COPYRIGHT: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von DeutschlandRadio / Funkhaus Berlin benutzt werden. Länderreport / 12.03.2010 Schiffsfonds ? Sie funken SOS Autor: Lars Reppesgaard Red.: Claudia Perez Atmo Elbe Wellen am Elbufer (Bültjer) "Wenn ich über die Elbe fahre, sehe ich die sogenannten Auflieger. Das sind die Schiffe, die an den Pfählen hier liegen und keine Beschäftigung haben, übrigens überwiegend Containerschiffe. Das Tragische ist, dass es zum Teil ganz neue Schiffe sind, die direkt aus der Werft kommen und keine Beschäftigung finden. Das liegt einfach daran, dass nicht genügend Container-Transportkapazität gebraucht wird und von daher die Schiffe nicht verchartert werden können." Klaus Bültjer, Geschäftsführer des Zentralverbands Deutscher Schiffsmakler in Hamburg, kennt das Chartergeschäft in und auswendig. Deshalb weiß er immer, wo in Hansestadt Schiffe ohne Beschäftigung zu finden sind. Nicht nur an den Elbpfählen nah der Hamburger Innenstadt, sondern auch am Schuppen 74 im Hamburger Kaiser-Wilhelm Hafen haben Auflieger fest gemacht. Die gigantischen Schiffsdiesel sind verstummt, nur die Stromversorgung der Schiffe läuft noch ? natürlich auf Sparflamme. Atmo Auflieger Summen der Stromkästen und Klappern eines Schildes Die vielen Auflieger sind für Experten wie Klaus Bültjer ein Warnsignal. Sie sind ein deutliches Zeichen dafür, dass es zur Zeit viel zu viele Frachtschiffe auf der Welt gibt. Mehr als 500 von ihnen, etwa zehn Prozent der Weltflotte, bekommt im Moment keine Aufträge. Und die Schiffe, die noch Charteraufträge haben, müssen die Fracht oft zu Schleuderpreisen transportieren. Denn das Überangebot an Transportkapazitäten hat nach dem Ausbruch der Wirtschaftskrise die Preise verdorben, sagt Torsten Teichert, der Vorstandsvorsitzende des Investmenthauses Lloyd Fonds AG in Hamburg. (Teichert) "Wenn es zu viele Schiffe gibt auf dem Markt, fallen die Preise ins Bodenlose. Ein Schiff, was vorher noch 30.000 bis 40.000 Euro Dollar verdient hat, bekam plötzlich , wenn es überhaupt noch was bekam, noch 5.000 Dollar. Und 5.000 Dollar reichten nicht um die Schiffs-Betriebskosten zu zahlen, geschweige denn Zinsen, an Tilgung gar nicht zu denken." Die meisten Schiffe, die derzeit Fracht transportieren, machen also Verlust. Ein Schiff, das nicht kostendeckend fährt, kann aber irgendwann nicht nur das Liegegeld und andere laufende Kosten nicht mehr bezahlen, sondern auch die Schulden nicht, die es bei der Bank hat. Für die Eigentümer dieser Schiffe hat das ernste Folgen. Für viele steht sogar wegen der Krise in der maritimen Wirtschaft die Existenz auf dem Spiel. Ein Hauptbetroffener ist die Hamburger Investment-Firma HCI Capital AG. Die HCI ist an einer Vielzahl von Schiffen beteiligt. Und etliche machen derzeit Verluste. Die "Mar Catania" zum Beispiel, ein Containerfrachter in der Flotte des HCI-Fonds Shipping Select 15. Sie fuhr im letzten Jahr so hohe Verluste ein, dass sie nun ein Fall für den Insolvenzverwalter ist. Kein Wunder also, dass wegen der Schiffskrise im Kontorhaus nun bis in die Abendstunden Hochbetrieb herrscht. (Friedrichs) "Beschäftigt sind bei uns sozusagen alle ausgiebig. Das heißt, es wird viel gearbeitet bei uns. Es ist