DEUTSCHLANDFUNK -Köln im DeutschlandRadio Redaktion: Hintergrund Kultur / Hörspiel Redaktion: Ulrike Bajohr / Karin Beindorff Dossier ?Männer und Frauen sind gleichberechtigt.? Der Kampf um die Gleichheit der Geschlechter vor 60 Jahren. Von Gudula Geuther Regie: Karin Beindorff SprecherInnen: Ursula Illert, Claudia Mischke, Hendrick Stickan URHEBERRECHTLICHER HINWEIS Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. ? DeutschlandRadio Sendung: Freitag, d. 15. Mai 2009, 19.15 - 20.00 Uhr Musik: Lore Lorentz: Wir sind die Kämpfer fürs Frauenrecht?. O-Ton Elisabeth Selbert, 37? Wissen überhaupt die meisten Frauen, wie rechtlos sie sind? Wissen sie, dass sie beispielsweise bei einem Rechtsgeschäft, das über die Schlüsselgewalt hinausgeht, die Genehmigung des Mannes in jedem Fall brauchen, genau wie ein Minderjähriger? O-Ton Bundesjustizminister Neumayer, ?? Können sich die Ehegatten nicht einigen, so muss im Interesse der Familie die Entscheidung der einzelnen Angelegenheit d e m Ehegatten übertragen werden, der nach der natürlichen Ordnung von Ehe und Familie, wie sie das Leben selbst entwickelt hat, diese Entscheidung treffen muss. Das ist der Mann. Ansage ?Männer und Frauen sind gleichberechtigt.? Der Kampf um die Gleichheit der Geschlechter vor 60 Jahren. Ein Feature von Gudula Geuther. O-Ton Reportage 1948: Überall wird hier in Bonn fieberhaft gearbeitet. Man rüstet für den Arbeitsbeginn der Abgeordneten, die mit rund 100 Bürokräften und zwölf Büros drei Monate lang in den Mauern der Stadt ein ungewöhnlich geschäftiges parlamentarisch-politisches Leben entfalten werden. Die erlauchte Versammlung wird hier ? umrahmt von indischen Elefanten und allen möglichen Skeletten aus der ganzen Welt ihre Versammlungen abhalten können. Autorin: September 1948. In der Pädagogischen Akademie und im Naturkundlichen Museum König in Bonn nahm der Parlamentarische Rat seine Arbeit auf. 61 Männer und nur 4 Frauen bildeten den Rat. Aus den geplanten drei Monaten wurden neun. Aber wenn auch im September noch nicht klar war, wie sehr man ringen würde, so doch, worum. Nämlich vor dem Hintergrund der drohenden deutschen Teilung um die Frage: komplette Verfassung oder Provisorium. Vor allem aber ging es um den Föderalismus, um die Frage, ob ein Bundesrat oder Senatsmodell eingeführt werden sollte. Auch die sozialdemokratische Juristin Elisabeth Selbert hatte konkrete Anliegen ? zuerst ganz andere als die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Vor 27 Jahren erinnerte sie sich in einer Fernseh-Dokumentation, da war sie bereits 85 Jahre alt: O-Ton Selbert 1981, 26? Ich selbst, persönlich, sah auch meine Aufgabe in erster Linie darin, nachdem ich den Niedergang des Rechts im ?Dritten Reich? erlebt hatte, in dem jeweiligen Ausschuss dafür zu arbeiten, dass Rechtsgarantien geschaffen wurden für den neuen Staat, also in Form der Grundrechte, in Form des Aufbaus der Rechtspflege als unabhängiges Organ. Autorin: Dass sie Juristin und Politikerin werden würde, war ihr nicht unbedingt in die Wiege gelegt. In der ausgehenden Kaiserzeit, zu Beginn der Weimarer Republik studierten Frauen aus einem eher kleinbürgerlichen Milieu fast nie. Elisabeth Selbert war die Tochter eines Beamten im Justizvollzug: absolvierte die Handelsschule in der wilhelminischen Residenzstadt Kassel, arbeitete als Fremdsprachenkorrespondentin. Abends stickte und nähte sie für ihre Aussteuer. Im Telegraphendienst bei der Post lernte sie Adam Selbert kennen und lieben, einen sozialdemokratischen Kommunalpolitiker. O-Ton Selbert 1981 30? Für mich war das alles sehr eindrucksvoll, und zwar unter der Führung meines Mannes, denn ich erlebte zum ersten Mal Politik. Vorher durften ja die Frauen nicht wählen und auch nicht gewählt werden. Sie durften auch nicht an politischen Versammlungen teilnehmen. Die Zahl der Frauen in der Weimarer Nationalversammlung und auch im Weimarer Reichstag war weit höher als heute im Bundestag. Autorin: Zwei Kinder, das Telegraphenamt, Engagement in der Kommunalpolitik in Nierzwehren bei Kassel füllten ihren Alltag und trotzdem beschloss sie, noch zu studieren. O-Ton Selbert 1981 35? Ich merkte sehr bald, dass man politisch nur effizient tätig sein kann, wenn man die nötigen fachlichen Voraussetzungen mitbringt, eine Erkenntnis, die sich mir später immer mehr eingeprägt hat. Und das entsprach auch den Vorstellungen meines Mannes. So kam dann der gemeinsame Wunsch und die gemeinsame Entscheidung, dass ich noch mein Abitur als Externe nachholte und dann mit dem Studium alsbald anfing. Autorin: Bei gemeinsamen Auftritten mit Philipp Scheidemann, einem Freund ihres Mannes, teilten sie die Aufgaben ? sie sprach zu den Frauen. Ihre Doktorarbeit schrieb sie ? sieben Semester nach Studienbeginn ? über das Familienrecht. Sie forderte darin, dass bei Scheidungen danach gefragt werden sollte, ob eine Ehe zerrüttet ist, nicht nach der Schuld. 