COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Die Reportage Titel: Alle müssen raus - das Ende der Schlecker-Saga Autorin: Jenny Mansch Skript: Regie: O-Ton 1 T 478 / 0'04- 0'07 / 0'03'' - daran: Atmo stehenlassen Kommse bitte hier rüber, zur Kasse.... Autor: Es sind ihre letzten Kunden, die Ingrid Harder an diesem Mittwoch Ende Juni zu sich rüberwinkt. Die aparte Frau Ende 50 in mit blondem Kurzhaarschnitt sieht erschöpft aus, müde. Sie und ihre Kollegin Bärbel Berger haben drei Wochen Ausverkauf in ihrer Kreuzberger Schleckerfiliale hinter sich. Erst 30 Prozent auf alles, dann 70, 90, und jetzt, am Tag der Schließung muss alles raus, für 20 Cent. Der Laden so gut wie leer. Bis auf einige Flaschen Moosbekämpfer ist vom Sortiment der Drogerie nicht viel übrig. Ingrid antwortet auch diesmal freundlich auf die immer gleiche Frage: Regie: O-Ton 2 T 479 / 0'15 - 0'21 / 0'06 Müsster euch dann für Hartz IV anmelden? Ja, wir sind arbeitslos. Regie: Atmo 1 T 486 / 0'00 - 0'08 / 0'07 Schließen und Seufzen, daran: Atmo 2 T 479 / 2'59 -3'33 / 0'34 '' - Jalousie innen runter - darüber: Autor: Ingrid ist froh, endlich abschließen zu können. Damit man von außen sieht, dass jetzt endgültig zu ist, lässt Bärbel schon mal die Fenster-Jalousien herunter. Erschöpft schlurfen die beiden Frauen ins Büro der Filiale: Regie: O-Ton 4 T 486 / 0'11-0'13 - 1'00 Schritte, Hab Hunger! Daran: Atmo hoch...darüber Autor: Monatelang haben die Frauen im Laden für den Chef ihr Gesicht hingehalten. Das Foto von Anton Schlecker nebst Gattin, das in jedem der 5000 Büros im Land hängen musste, haben sie längst von der Wand genommen. Anton Schlecker hat ihnen nichts mehr zu sagen. Sein Imperium ist pleite, der Schwabe hat es vergeigt, mit Kontrollzwang, Geiz und Größenwahn. Seine Mitarbeiterinnen fühlen sich schon lange im Stich gelassen, und ganz besonders jetzt. Seit Wochen lassen sich noch nicht mal mehr die Bezirksleiter blicken. Die beiden Verkäuferinnen sind völlig auf sich gestellt: Regie: O-Ton 5 T 480 / 1'52 - 1'55 / 0'03 '' Ich hab die Nase voll. Ich hab auch keine Lust mehr zuhause was zu machen. Daran: Regie: O-Ton 6 T 480 / 10'37- 10'52 - 11'04 - 11'25 Die haben uns schon irgendwie an die Wand gedrückt die letzte Zeit. Wie gesagt, weil sich keene Sau kümmert. Du hast die ganzen Jahre für ihn geschuftet und gemacht und auch mal Stunden gemacht, die du nicht bezahlt gekriegt hast (--10'51-10'59 =0'08) - kein Dankeschön und jetzt son Ding. Leute, ich weiß nicht, 11'04 das Menschliche fehlt. Das Menschliche. Und es ist wirklich eine Ellbogengesellschaft und das wird noch schlimmer werden in Deutschland. Regie: Atmo 4 T 486 / 0'37 - 1'31 Wasser für Kaffee, Frauen sprechen (1'00 Kreisch!) ..gekleckert. Autor: Während im Büro die eine den Kaffee aufsetzt, holt die andere zwei halbe Hähnchen aus dem Kühlschrank. Der Laden ist so gut wie abgewickelt, aber beide Frauen haben noch immer keine Kündigung erhalten. Auch wissen sie nicht wie lange sie von wem ein Gehalt beziehen. In den vergangenen Wochen und Monaten haben