eigentlich mehr Arbeit in der Krise als wenn Sie nicht in der Krise sind." Ralf Friedrichs, der Vorstandsvorsitzende der HCI, gibt sich betont kämpferisch. Er versucht, Optimismus auszustrahlen. Leicht ist das nicht. Denn das Problem ist nicht nur, dass weiteren HCI-Schiffen, die bereits die Meere befahren, die Pleite droht und die Charterraten im Keller sind. Die HCI hat außerdem extrem hohe Verbindlichkeiten. An allen Ecken und Enden fehlt dem Emissionshaus Geld, um Schiffe, es in den letzten Jahren bei Werften bestellt hat zu bezahlen. Früher gelang es der HCI, über Beteiligungen an Schiffbauprojekten jedes Jahr 300 Millionen Euro und mehr von Anlegern einzuwerben. Doch in ein Schiff will seit dem Beginn der Weltwirtschaftskrise im Herbst 2008 kaum jemand Geld stecken. (Friedrich) "Wenn Sie sich jetzt überlegen, dass wir ungefähr pro Jahr 300, 350 Millionen Schiff eingeworben haben und das über drei Jahre hochrechnen, sehen Sie schon auf welche Zahl Sie kommen, was das Eigenkapital betrifft - auf rund 1,6 bis 1,7 Milliarden. Und das ist auch das, was wir in den Büchern haben an Eventual-Verbindlichkeiten, nämlich Bürgschaften aus dieser Bauzeit-Finanzierung. Das sind Verpflichtungen, die die Emissionshäuser eingegangen sind. Und wenn Sie die Größenordnung sich dann angucken und dann die Bilanzzahlen - Bilanzgröße bei uns ist etwa 130 Millionen, Eigenkapital knapp 50 Million - und dann sehen, dass Sie Verpflichtungen haben von 1,8 Milliarden, ist da eine gewisse Asymmetrie vorhanden." Mit 'einer gewissen Asymmetrie' ist die Lage noch freundlich beschrieben. HCI hat sich verzockt und ist nun in der gleichen Lage wie ein Versandhandelskunde, der noch 50 Euro in der Geldbörse hat und zugleich Waren im Wert von 1.500 Euro abnehmen muss. Nur weil die Banken, die die HCI auszahlen müsste, still halten, überlebt das Unternehmen. Würden die Banken ihr Geld wie geplant zurück verlangen, wäre das Investmenthaus am Ende. HCI ist eines von etwa 70 Emissionshäusern in Deutschland. Die allermeisten sitzen in Hamburg, dem Mekka der Schiffsfinanzierer. Doch auch MPC und Lloyd Fonds haben lange das ganz große Rad gedreht. Alle Großen haben für Milliarden Neubauten bestellt, die kleineren Gesellschaften für hohe Millionenbeträge. Vor allem Containerschiffe waren gefragt. Keiner in der Branche hat es annähernd geschafft, nach Beginn der Krise das benötigte Kapital für die Neubauten einzusammeln. (Hagemann) "Wenn ich die Zahlen richtig im Kopf habe, wurden im Jahr 2008 noch 2,48 Milliarden an Eigenkapital für Schiffsfonds platziert von der gesamten Emissionshausbranche in Deutschland. Im Jahren 2009 waren das nur noch knapp 780 Millionen Euro. Man kann also sehen, dass sich der Markt ja fast um 75 Prozent nach unten entwickelt hat. Dementsprechend schwierig ist die Lage", sagt Jan Hagemann, Geschäftsführer der Hamburger Fondsgesellschaft Wölbern Shipping GmbH. Weil allen frisches Anlegergeld fehlt, funken die Emissionshäuser nun SOS. Katerstimmung hat sich breit gemacht. Der Hafen ist von der Krise stärker betroffen als die Konkurrenten Rotterdam und Antwerpen. Hamburg ist nur noch die Nummer Drei bei den Umschlagszahlen. Und nun erwischt es auch noch die Schiffsfinanzierer. Wie viele ihrer Schiffe