1933 nahm die Gestapo den Sozialdemokraten Adam Selbert in Haft, aus der er nach vier Monaten als gebrochener Mann zurückkehrte. Elisabeth Selbert bekam ein Jahr später die Zulassung als Anwältin ? buchstäblich in letzter Minute. Denn nur einen Tag später trat ein Gesetz in Kraft, dass Frauen den Eintritt in den Anwalts-Beruf verwehrte, weil dies nach Nazi-Ideologie den ?Einbruch in den altgeheiligten Grundsatz der Männlichkeit des Staates? bedeute. Zwei Richter hatten die Abwesenheit ihres Chefs genutzt, um der Sozialdemokratin, die den Nazis wohlbekannt und verhasst war, den Eintritt in den Beruf noch zu ermöglichen. Adam Selbert hatte bereits Berufsverbot, seine Frau ernährte nun die Familie. Sie arbeitete in einer Kanzlei, deren jüdische Eigentümer im Rahmen der sogenannten Arisierung enteignet worden waren. O-Ton Bommarius 31? Dem einzelnen ist da wirklich nur mit großen Vorbehalten ein Vorwurf zu machen. Autorin: Christian Bommarius, Jurist und Publizist O-Ton Bommarius 31? weiter Denn wie hätte sie sich damals verhalten sollen? Sie hatte in der Nazi-Zeit die höchste Not. Ein Spruch begleitete sie bis fünfundvierzig, nämlich ein Spruch Freislers, der aus aus Kassel kam, auch Anwalt dort war, nämlich er werde sie liquidieren lassen. Also: Sie war eine Widerständlerin. Aber auch sie hat ? wenn man so will ? dem totalitären Zugriff dieses Systems sich nicht entziehen können. Autorin: In der Sprechstunde saßen der jungen Anwältin häufig Mandantinnen gegenüber: O-Ton Selbert Ansprache 53? ?die in ihrer Ehe aus irgendwelchen Gründen Schiffbruch erlitten hatten, sei es, dass der Mann der alternden Frau eine jüngere vorzog, oder weil man sich im Wandel der Zeiten entfremdet oder in Kriegsjahren auseinandergelebt hatte. Wie groß war immer das Erschrecken dieser Frauen, die vielleicht ein ganzes Leben lang hinter dem Ladentisch gestanden, als sogenannte Seele des Geschäftes oder des landwirtschaftlichen Anwesens oder der Familie den Wohlstand mit erarbeitet, in Kriegsjahren allein erarbeitet hatte, wenn sie dann hörten, dass sie bei der Scheidung mit leeren Händen aus dem Hause gingen. Autorin: Und das nicht nur nach nationalsozialistischem Recht. Es war das bürgerliche Recht der Jahrhundertwende, das Recht, das auch nach dem 2. Weltkrieg noch galt, auch noch nach der Entscheidung im parlamentarischen Rat am 18.1. 1949, als sich die Anwältin an die Rundfunkhörerinnen und ?hörer wandte: O-Ton Selbert Ansprache 18? weil sie nach dem bürgerlichen Gesetzbuche verpflichtet waren, im Geschäft oder im Betrieb des Mannes mitzuarbeiten, ohne allerdings an dem Gewinn oder dem Vermögen, das sie mit erarbeitet hatten, beteiligt zu sein. Autorin: Nach dem Krieg arbeitete Elisabeth Selbert als Vertreterin der SPD an der hessischen Verfassung mit. Ihre Interessensschwerpunkte lagen auch hier zunächst nicht bei den Frauenrechten. Der Rechtsstaat, die Eigentumsordnung, die Möglichkeiten der Verstaatlichung schienen ihr dringender. Und auch erst auf Umwegen kam Elisabeth Selbert nach Bonn: ?Ihre? hessischen Sozialdemokraten hatten sie für den Rat nicht vorgesehen, erst durch die Unterstützung von Frauen kam sie dann auf die Liste Niedersachsens. Die Gleichberechtigung der Geschlechter stand zwar für sie auf der Agenda ? noch im September 1948 hielt sie einen Vortrag dazu ? aber das galt nicht unbedingt für den parlamentarischen Rat. Dieses Gremium sollte in Bonn das Grundgesetz erarbeiten , nach Vorgaben der Alliierten und nach ersten Leitlinien, die im August 48 der Verfassungskonvent von Herrenchiemsee vorgeschlagen hatte, eine Gruppe von durch die Ministerpräsidenten bestimmten Beamten. Als sie sich entscheiden musste, in welchen Ausschüssen sie arbeiten würde, entschied sie sich für die Rechtspflege ? und gegen den Ausschuss für Grundsatzfragen, in dem unter anderem die Grundrechte behandelt wurden. O-Ton Selbert 1981 Ich horchte auf, als der Grundrechtsausschuss hinsichtlich der Rechtsstellung von Mann und Frau die Formulierung aus der Weimarer Verfassung brachte. Die damalige Fassung war doch die: Männer und Frauen haben grundsätzlich die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten. Autorin: Was auf den ersten Blick wie eine mögliche Formulierung unter anderen scheinen mochte, erwies sich als problematisch: durch zwei Wörter, die tatsächlich gravierende Einschränkungen bedeuten: Grundsätzlich, heißt für Juristen: im Allgemeinen, wenn nichts dagegen spricht. Und staatsbürgerlich, das meint vor allem: Wählen und gewählt werden. O-Ton Selbert 1981 40? Das war mir zu wenig. Denn ich hatte ja nun als Juristin die