COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandrundfahrt 24.04.2010 Idylle mit Ölfeld Deutschlands einzige Bohrinsel liegt in der Nordsee Redaktion: Margarete Wohlan Autorin: Anne Demmer Jingle und Kennmusik O-Ton 1, Derek Mösche Die Mittelplate liegt ja auf einem Sandwatt, das haben wir ja nicht von ungefähr hier 1984 errichtet, sondern eben aufgrund des stabilen Untergrundes Musik hoch O-Ton 2, Daniela Preuss: Ich kann damit gut Leben zwei Wochen von zu Hause weg zu sein, das stört mich nicht. Entweder man liebt die Insel oder man hasst sie. Musik hoch O-Ton 3, Gisela Deadler: Wenn man abends guckt, dann sieht das für mich immer aus wie das Märchenschloss in Paris in dem Disneypark, weil nur die Silhouette beleuchtet ist. Musik hoch O-Ton 4, Dr. Hans-Ulrich Rösner Wir haben nie einen Zweifel daran gelassen, dass die Ölförderung nicht in einen Nationalpark gehört auch nicht in ein Weltnaturerbe, aber wir lassen uns das Weltnaturerbe auch nicht von der Ölindustrie kaputt machen. Musik hoch SpvD Idylle mit Ölfeld Deutschlands einzige Bohrinsel liegt in der Nordsee Eine Deutschlandrundfahrt mit Anne Demmer Atmo Treppen/Bohrinsel Mannschaft erklimmt die Stufen der Bohrinsel - geht auf Hintergrund Autorin: Aus dem Bauch des Versorgungsschiffs Sara Maatje VII strömen rund 40 Leute, um an Land der künstlichen Insel zu gehen. Schichtwechsel auf der Ölbohrinsel Mittelplate. Der Bohrturm ragt über 60 m hoch in den tiefblauen Himmel. Die Sonne scheint senkrecht auf das Ungetüm aus Stahl. Unzählige Rohre, dicke Muttern, weiße und blaue Container auf einer Fläche so groß wie ein Fußballfeld. Um sie herum eine Wanne aus Stahl und Beton. Gegen ihre Wände schwappt das Weltnaturerbe: Deutschlands einzige Ölbohrinsel liegt mitten im schleswig- holsteinischen Wattenmeer. Eine junge Frau mit blondem Pferdeschwanz erklimmt die steilen Stufen der Bohrinsel. Ihre beiden Hände greifen immer wieder fest ans Geländer, so wie es die Sicherheitsbestimmungen vorschreiben. Auf ihrem Rücken schultert sie einen schwarzen Seesack. Der Wind bläst ihr ins Gesicht. Daniela Preuss hat es eilig, denn ihre Schicht beginnt gleich. Im vierten Stock des Wohnbereichs will sie nur kurz ihren Seesack abwerfen. Sie betritt eine Kammer. Klein, übersichtlich, bequem, findet sie. O-Ton 5, Daniela Preuss Weil man sich um nichts kümmern muss. Das Bett wird gemacht, die Stube wird gemacht, das Essen wird gekocht. Ich find es schon recht komfortabel, es fällt halt eine ganze Menge Arbeit weg, die man sonst zu Hause hat. Autorin: Draußen an der Tür steht ihr Name. Ihr Zuhause für zwei Wochen. Ein Laptop mit Internetanschluss für den Kontakt zur Außenwelt liegt im Regal. Der ist unentbehrlich. O-Ton 6, Daniela Preuss: Die Kammer reicht völlig. Ist ausgestattet mit zwei Regalen, Schränken, für die Kleidung halt zum Teil, für Fotos oder persönliche Sachen wie auch immer. Ich habe da jetzt ein Buch liegen auch sehr spannend. So dann haben wir hier noch einen kleinen Tisch, nen Stuhl, dann eine Art Sofa, ein Fernseher und dann halt unsere Etagenbetten. Dann haben wir hier noch eine Nasszelle mit einer Toilette, einer Dusche und Waschbecken. Das hat schon ein bisschen Jugendherbergecharakter. Autorin: Ihr Reich für die wenigen Stunden Freizeit auf der Insel. Daniela Preuss dreht sich um und blickt durch ein kleines Fenster