Probleme haben, weil sie nicht mehr genug Geld verdienen, darüber geben die Fondshäuser keine Auskunft. Wie ernst die Lage wirklich ist, erfährt man aber im Nautischen Verein zu Hamburg. Dort sitzen in einem holzgetäfelten Saal Anleger neben Angestellten und Managern aus der maritimen Wirtschaft, um dem Schiffsfinanzierungsexperten Jürgen Dobert zuzuhören. Atmo Nautischer Verein. Lautes Gemurmel Die Stimmung ist angespannt. Dobert redet Klartext. Er beobachtet seit 40 Jahren die maritime Wirtschaft, und lässt keinen Zweifel daran, dass die Lage so ernst ist wie noch nie. (Dobert) "Also, ich gehe im Moment von einem Bestand von 2500 Schiffen in Schiffsfonds aus, und dass davon 400, mindestens 400, vielleicht sogar 500, zur Zeit in Sanierungsprojekten stecken." Viele Gäste sind schockiert. Das sind deutlich mehr Schiffe als sie erwartet haben. Fast jedes fünfte Projekt steht auf der Kippe. Die Pleite eines einzelnen Schiffes kann ein Unternehmen wie HCI noch überstehen. Die Fondshäuser managen die Schiffe ja nur. Für jedes Objekt wird eine kleine Tochtergesellschaft gegründet. Die Banken finanzieren vor, dann wird das Geld der Anleger genutzt, um den Bau bei der Werft und den Betrieb zu stemmen. HCI hat bisher zusammen mit Privatanlegern auf diese Weise rund 330 Schiffe finanziert. Durch die Charter, die das Schiff einfährt, werden nach und nach Bankkredite und Zinsen abbezahlt. Erst nach 15 Jahren Fahrt ist ein Schiff in der Regel schuldenfrei. Wenn ein Schiff also Verluste macht und das Eigenkapital einer Zweckgesellschaft irgendwann aufgebraucht ist, gucken erst einmal die Anleger in die Röhre, die diese Schiffsbeteiligung gezeichnet haben. Das Schiff wird dann meist von der Bank zwangsversteigert, um die Schulden zu bezahlen. Seit dem Ausbruch der Krise ist das zwar erst bei 17 Schiffsfonds geschehen. Doch die vielen stillen Zusammenbrüche, von denen die Öffentlichkeit kaum etwas bemerkt hat, drohen sich langsam zu einer Pleiteflut auszuweiten. Und die kann auch für die Emissionshäuser selbst gefährlich werden. Die Fondsgesellschaften versuchen nun einerseits, so viele Schiffe wie möglich wieder abzustellen, damit die Garantielasten sie nicht erdrücken und nicht noch mehr Schiffe auf den Meeren die Preise verderben. Doch das lassen die Verträge mit den Werften oft nicht zu. Zugleich spart die einst so stolze Branche so gut es geht. Die HCI etwa ist gerade in das riesige Sprinkenhof-Gebäude gezogen, weil dort die Miete günstiger als am alten Firmenstandort ist. Alle großen Gesellschaften haben Dutzende von Mitarbeitern entlassen. Vor allem aber besorgen sich die Investmentfirmen neues Kapital ? und zwar mangels neuer Investoren von ihren alten Kunden. Den Fondshäusern steht das Wasser bis zum Hals, doch von den Banken gibt es kein neues Geld für den Betrieb der Schiffe. Jürgen Dobert: (Dobert) "Deswegen werden die Anleger aber vor die Alternative gestellt, entweder neues Geld reinzuschießen oder erhaltene Ausschüttungen, wie man das ja immer nennt, zurück zu zahlen, um die Insolvenz zu vermeiden. Damit wird auf der Gegenseite immer gedroht. Wenn die Gesellschafter nicht in genügender Zahl das Geld zusammen bringen, dann würde unweigerlich das Schiff verkauft werden