Erfahrung gemacht, dass diese Bestimmung in der Weimarar Verfassung nicht geeignet war, einen imperativen Auftrag an den Reichstag zu geben, um das Familienrecht neu zu fassen. Ich wollte die Ausdehnung auf alle Lebens-, Rechtsgebiete haben. Unmittelbare Wirksamkeit der Grundrechte war ja schon beschlossen. Und zu den Grundrechten sollte nun auch dieses Recht gehören: Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Autorin: Und nun begann eine heftige Auseinandersetzung. Warum sich Elisabeth Selbert erst in dieser Situation des Themas annahm, ist nicht ganz klar. Sie selbst sagte später, sie habe sich nicht im Traum vorstellen können, dass die Abgeordneten die Gleichberechtigung nicht verwirklichen wollten. O-Ton Angelika Pitzschke Ich denk, dass diese Anregung von Hertha Gotthelf kam. Autorin: Angelika Pitzschke, arbeitet über Elisabeth Selbert im Archiv der deutschen Frauenbewegung in Kassel O-Ton Angelika Pitzschke weiter Elisabeth Selbert hatte auch so was im Kopf, aber das war nicht ihr Hauptproblem. Sie wurde immer wieder gefragt, sie möge doch bitte die Gesetze zusammenstellen, die die Frauen benachteiligen. Und aus dieser Korrespondenz, das hat sich zugespitzt dann auf das Thema Rechtsstellung der Frau und Reform des Bürgerlichen Rechtes. Autorin: Im parlamentarischen Rat stand die Selbert am Anfang allein. Und damit auch in der eigenen Fraktion. Die machte sich ? widerstrebend ? die Forderung nach uneingeschränkter Gleichberechtigung denn aber doch zu Eigen, wie die Delegierte Selbert an Hertha Gotthelf schrieb. O-Ton Brief, vorgelesen von Angelika Pitzschke Sie schreibt: Ich bin noch ganz glücklich über den Erfolg in der Fraktion. Wenn mich auch die Art, wie einige Genossen das Thema behandelt haben, deprimiert hat. Man sieht zwar, dass man an dieser Sache diesmal nicht vorbeikommt, aber mit Ironie und Sarkasmus tat man die Frage kurz ab. Na lass man. Die Hauptsache ist der Beschluss. Autorin: Gegen die weitgehende Formulierung waren anfangs auch Abgeordnete, denen die Gleichberechtigung durchaus am Herzen lag. O-Ton Selbert 1981 Ich erlebte sogar, dass die einzige Frau, die mit mir in der Fraktion war, ablehnte. Als Fürsorgerin kannte sie ja das alte Familienrecht. Und sie sprach von einem Rechtschaos, das dann entstehen würde. Autorin: Rechtschaos ? das befürchtete nicht nur die Fürsorgerin Frieda Nadig. Und tatsächlich hätte der Satz für sich genommen bedeutet: Mit Inkrafttreten des Grundgesetzes wären weite Teile des Bürgerlichen Gesetzbuches verfassungswidrig geworden. O-Ton Selbert, Ansprache Wissen überhaupt die meisten Frauen, wie rechtlos sie sind? Sprecher 1 (im schnellen Wechsel) Der Ehemann verfügt allein über das Vermögen, das er gemeinsam mit der Frau erwirtschaftet hat - auch über das von ihr verdiente und das von ihr in die Ehe eingebrachte. Sprecherin 1 Ein Konto kann die Ehefrau nicht errichten. Über das Geld auf dem Konto, das er für sie eröffnet, kann der Mann verfügen. Sprecher 1 Ohne Einwilligung des Ehemannes darf die Frau keine Arbeit aufnehmen. Sprecherin 1 Der Mann kann ohne Wissen der Frau ihr Arbeitsverhältnis kündigen. Sprecher 1: Die Ehefrau hat die Schlüsselgewalt, das heißt, sie kann Geschäfte des täglichen Lebens allein abschließen. Es sei denn, der Mann widerspricht. Sprecherin 1 Dem Manne steht die Entscheidung in allen das gemeinschaftlich eheliche Leben betreffenden Angelegenheiten zu. Er bestimmt insbesondere Wohnort und Wohnung. Sprecher 1 Einen eigenen Wohnsitz kann die Frau nicht begründen. Sprecherin 1 Der Vater entscheidet allein über alle die Kinder betreffenden Fragen kraft der elterlichen Gewalt. O-Ton Selbert, Ansprache Die Frauen, die in einer harmonischen Ehe mit einem verständigen Gatten zusammenleben, die erfahren es vielleicht nie. Aber wie viele andere erleben es - und welchen Krisen ist heute jede Ehe ausgesetzt! Bei dem ungeheuren Frauenüberschuss, oder bei den Auswirkungen, die der Krieg mit sich brachte. Autorin: Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Dieser Satz, der fast harmlos- selbstverständlich daherkam, barg also Sprengstoff für das gesamte Rechtsgefüge der neuen Republik. Nicht nur fürs Familienrecht, auch für das Sozial-, und Arbeitsrecht, für alle Gesetze, in denen unterschiedliche Maßstäbe für Männer und Frauen galten. Parteifreundin Frieda Nadig vertrat dann den Antrag im Grundsatzausschuss des Rates, dem Elisabeth Selbert ja nicht angehörte. Nach kurzer Diskussion wurde er abgelehnt. Musikakzent 3. Dezember 1948. Für Diskussionen blieb nur noch wenig Zeit: Im Hauptausschuss des Rates fand bereits die erste Lesung statt ? des gesamten Grundgesetzes. Dort lautete der Satz nun nach dem Willen der Mehrheit: ?Männer und Frauen haben die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.? Die