COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur, Deutschlandrundfahrt, 20. November 2010 "Manga, Yuzu und Hotel Nikko" Japantown in Düsseldorf Von Mandy Schielke Sendung: 20. November 2010, 15.05h Ton: Ralf Perz Regie: Roswitha Graf Redaktion: Margarete Wohlan Produktion: Deutschlandradio Kultur 2010 Regie: Kennungsmusik Deutschlandrundfahrt O-Ton Henrike Wienkopp/ Frau Hara: 8 11.02 Das Sukijaki wird zubereitet in einer großen Eisenpfanne, dann kommt das Fleisch dort rein. Und dann kommt eine Soße drauf. Dann packen die ganz ganz viel Gemüse da drauf und dann zum Schluss die Glasnudeln rauf. Und das wird dann noch ein bisschen gekocht. Schmeckt sehr gut, wird dann durch rohes Eigelb gezogen und gegessen. Ich find das ganz toll. O-Ton Vizekonsul Okuma: 11 3.00 In Düsseldorf und Umgebung wohnen ungefähr 8000 Japaner. Düsseldorf ist die größte japanische Gemeinde in Deutschland und drittgrößte innerhalb Europas. O-Ton Petra Nöckel: 16.40 Wenn japanische Geschäftsmänner, alleine ohne Familie nach Düsseldorf kommen, dann möchten Sie lieber mitten in der Stadt wohnen. Rund um die Immermannstraße ist alles was das japanische Herz braucht. O-Ton Yurie (Julije) Takagi: 7.00 Es gibt Biographien für Kinder, die im Mangastil gezeichnet sind in japanischer Sprache. Es gibt Geschichtsbücher im Mangastil. Das hat es mir als Kind immer ein bisschen einfacher gemacht, Abläufe zu verstehen. SPRECHER: "Manga, Yuzu und Hotel Nikko - Japantown in Düsseldorf". Eine Deutschlandrundfahrt mit Mandy Schielke I. FRAU HARA - DIE VERBINDUNGSFRAU - EINSTIEG Atmo: 8 Fingerspiel...Kinder & Mütter singen, bitte üppig freistehen lassen, dann unter den Autorentext blenden... Autorin: Es ist längst Vormittag aber trotzdem dringt kaum Licht in den Raum. Etwa 25 Frauen hocken im Kreis mit ihren Kindern auf dem Teppichboden und biegen die Minifinger ihrer Kleinen hin und her. Die Kinder sind noch sehr klein, keine drei Jahre alt. Sie schauen ihren Händen aufmerksam zu. Die Mütter wollen dem Nachwuchs ein Fingerspiel beibringen - ein Fingerspiel in dem es um Gemüse geht, erklärt Yoshiko Hara. O-Ton Frau Hara: 8 2.50 Das waren alle Gemüsearten. Mit Kohl, mit Weißkohl fängt das an. Und dann kommt Gurke, die Gurke wird gedrückt. Dann Tomate, Eisbergsalat ist knackig. Und was war das noch einmal? Ah. Zwiebel. Müssen wir weinen. Autorin: Yoshiko Hara arbeitet im Japanischen Club an der Oststraße in Düsseldorf. Einmal in der Woche treffen sich die japanischen Frauen hier mit ihren Kindern, die noch zu klein für den Kindergarten sind, singen und spielen für ein paar Stunden gemeinsam. So wie in Japan, erzählt Frau Hara. Musik: Noch einmal kurz hochziehen, unter den Text ziehen und am Ende das Lachen der Kinder freistehen lassen Autorin: Das Lied ist fast zu Ende. Noch fehlen die Sojasprossen, die uns kitzeln, flüstert Yoshiko Hara. Im nächsten Moment krabbeln sich die Fingerspieler gegenseitig an Bauch und Armen. Die jungen Mütter, Japanerinnen, die höchstens vier Jahre in der Stadt am Rhein verbringen werden, schließen ihre Kinder, allesamt mit schwarzem, glänzendem Schopf, in die Arme. ---MOTIV MONSTER I in Tenmas Wohnung Musik 1: Titel: Chicken Curry Interpret: Pizzicato Five Komponist: Verlag: LC-Nr. (Regie: das ist die Erkennungsmusik für die Comicszenen in der Sendung. Bitte zunächst ein paar Takte stehen lassen, dann noch unter den O-Ton blenden) O-Ton Frau Takagi: 25.44 Aufstehen, stehen sie auf Herr Doktor. Eigentlich sollte ich die Prinzessin sein, die mit einem Kuss geweckt wird. Hallo Eva. Hast Du unser Date vergessen, Kenzo? Nein. Sprecher: Eine Szene zu Beginn des Manga "Monster" - einem japanischen Comic aus den 90er Jahren von Naoki Urasawa. Der Held in der Geschichte kommt aus Japan. Es ist der junge Arzt Kenzo Tenma. Musik 1: Kurz als Trenner Sprecher: Kenzo Tenma hat einen anstrengenden Nachtdienst an der Hans- Eisler-Klinik hinter sich, wirklich ruhig hat er nicht geschlafen. Da weckt ihn seine Verlobte Eva. Eva ist nicht nur wunderschön, sondern auch die Tochter von Kenzo Tenmas Chef - dem Krankenhausdirektor. Die Geschichte erzählt sich vor allem durch Zeichnungen, wie in einem Comic. Nur heißen Comics in Japan eben Manga: Zunächst gähnt Kenzo. Dann eine Ansicht der Straße, in der der junge Arzt wohnt. O-Ton Petra Nöckel: 20 00.47 plus 2.12 Da würde ich jetzt sofort die Altstadt assoziieren. Kopfsteinpflaster. Das könnte die Rathinger Straße in der Altstadt sein. Sprecher: "Monster" von Naoki Urasawa spielt in Düsseldorf. Kenzo Temna wird von seiner Verlobten umgarnt. O-Ton Frau Takagi: 26.20 Du hast im Team ganze Arbeit geleistet. Durch Dich steigt der Ruf der Eisler Klinik enorm. Mein Vater ist Dir dafür bestimmt sehr dankbar. Sprecher: Sagt die schmollmundige Eva. Und Kenzo antwortet. O-Ton