raus aufs Meer. An klaren Tagen kann sie die Skyline von Friedrichskoog erkennen. O-Ton 7, Daniela Preuss: Und wenn ich aus meinem Fenster schau, schau ich genau nach Hause. Jedenfalls grob, ich kann die Westküste sehen und das ist auch gut so. Da weiß man immer was da so los ist. Jedenfalls grob, wenn da was Extremes passiert. Das ist schon ganz schön. Es verleitet auch nicht zum Heimweh. Autorin: Insgesamt 96 Personen können auf der Mittelplate übernachten. Sie kommen aus ganz Deutschland. Viele Dienstleister und Mitarbeiter von Fremdfirmen, fahren nach getaner Arbeit zurück auf das Festland. Wohnraum auf der Bohrinsel ist knapp. Daniela Preuss teilt sich von Zeit zu Zeit ihre Kammer mit einem Kollegen, der in der Nachtschicht arbeitet. Ihre Wege kreuzen sich lediglich beim Schichtwechsel. Wenn Daniela Preuss morgens gegen 6.00 Uhr ihren Dienst antritt, zieht ihr Kollege der Nachtschicht die Vorhänge des Etagenbetts hinter sich zu. O-Ton 8, Daniela Preuss: Mir steht glaube ich eine Einzelkammer zu, aber ich find das Blödsinn. Warum soll ich da eine Sonderbehandlung kriegen, ich schlafe ja nicht mit einem in einem Bett oder so. Wir haben ja zwei Betten pro Kammer und da hat der eine sein Bett und der andere sein Bett. Ich geh da weder in ein angewärmtes Bett, noch geht da jemand in mein angewärmtes Bett. Mich stört das überhaupt nicht. Finde ich jetzt nicht so ein Drama und die Plätze sind nun mal sehr begrenzt. Und das ist nun mal das Problem der Insel. Warum soll ich da eine Extrawurst haben. Da bin ich überhaupt nicht scharf drauf. Autorin: Aber Daniela Preuss ist eine Extrawurst. Vor einem halben Jahr hat sie die Männerdomäne gesprengt. Sie ist die einzige Schichtführerin auf der Mittelplate. Frauen gibt es ansonsten nur im Service-Bereich. Allein unter Männern war sie auch während ihrer dreieinhalb jährigen Lehre als Mechatronikerin. Und dann an der Bohrmeisterschule in Celle, da war sie die einzige und erste Frau seit der Gründung 1937. Diese Ausbildung hat sie den Kollegen aus ihrem Team voraus. O-Ton 9, Daniela Preuss: Diese Erdölgeschichte fasziniert mich eigentlich viel mehr. Die Bohrinsel ist schön und gut, ist klasse macht Spaß. Aber sonst finde ich es eigentlich faszinierender mit Rohstoffen zu arbeiten, weil Erdöl ein wichtiger Rohstoff für uns ist und überall enthalten ist und das finde ich interessant. Atmo: Flur Autorin: Es ist Zeit. Ihre Schicht beginnt. Daniela Preuss nimmt drei Stufen auf einmal und stößt sich dafür immer wieder vom Geländer ab. In cremefarbenen Pantoffeln, die für den Wohnbereich vorgesehen sind, läuft sie mit zügigen Schritten durch die sterilen Flure mit Linoleumboden und grellem Neonlicht. Sie macht kurz halt im Umkleideraum für Frauen. Sechs Spinde gibt es da nur, denn mehr weibliches Personal ist ohnehin nie gleichzeitig da. Dort wechselt sie ihre Pantoffeln gegen die Sicherheitsschuhe und die Jeans gegen einen Blaumann. Atmo: Messwarte/Bohrinsel Autorin: Ihr Arbeitsplatz: Sechs Monitore und eine Tastatur mit unzähligen Knöpfen. Messwerte flimmern auf den Bildschirmen, verändern sich kontinuierlich. Sie schlägt ihre Beine übereinander, der Blaumann rutscht hoch, ein Stück Tattoo lugt vor. In einer Ecke des Raumes gibt es eine Kaffeenische. Auf der Theke, die die Monitore vom Rest des Raumes abschirmen, liegt eine BILD-Zeitung