Einschränkung, dies solle nur grundsätzlich der Fall sein, war also gestrichen worden. Und in einem anderen Absatz standen die Gründe, aus denen niemand benachteiligt oder bevorzugt werden darf ? darunter auch das Geschlecht. Elisabeth Selbert blieb dennoch bei ihrem Satz und vertrat von nun an ihren Antrag selbst. Damals war die Kommunistische Partei noch nicht verboten, ihr Abgeordneter Heinz Renner kam Elisabeth Selbert zu Hilfe: Er hatte zwar angekündigt, das gesamte Grundgesetz ablehnen zu wollen, nun aber verlangte er den selbertschen Satz noch zu ergänzen: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. O-Ton Selbert 1981: Ich habe ihm dann klarzumachen versucht, dass unter keinen Umständen ein Katalog aufgestellt werden dürfte, weil das eine Einschränkung bedeutet hätte. Autorin Die Furcht vor rechtsfreien Räumen nahm sie ernst. Das neue Parlament sollte deshalb bis Ende März 1953 Zeit haben, das Bürgerliche Gesetzbuch zu überarbeiten. Das häufigste Argument in der Debatte lautete: Wir sind doch alle für Gleichberechtigung. Sprecherin 1: Die Artikel, wie sie bis jetzt formuliert sind, führen genau zu dem, was sie wollen, nämlich zu einer besseren Rechtsstellung der Frau. Autorin: So ähnlich wie die Unions-Delegierte Helene Weber sah das auch ihr Parteifreund, der angesehene konservative Staatsrechtler Herbert von Mangoldt. Wie sehr sich jedoch dieser Standpunkt tatsächlich von dem der Selbert unterschied, lässt sich daran ablesen, dass auch Mangoldt das angebliche Rechtschaos beschwor: Sprecher 1: Das bisher bekannte Recht würde in sich zusammenfallen, und nichts würde an seine Stelle treten. Autorin: Elisabeth Selbert ließ sich nicht beirren und ging in die Offensive Sprecherin 1: Sollte der Artikel in dieser Fassung heute wieder abgelehnt werden, so darf ich Ihnen sagen, dass in der gesamten Öffentlichkeit die maßgeblichen Frauen wahrscheinlich dazu Stellung nehmen werden. Und zwar derart, dass unter Umständen die Annahme der Verfassung gefährdet ist. Autorin: Die Drohung verfehlte ihre Wirkung, der Antrag wurde knapp abgelehnt, mit 11 zu 9 Stimmen. Also hatte nicht nur die SPD dafür gestimmt. Auf ihrer Seite wusste die Sozialdemokratin in diesem Moment schon Helene Wessel vom Zentrum und in ihrem Sinn hatte sogar auch ein CSU-Delegierter gesprochen. Elisabeth Selbert machte nun ihre Ankündigung wahr und wandte sich an die Öffentlichkeit. Die hatte sich allerdings bisher kaum für die Bonner Debatte interessiert. O-Ton Einspielung Wochenschau: Mit der Währungsreform wurde über Nacht auch das Obst reif. Auch hier blüht das Geschäft. Die Auswahl ist groß, die Bedienung freundlich. Es gibt mit einem Male wieder Dinge, von denen man bisher nur im Flüsterton sprach, die nur unter dem Ladentisch veräußert wurden. Jetzt ist Geld wieder alles. Die Kundschaft aber ist kritisch, kauft oder streikt ? je nach dem Preis. Autorin Trotz Währungsreform: noch gab es Menschen, die hungerten. Im Winter 1948/49 froren die meisten, Heizmaterial war knapp. In Schleswig-Holstein z.B. war fast jeder zweite Einwohner ein Flüchtling. Die Staatskassen waren leer. Materielle Not, Verdrängung der Verbrechen, Neuanfang, Besatzung und neue Kriegsgefahr beherrschten den Alltag der meisten Menschen ? alte Lebensentwürfe hatten ihre Geltung verloren, auch für Frauen. O-Ton Käthe Kern Millionen Witwen müssen nun selbst die Verantwortung nicht nur für die wirtschaftliche Existenz der Familie übernehmen, sondern auch die seelische Kraft aufbringen, ihre Kinder ohne väterlichen Beistand zu brauchbaren und nützlichen Mitgliedern der menschlichen Gesellschaft zu erziehen. Autorin: Die SPD-Politikerin Käthe Kern Anfang 1946 O-Ton Käthe Kern weiter Ein großer Teil der jungen weiblichen Generation aber ist nicht nur wirtschaftlich, sondern auch geistig und seelisch entwurzelt. Und hat nur wenig Aussicht, einmal in einer Ehe die Erfüllung und Beglückung ihres weiblichen Seins zu finden. Autorin: Bezahlte Arbeit war für alle knapp. Als die Männer aus dem Krieg zurückkamen, wurden auch die Frauen entlassen, die bis dahin ihre Arbeit übernommen hatten. Bis in die fünfziger Jahre erklärte vielfach das Gesetz : Verheiratete Frauen gelten mit der Eheschließung als ?versorgt?. Auch wenn die Stimmung nicht gerade kämpferisch war: Vielfach schlossen sich Frauen zusammen. In Kommunen bildeten sich Frauenausschüsse ? über die es wenig Aufzeichnungen gibt. Sie versuchten mal, Frauen für die Demokratie zu gewinnen, mal eine als typisch weiblich verstandene Friedenspolitik anzustoßen. Vor allem aber ging es ums tägliche Überleben, um Schulspeisung, Schwarzmarktbekämpfung, Nahrungstransport vom Land in die Stadt, Verteilung von Unterkünften. Musikakzent Frauenausschüsse gründeten