Deutschlandradio Kultur, Zeitfragen 18. März 2013, 19.30 Uhr Wenn alle Brünnlein fließen - Die Sicherheit des deutschen Wassers Von Susanne Harmsen Musik: "Wenn alle Brünnlein" bis "muss man trinken" O-Ton (Chorus, Peßner) Es ist im Grunde beeindruckend, wie gut wir die Trinkwasserqualität in Deutschland, trotz unserer hohen Besiedlungsdichte hinbekommen. Und die Anzahl der Überschreitungen fließen ja beim Umweltbundesamt zusammen und da sehen wir, dass wir kaum je Überschreitungen haben, weniger als ein Prozent. - Wir fordern eben als Forum für sauberes Wasser, dass diese Zwangsvergiftung aus dem Messing mit Blei, mit Kupfer aufhört, weil das eine 100 Prozent vermeidbare Vergiftung ist. Musik: "Da unten im Tale fließt ein Bächlein so trüb" Spr. vom Dienst Wenn alle Brünnlein fließen - Die Sicherheit des deutschen Wassers. Eine Sendung von Susanne Harmsen. Atmo: fließendes Wasser Sprecherin: Wasser - das ist unser Lebensmittel Nummer eins, selbst unser täglich Brot wird damit gebacken. Zwei Liter am Tag soll ein Erwachsener trinken, das sind in 60 Jahren 43.800 Liter Wasser. Da können auch kleinste Mengen schädlicher Stoffe, wenn sie regelmäßig aufgenommen werden, krank machen. Um so reiner muss dieses Nahrungsmittel sein. Sprecher: Wenn wir den Hahn aufdrehen, denken wir kaum darüber nach, wo es herkommt. Aber ursprünglich kommt es natürlich nicht aus der Leitung, sondern es fällt wahrhaftig vom Himmel, als Regen. Dann versickert es im Boden, fließt in Flüsse und Seen, wird von der Sonne verdunstet und erscheint erneut als Regenwolke am Himmel. Ein natürlicher Kreislauf, aus dem wir unser Trinkwasser schöpfen und in den wir unser Abwasser einleiten. In einem Kreislauf geht nichts verloren. Leider auch keine Krankheitserreger, Gifte oder Abfälle aus Industrie, Verkehr und Landwirtschaft. O-Ton (Weigert) Wir haben eine sehr wirksame Barriere vom Oberflächenwasser zum Grundwasser, das ist der Boden. Sprecher: Erklärt Bodo Weigert, Sprecher des Kompetenzzentrums Wasser in Berlin: O-Ton (Weigert) Da passieren auch noch biologische Aktivitäten und Absorptionseffekte, so dass also da im Grundwasser derzeit keine oder nur in sehr geringen Spuren solche Stoffe nachgewiesen werden. Die bei der Wasseraufbereitung dann sich verdünnen und dann damit im Trinkwasser nicht mehr auftauchen. Sprecherin: Doch der Boden kann nicht alles zurückhalten. In den letzten Jahren machen besonders Medikamentenreste Schlagzeilen, die Wasserlebewesen bereits schädigen. Laut Umfragen kippt die Hälfte der Bundesbürger nichtverbrauchte Medikamente in den Ausguss oder wirft sie einfach in die Mülltonne. Eine EU-Richtlinie von 2004 verlangt, dass Kunden alte Medikamente kostenlos in Apotheken zurückgeben können und sie von dort aus korrekt entsorgt werden. Das gab es in Deutschland auf freiwilliger Basis schon, ist aber seit 2009 mit der neuen Verpackungsverordnung zusammengebrochen. Die Bundesregierung muss handeln, fordert der Bundesgeschäftsführer der deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch: O-Ton (Resch) Das ist ein Anachronismus in der Umweltpolitik und wir meinen einfach, dass in Deutschland die EU-Vorschrift der Einrichtung eines eigenständigen Sammelsystems endlich umgesetzt werden muss und dass die pharmazeutische Industrie, diejenigen, die also Medikamente herstellen, die Kosten für die Einrichtung eines solchen Systems übernehmen müssen. D.h., so wie früher sollte man dann in allen Apotheken seine Altmedikamente beim Kauf von neuen abgeben können. Das wäre ein wunderbarer geschlossener Kreislauf. Sprecher: Über hundert Substanzen darunter Schmerzmittel, Arznei gegen Epilepsie, Hormone und Antibiotika schwimmen heute schon in Flüssen und Seen, im Grundwasser und in Spuren manchmal sogar im Trinkwasser. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen warnte schon 2007 davor, dass daraus zunehmende Antibiotikaresistenzen von Keimen resultieren können, dass Krankheitserreger also durch Gewöhnung gegen Medikamente immun werden. Natürlich ist nicht zu vermeiden, dass Kranke nach der Einnahme Medikamentenreste ausscheiden, die durch die Toilette gespült werden und im Abwasser landen. Deshalb testet das Kompetenzzentrum Wasser Methoden, wie künftig mit einer zusätzlichen Reinigungsstufe auch Arzneirückstände im Klärwerk entfernt werden könnten. Sprecherin: Erstaunlicherweise führen gerade starke Regenfälle schon heute gelegentlich zu Trinkwasserproblemen. Zuviel Regen spült nämlich den angesammelten Unrat in die Gewässer und lässt die Kanalisation überlaufen, dann finden die Wasserwerke Bakterien in ihren Proben. So mussten erst 2011 einige Hunderttausend Berliner aufgerufen werden, ihr Wasser abzukochen. Wenigstens werden solche Gefährdungen fast immer rechtzeitig erkannt dank der engmaschigen Kontrollen. Noch vor einhundert Jahren war das Trinkwasser vor allem in großen Städten Quelle von Epidemien durch Typhus-, Cholera- oder Ruhrerreger. Diese Zeiten sind dank moderner Wasserwirtschaft vorbei, doch für den Direktor des Instituts für Hygiene und Öffentliche Gesundheit am Bonner Uniklinikum sind damit nicht alle gefährlichen Mikroben aus dem Trinkwasser verbannt. Professor Martin Exner: O-Ton (Exner) Wir haben eine Reihe von epidemiologischen und mikrobiologischen Untersuchungen in den letzten zwei, drei Jahrzehnten durchgeführt, auch international. Und dabei wurde deutlich, dass es sehr wohl Zusammenhänge gibt zu weiteren Erkrankungen durch Krankheitserreger, die eine sehr, sehr niedrige Infektionsdosis haben. Dabei zählen zu solchen Erkrankungen sowohl virale als auch parasitäre Erkrankungen, zum Teil auch bakterielle Erkrankungen, die jetzt mit entsprechenden Verfahren zusätzlich mit ergänzt werden müssen in unserem Überwachungskonzept. Sprecherin: Die Verdächtigen heißen Noro- oder Rotaviren, Kryptosporidien und Giardien. Sie alle führen zu Magen-Darmerkrankungen, relativ schnell überstanden für gesunde Erwachsene, gefährlich für Säuglinge und Kleinkinder und andere mit einem geschwächten Immunsystem. Allein im letzten Winter gab es deutschlandweit zwei Millionen Noroviruskranke, deren Erreger auch wieder ins Wasser wanderten. Diese Erreger werden noch nicht routinemäßig überwacht. Das Umweltbundesamt hat gerade einen anderen Keim in die Trinkwasserverordnung aufgenommen, Abteilungsleiterin Ingrid Chorus: O-Ton (Chorus) Wir wissen, dass wir durch Legionellen rund 4000 Todesfälle in Deutschland haben pro Jahr, und 20 bis 30 000 Erkrankte. Die sind nicht alle durch Trinkwasser, zum Teil sind die auch durch klimaanlagenähnliche Systeme verursacht. Aber es ist eine hohe Zahl, die ist ähnlich hoch, wie die Zahl der Verkehrstoten. Und das Dramatische daran ist, wir können das komplett vermeiden, wenn wir die technischen Systeme im Griff behalten. Sprecherin: In einer Gesellschaft mit immer mehr alten Menschen, mit Krebspatienten und Immungeschwächten wird der Kreis der Gefährdeten immer größer. Sprecher: Fahren wir nach Aachen, mit rund 250.000 