Frau Takagi: 26.20 Ich sollte ihm danken, dass ich hier als Japaner noch dazu in dieser Position arbeiten darf, habe ich nur Deinem Vater zu verdanken. Musik 1 (Regie: kurz hoch als Abschluss dann Blende in die nächste Atmo) II. IM JAPANVIERTEL Atmo: 8 4.56 plus Unterwegs auf der Straße Autorin: Yoshiko Hara vom Japanischen Club ist jetzt auf dem Weg in die Immermannstraße. Die Straße verbindet den Hauptbahnhof mit der Altstadt. Sie ist das japanische Zentrum in Düsseldorf. Japanmeile heißt die Immermannstraße auch deshalb. Wer in Düsseldorf fremd ist, könnte bezweifeln, dass er sich in einer deutschen Stadt befindet. Die meisten Passanten sind asiatischer Herkunft. Kleine Grüppchen von Geschäftsleuten in dunklen Anzügen, japanische Frauen, die mit ihren Einkäufen beschäftigt sind. In den sechziger Jahren, erklärt Frau Hara, war es für die japanischen Hausfrauen unmöglich japanische Zutaten in Düsseldorf zu finden. Sie behalfen sich mit Milchreis, der dem Klebreis am ähnlichsten war. In den siebziger Jahren siedelten sich japanische Lebensmittelgeschäfte und Kaufhäuser in der Immermannstraße an. Immer noch auf der Oststraße unterwegs betritt Frau Hara jetzt ein Fleischwarengeschäft. Atmo: 8 6.11 plus 8 15.33 Schmalzried Autorin: Frauen in Rüschenschürzen hinter der Theke. Stehtische für das Imbissangebot. Die Metzgerei Schmalzried. O-Ton Frau Hara: 6.12 plus 8.11 plus 8.46 Hier sehen Sie alle Fleischsorten auf Japanisch...Schweinefilet heißt, Sukijaki-Fleisch. Shabu Shabu...ohne Knochen und dann Hähnchenkeule. Autorin: Schmalzried in der Oststraße. Das Geschäft gibt es seit fast sechzig Jahren. Seit 27 Jahren führen Henrike Wienkopp und ihr Mann den Laden. Wir sind das einzige Fleischgeschäft in der Stadt, das Fleisch so dünn schneidet, dass auch japanische Kunden kommen, erklärt die 61-Jährige Fleischerfrau ebenfalls in weißer Schürze. Unsere Kunden haben uns da langsam rangeführt, sagt sie und blickt lächelnd über die Theke zu Frau Hara. O-Ton Henrike Wienkopp 8 12.56 plus 9.56 Und das hat sich dann im Laufe der Jahre entwickelt, wurden ja immer mehr Japaner. Das Japanische Viertel wurde hier immer größer. ... Und dann haben wir mit den japanischen Schildern hier angefangen, hat uns eine nette Japanerin geschrieben und so hat sich das entwickelt. Weil viele Japaner neu hierher kommen und noch kein deutsch sprechen und dadurch wird denen sehr geholfen, wenn die ihre Sachen lesen, wenn die ihre Zeichen lesen. Die freuen sich auch darüber. Autorin: Manchmal habe es japanische Gesellen in der Wurstküche gegeben, erzählt Henrike Wienkopp - ausgesprochen nette Herren, fügt sie hinzu. Die Metzgerfrau würde gern einmal selbst nach Japan fahren, schließlich hätten einige der ehemaligen Schmalzried-Gesellen inzwischen Metzgereien in Japan übernommen und das würde sie schon interessieren. Japanisch hat die Rheinländerin nie gelernt und auch keine andere Sprache. O-Ton Henrike Wienkopp 11.52 Also wir haben hier einige Damen, die sprechen ganz gut Englisch. Ich gehöre leider noch zu der Generation, ich spreche kein Englisch. Aber da wir so viele Damen da haben, brauch ich das auch nicht. Autorin: Mittlerweile kommen Japaner auch aus anderen Städten und sogar aus Belgien in ihr Düsseldorfer Geschäft, erzählt die 61- Jährige. O-Ton Henrike Wienkopp 14.21 Samstag hatten wir wieder viele fremde Kunden da, die große Sachen gekauft haben. Toll. Schönes Geschäft. Ganz ehrlich. Autorin: Yooshiko Hara aus dem Japanischen Club hört geduldig zu. Mittags geht sie fast immer in die Fleischerei in der Oststraße. Sie bevorzugt inzwischen Bratwurst und Cordon Bleu. Henrike Wienkopp hingegen schwärmt von der japanischen Küche, zum Bespiel von Sukijaki, japanischem Fondue. O-Ton Henrike Wienkopp/ Frau Hara: 8 11.02 Das Sukijaki wird zubereitet...da muss sie jetzt mit aufpassen, in einer großen Eisenpfanne. Ja, Eisenpfanne. Mit Fett ausreiben, dann kommt das Fleisch dort rein. Und dann kommt eine Soße drauf. Und dann kommt noch etwas anders rein. Nicht? Das ist aus Tokio, Tokioter Version. In Osaker macht man das ein bisschen anders. Dann packen die ganz ganz viel Gemüse da drauf und dann zum Schluss die Glasnudeln rauf. Und das wird dann noch ein bisschen gekocht. Schmeckt sehr gut, wird dann durch rohes Eigelb gezogen gegessen. Ich find das ganz toll. MUSIK 2: Titel: Mon Amour Tokyo (Album: Happy End of The World) Interpreten: Pizzikato Five Komponist: Verlag: LC-Nr. --- III. UNTERWEGS AUF DER IMMERMANNSTRASSE Atmo: Auf der Immermannstraße Autorin: Yoshiko Hara ist eine kleine, kräftige Frau. Ihr Haar ist kurz geschnitten, hinter dem rechten Ohr hängt eine lange Haarsträhne herunter. Sie läuft zügig, an der Ecke zur Immermannstraße wirft sie einen flüchtigen Blick in ein chinesisches Modegeschäft und bleibt