und eine große Tüte saure Drops. Daniela Preuss nimmt sich einen. Als Schichtführerin hat die 28 Jährige rund 11 Mann unter sich. O-Ton 10, Daniela Preuss: Sie machen das einem schon leicht, aber man muss schon trotzdem so ein Händchen dafür haben. Weil man auch nicht alle gleich behandeln kann. Der eine ist ein sensiblerer Typ, der andere ist eher so ein "Hau den Lukas Typ" so'n "Max Muskel" in allen Reihen und man muss dann halt versuchen die alle unter einen Hut zu kriegen und denn noch dazu, dass sie auch miteinander arbeiten. Das ist schon...also diese Personalstruktur ist auch schon ziemlich herausfordernd - zu der Anlage halt. Und das alles auf einmal, also ich bin eigentlich 12 Stunden ganz gut ausgelastet. Autorin: Die Bohrungen, Leitungen und Stationen werden von Daniela Preuss in der Messwarte überwacht und gesteuert. Jeder Mitarbeiter, auch ihre Chefs, müssen jegliche Veränderung an der Anlage bei ihr melden. Über Mobiltelefone und Funk steht sie ständig in Kontakt, um im Störfall schnell handeln zu können. Im Förderkeller macht sie Kontrollgänge und nimmt Reparaturen vor. Auf den Monitoren kann sie ablesen wie viel Tonnen Öl an diesem Tag bereits durch die Rohre geflossen sind. Sie zeigt mit dem Finger auf einen Wert, der vor ihr auf dem Bildschirm flimmert. O-Ton 11, Daniela Preuss: Im Moment liegen wir bei so bei 98 Tonnen die Stunde. Es variiert immer so ein bisschen. Die Bildschirme hier, hier kann ich die Anlage überwachen und fahren. D.h. man kann hier alle möglichen Pumpen anfahren, Schieber anfahren, Ventile regeln. Hier hat man überall den Eingriff in die Anlage. Man sieht die Drücke die vorherrschen, die Mengen, die wir fahren. Und auch wie die Einheiten geschaltet sind teilweise, ob jetzt Ventile auf sind, zu sind. Also alles, was elektronische Rückmeldung rausgibt, die bekommen wir hier. Autorin: Mit nur einem Knopfdruck könnte sie die Anlage lahm legen. Einen Anlass gab es dafür allerdings noch nicht - das wäre auch eine Katastrophe. Neben Daniela Preuss nimmt Olaf Rath auf einem Drehstuhl Platz. Zwei-Tage-Bart, in derselben blauen Arbeitskluft, darunter wölbt sich ein kleiner Bauch. Er gehört zu Daniela Preuss Team und steht ihr mit Rat und Tat zur Seite, weil sie noch neu ist. Der gelernte Maschinenbauschlosser pendelt schon seit 14 Jahren zur Insel. Auch wenn es Frauen in der Küche und im Service bereits seit mehreren Jahren gibt, im Förderbereich ist dem 42Jährigen bisher noch keine weibliche Kollegin begegnet - weder auf Augenhöhe noch als Vorgesetzte. Lange Zeit war die Insel auf Frauenbesuch gar nicht eingestellt. O-Ton 12, Olaf Rath: Da waren Vier-Bett-Zimmer teilweise. Toilette und Dusche war praktisch für die ganze Etage und da war es natürlich schon schwierig dann Frauen mit unterzubringen. Und als dann damals hier Frauen auf die Insel kamen, da ging es schon los ja gemischt Sauna oder nicht und da waren einige Frauen bei, die sich da vielleicht nicht unbedingt dran gestört hätten, aber einige, "ne das wollen wir nun gar nicht". Deswegen haben wir donnerstags die Sauna reserviert für die Frauen. Autorin: Daniela Preuss zieht ihre Mundwinkel nach unten. Frauentag hin oder her. Sauna ist nichts für sie. Die Arbeit mit den Männern findet sie jedenfalls unkompliziert. O-Ton 13, Daniela Preuss Ich bin auch froh, dass ich mit Männern