Einwohnern die westlichste Großstadt der Bundesrepublik. Ihr Wasser kommt fast ausschließlich aus Talsperren, also direkt von der Oberfläche. So ist es bei dreißig Prozent des deutschen Trinkwassers. Der natürliche Filtereffekt des Bodens fehlt hier. Im Umkreis Aachens sollen sechs verschiedene Wasserschutzgebiete, zum Beispiel entlang der Talsperren, Verunreinigungen vermeiden. Das Rohwasser wird in fünf Wasseraufbereitungsanlagen behandelt, bevor es in die Aachener Haushalte fließt. Dennoch gab es in der Vergangenheit dabei Probleme mit Keimen. Atmo: Pumpen Wasserwerk Sprecherin: Vor acht Jahren ließ deshalb das Wasserwerk Roetgen eine Ultralfiltrationsanlage einbauen. 500.000 Verbraucher erhalten seitdem sauberes Trinkwasser ohne Keimbelastung. Walter Dautzenberg, Geschäftsführer der Wasseraufbereitung Nordeifel, erklärt das neue Filtersystem: O-Ton (Dautzenberg) Das sind Membranen, also dünne Kunststoff-Platten, die wie ein Sieb funktionieren, wo man sehr feine Poren hat, die dermaßen fein sind, dass alle störenden Wasserinhaltsstoffe sicher zurückgehalten werden können. Unsere Anlage hat netto 20 Millionen ? gekostet. Eben für diese Wassermenge von ca. 6000 m³ pro Stunde. Also schon eine sehr sehr große Anlage. Da wir uns auf diese Maßnahme sehr lange vorbereitet haben und Pilotversuche gefahren haben, um für uns die optimale Membran zu finden, sind wir recht gut gestartet und müssen sagen, nach acht Jahren sind wir voll zufrieden mit der Technik. Sprecherin: Deshalb plant die WAG Nordeifel auch im zweiten Wasserwerk künftig die neue Filtertechnik einzubauen. Eine große Investition, die die Kunden mittragen, sagt Geschäftsführer Walter Dautzenberg: O-Ton (Dautzenberg) Wir haben natürlich damals, beim Neubau der Anlage, sehr intensiv auch beworben die Anlage. Und haben im Wesentlichen gute Rückmeldung bekommen von Kunden, die sich eben über diesen Zuwachs an Sicherheit positiv geäußert haben. Es gab keinerlei Proteste gegen die daraus resultierende Wasser Preiserhöhung von etwa zehn Cent pro Kubikmeter. Sprecherin: Bei durchschnittlichem Verbrauch kostet die höhere Sicherheit pro Wassernutzer also fünf Euro im Jahr. Mineralwasser zu kaufen, bietet übrigens keine höhere Sicherheit. Stiftung Warentest und Ökotest fanden auch in Flaschenwässern Keime oder Schwermetallbelastungen und sie unterliegen nicht den Grenzwerten der Trinkwasserverordnung. Musikbrücke Ravel: Wassermusik Sprecher: Die Weltgesundheitsorganisation plädiert dafür, nicht mehr nur auf das Endprodukt Trinkwasser zu schauen, und in immer aufwändigeren Verfahren seine Sauberkeit herzustellen, sondern schon an der Quelle zu beginnen, beim sogenannten Rohwasser. In Nordrhein-Westfalen wurde jetzt das Programm "Reine Ruhr" begonnen, das über die nächsten Jahre mit 180 Millionen Euro Investitionen für einen sauberen Fluss sorgen soll. Der Direktor des Hygieneinstituts von der Uni Bonn berät dabei. Professor Martin Exner: O-Ton (Exner) So geht man in der Trinkwasserhygiene jetzt davon aus, dass man sich angucken muss, woher gewinnen wir unser Trinkwasser? Wie verändert sich beispielsweise auch im Einzugsgebiet die Nutzung? Gibt es plötzlich große Geflügelfarmen? Gibt es Belastungen durch Industrie? Und dann die Frage was kann ich z.B. zum Schutz des Einzugsgebietes machen? Haben wir Trinkwasser-Schutzzonen? Sind die gut gesichert? Sprecherin: Viel besser sollten es da die zwei Drittel aller Wasserversorger haben, die aus tiefem Grundwasser schöpfen können. Ihr