sich die Ereignisse nur so überschlagen: Regie: O-Ton 7 T 480 / 8'14 - 8'43 / 0'29 Es is alles zu viel, kommt auf einen drauf zu, so, dann noch die Zeitung, die Medien und wir selber hier, wir müssen erstmal klare Gedanken fassen, dass es jetzt so ist, dass wir arbeitslos sind, aus welcher Situation, dass es keene gute gewesen ist, wir müssen erstmal auf ein Level kommen. Ehrlich gesagt, mir stehts bis Oberkante. Ist meine persönliche...ich könnte heulen. (schneiden!) weil mich das ankotzt, immer die Kleenen bluten, schnief, naja... Regie: Atmo 5 T 485 / 0'09 0'24 / 0'15 - Schlüssel schließt, ("alarm" raus) Autor: Nach ihrem gemeinsamen Essen schließt Ingrid zum letzten Mal die Tür ihres Schleckerladens zu, nach 17 Jahren. Bärbel geht zum Schließkasten um die Ecke: Regie: O-Ton 8 T 485 0'24 - 0'26 / Moment, ick lass die Jalousie runter Regie: Atmo 6 T 485 / 0'32 - 1'00 / 0'29 Bärbel schließt Jalousiekasten auf, Jalousie runter - darüber: Autor: Noch in dieser Woche haben die beiden Verkäuferinnen einen Termin beim Arbeitsamt. Dort liegen bereits alle ihre Daten, wie durch Zauberhand, sagt Ingrid. Die versierte Verkäuferin fürchtet, in ihrem Alter nur noch einen Minijob zu bekommen. Die burschikose Bärbel, Anfang 50, geht nach Österreich. In Deutschland sieht sie keine Zukunft für sich. Die beiden umarmen sich, Ingrid klopft zum Abschied noch mal an die Tür. Regie: O-Ton 9 T 485 0'24 - 0'26 / Tschüss Schlecker Regie: Atmo 7 Jalousie; T 485 / 0'32 - 1'00 / evtl. auch trocken Autor: Ingrid Harder und Bärbel Berger gehören damit zur zweiten und letzten Entlassungswelle bei Schlecker. Mit ihnen fluten weitere 12000 Schleckerfrauen den Arbeitsmarkt, alle 5000 Filialen sind geschlossen. Ganz anders in den Neunzigern: da eröffnen jedes Jahr tausend neue Filialen, bis zu drei neue Schlecker-Märkte pro Tag. "Schließ gut ab, wenn du in den Urlaub fährst" - machten die Leute damals Witze - "sonst ist hinterher der Schlecker drin." 2007 gibt es 14.000 Filialen in dreizehn Ländern. Dann der Absturz mit Ansage. In dem Moment als das Wachstum nachlässt, brechen die Gewinne ein. Im Januar 2012 meldet das Drogerie-Imperium Insolvenz an. Regie: O-Ton 10 296 (beginnt weiblich, wechselt zu Rüdiger Helm): Konferenzraum während der Konferenz, es spricht jemand - darüber: Autor: Oberhof, Anfang Februar, 2. Sitzungstag des Schlecker- Gesamtbetriebsrats. Vor den getönten Fenstern des Konferenzsaals glitzert der Schnee im berühmten Skigebiet. Erst vor wenigen Tagen hat Schlecker in Ulm Insolvenz angemeldet. Nun sitzen 47 Frauen und drei Männer an langen Tischen und diskutieren, wie sie die Zahl der Entlassungen herunterhandeln können und wie mit der Insolvenz umzugehen ist Unterstützt werden sie von einem Vertreter der Gewerkschaft ver.di und dem Arbeitsrechtler Rüdiger Helm: Regie: O-Ton 11 Helm: (T 300/ 0'17 - 0'38 - 21'') Ich brauche schon einen Ausschuss, der sozusagen handeln kann wie der Gesamtbetriebsrat, um den Insolvenzverwalter vor Gericht einzufangen. Wenn ich das nicht habe, habe ich einfach ein