dann vor einem Reisebüro stehen. Ausgeschnittene großformatige Ansichten von Schlössern hängen im Schaufenster. Daneben endlose Reihen japanischer Schriftzeichen in gelb, rot und blau. O-Ton Frau Hara: 8 17.55 Das ist immer ein Hit nach Rothenburg, Neuschwanstein und Heidelberg. Autorin: Japaner kommen mit sehr romantischen Vorstellungen von Europa nach Deutschland. Mittelalterlich mit Burgen und Schlössern stellen sie sich das Land vor. In den Städten erwartet man Häuser mit Erkern und Straßen aus Kopfsteinpflaster, sagt Frau Hara. Alles muss sauber und gepflegt sein in Deutschland, denke man in Japan. Den 60er Jahre Stil der Häuser entlang der Immermannstraße hatte Frau Hara jedenfalls nicht erwartet, als sie 1974 als Studentin zum ersten Mal nach Düsseldorf kam. Atmo: 8 32.00 im Laden Autorin: In einem kleinen Supermarkt auf der Immermannstraße schiebt sie jetzt die Schiebetür einer Kühltruhe auf. O-Ton Frau Hara: 31.22 Hier sehen wir fermentierte Sojabohnen. Autorin: Im Regal gegenüber greift sie nach Knabbergebäck aus Reismehl und Plätzchen überzogen mit Puder aus grünem Tee. O-Ton Frau Hara: 27.43 plus 28.20 Das war für mich eine Überraschung, im Jahre 1974 wohnten 3500 Japaner hier in Düsseldorf. Damals wusste ich nicht, dass so viele Japaner in Düsseldorf leben. Auf einem Knotenpunkt der Straßenbahn habe ich so viele Japaner gesehen. Hab mich gewundert. Autorin: Yoshiko Hara ist in der Nähe von Osaka aufgewachsen und mittlerweile 58 Jahre alt. Inzwischen hat sie mehr Zeit in Deutschland als in Japan verbracht, sagt sie lachend. Geplant war das so nicht. Sie kam wegen der Musik nach Düsseldorf. O-Ton Frau Hara: 24.20 Ich bin Konzertsängerin, spezialisiert für Kirchenmusik. Gesangssolisten in Kantaten und Oratorien. Und schon während meiner Studienzeit hatte ich Engagements und ich konnte nicht gleich nach Hause fahren nach dem Studium. Erstens. Und zweitens. Christliche Kirchen sind in Japan weniger und sie engagieren keine gebührenpflichtige Solistin. Autorin: Seit über zwanzig Jahren arbeitet Yoshiko Hara neben ihrer künstlerischen Arbeit im Japanischen Club in der Oststraße. Alle zwei Monate gibt sie eine kleine Zeitung für die Japaner in Düsseldorf heraus. Darin stehen Nachrichten aus der Region, Kulturtipps und Kleinanzeigen. Den Japanischen Club gibt es bereits seit 1964, er hat über 4000 Mitglieder. Einmal im Jahr organisiert der Club gemeinsam mit der Stadt den Japan Tag, veranstaltet ein Softballturnier, einmal im Monat findet im Club ein Tee-Klatsch für Deutsche und Japaner statt. "Wir bemühen uns um ein gutes Verhältnis zwischen Düsseldorfern und Japanern", sagt Frau Hara. Musik 1: Pizzicato Five: Chicken Curry Sprecher: Am nächsten Tag in der Klinik: Nach einer Operation wartet eine Frau mit ihrem kleinen Jungen auf dem Krankenhausflur. Sie will Dr. Tenma sprechen, ihr Mann ist bei der Operation gestorben. Sie ist wütend, wirft dem jungen Arzt vor, nicht alles für ihren Mann getan zu haben. Kenzo Tenma weiß zunächst nicht wovon die Rede ist. Dann erinnert er sich: Er sollte einen türkischen Mann operieren, der einen Unfall hatte, auf einer Baustelle. Doch dann kam der Befehl des Chefs: Tenma musste in einen anderen OP. Der verletzte Bauarbeiter muss warten... Warum haben Sie meinen Mann nicht operiert? Wenn Sie ihn operiert hätten, wäre er bestimmt noch am Leben, Geben Sie mir meinen Mann zurück! Sie weint vor Wut. Später am Abend im Restaurant mit seiner Verlobten, geht die verzweifelte türkische Frau Tenma nicht mehr aus dem Kopf. Er will mit Eva darüber sprechen. Doch sie langweilt die Geschichte, will viel lieber von ihren neuen Kleidern erzählen. Dann ist sie beleidigt, weil ihr Verlobter nicht aufhört mit dieser Geschichte von der türkischen Frau. Er, Kenzo Tenma, habe schließlich alles richtig gemacht, zuerst musste selbstverständlich der Opernsänger behandelt werden. Es sind ja auch nicht alle Menschen gleich, sagt Eva. Dann lächelt sie und erhebt ihr Glas. Comicmusik: Kurz einblenden, dann in nächste Atmo ziehen & weg Atmo: Immermannstraße Autorin: Yoshiko Hara schlägt ihren Mantelkragen nach oben, läuft vorbei am Hotel Nikko, einem einstmals japanischen Haus, das jetzt von Amerikanern geführt wird. Frau Hara geht die Betonstufen zum Japanischen Generalkonsulat hinauf, öffnet die Tür, im nächsten Moment kommt eine zierliche, blasse Frau auf sie zu. Atmo: 10 0.33 Im Generalkonsulat Unterhaltung Frau Hara/ Sekretärin im Generalkonsulat Autorin: Frau Hara will den Vizekonsul sprechen. Die Sekretärin verschwindet hinter einer Tür. Wenig später tritt ein zurückhaltender, blasser Mann mit kantiger Frisur heraus. In dem hell erleuchteten, kahlen Zimmer setzt er sich an einen Besprechungstisch direkt unter der Lüftung. Sein Name ist Wataru Okuma. Er ist 36 