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Atmo 4 Baggerabrissarbeiten Sprecher Ironie der Geschichte: Der gebürtige Mecklenburger Hochleistungssportler Richard Nowakowski, der in seiner Karriere als Boxer fast alle Titel geholt hat, die zu holen waren, reißt heute mit seiner Abrissfirma die Sporthalle nieder, in der er als junger Mann trainiert hat. Er riecht in den Räumen noch die Arbeit, den Schweiß, der literweise geflossen ist. Man merkt, dass er nicht gern Gefühle zugeben möchte, aber ein wenig Wehmut ist schon dabei. Atmo 5 Baggerabrissarbeiten Take 4 Straßenatmo mit Domglocke 15 sec Dirk Schäfer packt Requisiten aus und stimmt Gitarre. Ziemlich kalt heute. Wie viel Grad sind es heute. Minus zehn! Hätt ich nicht gedacht. Ich dachte, es wär ein bisschen wärmer jetzt in der Sonne, die kommt gleich rum. Zehn Grad minus! Sprecher Gegen die Kälte hat sich der Straßenmusiker sehr dick eingepackt. Wattejacke, Filzstiefel und auf dem Kopf eine Pelzmütze. Nur die Finger sind den strengen Temperaturen ausgesetzt. Dirk Schäfer steht oft an der Schmiedestraße Ecke Mecklenburger Straße in Schwerin. Für sein Konzert packt er die nötigen Requisiten auf einen Verteilerkasten an einem Hauseingang. Take 5 Dirk Schäfer auf der Straße 33 sec Früher war der Kasten noch ein bisschen glatter, da konnte man seine Gießkanne noch drauf stellen. Jetzt rutscht sie manchmal runter und macht Krach und da beschweren sich die Gäste, die Leute, was das hier wieder für ein Krach ist. Nur wer arbeitet weiß, dass Arbeit Geräusche macht. Musik ist ja auch Arbeit und macht eben auch nur ein Geräusch. Man versucht ja nur seine Brötchen zu verdienen. Stimmt weiter seine Gitarre. Sprecher Und das wird ihm von den Mitarbeitern des Ordnungsamtes schwer gemacht, aber der Musikant hat die Sympathien vieler Schweriner und sie stellen sich manchmal aus Solidarität zu ihm. Dirk Schäfer lässt sich auch nicht mehr so leicht verjagen wie 1982, als er aus dem Schweriner Sportverein "Traktor" flog, nur weil er in einer anderen Gewichtsklasse kämpfen wollte, als es den Funktionären Recht war. Eine scheinbare Kleinigkeit, aber die Entscheidungsträger duldeten keinen Widerspruch, und der DDR Meister 1980 im Bantamgewicht war draußen. Anders verhielten sich die Funktionäre des Schweriner Sportclubs bei Grit Breuer, der nach ihrem Dopingskandal 1992 eine "letzte Chance" eingeräumt wurde. Die Sportlerin nutzte diese Gelegenheit und setzte ihre Karriere unter dem Trainer Thomas Springstein, der später ihr Lebenspartner wurde, fort. Aber ihre Medaillen haben sie letztlich nicht glücklich gemacht. Die Dopingskandale haben ihre Erfolge relativiert. Als Kämpfernatur hat sie gelernt, Niederlagen wegzustecken. Heute versucht sie, als Golfkoordinatorin im Hotel Neptun in Warnemünde mit ihrer neuen Situation klarzukommen. Atmo 6 Meer Atmos 7 Möwen Musik 1 Dezente Musik in der Lobby (Lautsprecher) Atmo 8 Hotellobby Take 6 Grit Breuer 21 sec Ich bin jetzt in einer ganz anderen Rubrik. In der Golfbranche. Hätt ich im Leben mir früher nie erträumen lassen, dass ich mal Golfkoordinatorin werde. Ich konnte mir vorher nicht vorstellen, Golf zu spielen. Ich fand den Sport...Ist das überhaupt Sport? Und ist das nicht zu elitär? Und macht das überhaupt Spaß? Sprecher Grit Breuers Arbeitsplatz ist in der Lobby des Hotels. Ein kleiner Schreibtisch mit einem Flachbildschirm und einem Golffähnchen. Die athletische Figur von