Problem, weil der Insolvenzverwalter machen kann, was er möchte ... Regie: Atmo Konferenzraum runter (Take 296)- darüber: Autor: Gestern war der Unternehmersohn Lars Schlecker da. Zum ersten Mal in der Unternehmensgeschichte hat jemand aus der Geschäftsführung den persönlichen Kontakt zu den Mitarbeiterinnen gesucht. Die meisten Frauen hat das beeindruckt. Britta Schröder zum Beispiel, aus einer Filiale in Schwerin. In der Kaffeepause erzählt sie, warum. Regie: O-Ton 12 Britta Schröder (Take 302/ 0'49 - 1'14) Also ich hab gestern meine Kollegen angerufen aus der Filiale und ich hab allen gesagt, dass unser Arbeitgeber tatsächlich ein Gesicht hat. Was wir ja vorher ja wirklich nur von Fotos in den Büros kennen, die ganz alt sind und ich muss sagen: er hätte viel früher kommen müssen, aber dass er sich gestern nach seinen Worten getraut hat zu kommen, fand ich schon toll. Regie: Atmo 8 Konferenzraum Pause Autor: Neben ihr sitzt Katja Deusser, eine energische Betriebsrätin aus Darmstadt. Und erinnert ihre Kollegin an den Druck, die vielen Kämpfe zwischen Geschäftsleitung und Mitarbeitern in der Vergangenheit: Regie: O-Ton 13 Katja Deusser (Take 302/ 2'10 - 2'30 - 0'20) Die Bedingungen, wie die Menschen behandelt wurden waren schlimm und es ist auch immer noch das Allerschlimmste. Demütigungen von Kollegen, die vielen Abmahnungen, die in der Vergangenheit immer wieder gelaufen sind, diese Angst die verbreitet wurde, der Druck von den Vorgesetzten, den direkten Vorgesetzten, das Anschreien, das Unter die Gürtellinie gehen, da haben wir in der Filiale sehr schlechte Erfahrungen gemacht. Regie Atmo 8: Konferenzraumgemurmel-und geklapper -darüber: Regie: Atmo 9 Drogerie Kreuzberg Take 341 - darauf: Autor: Vier Wochen später, Anfang März. Der Insolvenzverwalter verkündet genaue Zahlen. 11 750, also fast die Hälfte aller Mitarbeiterinnen, muss gehen. Jede zweite Filiale im Land wird dicht gemacht. Erfahren haben Ingrid Harder und ihre Kolleginnen aus der Filiale in Berlin-Kreuzberg dies nicht persönlich vom Chef. Sondern per Fax. Regie: O-Ton 14: Petra Günster Take 330/ 1'23-1'37 / 0'14 Ich war zu der Zeit auf Arbeit und es war auch für uns ´n Riesenschock gewesen, weil mit so viel hätten wir nun wirklich nicht gerechnet, dass eben so viel zumachen müssen und man weiß ja eben nicht, wie es weitergeht, ne? Regie: Atmo 10 Drogerie Take Take 343 / 0'17 - 0'23- 0'06 - darauf: Autor: ... sagt Petra Günster. Im Laden ist gerade Schichtwechsel. Das Geschäft ist typisch für die Drogeriekette. Wie die meisten liegt es in einem Eckgebäude. Die Gänge eng, einige Fenster zugeklebt. Die schlichte Ausstattung der Läden - auch das Teil der Schlecker-Philosophie - suggeriert niedrige Preise. Trotz Lücken sind die Regale gut sortiert. Ingrid und Petra arbeiten Teilzeit, schmeißen den Laden im Wechsel mit ihrer Kollegin Bärbel. Jetzt haben sie Angst um ihren Job: Regie: O-Ton 15: Take 334/ 0'05 - 0'14 / 0'11 Man grübelt, abends, wenn man ins Bett geht, man grübelt früh, was wird heute passieren, ist n neuer Fax da oder irgendwie was anderes und das geht an die Substanz. Regie: Atmo 11 Drogerie 341 ab 0'02 / 0'29 - daran: evtl. noch Atmo 339 ab 2'16 Autor: Ingrid füllt die Regale mit Waren auf, bei Bedarf eilt sie zur Kasse. Sie wirkt gefasst, trotz ihrer Angst, arbeitslos zu werden, so kurz vor der Rente. Sie ist 59, geschieden, die Kinder sind aus dem Haus. Ihr Geld muss sie sich selbst verdienen, mit 21 Stunden die Woche. Da kann man keine großen Sprünge machen. 