Jahre alt und arbeitet seit fünf Jahren in Düsseldorf. Mit dem Bleistift macht sich der Vizekonsul ein paar flüchtige Notizen, dann erzählt er von den Japanern in Düsseldorf. O-Ton Vizekonsul Okuma: 11 3.00 In Düsseldorf und Umgebung leben ungefähr 8000 Japaner. Düsseldorf ist die größte japanische Gemeinde in Deutschland, drittgrößte innerhalb Europas. Autorin: Gleich nach London und Paris. O-Ton Vizekonsul Okuma: 11 3.00 Nach dem zweiten Weltkrieg haben die Japaner sich Düsseldorf ausgesucht. Damals war Düsseldorf der Schreibtisch des Ruhrgebiets. Für den Wiederaufbau Japans brauchte man Stahl und Kohle und dann kamen japanische Handelsunternehmen nach Düsseldorf. Autorin: Der erste Japaner wurde 1905 in Düsseldorf registriert, nach dem Zweiten Weltkrieg ließen sich die ersten Firmen nieder. Grund für die Ansiedlung der Japaner in Düsseldorf war die Nähe zur Schwerindustrie an der Ruhr. Die ersten Flugverbindungen zwischen Japan und Deutschland gingen von Düsseldorf aus - mit acht Zwischenlandungen. Bald zogen die Familien der japanischen Geschäftsleute nach. Inzwischen sind knapp 500 japanische Unternehmen in Nordrhein-Westfalen ansässig, Automobil - und Computerfirmen, Banken oder Werbeagenturen. In den Siebziger Jahren wurde im Düsseldorfer Stadtteil Niederkassel die Japanische Schule eröffnet so wie auch das Generalkonsulat an der Immermannstraße. Herr Okuma und seine Mitarbeiter stellen Heirats- und Geburtsurkunden aus, verteilen Visa und Reisepässe. Die Mehrzahl der Japaner, die in Düsseldorf leben, sind nicht freiwillig an den Rhein gezogen. Sie werden von ihren Unternehmen ins Ausland geschickt. O-Ton Vizekonsul Okuma: 11 14.55 Die Japaner bleiben nicht so lange hier, nicht für immer, für drei bis fünf Jahre, dann gehen sie nach Japan zurück. Dadurch bekommen wir weniger Schwierigkeiten mit der deutschen Gesellschaft. Autorin: Die Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland werde kaum einem Japaner verweigert, sagen Frau Hara und Herr Okuma. Alle haben Arbeit, zahlen Steuern, konsumieren. Frau Haras Aufenthaltserlaubnis ist inzwischen unbefristet. Sie will in Deutschland bleiben, nur ihre Eltern in Japan bereiten ihr manchmal Sorgen. Sie sind mittlerweile alt und könnten ihre Hilfe gut gebrauchen. Frau Hara lebt gern in Düsseldorf. O-Ton Vizekonsul Okuma: 5.23 plus 20.19 Ich glaube Düsseldorfer und Japaner passen sehr gut zusammen. Autorin: Frau Hara nickt. O-Ton Vizekonsul Okuma: 5.23 plus 20.19 Wir legen großen Wert auf Pünktlichkeit und auf Sauberkeit. Solche Dinge. Atmo: 12 0.30 plus 14 plus 12 0.55 Kakagi Autorin: Eine Stunde später, kurz nach zwölf Uhr mittags hat Yoshiko Hara an einem Tisch im Restaurant Kikaku Platz genommen. Das Lokal ist in die Jahre gekommen, die grünen Polster auf den Sitzbänken sind abgenutzt. So sah es hier schon aus, als sie Studentin war, erzählt Yoshiko Hara. Der Boden ist mit Teppich ausgelegt. Die Tischplatten sind mit hellgrünem Kunststoff überzogen. Von der Decke hängen Lampen aus Papierschirmen, die mit schwarzen Schriftzeichen bemalt sind. Ein bisschen muffig aber gleichzeitig unglaublich gemütlich. Oft sehen so japanische Restaurants in alten amerikanischen Filmen aus. Frau Hara verbeugt sich, grüßt einen Herrn im Freizeitoutfit, einen Aikido-Lehrer, der sich von seinem Tisch erhoben hat und Richtung Ausgang verschwindet. Bei der Serviererin bestellt die Japanerin das Tagesgericht. Lachs mit Reis, dazu eingelegten Kohl und marinierten Thunfisch. Sie zieht die hölzernen Essstäbchen aus der Papierhülle und betrachtet die japanischen Schriftzeichen darauf. Kikaku. Wörtlich lasse sich der Name des Restaurants nicht übersetzen, erklärt sie. Die erste Silbe aber bedeute Freude. MUSIK 3 Yuka...(Interpret, Albumtitel auf Japanisch/ klassisch 3.22 min) --- IV. BEGEGNUNGEN MIT DEN JAPANISCHEN NEUDÜSSELDORFER Atmo: 11.29 Telefonklingeln, Frau Nöckel spricht mit einem Kunden Autorin: Petra Nöckel strahlt. Die Immobilienmaklerin sitzt an ihrem Schreibtisch in Düsseldorf Oberkassel auf der anderen Seite des Rheins und telefoniert mit der Personalabteilung eines japanischen Unternehmens. Ein neuer Auftrag. O-Ton Petra Nöckel: 19 33.00 Nächste Woche kommt ein Herr Nayto, der arbeitet bei der Firma XX und er sucht eine Wohnung für sich und seine Familie, er hat zwei Kinder, ein Kind ist drei Jahre alt und das andere Kind ist gerade sechs Jahre alt geworden, müsste dann also schon zur Schule gehen. Er sucht eine Dreizimmerwohnung in der Nähe der Japanischen Schule und des Kindergartens, gute Verkehrsverbindungen und Tiefgarage im Haus. Autorin: Petra Nöckel ist Anfang 50, spricht fließend Japanisch, vermittelt Wohnungen und ist so etwas wie eine Begrüßungsdame für japanische Neudüsseldorfer. O-Ton Petra Nöckel: 9.20 Da ich nun schon