einst ist verschwunden. Der kraftvoll wirkende Laufstil - Ihr Markenzeichen - Vergangenheit. Im Ausschnitt ihres roten Pullovers blinkt manchmal eine schmale goldene Kette, die an eine Medaille erinnert. Hinter der Glasscheibe der Lobby ist es schön anzusehen, wenn draußen die Schneeflocken über den Strand fegen. In ihrem Leben nach dem Leistungssport arbeitete sie zuerst als Fitness-Coach im Zweischichtbetrieb - Gruppen- und Einzeltraining mit Gästen. Jetzt hat sie es zur Golfkoordinatorin gebracht - auch eine kleine Karriere. Dass ihr diese Arbeit Spaß macht, nimmt man ihr gerne ab. Take 7 Grit Breuer 19 sec Ich wurde echt eines Besseren belehrt. Das ist ein ganz toller Sport, ein toller Ausgleich auch zum Berufsalltag und man bewegt sich an der frischen Luft. Atmo 7 Straßenatmo Sprecher Dirk Schäfer arbeitet ebenfalls an der frischen Luft. Er hat seine sieben Sachen für sein Straßenkonzert um sich verteilt. Die Kanne mit Kakao griffbereit zur Rechten, das Tamburin auf dem Pflaster wird mit dem Fuß bedient. Und vor sich der Gitarrenkasten mit der Schale für die Münzen. Zuletzt legt er einen Stein neben sich. Take 8 Dirk Schäfer auf der Straße 60 sec Das ist ein Stein, der, wenn ich das irgendwann sagen kann, mir vom Herzen gefallen ist. Bis sich das auf dem Planeten so eingerichtet hat, dass wir wieder in Harmonie leben. Wär ja schön, wenn wir das auch noch erleben könnten. Irgendwas hab ich noch vergessen. Das spielt eigentlich auch noch mit. Ein Rhythmuscomputer, der auf Handschaltung funktioniert. Klappert mit dem Gerät. Musik ist ja auch nur Arbeit. Komischerweise lass ich ja nicht jeden so dicht an mich heran. Da bin ich ein bisschen vorsichtig geworden. Das lernst du auch hier auf der Straße. Atmo 9 Boxkampf Schläge Take 9 Richard Nowakowski 33 sec Ich war ja schon 1974 bis 1982 immer in der Spitze gewesen. In der DDR hab ich nie einen Kampf verloren. Und zu internationalen Wettkämpfen: Ich bin zwei Mal Europameister gewesen, Dritter der Europameisterschaften in Köln, Dritter der Weltmeisterschaften in München, dann Dritter der Olympiade in Moskau, Zweiter der Olympiade 1976 in Montreal, also ich hab sehr viele internationale Medaillen, auch fast alle großen internationalen Turniere gewonnen. Sprecher Richard Nowakowski führt heute ein gut gehendes Abrissunternehmen. Sein Büro ist klein und bescheiden: ein Tisch mit Computer, zwei Stühle, ein Aktenschrank. Schwere Bohrgeräte im Flur. Take 10 Richard Nowakowski sec Jetzt hab ich Erfolg im Unternehmen, in meiner unternehmerischen Tätigkeit. Ja, LKW, Bagger, Radlader und Brecher und Leute, mit den Leuten umgehen können, dass alles funktioniert, Organisation. Ich bin ein guter Organisator, und das muss man sein, wenn man so selbständig ist. Sprecher Richard Nowakowski, rank und schlank sitzt vor dem Computer und erzählt aus seinem Leben. Die vom Boxen malträtierten Hände liegen ruhig im Schoß. Sie lassen ahnen, dass er im Ring sehr ungemütlich werden konnte. Blickt man in seine blaugrauen Augen, dann weiß man, dass er nie den Wettkampf im Ring mit dem Leben verwechseln wird. Take 11 Richard Nowakowski 64 sec An für sich gab es ganz wenig Kämpfe, die ich verloren hab. Ich hab von meinen 300 Kämpfen hab ich 27 verloren. Zwei unentschieden und alles andere gewonnen. Von den gewonnenen Kämpfen waren ungefähr achtzig Vorzeitige, die ich dann durch Abbruch gewonnen habe. Ich komm vom SC Traktor Schwerin. Traktor, das