14 mal in 17 Jahren sind sie und ihre Kolleginnen im Laden überfallen worden. Einmal fuchtelt ein Mann mit einer Pistole herum, sperrt sie ein, in ihr Büro. Daran knabbert Ingrid noch immer. Dennoch ist ihr ihr Arbeitsplatz ans Herz gewachsen: Regie: O-Ton 16 Take 336 0'10-0'34 - 0'24 Ich bin seit dem 27.2.1995 hier in dem Laden, sind das also genau 17 Jahre. Ich geh ins 18. Jahr und da bin ich ganz stolz drauf. Immer in der gleichen Filiale, deshalb kennt man ja die Kunden auch in und auswendig, ich kenne die Babys, die sind jetzt 17, manche sind verheiratet (...) also das ist finde ich tol l sowas, ne?...und so ist dis hier. Regie: Atmo 12 Drogerie 337 /0'10-0'25 - daran: Autor: Ihre dunkelhaarige Kollegin Petra ist 48, ihre Gesichtszüge ernst. Noch in dieser Woche soll rauskommen, welche Filialen dicht gemacht werden. Sollte sie arbeitslos werden, muss sie mit allem rechnen: Leiharbeit, 400-Euro-Job oder schlecht bezahlte Teilzeit: Regie: Atmo 13: Drogerie T 339 Autor: Petra denkt immer nur an eins. Kommt das Fax mit der Kündigung, oder kommt es nicht. Am nächsten Tag gibt es eine Infoveranstaltung der Arbeitsagentur. Dort soll erklärt werden, was genau eine Transfergesellschaft leistet. Ingrid und Petra haben sich entschieden, dass sie nicht hingehen wollen. Wäre ein schlechtes Omen, sagen sie, und hoffen weiter. Regie: Atmo 14 T 348 / 1'00- 2'00 Straßengeräusche, Frauen sprechen - darüber: Autor: Der nächste Tag. Vor einem Berliner Konferenzhotel hält ein Page ein Schild hoch: Schlecker-Transfer. Aus allen Richtungen strömen rund 200 Schleckerfrauen heran. Bisher haben sie keine Kündigung erhalten, aber sie wissen, für sie ist es vorbei. Ihnen soll heute erklärt werden, was sie von einer Transfergesellschaft haben. Einige Monate Aufschub, in denen sie weiter qualifiziert und vermittelt werden, das Geld kommt von der Arbeitsagentur. Regie: O-Ton 18 T 348 / 0'30 - 0'41 / 0'11 '' / Atmo bis 2'00 Juten Morjen, ihr ooch? Na Du? Ihr braucht ja lange. Hallöchen...Atmo hoch.... Autor: Die meisten wissen erst seit gestern Abend, dass sie auf der Liste der Gekündigten stehen, die der Insolvenzverwalter der Gewerkschaft verdi vorlegen musste. Die 55 Betriebsrätinnen haben die Auswahl nächtelang gerüft, einige Arbeitsplätze noch mal gerettet. Gehen muss aber, wer jung ist, nicht lange im Betrieb, und wer keine Kinder hat. Regie: Atmo 15 Saal 356 0'00 - 0'40 / Autor: Im Saal kippt die fröhliche Stimmung schnell. Gegenüber der Bühne sitzen bereits die Bildungsvermittler. Sie wollen die Fähigkeiten der Frauen erfassen, die Daten gehen zwecks Vermittlung sofort