einige Jahre in diesem Bereich tätig bin, sprechen die Firmen mich an. Meistens bekomme ich einen Anruf von einer Dame oder einem Herrn aus der Personalabteilung, dann wird mir mitgeteilt, wer, wann nach Düsseldorf kommt und was er sucht - quasi ein Suchprofil. Wenn er eintrifft, hole ich ihn ab, meistens am Hotel, zeig ihm dann unsere wunderschöne Stadt und dann die Wohnungen. Autorin: Sie ist die einzige deutsche Immobilienfachfrau in der Stadt, die fließend Japanisch spricht. Gelernt hat sie das in Tokio. Da war sie Anfang zwanzig, wurde von ihrem Arbeitgeber in die japanische Hauptstadt geschickt. O-Ton Petra Nöckel: 18 5.15 plus 5.55 Ohne die Sprache hätte ich dort schlecht überleben können, zumindest vor dreißig Jahren, da haben wenige Leute Englisch gesprochen, ... Ich kannte niemanden als ich da hinkam. Atmo: 18 10.25 plus 18.01 Klingeln, Telefonat dann Kreuzblende Wasserkocher Autorin: Sie verliebte sich dort, kam aber doch wieder zurück. Ihre Tochter Lisa hat einen japanischen Vater. Das Mädchen ist inzwischen 27 Jahre alt, hat Japanologie studiert und teilt mit ihrer Mutter die Begeisterung für die Sprache und die Kultur des Landes. Mit ihrem Hund sprechen die Frauen Japanisch, sagt Petra Nöckel während sie Tee aufgießt. O-Ton Petra Nöckel: Das ist japanischer, grüner Tee. Japanischer Tee ist nicht fermentiert und soll sehr gesund sein. Autorin: Sie schüttet das heiße Wasser in eine bauchige Teekanne und erzählt von einer asiatischen Frucht: Yuzu - klein, rund, sehr gesund, sehe aus wie eine Mandarine, nur die Schale sei schrumpeliger. Daraus macht man in Japan ein Heißgetränk, wenn man krank ist. So wie hierzulande heiße Zitrone, wenn man erkältet ist. Eine wunderbare Frucht, schwärmt die Immobilien- Maklerin. Und dann ist sie wieder ganze bei ihren Geschäften. Wieder ein Anruf. Atmo: 18 10.25 Telefon Autorin: Etwa vierzig Japanern hat Petra Nöckel in diesem Jahr bislang eine Unterkunft in der Stadt vermittelt. Obwohl sich die japanischen Unternehmen, die ihre Mitarbeiter nach Deutschland schicken auch in Leverkusen oder Köln niedergelassen haben, will die Mehrzahl der Japaner in Düsseldorf leben. O-Ton Petra Nöckel: Oberkassel, Niederkassel, Lorrick. Linksrheinisch Autorin: In diesen Stadtteilen, die ganz nah beieinander liegen, leben die meisten Japaner mit ihren Familien - in ruhigen Straßen, in Reihenhäusern mit gepflegten Vorgärten. Seit den Siebziger Jahren gibt es in Niederkassel auch die Japanische Schule. Petra Nöckel hat nur selten mit den Ehefrauen der japanischen Geschäftsleute zu tun, sagt sie. O-Ton Petra Nöckel: Die Männer kommen nach Düsseldorf, kommen nur zwecks Wohnungssuche, fliegen dann wieder nach Japan, einen Monat später kommen sie zurück und bringen dann meistens auch schon die ganze Familie mit. Wenn japanische Geschäftsmänner, alleine ohne Familie nach Düsseldorf kommen, dann möchten Sie lieber mitten in der Stadt wohnen. Rund um die Immermann- straße ist alles was das japanische Herz braucht. Aber mit Familie ist es natürlich bedeutend schöner und praktischer in der Nahe der Japanischen Schule zu wohnen. Autorin: Altbauwohnungen finden die meisten ihrer japanischen Kunden weder praktisch noch schön, sagt Petra Nöckel. Genau das Gegenteil zu den deutschen Klienten. O-Ton Petra Nöckel: 17.40 Meistens sind erst einmal die Japaner verblüfft, weil unsere Wohnungen nicht so ausgestattet sind wie in Japan oder Amerika. Der Normalfall bei unseren Wohnungen ist: keine Einbauküche, keine Lampen, eine nackte Wohnung sozusagen, keine Gardinen - nur die Wohnung. Und dann, was auch noch verblüffend ist für Japaner, die hier her kommen, dass im Badezimmer auf dem Fußboden kein Abfluss ist. Japaner haben eine andere Badekultur als wir Deutschen. Die Japaner gehen nämlich nur in die Badewanne um ihren Körper zu erwärmen, um sich wohl zu fühlen. Sie waschen sich außerhalb der Badewanne. Sie waschen sich bevor sie ins Bad steigen und dann legen sie sich in die Badewanne, gehen noch einmal raus, schrubben sich richtig, entnehmen der Badewanne Wasser, meistens mit einem kleinen Töpfchen und schütten sich damit ab. Deshalb sagen sie, wo ist denn hier der Abfluss? Wie soll man denn hier baden? Musik 1: Pizzicato Five: Chicken Curry Sprecher: Zurück zu " Monster", dem japanischen Manga, das in Düsseldorf spielt. Eines Tages widersetzt sich der junge, japanische Arzt Kenzo Tenma seinem Chef und zukünftigen Schwiegervater Dr. Heinemann. O-Ton Frau Takagi: 27.22 Dr. Heinemann will Sie sprechen. Hallo? Ah lieber Tenma, ich verlasse mich auf Sie! Aber ich stehe gerade vor einer anderen OP, die...Das überlassen Sie mal Dr. Becker! Was? Hier im OP liegt ein Junge, bei dem eine Kugel im linken Partiallappen sitzt. Es ist sehr kompliziert aber ich weiß, dass ich es schaffen