zusammenarbeite, weil Frauen sind nicht so meine Welt. Frauen sind z.B. ziemlich nachtragend. So wenn man mal eine Meinungsverschiedenheit hat und vielleicht auch mal denn Sachen ausspricht, das wollen die dann nicht hören und wenn sie das dann zu hören bekommen, dann bekommt man das auch nach sieben Wochen noch aufs Brot geschmiert. Ich hab einfach kein Bock mich über Mode, Trends, Promis und Fingernägel zu unterhalten. Ne, is nicht mein Ding. Autorin: Olaf Rath grinst und mustert seine Kollegin von der Seite. Ihre Fingernägel sind kurz geschnitten. O-Ton 14, Olaf Rath: Die Umgangsform, hat sich auf jeden Fall verbessert. Es ist schon so, dass der Umgangston anders ist, wenn keine Frauen dabei sind, früher war's ja nun grundsätzlich so: Die Leute liefen manchmal fünf Tage unrasiert durch die Gegend, weil wen stört's, wir bleiben ja unter uns. Oder liefen eben in dreckigen schlabbrigen Klamotten durch die Gegend, im privaten Bereich praktisch. Alleine deswegen hat sich das schon gelohnt, dass wir Frauen an Board haben, das hat schon Verbesserungen gebracht, auf jeden Fall. Musik I Titel: Experimentierfeld Interpret: Kitty Solaris Komponist: Kitty Solaris Label: Zyx-Records LC: 06350 Atmo: Wattenmeer Autorin: Die Bohrinsel Mittelplate liegt auf dem größten Ölfeld Deutschlands, direkt vor der schleswig-holsteinischen Küste. Nur sieben Kilometer von Friedrichskoog entfernt. Benannt ist sie nach der Sandbank auf der sie thront. 65 Prozent der deutschen Ölreserven lagern hier unter dem Watt. Bei Ebbe, wenn das grünblaue, manchmal graue Wasser der Nordsee abfließt, sitzt der Koloss aus Stahl, Beton und den weißen und blauen Containern sichtbar auf dem braunen glitschigen Schlick. Ein Zwerg unter den Ölbohrinseln, von einer Wanne umgeben, ohne Stelzen. Eine Exklave mitten im Ökoparadies Wattenmeer, das erst im letzten Jahr mit seinen 10.000 verschiedenen Arten zum UNESCO-Weltnaturerbe ernannt wurde. Das höchste Lob für einen Nationalpark. Damit steht das Wattenmeer in einer Reihe mit dem Grand Canyon in den USA, dem Great Barrier Reef in Australien, der Serengeti in Tansania und den anderen insgesamt 176 Naturerbestätten. Über eine Länge von ungefähr 450 Kilometern erstreckt sich das Wattenmeer von der holländischen Stadt Den Helder im Westen über das deutsche Küstengebiet bis zum nördlich gelegenen Esbjerg in Dänemark. Michael Beverungen steht auf dem Deich in Friedrichskoog am Wattenmeer. Er ist Ranger, zu Deutsch Schutzgebietsbetreuer im Nationalpark Wattenmeer in Schleswig-Holstein. Er trägt feste Schuhe. O-Ton 15, Michael Beverungen: Schwarze Hose und ein beigefarbenes Hemd. Je nachdem, wenn es im Sommer so warm wird haben wir auch weiße Hemden. Im Winter haben wir ne grüne Jacke, die man eigentlich ganz gut erkennen kann. Da steht dann hinten auch noch: Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz hinten drauf. Autorin: Sein Blick wandert Richtung Horizont. Er holt tief Luft. O-Ton 16, Michael Beverungen: Das Besondere ist halt die Weite, dass man den Blick endlos schweifen lassen kann. Wenn man hier so über das Watt guckt, dann sieht das so aus, als wenn am Ende hinten der Horizont und der Meeresgrund sozusagen in einer Linie verschmelzen, die frische Luft natürlich auch, ja und der gute Geruch. Für mich riecht es immer nach Blasentang, das ist so der typische Meeresgeruch