müssen." Früher hätte das nur einem kleinen Kreis von Besserverdienern Kopfzerbrechen bereitet. Lange galten spekulative Schiffsbeteiligungen als Steuersparmodell für Besserverdiener, die von Spezialisten vermittelt wurden. Heute aber haben mehr als eine Viertelmillionen Anleger in Deutschland in Schiffsfonds investiert und damit ihr Kapital dort 12, 15 oder sogar 25 Jahre lang fest angelegt. Seit 1999 wurden die Möglichkeiten, Verluste aus diesen Beteiligungen abzuschreiben, schrittweise eingeschränkt. Seit 2005 lohnt sich eine Schiffsbeteiligung nur noch, wenn das Schiff wirklich Geld verdient. Banken und Vermittler verkauften die Beteiligungen im großen Stil auch an ganz normale Kleinanleger, die am Schalter etwa bei der Postbank oder der Commerzbank nach sicheren Anlagen fragten. Angebissen hat zum Beispiel Ulrich Brien. Der Hamburger Rentner hat in drei Containerschiffe investiert. Sie sind Teil seiner privaten Altersvorsorge. Brien hat gerade von der Investmentfirma, die die MS "Cape Norman" betreibt, unangenehme Post bekommen. Viel Geld hat ihm das Schiff nie eingebracht. In diesem Jahr wurde gar nichts an die Anleger ausgeschüttet. Nun fährt auch die "Cape Norman" nicht mehr kostendeckend. Und Ulrich Brien muss Kapital nachschießen. Im Emissions-Prospekt der "Cape Norman" stehen nämlich einige trickreiche Paragrafen. (Brien) "Da gibt es diesen Paragraf, dass man nach wie vor mit dieser Kommanditsumme in der Haftung ist. Und wenn das Schiff also jetzt keinen Gewinn macht, wäre das ausgebende Unternehmen berechtigt, diese Rückforderungen zu haben." Also steckt Brien noch einmal ein paar tausend Euro in das Schiff, damit es die Wirtschaftsflaute überstehen kann. Teure Post von den Beteiligungsgesellschaften bekommen derzeit Anleger in ganz Deutschland. Statt sich über Renditen zu freuen, müssen Investoren unter anderem bei 100 der 200 Containerschiffe der HCI Geld nachschießen, heißt es aus dem Unternehmen. Offiziell will die HCI von diesen Zahlen natürlich nichts wissen. Wer hofft, seine ruinösen Beteiligungen irgendwie noch loswerden zu können, hat keine Chance: Sie weiter zu verkaufen, ist auch an Spezialmärkten wie der Fondsbörse Hamburg im Moment unmöglich. Weil Schiffsfonds alles andere als ein sicheres Investment sind, fühlen sich viele Anleger nun von ihrer Bank getäuscht und wollen ihr Geld zurück. Solche Fälle stapeln sich zunehmend auf den Schreibtischen von Anlegeranwälten. Atmo Speicherstadt Kirchenglocken, Schritte, Anwalt auf dem Weg in sein Büro Einer von ihnen ist der Anwalt Peter Hahn. Er hat sein Büro in der Hamburger Speicherstadt. Anhand seiner Korrespondenz verfolgt er, wie sich die Lage für Schiffsfonds-Anleger in ganz Deutschland zunehmend verschlechtert. (Hahn) "Die Ausschüttungen bleiben aus, andererseits gibt es gewisser Gesellschaften, die Insolvenz anmelden, und es werden eben auch zum Teil Ausschüttungen zurück gefordert . Und die Anleger, die zum Teil in mehrere Fonds investiert sind, werden dazu angehalten, Nachschüsse zu zahlen. Irgendwann sind sie auch wirtschaftlich nicht mehr in der Lage, dem nachzukommen. Und spätestens dann fragen sie auch einen Anwalt, ob sie das überhaupt müssen." Atmo Hafen Geräusche Entladebetrieb Noch ist aus den