kann. Sprecher: Die Hans Eisler Klinik aus dem japanischen Comic gibt es in Wirklichkeit überhaupt nicht in Düsseldorf. Die Zeichnungen zeigen einen schlichten Bau, bestehend aus zwei Blöcken, die im Winkel zueinander stehen. O-Ton Petra Nöckel: 20 0.22 Der Eingang würde mich ein bisschen ans EVK erinnern, das evangelische Krankenhaus. Alles drum herum kenne ich nicht. Comicmusik: Kurz hochziehen & weg V. COMICS UND DÜSSELDORF Autorin: Yuri Takagi ist 45 Jahre alt und in Hamburg geboren. Dort haben ihre Eltern damals für einen Kurierservice gearbeitet. Mit Import und Export kannten sie sich also schon gut aus, als sie Anfang der 70er Jahre nach Düsseldorf zogen und eine japanische Buchhandlung eröffneten. Inzwischen gibt es drei japanische Buchläden in Düsseldorf. O-Ton Yuri Takagi: 16 1.50 1.00 Meine Eltern hatten ihr Geschäft auf der Immermannstraße. Autorin: Yuri Takagi gehört zu den wenigen Japanern in Deutschland, die hier ihren ersten Wohnsitz angemeldet haben. In einer Parallelstraße zur Immermannstraße verkauft sie Reiseführer, Lehrbücher und vor allem Manga - japanische Comics. Die Helden haben spitze Gesichter, zumeist übergroße Augen und kantig geschnittene Frisuren. O-Ton Yurie Takagi: 8.22 Momentan sehr populär ist die Serie....Black Butler. Es geht da um einen Jungen, der seine Eltern verloren hat aber aus sehr gutem Hause kommt. Er hat einen Butler mit dem er einen Pakt geschlossen hat. Er hat Kräfte, die ein normaler Mensch nicht hat. Autorin: In Japan ist bereits der zehnte Band erschienen, in Deutschland wurde kürzlich der dritte Band veröffentlicht. Aber es sind nicht nur Phantasiewelten, in die man bei Frau Takagi eintauchen kann. O-Ton Yurie (Julije) Takagi: 7.00 Es gibt Biographien für Kinder, die im Mangastil gezeichnet sind in japanischer Sprache. Es gibt Geschichtsbücher im Mangastil. Das hat es mir als Kind immer ein bisschen einfacher gemacht, Abläufe zu verstehen. Autorin: Zwei Teenager, Jungen mit langen blonden Haaren stehen jetzt an der Kasse, der eine hat eine japanische Grammatik unterm Arm, der andere verlangt die Originalfassung eines japanischen Gedichtbandes. "Das Interesse junger Leute an unserer Sprache ist groß", sagt Yurie Takagi, die Popularität japanischer Mangakultur ist ein Grund dafür. Atmo: 16 21.00 im Geschäft Autorin: Und manchmal verkleiden sich die Leser wie die Figuren in den Bildergeschichten. Cosplay heißt das Phänomen. Und Cosplayer lieben Düsseldorf, wo sonst fühlt es sich in einer deutschen Stadt trotz Nachkriegswürfelarchitektur so nach Japan an. Jedes Jahr am zweiten Juniwochenende wird die Immermannstraße zu einer Wandermeile außerirdischer Gestalten, als sei ein Raumschiff hinter dem Hauptbahnhof gelandet. Dann ist in Düsseldorf Japantag, und alle erdenklichen, ins echte Leben gesprungenen Mangafiguren tanzen vom Bahnhof über die Immermannstraße zum Rheinufer. Frau Takagi lächelt und zieht ein Taschenbuch aus dem Regal. O-Ton Yurie Takagi: 14.00 Das ist der Manga Black Butler. Das ist der Butler Sebastian. Und dann verkleiden sich die Leute wie er, haben die Frisur so wie er. Oder wie Siel, das ist der kleine Junge, dem der Butler gehört. Und dann kommen die Cosplayer und haben hier auch die Augenklappe und entsprechende Jacken und Stiefel. Wirklich sehr gut. MUSIK 4: Titel: Durch den Monsum Interpret: Tokio Hotel Komponist: Verlag: LC-Nr.: Musik 1 Pizzicato Five: Chicken Curry kurz hochziehen als Erkennung, dass jetzt wieder eine Teil aus "Monster" kommt... O-Ton Frau Takagi: 28.15 Bei Ihnen lief es wohl erfolgreich? Ja, und bei Ihnen? Oberbürgermeister Roddecker ist tot. Das tut mir leid, sehr leid. Ausgerechnet Sie! Sie haben uns im Stich gelassen. Ich musste diesen Jungen retten! Sprecher: Kenzo Tenma, der Held im Manga Monster hat den Befehl seines Chefs verweigert und statt dem Oberbürgermeister einem kleinen Jungen namens Johann das Leben gerettet. Denn für Tenma gibt es kein wertvolles oder wertloses Leben, der Mensch der Hilfe braucht, bekommt sie, davon ist der Chirurg aus Japan überzeugt. Sein Alleingang hat Folgen. Seine Dienste finden ab sofort in der Notaufnahme statt. Sein Chef lässt ihn fallen. Die schöne Eva löst die Verlobung. Musik 1 Kurz einblenden, dann in nächste Atmo ziehen & weg V. UNTERWEGS IN NIEDERKASSEL Atmo: 19 6.15 plus 8.27 Autotür zu, Kinderstimmen. Autorin: Das "EKO-Haus der Japanischen Kultur" steht im Düsseldorfer Stadtteil Niederkassel - ein Kulturzentrum mit integriertem buddhistischem Tempel, Teeraum, Gartenanlagen, Ausstellungs- räumen, einer Bibliothek und seit April 1999 auch einem integrativen Kindergarten. Die Immobilienmaklerin Petra Nöckel steht am Eingang zur Gartenanlage, sie dreht sich um 180 Grad und blickt zur Wohnanlage direkt gegenüber. O-Ton Petra Nöckel: 19 6.20 