ist Landwirtschaft, das sind Bauern, das ist Agrarbezirk gewesen und da war das Geld natürlich nicht da. Und wir sind natürlich nicht so entlohnt wurden, wie Leute, die beim ASK geboxt haben. So wie Wolke, oder nachher Henry Maske, die hatten ihre Dienstgrade oben drauf auf ihrer Schulter und haben entsprechend gutes Geld verdient. Nicht das ich die materiellen Dinge im Vordergrund gesehen habe, aber nach dem Sport geht das Leben ja weiter. Take 12 Dirk Schäfer auf der Straße 14 sec Okay, machen wir Blues. Man sagt ja, im Blues soll viel Wahres drin stecken, aber Bares auch. Klimpert auf seiner Gitarre. Sprecher Auf die Idee, auszubrechen und Straßenmusikant zu werden, kam Dirk Schäfer, Nowakowskis ehemaliger Clubkamerad, nach seinem Rausschmiss aus dem Boxverein. Er wusste damals nicht mehr, wie es in seinem Leben weitergehen sollte. Er wollte Federgewicht boxen, weil sein Gewicht dem entsprach. Die Funktionäre wollten, dass er im Bantamgewicht antritt. Dirk Schäfer wusste, wer in der DDR einmal draußen war, blieb es für immer. Da waren die Genossen nachtragend. Er blieb stur und er war draußen. Der erste Schock in seinem Leben. Atmo 10 Dirk Schäfer beginnt einen Blues Mecklenburger lautstark: Du sollst Deutsch lernen. Mann! Verstehst du das! ...wenn du Deutsch gelernt hast. Schäfer: Ein gesundes Neues Jahr trotzdem. Take 13 Dirk Schäfer im Wohnwagen 65 sec Die haben einfach gesagt, wenn du deinen Dickkopf da hast und nicht im Bantamgewicht boxt, ich wollte dann ins Federgewicht, dann ist es vorbei, bis morgen hast du Bedenkzeit. Dann bin ich nach Hause gefahren, mich auf die Waage gestellt, der Vater sagt, nix ist, du hast hier 118 Pfund, du boxt Federgewicht. Okay. Sprecher Heute hat Dirk Schäfer ein paar Pfunde zugelegt, dennoch ist er drahtig und zäh wie damals. Er weiß, wie er auch unter bescheidenen Umständen seine Kondition halten kann. Der Musikant hat seine dicken Sachen abgelegt, und sein schütteres blondes Haar kommt zum Vorschein. Im eingeschneiten Wohnwagen, seinem Zuhause ohne Dusche und WC, wird es wohlig warm. Auf einem kleinen Gaskocher bereitet er einen Tee. Bei Kerzenlicht, der einzigen Lichtquelle im Wagen, erinnert er sich an das Ende einer Sportlerkarriere. Take 14 Dirk Schäfer im Wohnwagen 12 sec Ich saß draußen auf der Bank wo die Trainingshalle da ist. Es war glaub ich im Sommer, es war noch warm draußen, man konnte draußen sitzen und guckte mir die Sonne an, die über den Gärten unterging und überlegte: Wenn du das machst, was du vorhast, dann ist es aus, vorbei. Dann bist du hier weg. Take 15 Dirk Schäfer auf der Straße klimpert 17 sec Gießt sich Kakao ein. Da müssen wir mal loslegen. Viel ist da noch nicht drin im Teller, da werden wir noch nicht satt von. Ein gesundes Neues Jahr Ladies und Gentlemen. Er beginnt zu spielen. Atmo 11 Meereswellen und Atmo 12 Möwen Blende in Atmo 13 Hotelfoyer und Musik 1 Dezente Barmusik später rein darüber Take 16 Grit Breuer 51 sec Ja, der erste, erste ganz große Erfolg war 1990, ich bin bei den Erwachsenen mit damals 18 Jahren Europameisterin geworden. Auch mit einer Zeit unter 50 Sekunden. Und das war natürlich für mich ganz persönlich mein ganz großer Durchbruch, mein Ziel, auch diese Zeit zu erreichen und damit noch zu gewinnen, das war ganz, ganz doll. Also, ich konnte auch gar nicht so gut verlieren, weil ich im Jugendbereich alles gewonnen habe. Für mich war das normal mit 18 Europameisterin