war damals eine ziemlich große Überraschung, weil der Wettbewerb quasi ein Geburtstagsgeschenk war und ich dann abends angerufen wurde und mir mitgeteilt wurde, dass unser Jabberwock tatsächlich dort den Preis gewonnen hat. Damit haben wir in keinster Weise gerechnet gehabt, denn eigentlich war das ganze ja nur ein Experiment, um zu zeigen, das man weder ein Wissenschaftler sein muss noch programmieren können muss, um sowas wie einen sogenannten Chatterbot erzeugen zu können. Ausschnitt Chatterbot (unter dem Sprechertext stehen lassen) Sprecherin Jabberwock - so heißt das von Pirner entwickelte Programm -, besteht im Grunde genommen aus einem Computer mit einer Datenbank, einigen Algorithmen und viel Schweiß. Jabberwock arbeitet mit einem sogenannten Patternmatching, bei dem Ausgaben auf Eingaben passen müssen. Erwähnt der Mensch beispielsweise, das er sich für Blumen interessiert, beginnt Jabberwock, dieses Thema anzuschneiden. Schreibt der Mensch, dass er sich einsam fühlt, fragt das Programm, warum das so sei. So ergibt sich eine Illusion eines intelligenten Gegenübers, mit dem erstaunlich tiefgehende Gespräche möglich sind. 06 OTON Pirner Es gibt in diesen sogenannte Chatrobotern keinerlei Intelligenz. Es ist einfach nur ein Programm, was in getippter Form Texte verstehen kann und ebenfalls in getippter Form auch wieder Text zurück gibt. Daraus ergibt sich dann ein Gespräch im weitesten Sinne. Sprecherin Als ein Erbe AlanTurings sieht sich Pirner nicht. Er hält Jabberwock eher für ein gelungenes Experiment. 07 OTON Pirner Turing ist eigentlich eine ganz andere Geschichte. Er hat damals in seinem Konzept- Paper auch Forderungen gestellt oder behauptet, eine Maschine sei intelligent, wenn sie Schachfragen lösen könnte oder Wissensfragen, welchen Durchmesser hat die Erde oder andere Logikfragen. Das kann heute quasi problemlos von Maschinen gelöst werden und Alan Turing hat sich auch in keinster Weise vorstellen können, was wir heutzutage mit unseren Computern alles tun können. Internet gab es in dieser Form nicht, Online-Games gab es in dieser Form nicht. Vor dem Hintergrund lässt sich das ganz schlecht vergleichen. Musik PFM Sprecher Das sogenannte Patternmatching ist eine der Methoden, mit denen Watson, der Supercomputer, seine Quizaufgaben so erfolgreich erledigte - nur auf deutlich höherem Niveau. 08 OTON Ferrucci Watson goes out and tries to read content that is relevant to the domain. Based on reading that it tests itself... Übersetzer Watson versucht, Inhalte zu lesen, die relevant zum Problembereich sind. Darauf basierend testet er sich selbst. "Wenn ich das jetzt lese, hilft mir das, mehr "Jeopardy"-Fragen richtig zu beantworten?" Wenn das so ist, wird die Information als relevant klassifiziert und nach ähnlichen Dingen gesucht, dem gleichen Thema oder verwandten Themen, die Watson geholfen haben, die Aufgabe zu erfüllen. Auch Menschen können Themen unterbewusst auf wichtige Daten reduzieren, in dem sie viele Seiten eines Problems betrachten. Sie lernen aus früheren Versuchen, wissen, wie Themen klassifiziert sind und miteinander zusammenhängen. Watson macht das ganz genauso und sucht danach, welche Antwort besser als eine andere ist. Am Ende arbeitet Watson aber nur mit Symbolen. Menschen können diese Symbole durch kognitive Erfahrungen erfassen. Der Computer ist aber kein Mensch. Er hat keine menschlichen Erfahrungen, keine menschliche Kognition. Er kann sich keine Worte und Sätze nehmen und sie verbinden mit seiner persönlichen Welterfahrung. Computer haben also einen klaren Nachteil gegenüber dem Menschen. Die menschliche Sprache ist schließlich vom Menschen gemacht, damit Menschen über sie kommunizieren können. Computer können sich nur Worte und Sätze ansehen und Statistiken erstellen, wie sie verwendet werden. Sie