an die Agentur für Arbeit. Unterschreiben die Frauen hier und heute den Vertrag mit der Transgesllschaft, treten sie auch ihr Recht auf eine Kündigungsschutzklage und eine Abfindung ab. Das wussten die meisten vorher nicht, es verunsichert die Frauen zusätzlich. Als Katja Wegener vom Gesamtbetriebsrat die Bühne betritt, bekommt sie den geballten Frust zu spüren: Regie: O-Ton 19 T 356 / 6'08 - 6'22 / 0'14 '' Stop stop, Namensliste wurde gemacht, wir mussten einer Namensliste zustimmen und jeder der im GBR ist, hat eine Liste aus seinem Bereich gehabt. Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ick Domino-Day jespielt hab,um da wat runterzustreichen. Regie: Atmo 16 T 358 0'24 - 0'32 / 0`'08 Empörung, Buh-Rufe Regie: O-Ton 20 T 356 / 7'01 Ich versuche es nur zu erklären, wir haben die Liste verdammte Scheiße nicht gemacht. Und dazu steh´ ick hier. Warum sind dann nur ältere da? Es SIND nicht nur Ältere da! Regie: Atmo 17 T356 8'01 -ff Autor: Aus Angst um ihren Arbeitsplatz gehen die Frauen aufeinander los. Die jungen schimpfen auf die Alten, die Gesunden auf die Kranken. Eine Weile sieht sich das Eyleen Mohr, ebenfalls Betriebsrätin, an, dann greift sie sich das Mikro. Regie: O-Ton 21: T 356 / 8'08 - 8'29 / 0'21 '' Was ham denn die Betriebsräte für euch getan die janzen 17 Jahre, dit iss jetzt völlig ejal oder wat?Buh, Ihr steht da mit Tarifverträgen 17 Jahre lang, ihr habt Betriebsvereinbarungen gekriegt durch die Betriebsräte, uns dit in die Schuhe zu schieben, Anton Schlecker hat Scheiße gebaut nicht wir, wann kriegt ihr das in den Schädel rin! Regie: Atmo 18 T 356 hoch - darüber: Autor: Wegener und Mohr können nicht mehr. Unter Tränen überlassen die Betriebsrätinnen Siegfried Backes die Bühne, dem Sprecher der Transfergesellschaft. Er arbeitet mit der Arbeitsagentur zusammen. Und versucht jetzt, den dreiseitigen Vertrag zu erklären. Regie: O-Ton 22 T 364 2'16- 2'38 / 0'22 '' - danach Atmo hoch Langsam. Dieser Vertrag ist ein Auflösungsvertrag, den unterschreiben sie mit, Beschiss!, langsam, wenn sie den nicht unterschreiben, sind sie am 28. arbeitslos. Wenn sie den Vertrag unterschreiben, sind sie bei der Transfergesellschaft beschäftigt. Das ist der Unterschied. Autor: Die Frauen sind noch immer aufgebracht, verwirrt. Eine von ihnen stellt die alles entscheidende Frage: Regie: O-Ton 23 T 364 / 3'22- 3'36 + ff/ 0'13 - danach Atmo hoch Was passiert denn , wenn die Finanzierung von dieser Transferjellschaft voll nach hinten losgeht und die gar nicht finanziert wird? Applaus, Backes: Ja, dann hamwer alle in den Wind gepupt, sacht der Berliner..... Autor: Doch ohne Kündigung in der Hand haben die Frauen das Gefühl, man setzt ihnen die Pistole auf die Brust. Auch Siegfried Backes ist das sichtlich unangenehm: Regie: O-Ton 24 T 365 0'00 - 0'24 / 24 '' - danach Atmo hoch Also, gestatten Sie mir jetzt ne Aussage, die ich ungerne in irgendner Zeitung zitiert haben möchte, äh, ich glaube gar nicht mal, dass es böse Absicht ist, was im Moment bei Schlecker und Geiwitz abläuft. Von diesem Chaos konnten wir uns jetzt vier Tage wirklich ausnahmslos äh ja das konnten wir genießen, jeder der anderen Beteiligten weiß, wovon ich rede. Autor: Eine Woche später hat sich das Thema Transfergesellschaft erledigt, die FDP- geführten Länder wollen nicht für die Schleckerfrauen bürgen. 