zu werden. Für mich war das normal zu gewinnen und wenn ich dann mal Zweite wurde, dann war ich sehr enttäuscht. Dann hab ich teilweise auch geweint, och Mann, das nächste Mal muss ich wieder Erste werden. Ich hatte da einen wirklich sehr, sehr starken Ehrgeiz, muss ich schon sagen. Sprecher Ohne Ehrgeiz kein Erfolg, das galt auch für die beiden Boxer. Take 17 Richard Nowakowski 15 sec Dann platzte der Knoten, da bin ich DDR-Spartakiade-Sieger geworden. Dann sind durch meinen Ehrgeiz und meinen Kampfeswillen sind dann viele andere auf mich aufmerksam geworden, Bezirkstrainer und so. Dann haben die mich gefördert, und dann ging es steil bergauf. Take 18 Dirk Schäfer im Wohnwagen 10 sec Die größeren Sachen waren 1980 der DDR Meistertitel bei den Senioren im Bantamgewicht. Und das war insofern toll für mich, weil man mir das nicht zutraute im Bantamgewicht. Take 19 Grit Breuer 12 sec Ich hab oft gefragt, warum, warum? Du hast jetzt fast alles erreicht. Du bist Europameister, Weltmeister und treibst dich jedes Jahr aufs Neue an. Gerade die letzten Jahre waren auch von gesundheitlichen Problemen geprägt. Sprecher Grit Breuer forderte von ihrem Körper zu viel und der reagierte entsprechend. Mehrmals musste sie operiert werden: Zuerst an der Achillessehne, dann an einer Bandscheibe. Tränen der Verzweiflung flossen, weil der Körper nicht mehr mitmachte. Take 20 Grit Breuer 54 sec Das ist, glaube ich, wirklich mein Kampfgeist, also mein starker Wille, es noch mal zu zeigen. Zum einen mir selber. Dann natürlich den ganz ganz vielen Fans, die ich damals hatte, wo ich ganz viel rührende Post und Anerkennung bekommen habe. Und natürlich Kritikern auch. So Leuten, die sagten, eigentlich ist sie zu klein dafür. War auch mal früher so`n Thema. So klein bin ich gar nicht mit 1,68. Sicher, wär schon schöner ein paar Zentimeter größer zu sein, nur wenn man klein ist, kann man auch schnell laufen. Sprecher Sie war die "Kleene" - auch ihr Arzt nannte sie so - die vielleicht nicht wollte, dass man zu ihr herunterschaute. Dirk Schäfer wollte werden wie sein Vater, der auch ein erfolgreicher Sportler war, und Richard Nowakowski kam aus einer kinderreichen Familie, in der nicht immer alles für alle da war. Durch den Boxsport versuchte er den bescheidenen Verhältnissen zu entrinnen. Take 21 Richard Nowakowski 30 sec Bei mir war das so, wenn ich einen Schlag abbekommen habe beim Training - es geht ja um Boxen und beim Boxen wird gehauen, oder auch schon als Kinder, auch da tut es schon weh, oder es blutet mal die Nase, da hab ich so`n, son` ... jähzornig bin ich dann halbwegs geworden. Du hast mich gehauen und jetzt musst du das zurückbekommen. So hat man versucht, sich durchzusetzen. Auch durch das viele Training, dann Laufen, da will man doch Erster sein und nicht hinterherlaufen. Und so hat man sich angestrengt, war ehrgeizig, und so hat man sich entwickelt. Sprecher Er gehörte zur Spitze in der DDR, wollte immer besser werden - und schaute doch in Richtung Westen. Take 22 Richard Nowakowski 52 sec Und 1981 war ich soweit, dass ich in den Westen gehen wollte. Da war ich in Tampere, bin Europameister geworden. Hab mich mit dem Verbandstrainer unterhalten, von den Bundesdeutschen damals und fragte den, wie es aussieht, ob er mich mitnehmen würde, ob er das tun würde. Ja, kein Problem. Was ich denn von Beruf sei? Ich sagte, ich bin Maschinen- und Anlagenmonteur, Schlosser. Sagt