können sie nicht mit der menschlichen Erfahrung verknüpfen. ...Computers just have words and phrases and really can just compute statistics over their usage. Not really connect them to human experience." Musik The Prunes - Cantona Style Sprecher In immer mehr Bereichen kommen Methoden der Künstlichen Intelligenz zum Einsatz. Datenbanken vergrößern sich, das Durchforsten großer Datenmengen wird einfacher. Für Frank Rieger, Sicherheitsexperte, Aktivist beim Chaos Computer Club und Autor des neuen Buches "Die Datenfresser", ist Googles Übersetzungsmaschine "Translate" ein gutes Beispiel für die Popularität der Künstlichen Intelligenz. Mit ihr kann man mittlerweile fast jede Sprache in verständliche Worte umwandeln. 09 OTON Rieger Google Translate funktioniert deshalb so gut, weil Google Dokumente identifiziert hat, in großen Mengen, die sowieso von Menschen übersetzt werden. Die haben als Ausgangspunkt zum Beispiel die Dokumentenpools der Europäischen Kommission genommen, die ja irgendwie in alle Sprachen der anderen Mitgliedsländer übersetzt werden und das sind ja öffentlich zugängliche Dokumente. Und haben die halt als automatische Templates für die Verbesserung ihrer Algorithmen benutzt. Diese Funktionalität, dass man vorhandene Daten benutzt, um solche Machine Learning- Algorithmen zu verbessern, die zeigt sich an allen Ecken und Enden. Wir haben es bei Amazon, da ist es ein klar fassliches Beispiel, es geht aber auch weiter beim Kreditscoring, also was man an Kreditbewertungen hat, liegt mittlerweile sehr stark daran, in welcher Nachbarschaft man lebt und wie die Zahlungsmoral da so ist, es geht weiter über Kreditkarten, bei denen systematisch das Kaufverhalten analysiert wird. Zum einen natürlich, um noch bessere Marketingangebote zu machen, zum anderen, um Betrug zu minimieren. Wir haben also eine Menge Felder, in denen wir keine Durchbruchsprünge sehen, sondern graduelle Verbesserungen, die auch einfach schleichend passieren, also wir uns ganz einfach dran gewöhnen und sehen - ja, vor drei Jahren war Google Translate noch, naja, so mäßig benutzbar und mittlerweile kann man halt Tageszeitungen damit lesen. Sprecherin In der Künstlichen Intelligenz spielen die verfügbaren Datenmengen eine immer größere Rolle. Endlich ist es möglich, genügend Informationen ebenso vorzuhalten wie zu verarbeiten. Rechenpower allein stellt längst kein großes Problem mehr dar. 10 OTON Rieger Der Hintergrund ist ja, dass wir immer mehr digitale Lebensäußerungen von uns geben, die analysiert werden können und wir mittlerweile genügend Rechenpower haben. Wenn man sich anguckt, die großen Rechenzentren, auf denen Amazon zum Beispiel läuft, die basieren auf vielen zehntausenden einzelnen Servern, die kombiniert werden und auf denen die Aufgaben dann verteilt werden. Das heißt, wir haben einen Zusammenfluss von mehreren technologischen Durchbrüchen. Zum einen Parallelcomputing, verteilt auf viele billige Server, zum anderen Datenbankmodelle, also auch algorithmische Modelle, mit denen man in der Lage ist, diese Daten auch sinnvoll einzuordnen und dann haben wir natürlich die dritte Neuerung, nämlich dass es genügend Daten gibt, auf denen man diese Algorithmen laufen lassen kann. Früher waren diese ganzen KI-Algorithmen so ein bisschen: "Ja, könnte theoretisch funktionieren, aber wir können es nie richtig validieren, weil wir nicht die Daten dafür haben." Mittlerweile gibt es eben genügend Daten, um diese Algorithmen auch immer besser werden zu lassen Musik The Prunes Sprecher Internet-Startups nutzen die Möglichkeiten der sogenannten semantischen Suche, um natürliche Sprache besser einzuordnen. Die Münchner Firma TrustYou hilft beispielsweise Hotelbetreibern, aus den zahllosen Kommentaren, die Nutzer im Netz hinterlassen, sinnvolle Rückschlüsse zu ziehen, erklärt