Wasser floss manchmal jahrelang durch viele Bodenschichten. Ein natürlicher Filter, der Keimen keine Chance lässt. Allerdings löst das Wasser bei seiner Reise durch Gesteine auch Stoffe heraus. Das können wertvolle Mineralien sein wie Magnesium oder Kalzium, aber auch giftige, wie zum Beispiel Uran. Seit 2004 gibt es EU-weit Bestrebungen solche Belastungen zu finden. Ingrid Chorus vom Umweltbundesamt: O-Ton (Chorus) Uran ist stark nierentoxisch und zwar nicht im Sinne der Radiotoxizität, das wird häufig in der öffentlichen Wahrnehmung verwechselt, man hört Uran und denkt um Himmels willen: Radioaktivität. Noch deutlich unter der Schwelle, wo die Radioaktivität gefährlich werden könnte, ist es einfach ein starkes Nierengift. Sprecher: Das Bundesamt für Strahlenschutz veröffentlichte 2008 deutschlandweite Messergebnisse, vor allem von Brunnen großer Wasserversorger, aber auch gezielt von Brunnen in Gegenden, wo aufgrund des Gesteins mit einer Uranbelastung zu rechnen war. 150 von 8000 Proben wiesen Uran auf und zwar in einer Konzentration deutlich über dem empfohlenen Richtwert von 10 Mikrogramm pro Liter. 1 Mikrogramm ist ein Tausendstel Gramm. Eine Million Menschen in Deutschland haben mehr Uran in ihrem Trinkwasser als die 10 Mikrogramm, die seit 2011 gesetzlicher Grenzwert sind, so berechnete es der Geologe Geerd Smidt im gleichen Jahr. Denn die zuständigen Gesundheitsämter können mit Ausnahmegenehmigungen den Wasserwerken jahrelang Zeit einräumen, ehe sie die Grenzwerte einhalten müssen. Sprecherin: Einige Wasserversorger reagierten sofort. Im oberfränkischen Hirschaid, wo das Wasser 30 bis 40 Mikrogramm Uran enthielt, ging schon 2007 die erste Anionenfilteranlage in Deutschland in Betrieb, seitdem ist dort Uran praktisch nicht mehr messbar. 150.000 Euro kosteten die Halle und die Filteranlage. Dafür können 4000 Anwohner nahe Bamberg wieder beruhigt ihr Wasser trinken. Die Entsorgung der Filter übernimmt ein Zweig der Wismut GmbH, die auch die Sanierung in den ehemaligen Uranbergbaugebieten der DDR betreibt. Jens Utermann vom Umweltbundesamt: O-Ton (Utermann) Aus Sicht der Gefahrenabwehr ist es natürlich einfach zwingend, dass der derzeit geltende Grenzwert für Trinkwasser von zehn Mikrogramm Uran je Liter eingehalten wird, deswegen müssen die Wasserwerke, die höhere Urangehalte haben, dies mit den zur Verfügung stehenden Techniken auch einhalten. Sprecher: Für die Menschen im Südharz gilt das derzeit nicht. Das zuständige Gesundheitsamt des Landkreises Mansfeld-Südharz Sangerhausen erteilte Ausnahmegenehmigungen, mit denen zum Beispiel in Allstedt bis 2014 auch das Doppelte, also 20 Mikrogramm Uran erlaubt sind. Wegen Bürgerprotesten gibt es nun wenigstens für Säuglinge und Kleinkinder abgefülltes uranarmes Wasser auf Antrag. Für Schwangere nicht, obwohl Uran schon im Mutterleib die gesunde Entwicklung gefährden kann. Für andere Orte, wie zum Beispiel Sangerhausen, mischt der "Trinkwasserzweckverband Südharz" aus verschiedenen Brunnen, um so ganz knapp den gesetzlichen Grenzwert einzuhalten. Die "Bürgeraktion gegen uranbelastetes Trinkwasser" versucht seit Jahren vergeblich, für 60.000 betroffene Kunden verlässliche Messergebnisse und Gespräche mit dem Verband zu bekommen. Die Bürger dürfen zwar zahlen, aber nicht mitreden bei ihrer Wasserqualität. 