er, da würden wir dich schon irgendwo unterkriegen. Sprecher Doch da wurde Richard Nowakowski der Unterschied von Ost und West im Leistungssport auf einmal sehr deutlich. Take 23 Richard Nowakowski 35 sec Ach du großer Gott, da musst du ja arbeiten. Wir haben ja nicht eine Stunde gearbeitet als Spitzensportler. Wir haben nur trainiert, aber das auch sechs bis acht Stunden jeden Tag. Das war natürlich wesentlich mehr, als wenn man arbeiten gehen würde jeden Tag von der Belastung her. Aber egal. Bist Europameister geworden. Ich kam zurück nach Schwerin, bekam dann eine eigene Waffe, ich bin Jäger gewesen damals und da hab ich noch einen Trabant gekriegt dafür, den ich mir dann holen konnte für das Geld. 8000-DDR Mark, habe ich für den Europameister gekriegt. Und da hab ich mir gedacht, bleibst lieber in der DDR. Sprecher So einfach hatte es Dirk Schäfer nicht. Mit aller Kraft, aber ohne Trainer, ohne Sparringspartner, stürzte er sich in ein aussichtsloses Unterfangen - sein Comeback. Atmo 15 Straßenatmo Dirk Schäfer spielt. darüber Take 24 Dirk Schäfer im Wohnwagen 22 sec Entweder leidest du, oder sagst okay, ich kämpf noch mal auf einer anderen Ebene weiter, such mein eigenes Piratenschiff und mach noch mal einen Gegenangriff. Das hab ich versucht 1984 nach der Armeezeit für die DHFK, bin noch mal Dritter geworden, nochmal die Meisterschaft gemacht und dann die ernüchternde Mitteilung der obersten Chefs des Deutschen Boxverbands. Sprecher Trotz des Dritten Platzes bekam der Geschmähte keine Chance und es wurde einsam um ihn. Take 25 Dirk Schäfer 18 sec Da habe ich das Gefühl gehabt, da haben die ein bisschen dran gedreht und mir dann so einen Schubs gegeben, und dann war ich draußen. Hat mich natürlich gewurmt, ich war ja noch nicht in dem Alter, wo man aufhört, ich war in dem Alter wo man richtig anfängt. Musik Take 26 Richard Nowakowski 12 sec 1982 bin ich dann in die Bundesrepublik gefahren nach München zu den Weltmeisterschaften, hab da eine Bronzemedaille geholt und ich sollte in Schwerin ein Haus kriegen, ein älteres Haus irgendwo in Zippendorf. Sprecher Aber ein Funktionär der Bezirksparteileitung in Schwerin hatte schon ein Auge auf das Haus geworfen. Richard Nowakowski verlor diesen "Kampf". Take 27 Richard Nowakowski 38 sec Und nach dem Sport geht das Leben ja weiter. Und wenn man sich durch den Sport, in dem man viel gebracht hat, nicht abgesichert hat für später, dann kommt eben nichts mehr. Und dann habe ich darauf gedrungen, dieses Haus zu bekommen und dann hab ich gesagt, dann hör ich auf zu Boxen, wenn ihr mir das nicht gebt, und dann haben sich die Genossen auch nicht erpressen lassen. Dann haben die gesagt: Ja komm, wir wollen dass du aufhörst, du willst, dass du aufhörst, trennen wir uns. Und so war das für mich vorbei 1982. Mir liefen die Tränen, mit 26 wollt ich noch nicht aufhören. Ich hätte noch ein paar Jahre ran hängen können. Ja nun war`s vorbei. Take 28 Dirk Schäfer im Wohnwagen 48 sec Ich hatte ein Abitur, was eigentlich nicht viel nützt. Man hatte da ein Studium angefangen irgendwo, wo man auch nicht richtig durchkam. Dann brach man das alles ab. Ich bin in den Zoo gegangen da in Leipzig und hab mir die Tiere angeguckt für mich allein. Es war wirklich so, es fällt alles weg. Hab mir die Tiere angeguckt, Okay die sind eingesperrt, du kannst dich wenigstens noch bewegen. Jedenfalls waren da so ein paar Gedanken. Und dann war da irgendwo