Geschäftsführer Benjamin Jost. 11 OTON Jost Die Problematik ist ja, wie kriege ich einen Computer dazu, Sprache zu verstehen. Es gibt verschiedene Ansätze dazu, es gibt statistische Ansätze, indem ich einfach den Computer mit ganz viel Text füttere, erkennt er statistisch, welches Wort zu welchem Wort dahinter gehört und eventuell auch noch eine Stimmung dazu, weil ich zum Beispiel Noten habe. Bei der Bewertungsthematik haben wir ja Noten - Leute geben eine Note ab und schreiben dann Text. Was ich heute schon statistisch ansatzweise machen kann, ist, wenn jemand eine schlechte Note abgibt, dass die Begriffe, die dann vorkommen, auch tendenziell schlecht sind. So kann ich ein Sentiment, also eine Stimmung zuweisen. Da gibt es andere Ansätze. Was wir bei TrustYou auch machen, den Ansatz der lokalen Grammatiken, das heißt, wir kodieren, grammatikalische Regeln für eine Sprache und schauen uns dann an, mit welchen Regeln dürfen welche Wörter vorkommen und erkennen genau dann diese Wörter, die für uns relevant sind. Es gibt verschiedene Algorithmen - wir kombinieren das auch natürlich mit Statistik - wie man versucht, Sprache zu digitalisieren de facto und zu erkennen. Und das ist eben auch der Unterschied zur "Keyword Search". "Keyword" ist ja genau derselbe Text, den suche ich irgendwo. Wenn ich "familienfreundlich" eingebe, finde ich nur "familienfreundlich", finde aber nicht den Begriff "Service für die Kinder war gut". Das heißt, ich kann nicht diesen Link zwischen diesen zwei Themen herstellen und ich habe eine gewisse Aussage über die Stimmung, was es ausdrückt. Diese zwei Dinge, Stimmung und Begrifflichkeit und die Zusammenhänge, das macht eben den Algorithmus de facto zum Schluss aus. Musik PFM Sprecher Der erste Versuch, menschliche Kommunikation perfekt zu simulieren, stammt von dem amerikanisch-deutschen Informatiker Joseph Weizenbaum, der 1966 das Programm ELIZA veröffentlicht - die Urform aller Chatterbots. 12 OTON Pirner Eliza von Weizenbaum war sicherlich damals der erste, der diese Technik benutzt hat, wobei die Philosophie dahinter eine ganz andere ist. Aber ja, die Technik, die grundsätzlich dahinter liegt, hat sich seither nicht großartig geändert. Man nennt diese Technik auf Englisch Patternmatcher, also Mustererkenner. Und es geht einfach darum, in dem, was gesprochen wird, bestimmte Schlüsselworte zu finden und darauf dann adäquat zu reagieren. Sprecherin Joseph Weizenbaum distanzierte sich später von seiner Erfindung. Er wurde mehr und mehr zu einem Technologiekritiker - auch aufgrund seiner Erfahrungen in der Rüstungsforschung der USA. 13 OTON Weizenbaum Ja und dann... dann... das ist ein sehr wichtiger Teil, wir sprechen ja von Informatik und so weiter... die - ich kann es nur auf Englisch sagen, ich kenne kein deutsches Wort das genau diese Stärke hat - the insane Euphorie der Künstlichen Intelligenzier, wir sind dabei, einen künstlichen Menschen herzustellen. Und das ist bis heute so. Es gibt nichts, was wir nicht tun können. Der Mensch ist eine Maschine und wir sind jetzt zum ersten Mal in der Lage, einen künstlichen Menschen herzustellen und so weiter. Und wie ernst daran gearbeitet wird und wie idiotisch und wie naiv manche dieser Ideen sind, die Dogma sind in dieser Schicht meiner Kollegen. Nicht nur die Computer Scientists, sondern auch viele andere der Naturwissenschaftler Musik PFM Sprecherin Angesichts der heutigen Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz, relativieren sich jedoch Weizenbaums Warnungen. Zumal die Einsatzgebiete auf den ersten Blick viel weniger radikal wirken als der künstliche Mensch aus dem Computer. Der Science- Fiction-Autor Philip K. Dick hat sich ein Leben lang mit der Frage beschäftigt, wo seelenlose Technik aufhört und die menschliche Natur beginnt. Für ihn