Diese Siedlung dort ist von einer japanischen Baufirma gebaut worden. Wenn man sie so betrachtet diese Häuschen dann sieht das Ganze irgendwie amerikanisch aus. Autorin: Schon oft hat sie in den Reihenhäusern, die an amerikanische Vorstädte erinnern, Wohnungen vermittelt. Etwa 90 Prozent der Anlage ist von Japanern bewohnt, erklärt Frau Nöckel. Dann geht sie durch das hölzerne Tor mit geschwungenem Dach, rechts der Tempel, davor eine hügelige Rasenlandschaft mit akkurat geschnittenen Bäumen. Eine schlichte Brücke ebenfalls aus Holz führt über einen künstlich angelegten Teich. O-Ton Petra Nöckel: 9.22 Besonders wenn man hier in diesen Tempelgarten spazieren geht, dann fühlt man sich schon sehr nach Japan katapultiert. Autorin: Auf einem Hügel stützen vier Holzpfeiler ein aufwendig verziertes Dach. Die Dachseiten sind nach außen gebogen wie eine Sprungschanze. So wuchtig wie das Dach ist, wirkt es viel zu schwer für die schlichten Holzpfeiler. O-Ton Petra Nöckel: 19 11.00 Und inmitten dieses offenen Gebäudes sehen Sie eine große Glocke, die sogenannte Kane. Dieser Holzstamm der waagerecht zur Glocke befestigt ist, mit diesem Holzstamm kann man die Glocke schlagen. Die hört sich ganz dumpf an. Und in der Silvesternacht kommen Japaner aber es sind auch sehr sehr viele Deutsche dabei, hierher, um diese Glocke zu schlagen. Jeder darf einmal die Glocke schlagen. Und die Glocke soll 108 Mal geschlagen werden, weil wir 108 schlechte Seiten in uns haben und 108 schlechte Dinge wahrscheinlich in dem Vorjahr gemacht haben und die sollen mit diesen Glockenschlägen uns verziehen werden. Autorin: Am Eingang zum Tempel ein Schild: Besichtigung täglich zwischen dreizehn und siebzehn Uhr. Noch ist es früh am Vormittag. Wir dürfen trotzdem rein, nicht in den Tempel aber in die Teeräume. Die Straßenschuhe müssen vor den traditionellen Räumen ausgezogen werden. Dann geht es einen schmalen Gang entlang, die Räume, die rechts davon liegen können durch Schiebetüren geöffnet werden. Atmo: 19 17.33 Tür wird aufgeschoben, Schritte, Schuhe aus O-Ton Petra Nöckel: 18.20 Mein Zimmer in Japan sah auch so aus. Man hat auf dem Fußboden Tatamis, ganz fein. Autorin: Teppiche aus feinem Stroh. Der Blick geht durch eine Fensterfront direkt in den Tempelgarten O-Ton Petra Nöckel: 19.04 Man hat diesen wunderschönen Blick auf den Teich, im dem sich mit Sicherheit auch ein paar Kois befinden. Autorin: Kostbare japanische Karpfenzüchtungen in hellem orange. In der Mitte des Zimmers steht ein flacher Tisch. O-Ton Petra Nöckel: 19.38 Hier werden Teezeremonien veranstaltet, eine Teezeremonie ist ja etwas ganz Besonderes, da gibt es einen XX, einen Lehrer, wörtlich heißt es der, der vor uns geboren ist, der mehr weiß, mehr Erfahrung hat. Mit ihm macht man die Teezeremonie und da ist jede Bewegung vorbestimmt. Das ist gar nicht so einfach. (lacht) Autorin: Der moderne Japaner lebt nicht mehr so - weder in Tokio, Osaka noch in Düsseldorf, sagt Petra Nöckel. Die Lebensweise, der Wohnstil vieler Japaner ist amerikanisch geworden. Atmo: Im Garten Autorin: Draußen im Garten setzt sich Petra Nöckel auf eine Bank und blinzelt in die Herbstsonne. O-Ton Petra Nöckel: 19 24.00 Ich würde nicht sagen, dass Japaner die in Düsseldorf leben Migranten sind. Sie werden von ihren Firmen hierher geschickt. Sie wissen, dass der Zeitraum, in dem sie hier leben werden sehr begrenzt ist. ... Die meisten Japaner die hier leben, haben gar kein Interesse die Sprache hier zu lernen sich wirklich zu integrieren. Die Kinder besuchen den japanischen Kindergarten, die japanische Schule. Es gibt japanische Restaurants, japanische Supermärkte, man kann hier wie in Japan leben. Autorin: Das Interesse Deutsch zu lernen, sei bei den meisten Japanern, die sie kenne, nicht sehr ausgeprägt. O-Ton Petra Nöckel: 26.20 ... Sie sprechen so etwas wie Survival-Deutsch, um die Dinge des täglichen Bedarfs einkaufen zu können. ... Die meisten Frauen sprechen kein Deutsch. Sie können nur Guten Tag und Auf Wiedersehen und mehr nicht. Autorin: Sie sind schließlich Migranten auf Zeit. Und sie fallen nicht negativ auf. O-Ton Petra Nöckel: 29.30 plus 27.35 Es gibt z.B. bei der Polizei ganz selten mal einen Vorfall mit einem Japaner. Nur mal bei einem Autounfall. Da bin ich als Dolmetscherin auch schon einmal geholt worden. Die Japaner kommen uns Deutschen immer sehr verschlossen vor, aber wenn man Zugang hat, so wie ich durch die Sprache, sind sie gar nicht verschlossen. Wenn man beispielsweise abends essen geht, hat man nach kürzester Zeit die lustigsten Gespräche. Autorin: In Asien sagt man, dass die Japaner die Preußen Asiens seien. Fleißig, sorgfältig, pünktlich. Düsseldorf gilt in Deutschland bei vielen als die Schickimicki-Metropole schlechthin, als eine Stadt, in der man