20.000 Unterschriften sammelten die Aktiven, weil sie der Meinung sind, dass die Belastung gesundheitsgefährdend hoch ist. Laut Untersuchung des Chemieprofessors Albrecht Schott verstärken sich die chemische und radioaktive Wirkung von Uran, besonders bei niedrigen Dosen. Auf eine Petition an den Bundestag gab es keine Antwort, allenfalls von der Opposition. Die grüne Bundestagsabgeordnete Cornelia Behm: O-Ton (Behm) Es hat ja lange gedauert, bis sich die Bundesregierung entschlossen hat, überhaupt einen Trinkwasser-Grenzwert für Uran einzuführen. Man hat sich dann auf zehn Mikrogramm pro Liter Wasser geeinigt. Interessanterweise, für Mineralwässer gibt es immer noch keinen Grenzwert. Und jetzt denke ich, ist es an der Zeit, dass man auch für Böden bzw. das, was man auf den Boden tut, nämlich Düngemittel, einen Grenzwert für Uran in Kraft setzt. Problematisch sind insbesondere eben Phosphatdüngemittel. Die Bundesregierung sieht bisher kein Handlungsbedarf. Ich halte es für dringend erforderlich, schon aus Vorsorgegründen, um das Trinkwasser zu schützen, dass man diesen Grenzwert unbedingt einführt. Sprecherin: Die Messungen des Bundesamtes für Strahlenschutz brachten nämlich auch dort Uranbelastungen ans Licht, wo von den Gesteinsschichten her nicht damit zu rechnen war. Zum Beispiel in Norddeutschland, wo intensiv Landwirtschaft betrieben wird. Inzwischen ist klar, dass dieses Uran größtenteils erst von Menschen in den Boden gebracht wurde und zwar beim Düngen. Jens Utermann, Bodenschützer vom Umweltbundesamt: O-Ton (Utermann) Die mineralischen Phosphordünger haben erst einmal natürlicherweise mehr oder weniger viel Uran. Es gibt Schätzungen, die sagen, dass wir in den letzten 60 Jahren bis zu 14.000 Tonnen Uran auf die deutschen Äcker über die Phosphatdüngung appliziert haben. Und heute sind es immer noch in der Größenordnung zwischen einhundert und zweihundert Tonnen pro Jahr. Aus Sicht des vorsorgenden Boden- und Grundwasserschutzes geht eigentlich kein Weg vorbei, dass wir diese einzige signifikante Quelle des Uraneintrages in der Fläche abstellen, spricht das Uran aus den Phosphatdüngern, soweit es technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar ist, herausholen. Sprecher: Während also in Gegenden, die natürlicherweise mit Uran im Trinkwasser kämpfen, noch nicht für alle Bürger die Grenzwerte eingehalten werden, wird deutschlandweit zusätzlich Uran verteilt. Da in Norddeutschland das Grundwasser meist dicht unter der Oberfläche fließt, ist es an verschiedenen Orten, zum Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern, schon im Trinkwasser angekommen. Laut Landesgesundheitsamt halten die großen Wasserwerke, die mehr als 5000 Menschen versorgen, inzwischen den Grenzwert ein. Das geschah durch Brunnenschließungen, wie bei Rostock oder auch durch Wassermischungen. Bei kleineren Brunnen gibt es immer noch Ausnahmen, die ihren Kunden mehr Uran zumuten. Das Umweltbundesamt fordert deshalb zunächst eine Kennzeichnung des Urangehalts von Dünger, damit Landwirte und Gärtner wissen, was sie da verteilen. Sprecher: Langfristig müsse das Uran aus dem Dünger vorab entfernt werden, damit kein weiteres in den Boden kommt. Doch die Bundesregierung sieht keinen Handlungsbedarf und verweist nur auf die EU, da Dünger schließlich international gehandelt wird. Für das ebenfalls giftige Cadmium hat Deutschland die Kennzeichnung im Alleingang umgesetzt. Grünenabgeordnete Cornelia Behm: O-Ton (Behm) Wenn man eine Möglichkeit hat, eine weitere Kontamination von Böden und Grundwasser zu vermeiden, dann sollte man es tun. Es gibt die technischen Möglichkeiten, es ist also keine Frage der