11 750 Frauen brauchen jetzt einen Job. Regie: Atmo 19 T 378 o'oo- 1'28 / 0'44 Tschüssi Tschüssi Autor: Ende März. Ingrid Harder, Bärbel Berger und Petra Günster brauchen keinen neuen Job. Ihr Eckladen bleibt geöffnet. Große Freude. Petra aber hat der Stress zugesetzt, sie ist krankgeschrieben. Und auch Ingrid und Bärbel brauchten in der letzten Zeit Unterstützung: Regie: O-Ton 25: T 380 / 1'43 - 1'57 / 0'15 Logisch! Wir haben jeden Abend - jeden Abend hab ick zwei Flaschen oder dreie getrunken. Durch den ganzen Stress, abends mal so, ehe man ins Bett geht, hab ich mal so meinen kleenen Küstennebel....hihi, die Flasche ist alle! Regie: Atmo 20 T 380 / 0'00-0'30 Kasse, Laden.... Autor: Am meisten ärgert die Frauen das ungebremste Missmanagement bei Schlecker. Immer noch werden Waren bestellt, die kein Mensch braucht. Auch das hat über die Jahre zur Pleite beigetragen. Die Verkäuferinnen vor Ort wurden nie gefragt. Das Chaos, es geht weiter: Regie: O-Ton 26: T 380 7'28-7'31 / 0'03 '' Zu wat brauch ickn hier inne Stadt Moosbekämpfer? Regie: O-Ton 27: T 380 / 7'46- 8'01 / 0'15 - Tut mir leid, versteh ick nicht. Sollense uns mal hier Stampfer für verstopptet Klo oder Mausefallen, jede Woche würd ick davon 30 Stück verkoofen! Die koofense. Ick hab ooch ünf Packungen zuhause. Die werden doch nicht schlecht. Die setzen keen Moos an! hahaha Regie: Atmo 21 T 378 / 1'16 Kasse + Gespräch Autor: Eine Stammkundin im Laden muss schmunzeln. Blickt dann aber ganz schnell wieder ernst und betroffen. Regie: O-Ton 28: T 378 / 1'32 - 1'50 / 0'18 Bleiben Sie denn hier erhalten? Sonst wär die Filiale längst zu. Ah. ja. Der Laden bleibt, wir bleiben auch erstmal. Mit uns müssen sie noch ein bisschen vorlieb nehmen. Schön! Das freut uns doch. Lachen, dann wünsche ich ein schönes Wochenende. Ebenso, danke... Regie: Atmo 22: T 378 / 0'00 - 1'28 Ladenatmo Autor: Ingrid ist zwar erleichtert, aber so ganz traut sie der Chose nicht. Dass ihr Laden bleibt, das haben sie aus der Zeitung erfahren. Und den Rest haben sie sich aus dem Dienstplan zusammengereimt. Regie: O-Ton 29 T 377 0'49 - 1'10 / 0'22 '' Naja erleichtert ist man schon, aber trotzdem ist da immer nochn bisschen Angst dabei, man weiß ja nicht, was , wies nun weitergeht allgemein. Man hört ja ooch jetzt, dass die Frauen jetzt alle zum Arbeitsamt rennen müssen, dass das mit der Transfergesellschaft nicht geklappt hat, das tut mir sehr leid, aber irgendwie geht's auch vorwärts. Regie: Atmo 23 ab 3'05 - 3'30 + 3'31 -3'57 O-Töne Verkauf Autor: Bevor die Kundin geht, möchte sie noch was loswerden. Auch sie bedauert das Aus der Auffanggesellschaft: Regie: O-Ton 30 : T 378 2'20 -2'35 / 0'15 '' Ich finds schade, dass die Politik sich so entscheidet, dass man nicht auf die Menschen