sich auch in Betrieben und in Gewerkschaften. Auf Landesebene entstanden Frauenringe. Bürgerliche Frauen stritten für die Gleichberechtigung, wollten aber die traditionelle Frauenrolle nicht abschaffen. Die Frauen der linken Parteien mussten sich mit dem männlichen Vorwurf herumschlagen, die Geschlechterhierarchie sei nur ein Nebenwiderspruch, der sich mit der Abschaffung der Klassenverhältnisse von selbst erledigen würde. Elisabeth Selbert stand zwischen diesen Positionen. Sozialistische Ideen hatten sie geprägt und sie verfocht die Berufstätigkeit der Frau. Es ging ihr um Gleichwertigkeit, wie sie sie in ihrer eigenen Ehe erlebt hatte, in der der Mann wesentlichen Anteil an der Erziehung der Kinder hatte.Zwar sass sie politisch zwischen allen Stühlen, das aber verschaffte ihr die Möglichkeit, Frauen der verschiedenen Lager in ihren Vorträgen zu erreichen. Doch die Zeit für Ihre Grundrechtskampagne wurde knapp: Angelika Pitzschke Es war im Grunde nur der Dezember, Anfang Januar 1949. Es hat Vortragsreisen sicherlich gegeben, aber ich denke, wichtiger war die Pressekampagne. Es hat ne enorme Pressearbeit gegeben, dass darauf reagiert worden ist. Autorin: Hertha Gotthelf platzierte ein Portrait der Kämpferin für die Gleichberechtigung in einer sozialistischen Zeitung, Redakteurinnen anderer, auch bürgerlicher Blätter, zogen nach: Sprecher 1 Frauen nicht gleichberechtigt? Sprecherin 1 Muss ein Herr im Hause sein? Sprecher 1 Wo bleiben die Frauen? Sprecherin 1 Es geht um Ihre persönlichen Rechte! Autorin: Doch es gab auch Widerspruch. In der Süddeutschen Zeitung lobte eine Frau begeistert, dass der parlamentarische Rat überhaupt über Gleichberechtigung sprach. Elisabeth Selberts Aktivitäten dagegen wertete sie als beckmesserische Streitlust. Sprecherin 1: Wenn wir weiter wie jetzt grob mit Kanonen auf Tauben schießen, werden wir, fürchte ich, eines Tages feststellen müssen, dass die Beute nicht mehr recht genießbar ist. Autorin: Elisabeth Selbert schrieb auch an die Frauen der CDU-Abgeordneten: sie sollen ihren Männern Druck machen. O-Ton Selbert 1981 Und nach einem Vortrag, der wohl dann auch publik geworden war, regten sich plötzlich die Frauenverbände auf allen Ebenen und auch jeglicher Couleur und es kamen dann Körbe von Protestschreiben in Bonn an, gerichtet an den parlamentarischen Rat. Plötzlich war auch die Arbeit des parlamentarischen Rates in der Öffentlichkeit mit Interesse aufgenommen worden. Sprecher 1: Der Gesamtbetriebsrat der Firma Henschel & Sohn GmbH Kassel, als Vertreter von 9000 schaffenden Menschen, erhebt hiermit schärfsten Protest gegen die Entscheidung des parlamentarischen Rates in Bonn, die Gleichberechtigung von Mann und Frau außer Kraft zu setzen. Sprecherin 1 Glaubt der parlamentarische Rat, vertreten zu können, dass eine verheiratete Frau und solche, die mit ihrer Hände Arbeit ein neues Leben aus dem Chaos aufbauen, weniger Rechte haben soll, als ein Jüngling von 21 Jahren? Sprecher 1 Fränkischer Frauenarbeitskreis: Die Struktur des modernen Lebens rechtfertigt die bisherigen Verschiedenheiten in der rechtlichen Stellung der Männer und der Frauen nicht mehr. Sprecherin1 Der Landesfrauenausschuss der SPD Württemberg-Baden nimmt mit Erstaunen und Empörung Kenntnis von der Haltung der bürgerlichen Mehrheit bei der Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Dr. E. Selbert, der die Gleichberechtigung der Frau in bürgerlich-rechtlicher Hinsicht verlangt. Autorin: Ob die Briefe wirklich Waschkörbe füllten, wie vielfach behauptet, lässt sich heute nicht mehr feststellen. Klar ist: Es waren viele. Juristinnen, Hausfrauen und Arbeiterinnen forderten neue Formulierungen, in Ausschüssen und Betriebsgruppen diskutierten Frauen, wie Gleichberechtigung zu erreichen wäre: Sprecher 1 Männer und Frauen haben die gleichen staatsbürgerlichen und bürgerlichrechtlichen Rechte und Pflichten. Sprecherin 1 ? ist die Frau auf allen Gebieten des staatlichen wirtschaftlichen und sozialen Lebens dem Manne gleichgestellt. Sprecher 1 Männer und Frauen haben grundsätzlich die gleichen Rechte und Pflichten. O-Ton Bommarius: Diese Form von Mobilisierung gab es sonst nicht. Autorin: Der Jurist und Publizist Christian Bommarius O-Ton Bommarius weiter: Es gab noch andere Fragen, die die Öffentlichkeit ein bisschen mobilisieren konnten. Vor allem die Initiative der Kirchen. Damals ging es um das so genannte Elternrecht, kein Mensch weiß heute noch, was das ist. Es ging kurz gesagt darum, dass die Kirchen ein elementares Interesse daran hatten, dass es Konfessionsschulen gebe. Und weil sie das nicht für sich selber verlangen konnten, forderten sie es für die Eltern, die das Recht haben sollten, ihre Kinder auf Konfessionsschulen zu schicken. Dafür gab es