Machbarkeit, es ist nur eine Frage der Kosten. Und ich denke, um die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen, ist es wichtig, das der Industrie abzuverlangen. Sprecherin: Weder vom Landwirtschaftsministerium, zuständig für den Boden, noch vom Gesundheitsminsterium, zuständig für das Trinkwasser, bekam Deutschlandradio ein Interview zu diesem Thema. Auch das Bundesinstitut für Risikobewertung lehnte ab. Musikbrücke: Schubert: Forellenquintett Atmo Forumstreffen Sprecher: Inzwischen gibt es Gegenwehr aus der Bevölkerung. In Parchim, einer Kreisstadt in Mecklenburg-Vorpommern treffen sich etwa einmal im Monat rund 100 Mitstreiter im Forum für sauberes Wasser. Sie sorgen sich nicht nur um Uran sondern auch um andere giftige Schwermetalle. Diese haben nämlich die Eigenschaft, sich im Körper anzusammeln, vor allem in den inneren Organen und den Knochen, bis irreparable Schäden entstehen. Am Anfang der Bürgerinitiative stand ein Hausschaf, dass 2011 plötzlich an Nierenversagen starb. Das alarmierte die Allgemeinmedizinerin Renate Peßner: O-Ton (Peßner) Ich wurde stutzig, und ich fand dann auch bei meinen Patienten in der alternativen Umwelt-Medizin, die ich praktiziere, ständig Kupfer und Blei. Obwohl sich alle biologisch ernähren reicht es eben nicht, weil vom Wasserwerk bzw. über Messingarmaturen trotzdem so viel drin ist, dass wir uns nicht mehr gesund halten können und deswegen sind wir aktiv geworden und haben vor einem Jahr dieses Forum für sauberes Wasser gegründet. Mit einer eigenen Homepage und versuchen jetzt, mehr Leute mit ins Boot zu holen und aufzuklären. Sprecherin: Etliche von ihnen haben schon selbst erfahren, wie ihre Gesundheit unter Schwermetallen im Wasser leidet. Die damals 56jährige Christel Maas bekam 2010 Probleme mit dem rechten Auge: O-Ton (Maas) Also da war in meinem Sichtfeld so ein dunkler Balken und dann bin ich halt zum Augenarzt gegangen und der hat eine gründliche Untersuchung gemacht. Und hat das eben als Sehnerventzündung diagnostiziert. Hat mich sofort nach Schwerin in die Augenklinik verwiesen, als Notfall. Er hat gesagt, dass kann viele Ursachen haben. Es kann ein Hirntumor sein, es kann MS sein, und da war ich natürlich erst einmal fix und fertig. Dann habe ich aber tief Luft geholt und gedacht: Erst mal zu Frau Dr. Peßner und gucken lassen. Dann hat sie bei mir Blei festgestellt, also ziemlich angereichert auch. Und ich bin dann nach Schwerin gefahren und es wurde ein MRT gemacht und der Befund hat sich Gott sei Dank nicht bestätigt, es war kein Tumor. Sprecherin: Die Umweltmedizinerin behandelte sie gegen die Bleibelastung, was zu einer baldigen und bis heute anhaltenden Besserung führte, zur Überraschung des Augenarztes: O-Ton (Maas) Ich konnte dann schon immer besser sehen, dass wollte der Arzt erst gar nicht glauben. Er hatte dann auch eine Untersuchung gemacht und das hatte sich auch alles verbessert. Und dann hat er mich halt gehen lassen und gesagt, ich solle nach einer gewissen Zeit wieder kommen. Ich glaube, es hat drei Wochen gedauert, da konnte ich komplett wieder sehen. Genau wie vorher. Und dadurch hatte sich auch bestätigt, dass Blei die Ursache war. Sprecherin: In einer Veröffentlichichung der Weltgesundheitsorganisation aus dem Jahr 1992 werden Schwermetalle wie Blei als eine Ursache für Demenzerkrankungen benannt. Ingrid Chorus vom Umweltbundesamt: O-Ton (Chorus) Blei ist ein Nervengift und es gibt Studien, die zeigen, dass Bleibelastungen die Aufmerksamkeit von