guckt, sondern dass man einfach nur guckt, klar, die FDP mit ihrer liberalen Marktwirtschaft, ich denke schon, da sollte man vielleicht n bisschen umdenken. Regie: Atmo 24 Drogerie Autor: Aber niemand denkt um. Genauso wenig wie Anton Schlecker umgedacht hat. Der immer weiter am Drumherum spart, an der Ausstattung seiner Läden, die oft zu klein sind und in schlechter Lage. Die Kunden laufen zur Konkurrenz. Knapp drei Monate nach der ersten Entlassungswelle, ist sein Unternehmen nicht mehr zu retten. Am 1. Juni beschließt der Gläubigerausschuss die Zerschlagung. Die vielen Kündigungsschutzklagen hätten die Investoren abgeschreckt, sagt der Insolvenzverwalter. Nun müssen weitere 12 000 Frauen zur Arbeitsagentur. Von den 11 750 entlassenen Frauen der ersten Welle hat drei Monate später gerade mal jede Fünfte eine neue Stelle bekommen, die meisten davon sind Teilzeitjobs im Backshop oder 400 Euro-Jobs an der Tankstelle, und das auch noch befristet. Kein Vergleich mit den tariflichen Standards, die sich die Frauen bei Schlecker erkämpft hatten. Die Frauen der zweiten Entlassungswelle haben das Schlimmste aber noch vor sich. Den Räumungsverkauf in ihren Läden. Regie: Atmo-O-Ton 1 Bärbel: (T 438/ 0'56/0'58 - 1'27 - 31 ''): Also, junger Mann, achtsechsunfuffzich hätt ich gern. Regie: Atmo-O-Ton 1 stehenlassen - darüber: Autor: Ingrid Harder und Bärbel Berger stehen an ihren Kassen und hacken im Akkord Preise in die Tasten. Beide arbeiten mit dem Rücken zur Eingangstür, pausenlos strömen die Kunden in den Laden. Die Schlangen an den Kassen ringeln sich um die Regalreihe, Kinderwagen blockieren die Gänge - in den Laden an der Ecke passt kein Blatt mehr. In dem Gedränge muss sich auch der Kunde konzentrieren: Regie: T 453 Atmo-Ton 2 Verkäuferin B.: 1'43 - 1'59 / 0'15 So! Wer wollte jetzt hier bezahlen? Kind: Ich, Lydia! Na denn... Jetzt hier im Mittelgang oben das erste Mal aufhören, bitte. Regie: Atmo 2: (T 453 / 0'05 - 0'45 - 0'40'') ("14, 72, bitte"...Seufz, Kasse und Verkauf) - darüber: Autor: Ein Kunde nach dem anderen hievt Windelpakete, Küchenrollen und Deoflaschen auf das viel zu kleine Fließband; manche schleifen Großpackungen hinter sich her. Vom Dauerstress hat Bärbel Berger hochgezogene Schultern, und wann immer es geht, versucht Ingrid Harder diskret, ihre Finger zu entkrampfen. Jeden Artikel müssen die Verkäuferinnen einzeln eintippen, jeweils abzüglich des Rabatts. Das hält den Betrieb auf. "30 Prozent auf alles" steht auf jedem Schild, und trotzdem: es fragt immer wieder jemand nach: Regie: Atmo-O-Ton Bärbel 3: ( T438 / 1'35 - 1'49 - 14'') Sie müssen richtig lesen! Auf allet, steht da. Dit heißt: Auf allet. Besser kann mans ne schreiben, steht überall dran. Sag ick doch. Sogar auf uns 50 Prozent Rabatt, hihihi. Regie: Atmo 3/ 3'04 - 3'29 / 25'' Autor: Bärbel Berger zwinkert ihrer Kollegin zu - ein erster Anflug von Galgenhumor. Viele ihrer Kunden kennen sie gut, seit Jahren kaufen sie bei ihnen ein. Wenn diese jetzt die Schlecker-Pleite kommentieren, wird das den Verkäuferinnen manchmal