im parlamentarischen Rat keine Mehrheit. Und die Kirchen haben dann versucht, die Öffentlichkeit zu mobilisieren. Das misslang aber im Wesentlichen. Also die Mobilisierung der Frauen vor allem durch Frau Selbert war schon einzig. Autorin: Die CDU startete zu ihrer Rechtfertigung eine Gegenkampagne: Man sei falsch zitiert worden, man habe gefordert: ?Männer und Frauen haben die gleichen Rechte und Pflichten?. Das stimmte zwar nicht für die Debatte, da gab es noch das Wörtchen ?staatsbürgerlich?. Inzwischen aber hielt auch die CDU daran nicht mehr fest. Elisabeth Selbert hatte die Drohung in den Raum gestellt, die Frauen könnten die Annahme des Grundgesetzes verweigern in einer Volksabstimmung, die dann aber doch nicht stattfand. Und kurz nach dem Krieg stellten Frauen die Mehrheit bei den Wahlen. 18. Januar 1949, zweite Lesung im Hauptausschuss, der die endgültige Fassung des Grundgesetzes bestimmte, der entscheidende Tag. Die ersten Sätze zum Gleichberechtigungsartikel zeigten: Die Frauen hatten sich durchgesetzt. Der CDU-Abgeordnete Walter Strauß: Sprecher 1: Gestatten Sie es deshalb zunächst einem Mann, sich hierzu zu äußern. Ich glaube, dass ich für die überwiegende Anzahl aller deutschen Männer und insbesondere aller deutschen Ehemänner spreche, wenn sich sage, dass der Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau uns zum mindesten seit 1918 bereits so in Fleisch und Blut übergegangen ist, dass uns die Debatte überrascht hat. (?) Ich kann hier wohl feststellen, dass die an sich rein juristische Debatte in der ersten Lesung keinerlei Meinungsverschiedenheiten zwischen den einzelnen Fraktionen dieses Hauses aufgezeigt hat. (?) Wir müssen also eine Formulierung finden, die diesen Gesichtspunkt voll verwirklicht. Autorin Seine Parteifreundin Helene Weber, in der letzten Sitzung noch unentschieden, stimmte ihm zu: Sprecherin 1: Es ist so viel Sturm entstanden, dass wir gedacht haben ? es liegt uns ja gar nichts an einer bestimmten Formulierung -: wenn diese Formulierung unklar und unzureichend erscheint, dann wählen wir eine andere Formulierung. Autorin: Helene Weber war es auch, die den aktuellen Vorschlag der CDU einbrachte: ?Männer und Frauen haben die gleichen Rechte und Pflichten.? Sprecherin 1: Dabei denken wir durchaus auch an den Eigenwert und die Würde der Frau und denken nicht an eine schematische Gleichstellung und Gleichberechtigung, wie mir neulich entgegengehalten wurde, als man mich fragte, ob man darunter versteht, dass die Frau vielleicht Kriegsdienste leisten soll. Nein, sage ich, die soll sie ebenso wenig leisten, wie wir vom Mann etwas erwarten, was dem Eigenwert der Frau allein entspricht. Autorin Doch Elisabeth Selbert legte noch einmal nach: Die Interpretation, alle hätten das Gleiche gewollt, sei nicht richtig. Die Gegenseite habe nicht ?ja? gesagt, sondern ?ja, aber?. Sprecherin 1: Man sprach von den unübersehbaren rechtlichen Auswirkungen, die durch die Gleichstellung der Frau auf allen Lebensgebieten ausgelöst würden. Man sprach ferner von den bedenklichen Auswirkungen der Gleichberechtigung und wies darauf hin, wohin die Gleichberechtigung der Frau in Sowjetrussland geführt habe, und man spricht auch heute wieder von den Vorzugsrechten der Frau in der Sozialgesetzgebung, zum Beispiel dem Mutterschutz, und im Arbeitsrecht, die dann in Gefahr seien. Autorin: Elisabeth Selbert stellte klar: In der Debatte ging es nicht um Vorrechte. Mutterschutzzeiten, Schutz der Schwangeren im Arbeitsrecht, derartige Sonderbestimmungen glichen lediglich vorhandene Belastungen aus. Theodor Heuss, FDP Mann und kurz darauf zum ersten Bundespräsidenten gewählt, war der einzige in dieser Sitzung, der seinem Unmut Luft machte. Sprecher 1: Ich möchte nicht draußen unwidersprochen den Eindruck entstehen lassen, dass jetzt dieses Quasi-Stürmlein uns irgendwie beeindruckt und uns zu einer Sinneswandlung veranlasst hat. Denn unser Sinn war von Anfang an so, wie sich die aufgeregten Leute draußen das gewünscht haben. Autorin: Eine schnelle Rechtsänderung hatte er allerdings nicht im Blick und kritisierte die Übergangsfrist bis 1953. Der Bundestag hätte erst mal anderes zu tun. Noch in der gleichen Sitzung schloß sich die CDU dem Antrag Elisabeth Selberts an. Die Annahme war einstimmig. O-Ton Selbert aus Ansprache 23? Der gestrige Tag, an dem im Hauptausschuss des parlamentarischen Rates in Bonn Dank der Initiative der Sozialdemokraten die Gleichberechtigung der Frau in die Verfassung aufgenommen worden ist, dieser Tag war ein geschichtlicher Tag. Eine Wende auf dem Wege der deutschen Frauen der Westzonen. Autorin: Und doch klang es wie eine Rechtfertigung: O-Ton Selbert Ansprache: Lächeln Sie nicht! Es ist nicht falsches Pathos einer Frauenrechtlerin, das