ein Volksfest neben dem Zoo auf einer riesengroßen Wiese, und da waren Leute, die machten Musik. Da hat man sich dazu gesetzt. Da wurde man berührt, der eine singt ein Lied und da ging die Gitarre rum, hab auch eins gespielt, das ging ganz gut. Und da hab ich mir gesagt, mach weiter so in der Richtung. Sprecher Immer öfter musiziert Dirk Schäfer auf der Straße. "Demut lernen" ist für ihn wichtig geworden. Musik Take 29 Richard Nowakowski 37 sec Das tut unheimlich weh, also wenn man nicht mehr im Fokus steht, in der Öffentlichkeit. Ja, man wird auch schnell vergessen. Erst mal, man verdient nicht mehr soviel, ist klar. Denn man kann sich das nicht mehr leisten, der Lebensstandard ist nicht mehr so wie er vorher war. Man ist nicht mehr der Nabel der Welt und das war man mal. Und dann damit fertig zu werden, das ist dann nicht so einfach. Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr, so in etwa. Sprecher Sieben Jahre - bis 1989 - hat Nowakowski dann in Schwerin als Trainer gearbeitet. Dass er selbst noch mal in den Ring steigt, daran hatte er schon gar nicht mehr gedacht. Dann kam das Gesetz, dass Verwandte 1. und 2. Grades bei Familienfeierlichkeiten im Westen besucht werden dürfen. Das war die Chance für sein Comeback. Mit seiner Frau hat er die ungewissen Aussichten besprochen. Sie hofften auf eine Familienzusammenführung, wenn er im Westen bleiben würde. Das war der Plan. Er fuhr also zum Geburtstag seiner Oma und blieb dort. Zu Hause bei seiner Frau saßen die Genossen der Staatssicherheit tagelang vergeblich auf dem Sofa. Sie sollte ihren Mann dazu bewegen, zurück zu kommen. Der fand in Frankfurt am Main einen Boxstall und startete seine Rückkehr in den Ring. Richard Nowakowski wurde 1989 Deutscher Meister der Bundesrepublik. Der Kampf fand in Westberlin statt, da stand die Mauer noch. Als sie fiel, war auch die Familie wieder vereint. Take 30 Richard Nowakowski 21 sec Dieser Bekanntheitsgrad, den man in der DDR hatte, genossen hatte, den wollte ich wieder auffrischen, auch im Westen auf mich aufmerksam machen. Wenn Sie Müller Meier sind, dann können Sie überall hinlaufen, dann passiert nichts. Wenn Sie ein guter Sportler sind und haben gute Leistungen gebracht, oh Mensch siehste und dann ist der Weg wesentlich einfacher, das Leben. Atmo 16 Boxkampf Schläge 2 Varianten Take 31 Dirk Schäfer im Wohnwagen 20 sec Wo ich da richtig am Sandsack gearbeitet habe und die Großen standen alle um mich herum, da hab ich gesagt, ich werde eines Tages Profi werden und niemand wird mich schlagen. Da haben sie alle gelacht. Ne, ich werd nie einen Kampf verlieren, so hab ich es wörtlich gesagt. Da können sich heute noch einige Leute dran erinnern. Das geht natürlich nicht, du verlierst immer. Du musst sogar verlieren. Damit du richtig gut wirst, musst du auch verlieren können. Atmo 17 Jubel im Stadion Archiv Sprecher Ans Verlieren dachte Grit Breuer, die Powerfrau aber nicht. "Gib niemals auf" diese Devise gilt für sie heute, wie damals. Take 32 Grit Breuer 41 sec Es war ja auch so, wenn man Erfolg hat, ist klar, umso mehr man Erfolg hat, um so mehr Namen man sich gemacht hat über die Jahre hinweg, um so mehr Fans hat man. Und ich bin ja über eine lange Zeit relativ erfolgreich. Ich bin schon mit 16 Jahren zu den olympischen Spielen gefahren 88 und hab dann bis 2003 immer internationale Medaillen geholt. Und das ist ja eine sehr sehr lange Zeit und da merkt man