bleibt es letztendlich eine Frage der sprachlichen Definition. Zitator Worte, dachte er. Das zentrale Problem der Philosophie. Das Verhältnis des Wortes zum Gegenstand. Was ist ein Wort? Ein willkürliches Zeichen. Aber wir leben in Wörtern. Unsere ganze Wirklichkeit befindet sich zwischen Wörtern, nicht Dingen. Etwas wie ein Ding gibt es sowieso nicht. Alles ist nur eine Denkfigur in unserem Verstand. Die Dinghaftigkeit ist das Gefühl von Substanz. Eine Illusion. Das Wort ist wirklicher als der Gegenstand, den es darstellt. Das Wort stellt die Wirklichkeit nicht dar. Das Wort ist die Wirklichkeit. Musik Nicolette - Beautiful Day (Sounder Outtake) Sprecher Für IBM-Forscher Ferrucci ergeben sich heute zwei Hauptstränge der Künstlichen Intelligenz: Der eine beschäftigt sich mit Methoden, die dem Menschen helfen, sich in gigantischen Datenmengen zurecht zu finden - der andere versucht nach wie vor, das menschliche Gehirn nachzubauen. 14 OTON Ferrucci There are different schools of thought on that. I think that there are people, there are research efforts at really modeling the human brain... Übersetzer Es gibt da verschiedene Denkschulen. Die einen Wissenschaftler bemühen sich darum, ein Modell des menschlichen Gehirns zu entwickeln, als ein Netzwerk aus Nervenzellen. Dieses Netzwerk versuchen sie dann zu trainieren. Das ist ein Ansatz hin zur Künstlichen Intelligenz, die sehr eng an die Biologie angeknüpft ist. Watson kommt jedoch aus einer anderen Denkschule. Bei Watson ging es darum, aktuelle Computerarchitektur und aktuelle Algorithmen zu nehmen und zu sehen, wie diese Aufgaben erledigen können, die wir für sinnvoll erachten und die beim Menschen Intelligenz voraussetzen. Dabei haben wir uns vor allem auf die semantische Analyse konzentriert. Wie trainiert man ein System basierend auf Daten, bei denen Menschen sagen würden: Das ist die richtige Antwort auf diese Frage, diese Informationen finde ich unter diesen Voraussetzungen relevant. Solche Entscheidungen sind da zu treffen. Dann haben wir den Computer so programmiert, das nachzuahmen und Informationen zu erfassen. Praktisch entspricht das zwar nicht unbedingt der Art, wie der Mensch vorgehen würde, doch es geht um die gleichen Informationen. Das System soll dann so antworten, wie es auch ein Mensch tun würde. Traditionell geht es dabei um maschinelles Lernen, um semantische Analyse, Datenrepräsentierung und automatische Entscheidungsfindung. Dafür haben wir den Rechner programmiert. Aus dieser Denkschule kommt Watson. Wir selbst haben uns dabei nicht gesagt, wir schaffen da eine menschliche Intelligenz. Stattdessen schufen wir eine Computerintelligenz, die Menschen helfen soll, Informationen besser zu verarbeiten. Denken wie ein Mensch sollte Watson aber nicht unbedingt können. ...I think, when we look at that, we don't think in terms of we're creating a human intelligence. Rather we are creating a computer intelligence, that is designed to help humans, process information more effectively. Not to necessary think like them." Musik Peshay Sprecherin Die Idee, das Gehirn eines Menschen in Form von Computerhardware nachzubauen, wird jedoch weiter verfolgt, auch wenn sie nicht mehr so im Trend liegt wie in den Jahren nach Alan Turing. Hirnforscher John-Dylan Haynes glaubt durchaus, dass es dafür realistische Chancen gibt - wenn auch mit ungewissem Ausgang. 