Schiffspleiten kein Flächenbrand geworden. Doch wenn immer mehr Anleger sich weigern, für defizitäre Schiffe aufzukommen, könnte sich das ändern. Wenn einzelne Beteiligungsgesellschaften scheitern, können die Fondshäuser das wegstecken ? nicht aber eine Pleitewelle. Wenn aber die HCI oder eines der anderen großen Emissionshäuser die Segel streichen müsste, wäre die Katastrophe perfekt. Mehrere Dutzend Schiffe müssten zwangsversteigert werden. Das Überangebot an Flotte würde noch größer werden. Eine Fondsgesellschaft nach der anderen könnte dann zu Fall kommen ? wie eine Kette von Dominosteinen könnte die ganze Branche zusammen brechen und Anlegermilliarden dabei vernichten. (Buchholz) "Dominosteine ist ein vielleicht etwas zu krasses Bild. Aber es gibt klare Abhängigkeiten, wo man vorher sagen kann, dass, wenn nicht alle Marktteilnehmer an einem Strang ziehe, es zu Marktverwerfungen kommen kann." räumt auch Christian Buchholz ein. Er ist Sprecher der HSH Nordbank in Hamburg. Bei der HSH verfolgt man die Entwicklung des Schiffsbeteiligungsmarktes ebenfalls mit Argusaugen. Schließlich hätten nicht nur viele Anleger Probleme, wenn die Fondshäuser kippen, sondern auch die Bank. Sie ist der größte Schiffsfinanzierer der Welt, vor ihrem großen Rivalen, der Commerzbank. Von Banken wie ihr kommt der Löwenanteil des Geldes, das bei diesen Projekten fließt. Die Emissionshäuser haben dagegen kaum eigenes Kapital. Sie sind nur die Mittler bei den Deals. Wenn kein Anlegergeld da ist, bezahlen letzten Endes Banken wie die HSH die Schiffe. Und wenn ein Schiff oder ein ganzes Emissionshaus aufgibt, bleibt der größte Teil der Kosten ebenfalls bei ihnen hängen. Weil Banken wie die HSH darauf vertraut haben, dass das Geschäft mit den Schiffen immer weiter wachsen wird, haben sie viele Deals extrem großzügig vorfinanziert. Jürgen Dobert erinnert das an das Vorgehen der Banken vor dem Platzen der Immobilienblase in den USA. (Dobert) "Wenn Banken bei Neubaubestellungen im Wert von 100 Millionen Dollar, 180 Millionen Dollar, 50 Millionen Euro - große Werte in großer Zahl - in Serie die Finanzierung unterschreiben, und mit Zwischenfinanzierungen sogar unterschreiben, Eigenkapital vorzufinanzieren, dann ist das eine 100 Prozent-Finanzierung. Und dass Banken so etwas machen, eine 100 Prozent-Finanzierung, und das im großen Stil machen, das erinnert mich an 'Subprime' in Amerika." Im letzten Jahr musste HSH Nordbank von den Bundesländern Hamburg und Schleswig- Holstein mit Bürgschaften gerettet werden, nachdem das Haus Milliarden auf dem Immobilienmarkt verspielt hatte. Dass ausgerechnet die Schiffsfinanzierung ihr zweites großes Standbein ist, beunruhigt nun viele in der Hansestadt. Joachim Bischoff sitzt für die Partei Die Linke in dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der die Geschäfte der HSH-Nordbank unter die Lupe nimmt. Er fürchtet, dass die Verluste aus geplatzten Schiffsfinanzierungen neuen Finanzierungsbedarf für die Bank zur Folge haben könnten. "Das sind in dem Jahr 2008 ... von den drei Milliarden Verlust ist der größte Teil aus dem Bereich von Wertpapieren gekommen. Da war Schiffsfinanzierung nicht drin. Und die Verluste aus diesem Bereich sind erstmal sichtbar geworden in 