für mich. So der Geruch von dem Blasentang, der ja wenn das Wasser zurück geht, wenn wir Niedrigwasser haben, dann sozusagen an der Luft ist, da zersetzt sich was und das ist so ein typischer Geruch, der für mich einfach für das Meer steht. Autorin: Vor ein paar Jahren ist der gelernte Tischler aus Hamburg ans Meer gezogen. Von der Stadt hatte er genug. O-Ton 17, Michael Beverungen: Ich hab mich schon immer mit dem Wasser verbunden gefühlt. Ich bin gerne am Wasser, auch gerne auf'm Wasser. Das war eigentlich so ein Aspekt, aber ich mein manchmal ist es einfach auch so das Naheliegendste. Ich bin Norddeutscher, dann liegt das hier näher als der Berchtesgadener Nationalpark in den Alpen. Autorin: Der Ranger will Lobbyist für Mutter Erde sein, sagt er. O-Ton 18, Michael Beverungen: Naturschutz ist mir ein persönliches Anliegen. Das ist für mich schon eine wichtige Aufgabe und für mich vielleicht auch ne Lebensaufgabe. Autorin: Er läuft durch das sandige Watt Richtung Wasser. Sein Gesicht ist von der frischen Luft gerötet. O-Ton 19, Michael Beverungen: Da wo wenig Strömung ist, bildet sich dann ein Schlickwatt und da wo viel Strömung ist, da werden die feinen Sedimente weggespült, da haben wir dann das Sandwatt und da gibt es dann noch das Mischwatt, das sind so die Gebiete dazwischen und das Schlickwatt das fühlt sich dann so an als wenn man durch Vanillepudding geht und das Sandwatt ist recht fest. Da kann man eigentlich so rüber laufen, da sackt man kaum ein. Und das Mischwatt, ist wie bei allem immer so die goldene Mitte sozusagen, ist von allem was, aber auch produktiver als das Sandwatt, was jetzt die Artenvielfalt anbelangt. Autorin: Die Arbeit des Rangers ist ein Traumjob für ihn. Ebbe und Flut bestimmen seinen Alltag. Barfuß oder in Gummistiefeln stapft er mit Touristen durch das glitschige Watt. Im Frühling, Sommer und im Herbst. Im Winter eher nicht. Zählt die Vogelbestände, schaut nach Ölspuren, sieht nach dem Rechten. Den Touristen will er vor allen Dingen die Einzigartigkeit des Wattenmeers näher bringen. O-Ton 20, Michael Beverungen: Das einzigartige am Wattenmeer ist einfach, dass es das größte Zusammenhängende Wattenmeer-Gebiet auf der Erde ist, das es eine recht junge Landschaft ist, der ökologische Aspekt. Das Wattenmeer ist ja erst nach dem Ende der letzten Eiszeit entstanden. Die Ständige Veränderung, die Dynamik hier, die Naturgewalten, die hier am Wirken sind und die Artenvielfalt. Durch diese Dynamik, durch das Zusammenwirken von Süßwasser, Salzwasser von Ebbe und Flut, von Wind entstehen natürlich viele verschiedene Lebensräume. Das Wattenmeer wird von bis zu 10000 verschiedenen Pflanzen und Tierarten bewohnt, die sich diese ganzen ökologischen Nischen, die hier entstehen sozusagen zu eigen machen und dann eben auch diese Artenvielfalt entsteht. Autorin: An diesem Tag sind nur wenige Vögel über Beverungens Kopf unterwegs, auch in den Salzwiesen picken sie nicht nach Nahrung. Aber es gibt sie, beschwört er grinsend - Abermillionen. O-Ton 21, Michel Beverungen: Also hier vor unserer Küste in Dithmarschen liegt ja die Vogelinsel Trischen, die wurde 1909 schon zum Naturschutzgebiet erklärt worden. Der Verein Jordsand z.B der hat 1907 im Nordfriesischen Wattenmeer die Hallig Norderoog gekauft und auch die Hamburger Hallig z.B. ist seit den 1930er Jahren unter