schon, dass die Fanzahl auch anwächst. Dass es richtig fanatische Fans zum Teil auch waren. Und wenn man dann ins Stadion kommt, dann hört man seinen Namen, oder man sieht ein Plakat. Oder auch die Fahnen, gerade wenn man im Ausland ist, die Deutschlandfahnen, dann ist das schon eine Motivation. Atmo 18 Jubel im Stadion 3 sec Take 35 Grit Breuer 2 sec Und dann quält man sich bis ins Ziel. Take 36 Archiv I Fernsehmoderator dann euphorisch 18 sec Ja unter die ersten drei kommen, das wär noch eine Medaille. Es wär die zehnte für das deutsche Team. Grit Breuer greift an... Sprecher Wer heute diese Aufnahmen sieht, kann sie nicht mehr ohne weiteres genießen. Es ist, als ob das Dopinggift nicht nur die Körper der Sportler, sondern auch die Bilder ihres Ruhms zerstört. Was bleibt, ist ein zwiespältiges Gefühl, wenn der Name Grit Breuer fällt. Passanten in einer Schweriner Straße geht es ganz ähnlich. Straßenumfrage Take 37 Frau Da denk ich zuerst an eine erstklassige Läuferin. Die in der Leichtathletik viel geleistet hat. Negativ fällt mir natürlich auf, dass sie in Dopingskandale verwickelt war. Im Zusammen- hang mit ihrem Trainer. Take 38 Mann Springstein, hieß der pikanterweise. Daran erinnere ich mich. Das hat alles andere überdeckt. Find ich auch schade für die Lebensleistung, die dahinter steckt. Take 39 Frau Eine erfolgreiche Sportlerin, ein nettes Mädchen und ich würd sagen, sie passt ins Leben. Take 41 Mann Zunächst frühe Erfolge zu DDR Zeiten, dann an viel Wirbel und Staub. Da ging`s doch um Doping, wie so oft, die Totschlagskeule für den ganzen Osten. Take 42 Frau (in Kölsch) Absolut keine Ahnung. Ich bin also nicht aus der Gegend hier. Ich komm aus der Kölner Ecke, keine Ahnung. Leider. Nein. Take 43 Ihr Mann (in Kölsch) Wir sind verheiratet, ich bin genau so dumm wie meine Frau. Lachen. Take 45 Mann Und dann Doping, das ist klar. Ja, ja, da war sie auch mit drin, aber mit Rehabilitation, glaube ich. Und sie ist dann nach den ganzen Aufregungen so immer noch mal aktiv geworden. Das hat sie verwunden. Sprecher Grit Brauer kennt solche Meinungen. An Richard Nowakowski und Dirk Schäfer ging das Thema Doping damals irgendwie vorbei. Sie boxten noch im alten Stil. Take 48 Richard Nowakowski 17 sec Die Halle hat gebebt, wenn ich da geboxt hab. Weil da immer was passiert ist. Ich war ja einer, der nicht nur mit Federbällen geschmissen hat. Wenn ich zugehauen hab, da ist schon viel passiert. Ich habe sehr viele Kämpfe vorzeitig gewonnen. So war das damals. Das hat mich nach vorne getrieben, der Erfolg. Sprecher Richard Nowakowski hat einen guten Schlusspunkt gefunden. Nach seinen Erfolgen in der DDR wollte er Meister von ganz Deutschland werden. Das wurde er, und dann war Feierabend. Den richtigen Zeitpunkt zum Absprung haben Grit Breuer und Thomas Springstein, wie sie selbst einräumen, verpasst. 2002 wurde Thomas Springstein zum Trainer des Jahres gewählt - das wäre die Gelegenheit gewesen, sagt Grit Breuer heute, aber damals waren sie dafür blind. Take 50 Grit Breuer 41 sec Es ist wie Zirkus gewesen, weil, man ist wirklich von Manege zu Manege gereist, gerade nach der Wende. Nach der Wende waren immer diese Meetings, von Wettkampf zu Wettkampf. Immer jede jede Woche ist ein anderes. Rom, Zürich, Berlin, Brüssel und immer so. Es waren immer dieselben Leute. Ich hätte früher aufhören sollen. Ich war in dem Zirkus zu toll drin. Atmo 20 Straßenatmo 10 sec Dirk Schäfer