2009." Wie hoch die Verluste sein werden, ob die Bank sie verkraften kann und oder ob am Ende erneut die Öffentliche Hand die HSH stützen muss, ist offen. Wenn alles gut geht, steigen die Frachtraten wieder, wenn der Welthandel erneut anzieht. Die vielen verschuldeten Schiffe können wieder Geld verdienen, die Zweckgesellschaften ihre Schulden bezahlen. Weil aber die Weltflotte wegen der hohen Zahl der Neubauten weiter wächst, gehen viele Fachleute davon aus, dass allen Schiffseignern eine jahrelange Durststrecke bevor steht. Für die HCI und andere Gesellschaften, und für viele Schiffe, könnte sie zu lang sein. (Hagemann) "Die Situation ist äußerst ernst, weil die Bestell-Volumina, die man getätigt hat, weder im Schifffahrtsmarkt noch im Anlegermarkt Absatz finden und das Risiko dementsprechend nicht von den Bücher getilgt werden kann, sodass sicherlich einige Häuser nur noch durch das Wohlwollen der Bank überhaupt noch fortbestehen können", sagt Jan Hagemann. Damit keiner der Dominosteine kippt, haben sich Banken und Fondshäuser informell auf ein Stillhalteabkommen verständig. Die Schuldner versuchen, so gut es geht, die Krise zu meistern, und die Gläubiger machen keinen Druck. Obwohl nicht klar ist, ob sie ihr Geld wieder bekommen, verzichten sie derzeit meist darauf, den Zwangsverkauf von hoch verschuldeten Schiffen einzuleiten, sagt HSH-Sprecher Christian Buchholz. "Das liegt daran, dass alle Marktteilnehmer ganz genau wissen, dass überhastete Aktionen dazu führen, dass es zu Ungleichgewichten am Markt kommt, die negative Folgen haben für alle Marktteilnehmer - und damit auch für den, der sozusagen überhastet reagiert." Die HSH und andere Banken, bei denen die HCI in der Kreide steht, haben außerdem gerade einen umfangreichen Rettungsplan verabschiedet, der im Wesentlichen darin besteht, dass die Gläubiger bis 2013 darauf verzichten, die Garantien, die die HCI gegeben hat, einzufordern. Die Alternative wäre gewesen, die HCI auflaufen zu lassen und die Schiffe, die ihr und ihren Anlegern gehören, zu übernehmen und zu versteigern. Doch das hält die Bank nicht für den richtigen Weg angesichts der Turbulenzen, in denen sich die maritime Wirtschaft befindet. Christian Buchholz: "In der Krise zu verkaufen war noch nie die Ultima Ratio. Und deshalb agieren wir kaufmännisch und halten die Assets, die Werte, die wir haben fest, was auch bedeutet, dass wir in der Krise zu unserer Kunden stehen und diese Krise an der Seite unserer Kunden durchstehen." Wird das Stillhalteabkommen zwischen Schiffsfinanzierern und Banken so lange halten, bis genügend Schiffe wieder Geld verdienen? Möglich ist das. Aber sobald der Erste wackelt, bricht das Kartenhaus zusammen. Und wenn sich die Charterraten nicht 2010 oder spätestens 2011 substanziell erholen, geht viele Gesellschaften trotz des Langmuts der Banken die Luft aus. Dann müssten auch die geduldigsten Banken die Notbremse ziehen und massenhaft Schiffe übernehmen. Was die dann noch Wert sind, steht in den Sternen. Gut möglich also, dass abends hinter den hell erleuchteten Scheiben der Firmenzentralen die Mitarbeiter nicht nur hanseatisch kühl Krisenpläne kalkulieren. Manch einer wird dort auch ab und an mal ein Stoßgebet gen Himmel schicken.