mich so sprechen lässt. Ich bin Jurist. Und unpathetisch. Und ich bin Frau und Mutter und zu frauenrechtlerischen Dingen gar nicht geeignet. Autorin: Nun musste im Bundestag der Satz von der Gleichberechtigung umgesetzt werden. Elisabeth Selbert sass derweil im hessischen Landtag und arbeitete in einer Kommission, die im Bund das Gleichberechtigungsgesetz vorbereiten sollte. Der Bundestag diskutierte ein wenig - und liess die Frist verstreichen. Weite Teile des bürgerlichen Gesetzbuches waren plötzlich verfassungswidrig, wie das Bundesverfassungsgericht bestätigte. Seit dem 1. April 1953 mußten also Richter bestimmen, was statt der hinfällig gewordenen Gesetze nun gelten sollte. Und die Mitglieder des noch recht neuen Verfassungsgerichts sagten: Im Großen und Ganzen machen die Kollegen an den Amtsgerichten ihre Sache gut. Im Bundestag aber trat das Gleichberechtigungsgesetz auf der Stelle. Inzwischen war Wirtschaftswunderzeit. Die Mehrheit der Frauen war lieber nicht allzu emanzipiert und eher nicht politisch. O-Ton Werbung Rouge Baiser Du bist mir aber um 11 Uhr wieder zu Hause! Übrigens: Zeig doch mal Deine Handtasche her. Taschentuch ? klar. Eau de Cologne ? genehmigt. Schlüssel nehm ich raus. Du klingelst. Was hast Du denn da? Rouge Baiser aus Paris? Das ist doch das Lippenrot zum Küssen! ? Ach bitte Vati! Lass mir doch den Rouge Baiser! Autorin: Bei den ersten Wahlen zum Bundestag zeigte sich: Frauenrechte sind für die meisten Frauen nicht wahlentscheidend. Trotz ihres Wahlkampfes, der unter anderem die Gleichberechtigung in den Mittelpunkt gestellt hatte, konnte die SPD gerade unter Frauen wenig punkten. Im männlich dominierten Parlament wurde 1953 über das Gleichberechtigungsgesetz debattiert: O-Ton Justizminister Neumeyer: Die Bundesregierung kann es auch nicht für richtig halten, wenn unter Hinweis auf den Grundsatz der Gleichberechtigung eine Regelung gefordert wird, die zur Gefährdung unserer Familien führen müsste. Autorin: Bundesjustizminister Fritz Neumayer, FDP, gab die Linie vor. Allen ist klar, dass das Recht verändert werden muss, zumindest so, wie das schon die Gerichte tun, in den ganz offensichtlichen Fragen wie z.B. dem Ehegüterrecht. O-Ton Bundesjustizminister Neumayer Können sich die Ehegatten nicht einigen, so muss im Interesse der Familie die Entscheidung der einzelnen Angelegenheit d e m Ehegatten übertragen werden, der nach der natürlichen Ordnung von Ehe und Familie, wie sie das Leben selbst entwickelt hat, diese Entscheidung treffen muss. Das ist der Mann. Autorin: Die Stimmung ist gelöst, trotz Meinungsunterschieden. O-Ton Bundesjustizminister Neumayer Es gibt viele Ehen ? und es sind bestimmt nicht die schlechtesten ? in denen das letzte Wort in derartigen Dingen die Frau spricht - daran besteht kein Zweifel, meine Damen und Herren. Die Regelung betrifft aber die Grenzfälle. Autorin: Familienminister Franz-Josef Wuermeling, CDU, sekundiert: O-Ton Familienminister Wuermeling Das Bedenken, dass die Autoritätsverfassung gegen die Menschenwürde verstoße, beruht auf einem Missverständnis von echter Autorität. Wenn das Familienoberhaupt als Inhaber und Träger der Autorität als Ersatz einer fehlenden Einigung von Mann und Frau entscheidet, so tut er das nicht im eigenen Namen, sondern Kraft seines Amtes innerhalb der Familienordnung. (Zuruf: Auch wenn das Familienoberhaupt ein Trottel ist!) Wir sollten überhaupt den Fehler der Französischen Revolution von 1789, immer nur an die Rechte zu denken, nicht täglich wiederholen, sondern auch die Pflicht zur Verantwortung sehen, deren Erfüllung den Rechten erst ihre innere Rechtfertigung gibt. Autorin: Gerade viele Wählerinnen orientierten sich auch an der Position der Kirchen. Der Unions-Abgeordnete Karl Weber zitierte aus einem Brief der Bischofskonferenz: Die Rechte der Gattin seien den Bedürfnissen der Jetzt-Zeit anzupassen. O-Ton Karl Weber Nur muss die wesentliche Ordnung der Hausgemeinschaft unangetastet bleiben, da sie durch eine höhere als menschliche, nämlich göttliche, Autorität und Weisheit festgesetzt ist und darum keiner Änderung durch Staatsgesetze oder durch das Gutdünken der Einzelnen unterliegen kann. Autorin: Die Gegnerinnen haben einen schweren Stand angesichts des offensichtlichen Desinteresses vieler Wählerinnen. Was im parlamentarischen Rat noch sachliche Auseinandersetzung war, das ist inzwischen für die meisten Abgeordneten zum reinen Parteienstreit, zum reinen Machtspiel geworden: Für oder gegen die Kirche, für oder gegen die Familie. Selbst die Unionsabgeordnete Elisabeth Schwarzhaupt bekommt Beifall fast nur von der SPD als sie dem Argument der christlichen Ordnung widerspricht. O-Ton Elisabeth Schwarzhaupt Nicht alle christlichen Weisungen können ohne weiteres