spielt einen Bob-Dylan Song. Darüber Sprecher Dirk Schäfer fühlt sich nicht wie ein Künstler, er ist ein Interpret, wie er sagt. Er versucht, Bob-Dylan-Lieder auf seine Weise zu singen, weil er daran Freude hat. Aber nicht jeder hört die fremde Sprache gern. Take 51 Dirk Schäfer 19 sec Du kannst so singen wie du willst. Auch wenn es anderen Leuten nicht gefällt. Das ist einfach so, manchmal bist du einfach müde, warum musst du dieses Lied genauso spielen, wie du es genauso vor zehn Jahren gesungen hast, wo es allen gefallen hat. Du probierst dich auch aus. Naja, so ganz gegen die Leute kannst du nie spielen, du möchtest ja auch, dass was reinkommt in deinen Hut. Take 52 Richard Nowakowski 18 sec Erfolg ist dann, wenn es einem gut geht. Wenn man sich viele Dinge leisten kann, die andere Leute sich nicht so leisten können. Sprecher Wo Richard Nowakowski herkommt, zählten noch die alten Tugenden: Anstand und Ehrlichkeit. Das hat er nicht vergessen. So macht der Unternehmer auch keine falschen Versprechungen und er hilft, wo er helfen kann. Sprecher Dirk Schäfer hat gelernt, ein guter Verlierer zu sein. Das Leben auf der Straße hat da sicher seinen Anteil daran. Die einst strahlende Grit Breuer, stand oben, heimste Jubel, Anerkennung, Respekt, und Begeisterung ein. Take 55 Grit Breuer 15 sec Ich konnte doch nicht aufhören, wo ich verletzt war oder wo ich keinen Erfolg hatte. Ich wollte auch immer positiv aufhören. Aber es war mir nachher nicht mehr vergönnt. Sprecher Dann kam der 28. Dezember 2005. Grit Breuer verkündet das Ende ihrer Laufbahn. Ein neuer Abschnitt beginnt für sie. Es ist ein Kaltstart mit Sorgen. Take 58 Grit Breuer 18 sec Ja auch so ein bisschen Existenzangst, nicht Existenzangst im Finanziellen sondern, was ist meine neue Lebensaufgabe? Was ist mein neues Ziel? So hatte ich immer ganz konkrete Ziele, die konnte ich schriftlich festhalten und was ist jetzt das nächste Ziel? Gerade, wenn man auch aufhört und jetzt das mit Abstand betrachtet. Definitiv, man hat alles dem Sport untergeordnet. Man hat sein Leben nur darauf eingestellt. Ich hab für den Sport gelebt mit allem, was dazu gehört. Ich hab das, was ich wollte erreicht, so dass ich mit dem wirklich im Reinen bin und sag okay, das war erfolgreich, das reicht mir. Sprecher Grit Breuer ist also mit sich im Reinen. Sie hat für den Sport gelebt und auch von ihm profitiert: eiserner Wille, unendliche Ausdauer, hartes Training, gnadenlose Disziplin und sicher auch Glück. Das kann sie gut gebrauchen. Was ihr damals half, hilft ihr sicher auch im Leben nach dem Sport. Atmo 22 Straßenatmo mit Musik Take 59 Dirk Schäfer 15 sec Es ist zwar noch ein bisschen früh für solche Songs, aber die Sonne geht gleich unter, da müssen wir uns wieder beeilen. Spielt einen Blues. Sprecher Grit Breuer, Richard Nowakowski und Dirk Schäfer sind nach ihrer aktiven Zeit als Hochleistungssportler neue Wege gegangen. Jeder hat zwar einen Platz gefunden, aber nicht immer seine Bestimmung. Grit Breuer setzt im jetzigen Leben auf die Partnerschaft mit ihrem ehemaligen Trainer, sieht in der Familie ihre Erfüllung. Richard Nowakowski weiß nicht, ob der Funktionär, mit dem er sich um das Haus stritt, noch darin wohnt. Egal, inzwischen hat der Boxer und Unternehmer ein Haus am Schweriner See. Dirk Schäfer spielt bei Minusgraden an der Straßenecke. Wenn der Schnee weg ist, im Frühling, dann geht er auf Tour. Blues kurz hoch ENDE 20