15 OTON Haynes Sie können natürlich das Gehirn statistisch nachbilden. Sie können einfach sagen, ich habe eine bestimmte Anzahl von Nervenzellen, ich habe eine bestimmte Anzahl von Verbindungen und die schalte ich jetzt einfach mal alle zusammen. Damit haben sie aber nicht das Gehirn nachgebaut, sondern etwas, was die statistischen Eigenschaften des Gehirns nachbaut. Das heißt also, die spezifische Verdrahtung spielt eine ganz wichtige Rolle bei der Lösung von Problemen. Das ist ungefähr so als wenn sie ein Transistorradio nehmen und die ganzen Transistoren auf den Tisch kippen und dann einfach mal neu wieder zusammenlöten, dann werden sie kein Radio bekommen. Und so ist es beim Gehirn natürlich auch. Sprecherin Das Hauptproblem liegt darin, dass man in die innersten Abläufe des Gehirns nicht nachvollziehen kann. Bildgebende Verfahren wie die Kernspintomografie sind in ihrer Auflösung eingeschränkt und können nicht die Ebene einzelner Nerven abbilden. Zudem ist nicht klar, bis zu welchem Niveau ein Gehirn im Computer nachgebildet werden müsste. Reichen Nervenzellen? Müssen Botenstoffe abgedeckt werden? Was ist mit der molekularen Ebene? Musik Peshay 16 OTON Haynes Die spezifische Verdrahtung ist das, was darüber entscheidet, ob eine Aufgabe gelöst werden kann oder nicht. Und wenn ich jetzt einen Cortex nachbauen möchte, simulieren möchte, wenn ich das in einem Siliziumchip nachbauen möchte, dann muss ich natürlich, wenn ich neuronale Netze nehme nicht nur einfach die Nervenzellen nehmen und die Verschaltung dieser Nervenzellen auch kopieren, die Architektur der Verschaltung. Und die kennt man heute noch gar nicht. Man kann es also praktisch noch gar nicht eins zu eins aus dem Gehirn kopieren. Sprecherin Doch die Idee, dass der Mensch nichts anderes ist als eine gut funktionierende Maschine, beschäftigt die Hirnforschung durchaus. Haynes warnt allerdings vor Selbstüberschätzung. Einfachste Dinge, die für eine Menschen kein Problem darstellen, fallen einem Computer schwer. Imitation allein, da ist sich der Forscher sicher, reicht nicht. 17 OTON Haynes Aus meiner Sicht gibt es keinen Grund, weshalb ein Computer prinzipiell nicht dazu in der Lage sein sollte, etwas wie intelligentes Verhalten an den Tag zu legen, Die Frage ist, dass wir erstmal klarer die ganzen kognitiven Fertigkeiten und Prozeduren verstehen müssen, mit denen Menschen ihr intelligentes Verhalten realisieren. Es hat sich in der Vergangenheit herausgestellt, das Dinge viel komplizierter sind, als man immer gedacht hat und das man viele Jahre damit zugebracht hat, selbst einfache Funktionen zu verstehen. Musik Air - Modular Mix (By Solid) (Sounder) Sprecherin IBM-Forscher und "Watson"-Vater David Ferrucci ist sich sicher, dass neben den semantischen Systemen wie "Watson" die Forschung an menschenähnlichen, maschinellen Systemen weitergeht. Welcher Ansatz sich später einmal durchsetzt, ist noch nicht abzusehen. 18 OTON Ferrucci I think there are a few directions there. I think the research and modelling the human brain will continue and I think we'll learn very interesting things... Übersetzer Ich sehe da momentan verschiedene Richtungen. Die Forschung und die Modellierung des menschlichen Gehirns wird weitergehen und daraus werden wir einige sehr interessante Dinge lernen. In den nächsten zehn Jahren mag das noch nicht für echte Anwendungen ausreichen, doch es könnte uns zumindest dabei helfen, zu verstehen, wie das Gehirn funktioniert. Das betrifft dann die Psychologie genauso wie die Kognitionswissenschaft. Ich erwarte mir davon sehr interessante Ergebnisse. Ich denke auch, dass die Evolution der Robotik weitergehen wird. Maschinen, die besser mit komplexen Bewegungen umgehen können und besser mit ihrer Umwelt interagieren. Das ist eine weitere Dimension. Computer und Maschinen werden eine menschenähnlichere Gestalt annehmen. Egal was da für eine Intelligenz dahintersteckt - Menschen finden das faszinierend. Dinge, die menschlicher aussehen und menschlicher agieren. Dieser Trend wird weitergehen, also Technik, die den Menschen nachahmt. ...I can see these different paths, some of that anthropomorphism tying together with the Watson technology to create applications Musik Nicolette läuft aus 1