Schulkindern beeinträchtigt, Lernstörungen hervorruft, Konzentrationsstörungen, feinmotorische Fähigkeiten weniger ausgeprägt sind. Das ist eigentlich auch schon sehr lange bekannt, das Land Baden-Württemberg hat schon im 19. Jahrhundert Bleileitungen verboten. Sprecher: Nach einer jahrelangen Übergangsfrist sinkt darum ab Dezember dieses Jahres endlich der gesetzliche Bleigrenzwert im Trinkwasser von 25 auf 10 Mikrogramm je Liter. Doch auch andere Schwermetalle machen krank, wie die zehnjährige Tochter von Martina Zacharias aus dem nahen Domsühl erleben musste: O-Ton (Zacharias) Unser Problem war, dass meine Tochter im letzten Frühjahr einen langanhaltenden trockenen Husten hatte, wir haben alles Mögliche ausprobiert, aber nichts half. Und wir waren echt ratlos. Wir haben uns dann in die Praxis von der Umweltmedizinerin Frau Dr. Peßner begeben, und sie hat diagnostiziert, dass dieser Reizhusten auf eine erhöhte Kupfer-Belastung zurückzuführen ist. Und insbesondere bei Kindern ist es ja so, dass sie bezogen auf ihr Körpergewicht eine größere Menge an Flüssigkeit aufnehmen und insofern mit den Schadstoffen im Wasser viel schlechter zurechtkommen. Sprecherin: In allen Fällen waren die Werte des Wasserwerks völlig in Ordnung, die Herkunft der Schwermetalle nicht nachzuvollziehen. Mitglieder des Forums schickten nun Wasserproben aus ihren Küchen und Bädern an ein geprüftes Labor. Dort fanden sich hohe Blei- und Kupferbelastungen im Trinkwasser, obwohl das Parchimer Wasserwerk gerade erst seinen Brunnen auf 200 Meter Tiefe ausbauen ließ und nun alle Grenzwerte einhält, wie der Leiter versicherte. Er stimmte sogar einem Labortest zu. Renate Peßner: O-Ton (Peßner) Jedenfalls war er dann bereit, zwei Parallel-Analysen zu bezahlen. Er hat die Probe aus dem Brunnen genommen, und ich habe eine Wasserprobe bei mir zu Hause genommen. Und das Ergebnis war Folgendes: Der Wert für Blei 0,9 Mikrogramm und bei mir kommen konkret 2,7 Mikrogramm Blei an, nach dem zweiten Absperrventil. Kupfer waren neun Mikrogramm im Brunnen, auch ein Wert von dem man träumen kann, und ich habe 370 Mikrogramm Kupfer nach dem zweiten Absperrventil. Und da wird man natürlich wütend, aber auf unsere Forderung, das aus Gusseisen zu machen oder da zurückzugehen, ist bisher niemand ernsthaft eingegangen. Sprecher: Der Test machte deutlich, dass gutes Trinkwasser vom Wasserwerk bis zum Haus geliefert wird und dann beim Passieren der Absperrventile und Wasseruhren ein Vielfaches an Kupfer- und Bleibelastungen mitbekommt. Die Werte waren nicht hoch genug, um das Wasserwerk zum Auswechseln der Armaturen zu verpflichten. Martina Zacharias: O-Ton (Zacharias) Für mich erschütternd ist eigentlich, dass man denkt, dass der Staat mit seinen Behörden und Gesetzen und Verordnungen, dass der seine Bürger eben vor Gesundheitsschäden schützt. Und ich feststellen musste, dass das im Bereich der Wasser-Installation eben nicht der Fall ist. Das betrifft dann eben nicht nur die Wasseruhren, sondern eben auch das Material, aus dem Rohrleitungen installiert werden. Dafür gab es bislang überhaupt keine Vorschriften, dass es eben beispielsweise Todesfälle bei Kindern gab aufgrund des Materials Kupfer in den Wasserrohren. Sprecherin: Diese traurige Tatsache beschreibt die Dissertation von Jochen Kittel am Uniklinikum München aus dem Jahr 2006. In den 1980er Jahren starben deutschlandweit mindestens 19 Babys an Kupfervergiftungen, die zu Leberzirrhose führte. Ursache waren Kupferrohre oder