zuviel. Zeit für Diskussionen haben sie nicht und das Thema, es bedrückt sie. Das aber lassen sich die beiden nicht anmerken. Heinz Maykowski dagegen, einer ihrer Stammkunden, ist stinksauer. Nimmt seine Einkäufe und dreht sich in der Tür nochmal kurz um: Regie: Atmo-O-Ton 4: T 438 / 1'59- 2'15 / 0'16 Wissense, wat ick jestern abend bei Vox jelesen habe, ist eine janz große Sauerei, der Alfons war doch Insolvenzeröffnung jewesen und vier Wochen später hatter in Österreich ...hamwer jehört! Ne Drecksau ist doch dit... . tja - Marktwirtchaft - nee, Wirtschaftsverbrecher! Regie: Einblende Atmo 4 : T 437/ 0'00- 0'34 (0'20) - 34 '' Regie: Atmo 6 / T 437 0'34 Atmo innen (Übergang in den Laden rein): Kassengeräusche, Stimmen - daranblenden: Regie: Atmo 7 / T 442/ 3'53 - 4'15 - 0'23 - darüber: Autor: Gegen Mittag hat die Stimmung im Innern des Ladens ihren Siedepunkt erreicht. Es eng und stickig und nun kommen auch noch Kinder mit dem Roller hereingefahren. Fassungslos sieht Günter Schrefeld der Demontage seines Schleckers zu. Ihn ärgert die Schere zwischen Arm und Reich: Regie: Atmo 7 / T 442 hoch bei 4'16: Hast du Eurostücke?? Regie: Atmo-O-Ton 6/ T 457 / 0'26-0'41 (15''): Denn sprechense immer von der Arbeitslosenquote, dass die zurückgeht. Ja. Toll. Wo denn? Die Bonzen und Spieler von Hertha BSC, die sollten se mal, so ne Leute auf Hartz IV setzen, damit sie wissen, was los ist! Autor: Bärbel Berger und Ingrid Harder waren den ganzen Vormittag noch nicht einmal auf der Toilette, und frühstücken ging vor lauter Aufregung gar nicht. Trotz vieler Überfälle in den letzten Jahren arbeiten sie ohne Wachschutz. Der wurde seit Monaten nicht bezahlt und deshalb abgezogen. Ähnlich ergeht es ihren Kolleginnen in den 2500 Filialen im Land. Sie alle hacken Preise in die Tasten und ziehen EC- Karten durch das Abrechnungssystem, bis die Regale leer sind. Und ausgerechnet jetzt streikt die Technik: Regie: Atmo-O-Ton 7 T 460/ 1'57 - 2'27 - 31 '', Atmo bis 2'59 Wo isse hin? Kartenzahlung geht nicht. Müsste aber gehen. Ja, aber das System ist wahrscheinlich wieder zusammen geknallt. Ham Sie Bargeld. Nein. Nein? Das ist überlastet. Die machen ja nun alle Schlecker-Läden Ausverkauf und da steht eener uffm Kabel. Das ist doof. Regie: Atmo 8: T 460/ 2'28 - 3'00 - darüber: Autor: Trotz der Schwierigkeiten zwitschern Ingrid und Bärbel weiter fröhlich mit den Kunden. Die eine ist Anfang, die andere Ende fünfzig, ihre Aussichten trübe. Ihr Galgenhumor speist sich aus dem Trubel des Tages. Die Stille danach kommt noch früh genug: Regie: Atmo 8 - darüber: Regie: Atmo-O-Ton 8 / T 468 / 0'15 - 0'30 / 15 '' Es macht Spaß, aber wir wissen ja, warum der Kundenansturm heute so ist, ja? Damals zur Eröffnung wars genauso, das war ein schönes Erlebnis, aber heute, das geht einem mächtig an die Nieren, trotzdem. Autor: Heute Abend gehen die beiden ein Bier trinken. Ein paar Kunden haben sie dazu eingeladen. Alt werden sie dort nicht werden, am nächsten Tag um 9 geht der Ausverkauf weiter. Es gibt noch jede Menge Moosbekämpfer. Ende 2