in das staatliche Recht, das auf Macht beruht, übernommen werden. Sie verlieren ihren Sinn mit dem Zwang. Dem Christen ist etwa gesagt, dass er friedfertig und sanftmütig sein soll, (Zuruf) dass er dem, der ihn schlägt, die andere Wange hinhalten soll. So kann dies nicht Grundlage einer Rechtsordnung sein. Autorin: Zur Schärfe der Auseinandersetzung trug der Ost-West-Konflikt bei. Die DDR hatte gesetzlich festgeschrieben, dass die Berufstätigkeit auch der verheirateten Frau zu fördern sei, auch in Wirtschaftszweigen wie Transport und Industrie. Das Fazit des Bundesfamilienministers: So verstandene Gleichberechtigung ende im Kohlen- oder Uranbergwerk. Man vertagte sich in die Ausschüsse ? vier Jahre lang. Das Gesetz von 1957 sah vor: Im Zweifel entscheidet der Vater. Dass das verfassungswidrig war, wußten die meisten Abgeordneten. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte das zwei Jahre später. Und es erklärte auch die Regelung für nichtig, dass ? nur - der Vater das Kind gesetzlich vertrat. Vieles aber blieb auch vor den Karlsruher Richtern bestehen. Die Zauberformel lautete: Funktional-biologische Unterschiede. Inzwischen allerdings veränderte sich die Gesellschaft. Musik: Lore Lorentz : Wir sind die Kämpfer für?s Frauenrecht?. Autorin: Bis in die sechziger Jahre konnte die Ehefrau kein Konto eröffnen. Spät erst änderte sich auch das Recht des nichtehelichen ? damals noch: unehelichen ? Kindes. Oder auch die Beziehung der geschiedenen Mutter zu ihrem Kind: O-Ton Karin Schubert Frauen kriegten in dem Augenblick, wo sie geschieden waren, genau wie diejenigen, die nicht verheiratet gewesen sind, für ihre Kinder einen Vormund. Und das war damals das 21. Lebensjahr. Autorin: Karin Schubert, Rechtsanwältin, frühere Justizsenatorin in Berlin und Ministerin in Sachsen Anhalt. Schubert weiter Das heißt: Sie konnten überhaupt keine Entscheidung für ihre Kinder treffen, weil immer der Vormund, und das war in der Regel das Jugendamt, mitspielte. Autorin: Bis weit in die siebziger Jahre blieb es dabei: Sprecher 1 Der Mann kann der Schlüsselgewalt der Frau widersprechen, ihrem Recht also, Ausgaben des täglichen Lebens zu tätigen. Zeitungsanzeigen besagen: Ich komme für die Schulden meiner Frau nicht auf. Sprecherin 1 Die Frau ist zur Haushaltführung verpflichtet. Sprecher 1 Der Mann kann nicht mehr ohne weiteres die Arbeitsstelle der Frau kündigen. Nur mit richterlicher Mitsprache, wenn sie die häuslichen Pflichten vernachlässigt. Sprecherin 1 Sie ist nach wie vor zur unentgeltlichen Mitarbeit im Geschäft oder auf dem Hof des Mannes verpflichtet. Autorin: In einer Ehekrise hatten Frauen nach wie vor das Nachsehen. War kein Staub gewischt, so hatte die Frau ihre Pflicht versäumt ? ein Scheidungsgrund. Und ein Grund für den Mann, für sie die Kündigung einzureichen. Und Unterhalt bekam die Geschiedene nicht, wenn ihr die Schuld am Scheitern der Ehe zugewiesen wurde. An der Rente des Mannes hatte sie ohnehin keinen Anteil. Grundlegende Änderungen brachte erst die umfassende Reform des Familienrechts 1977. Jetzt erst wurde auch das Scheidungsrecht geändert, und zwar so, wie es Elisabeth Selbert in ihrer Doktorarbeit schon in den 30er Jahren gefordert hatte: es ging nicht mehr um Schuld oder Unschuld, sondern um die Frage: Können die Partner noch zusammenleben. Nur nach und nach wurde auch ? zumindest auf dem Papier ? geändert, was schon der KPD-Abgeordnete Renner im Parlamentarischen Rat gefordert hatte: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Noch heute formuliert Franz Müntefering die gleiche alte Forderung: O-Ton Franz Müntefering (SPD) Und jetzt geht es um den nächsten Schritt: Nicht das mit dem Wahlrecht ? das ham wir alles. Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Und dann muss gesetzlich fixiert sein - und sanktionsfähig sein auch: Wenn Männer und Frauen in Deutschland gleiche Arbeit tun, bekommen Männer und Frauen in Deutschland dafür gleichen Lohn. Das muss jetzt mal beschlossen werden. O-Ton Selbert 1981 Ich muss zugeben, dass eine Reihe von Fortschritten erreicht worden sind. Wenn nicht alle, dann liegt das auch daran, dass das Grundgesetz oder die Durchführung des Grundgesetzes in seinen Grundrechten wie überhaupt in seiner Gesamtheit eine permanente Aufgabe ist, die weit in die Zukunft weist, und die nur in einer partnerschaftlichen, guten Zusammenarbeit von Mann und Frau zu lösen ist. Absage: ?Männer und Frauen sind gleichberechtigt.? Der Kampf um die Gleichheit der Geschlechter vor 60 Jahren. Ein Dossier von Gudula Geuther Sie hörten eine Produktion des Deutschlandfunks 2009 Es sprachen: Ursula Illert, Claudia Mischke und Hendrik Stickan Ton und Technik: Eva Pöpplein und Petra Pelloth Regie und Redaktion: Karin Beindorff 1