zeigt, was man hat. Unterstatement, so heißt es, kennen die Düsseldorfer nicht. Aber wie passt das zu den doch so zurückhaltend erscheinenden Japanern in der Stadt? Auch Japaner würden Statussymbole lieben. Da passen sie mit den Düsseldorfern gut zusammen, sagt Petra Nöckel lächelnd. O-Ton Petra Nöckel: 32.15 Die Japaner legen sehr, sehr großen Wert auf Garderobe. Und auf der Königsallee werden sie auch mit Sicherheit einen hohen Prozentsatz an Japanern antreffen. Autorin: Trotzdem: Nicht wegen der Mentalität, sondern aus wirtschaftlichen Gründen haben sich die Japaner Düsseldorf als Stadt ausgesucht. Mit den Düsseldorfern und den Japanern ist es möglicherweise wie in manch langer Ehe: Man hat sich aneinander gewöhnt. MUSIK 5: Titel: Flux (Album: A weekend in the city) Interpret: Block Party Komponist: Verlag: LC-Nr. VI. IM HOTEL NIKKO Atmo: 25.05 plus 26 Lobby Hotel Nikko Autorin: Kenichi Kato sitzt in der Lobby des Hotels Nikko auf der Immermannstraße. Es ist fünf Uhr am Nachmittag. Herr Kato hat schwarzen Tee bestellt. Er schämt sich für sein schlechtes Deutsch, schließlich lebt er seit über dreißig Jahren in Düsseldorf, sagt er. Nach einer Weile hat man sich hineingehört in seine holprigen Sätze. O-Ton Herr Kenichi Kato: 25 2.34 plus 19.12 Und brauchte man gutes Restaurant um die Geschäftspartner zu bewirten. Dafür wurde unser Restaurant gebaut. Autorin: Der knapp 60-Jährige erzählt vom Restaurant Nippon Kan, übersetzt Japan-Haus, dem ersten japanischen Restaurant in Düsseldorf überhaupt. 1964 wurde es eröffnet auf der Immermannstraße. Kenichi Kato arbeitete dort seit Mitte der 70er Jahre, zunächst als Küchenmeister, später jahrelang als Geschäftsführer des traditionellen Restaurants. Er erzählt von Tatami-Teppichen und Serviererinnen, die Kimonos trugen. Im Nippon Kan hat die Tochter der Immobilienmaklerin Petra Nöckel ihre ersten Schritte gemacht. Seit Januar ist es geschlossen. Kenichi Kato musste seine Gaststätte schließen. Der Umsatz stimmte nicht mehr, sagt Herr Kato. Andere behaupten, er hätte Ärger mit der Steuer bekommen. Wie auch immer. Die Japaner in Düsseldorf, sagt der Gastronom, werden immer jünger, wollen nicht mehr viel Geld für einen Restaurantbesuch ausgeben und bevorzugen inzwischen amerikanisiertes Sushi. O-Ton Herr Kenichi Kato: 25 13.30 California Roll, das ist typisch amerikanisches Sushi Autorin: Rollen gefüllt mit Avocado und Fischrogen, die Außenseiten in Sesam gerollt - das habe es früher nicht gegeben, erklärt Kenichi Kato. Jetzt könne man Sushi sogar im Supermarkt kaufen, ob in Tokio, Los Angeles oder Düsseldorf. Einem Sushimeister drehe sich beim Gedanken daran der Magen um. Aber die jungen Leute sind zufrieden, klagt Herr Kato. Er ist nicht mehr glücklich in Düsseldorf. Wahrscheinlich wird er gemeinsam mit seiner Ehefrau zurück nach Japan gehen. Dort will er alt werden. Er hat Heimweh nach Japan. Atmo: 25 19.16 Kaffeetasse Autorin: Er wohnte bereits drei Jahre in Düsseldorf als das Hotel Nikko, in dessen Lobby er jetzt Tee trinkt, gebaut wurde. Ursprünglich war es ein japanisches Hotel. Das traditionell- japanische Restaurant mit seinen mit Tatami ausgelegten Sèparèes gibt es im Nikko immer noch. Doch die Atmosphäre, die einst auch in der Lobby herrschte, die suche man heute vergebens. Herr Kato trinkt seinen Tee aus, schlüpft in seinen Mantel und verlässt das Hotel. Am Ausgang steht ein junger Mann mit Kochmütze hinter einem Tisch und bietet Herrn Kato Fingerfood an. Sushi ist nicht dabei. MUSIK 6: ????????: ??????????? (?????) raus bei 40/50s MOTIV MONSTER III am Hafen Musik 1: Pizzicato Five: Chicken Curry Sprecher: Kenzo Tenma, der junge Arzt im Comic Monster, der alles richtig machen wollte, fühlt sich gedemütigt. Er ist wütend auf seinen Chef. O-Ton Frau Takagi: 29.27 Nein, unsere höchste Pflicht ist es Menschenleben zu retten. ... Ich habe richtig gehandelt. Ich und eine problematische Persönlichkeit! Und er, nennt sich Arzt und ist nur scharf auf Geld und Ansehen. Am liebsten würde ich ihn umbringen! Sprecher: Jahre später. Ein anderer Fall wartet auf Dr. Tenma. Er führt ihn eines Nachts an einen schäbigen, ja gruseligen Ort in Düsseldorf. O-Ton Petra Nöckel: 20 3.20 Das gab es in den 90er Jahren. Aber jetzt? Das könnte im Hafen gewesen sein. O-Ton Frau Takagi: 31.20 Schön Sie wieder zu sehen, Doktor. Ich bin es. Wie? Vor neun Jahren haben Sie mir das Leben gerettet, Doktor. Haben Sie uns Zwillinge etwa schon vergessen? Johann. Johann? Ja, ich bin es. Musik: hochziehen Blende in die Schlussmusik ENDE SPRECHER: "Manga, Yuzu und Hotel Nikko - Japantown in Düsseldorf". Sie hörten eine Deutschlandrundfahrt mit Mandy Schielke. Ton: Ralf Perz Regie: Roswitha Graf Redaktion: Margarete Wohlan Eine Produktion von Deutschlandradio Kultur 2010. 1 1