Boiler. Einige erkrankte Kinder überlebten, zum Teil nach Lebertransplantationen. Tatsächlich kennt das Umweltbundesamt das Problem mit den Armaturen seit Jahren. Jedoch erst seit Dezember 2012 hat das Umweltbundesamt das Recht, den Herstellern von Rohren und Armaturen Vorgaben zu machen. Ingrid Chorus: O-Ton (Chorus) Bis jetzt haben wir das auch getan, das waren aber freiwillige Leitlinien, und wir werden jetzt sukzessive diese Leitlinien in Bewertungsgrundlagen nach der neuen Regelung in der Trinkwasserverordnung auch überführen. Und zwei Jahre nach der Veröffentlichung solcher Bewertungsgrundlagen ist es dann auch verpflichtend, dass Produkte, die vermarktet werden, diesen Kriterien entsprechen. Sprecher: Nicht alle wollen darauf warten. Engagierte Bürger haben es heute schon erreicht, dass auch die Grenzwerte in ihrer Küche stimmen. Antje Schirrmeister lebt in Strausberg, einer kleinen Stadt in Brandenburg. Sie war misstrauisch und ließ ihr Wasser auf eigene Rechnung testen. Die Bleiwerte waren zweieinhalb mal so hoch wie erlaubt und auch die Kupferwerte erhöht. Mit den Laborergebnissen, die sie 720 Euro kosteten, ging sie zum ihrem Wasserwerk. Das testete selbst, fand die Ergebnisse bestätigt und brauchte ein halbes Jahr, um das Problem zu finden und zu beseitigen. Antje Schirrmeister: O-Ton (Schirrmeister) Also auch das Wasserwerk war überrascht, ich war im Prinzip total der erste Fall, der damit ankam. Ich denke auch, dass das Wasserwerk sehr selten Proben in den Häusern nimmt. Sie haben sich Mühe gegeben, auch die Zwischenbrunnen beprobt, wo es eingetragen werden könnte. Sie haben auch halt Kosten gehabt, indem sie die Wasseruhr gewechselt haben, und dann diese Zwischenkupplung gewechselt haben. Ich denke auch, wir haben ein Wasserwerk, was nicht die schlechtesten Materialien, die auf dem Markt sind verwendet. Da bin ich ziemlich überzeugt. Meiner Meinung nach müssen wir das an andere Stellen adressieren, das Problem. Musik Forellenquintett Sprecherin: Das deutsche Trinkwasser ist unser bestkontrolliertes Lebensmittel, zumindest in den Wasserwerken. Klar ist, dass bei diesen Kontrollen auch Grenzwertüberschreitungen festgestellt werden, für die schnell Abhilfe gefunden werden muss. Auch wenn dies nur ein Prozent der Proben betrifft, bekommen hunderttausende Bürger dann kein einwandfreies Wasser aus dem Hahn. Gegen die Belastungen aus den Armaturen hilft es vorerst, das Wasser vor Gebrauch etwas ablaufen zu lassen, besonders wenn es länger in den Leitungen gestanden hat. Auf Dauer aber müssen auch zwischen Straße und Wasserhahn Materialien eingesetzt werden, die ein Qualitätsprodukt nicht kurz vor dem Verbrauch wieder belasten. Für die Zukunft gilt es, alle schädlichen Stoffe fernzuhalten. Wasser durchströmt Landschaft, Lebewesen und Boden und so bleibt auch seine Reinhaltung eine ständige Herausforderung. Jürgen Resch von der deutschen Umwelthilfe: O-Ton (Resch) Brunnenvergifter wurden früher mit sehr hohen Strafen belegt, ich finde zu Recht. Ich möchte auch weiterhin für meine Kinder diese Empfehlung aussprechen können, dass man mit großer Begeisterung dieses tolle deutsche Trinkwasser zu sich nehmen kann. Und das sollte halt einfach sauber bleiben. Sprecher vom Dienst Wenn alle Brünnlein fließen - Die Sicherheit des deutschen Wassers. Eine Sendung von Susanne Harmsen Es sprachen: Nina West und Markus Hoffmann Ton: Peter Seifert Regie: Beate Ziegs Redaktion: Martin Hartwig Produktion: Deutschlandradio Kultur 2013 1