Naturschutz gestellt. Also der Gedanke sozusagen hier was zu tun in dem Gebiet, der ist schon älter und hat sich sozusagen über die Vogelwelt personifiziert und auch heute noch ist das ein wichtiger Aspekt. Das Wattenmeer ist für den Internationalen Vogelzug, das Nahrungsgebiet und auch unverzichtbar für die Vögel, die auf dem ostatlantischen Vogelzug unterwegs sind. Vom Süden, teilweise von Südafrika, nach Sibirien, nach Grönland, das ist hier sozusagen die Energietankstelle und wir haben ja im gesamten Wattenmeergebiet 10 bis 12 Millionen Rastvögel, die hier herkommen, um hier Nahrung aufzunehmen. Autorin: Die unendlich weiten Sandflächen des Watts wirken bei Ebbe spröde und kahl, denn das eigentliche Leben findet im Verborgenen statt. Für den Ranger ist das Wattenmeer ein Lebensraum auf den zweiten Blick. Während Elefant, Nashorn, Löwe, Leopard und Büffel in afrikanischen Nationalparks - die sogenannten Big Five - auf Anhieb beeindrucken, muss man im Watt eben ein bisschen genauer hinschauen. O-Ton 24, Michael Beverungen: Wir haben hier die Small Five. Dazu gehört die kleine Wattschnecke, dazu gehört die Herzmuschel. Dazu gehört der Wattwurm, dazu gehört die Strandkrabbe und die Nordseegarneele. Autorin: Nicht weniger spektakulär: Wattflächen und Priele, Salzwiesen, Strände und Dünen prägen die Landschaft. Von der Kegelrobbe, über den Seehund, den Schweinswal bis zur Lachmöwe macht sich unzähliges kleines Getier im Watt breit. Doch die Idylle hat einen Haken. Michael Beverungen dreht sich um und zeigt in die Richtung aus der er gekommen ist. O-Ton 25, Michael Beverungen: Wenn wir hier über den Deich kommen mit einer Gruppe und wir stehen dann erst mal auf dem Deich und genießen die Landschaft. Dann fragen sie immer "Was ist das denn für ein Schiff?". Das ist kein Schiff, das ist eben die Bohrinsel, das ist die Ölplattform Mittelplate hier. Von hier aus ungefähr sieben Kilometer entfernt vom Deich. Atmo: Wattenmeer Autorin: Für die einen sieht es aus wie ein harmloses Schiff, für die anderen ist es eine tickende Zeitbombe. Hans-Ulrich Rösner, Leiter des Wattenmeerbüros des World Wide Fund for Nature, WWF, war am Antragsprozedere für das Weltnaturerbe beteiligt. Ursprünglich ist die Mittelplate sogar Teil des Antrags gewesen, für den Umweltschützer ein Unding. O-Ton 26, Dr. Hans-Ulrich Rösner Wir haben nie einen Zweifel daran gelassen, dass die Ölförderung nicht in einen Nationalpark gehört auch nicht in ein Weltnaturerbe, aber wir lassen uns das Weltnaturerbe auch nicht von der Ölindustrie kaputt machen, deswegen waren wir ja auch so ausdrücklich dafür, dass wenn sie schon nicht sofort still zu legen ist, dass diese Ölinsel als Exklave eben aus dem Weltnaturerbe herausgenommen wird, damit der Rest des Wattenmeeres wenigstens die Anerkennung bekommen kann, die er verdient. Autorin: Die Anstrengungen waren erfolgreich. Die Bohrinsel Mittelplate ist nun eine Exklave mitten im Weltnaturerbe. Auch wenn er die hohen Umweltstandards des Unternehmens respektiert, der Leiter des Wattenmeerbüros des WWF sieht das allgegenwärtige Risiko. Schon wenige Liter Öl könnten das sensible Ökosystem im Watt gefährden. Der Klimakiller Nummer eins bleibt ein rotes Tuch für ihn. O-Ton 27, Dr. Hans-Ulrich Rösner: Das allerschlimmste ist eigentlich - wir fördern das Öl, was ja letztendlich verbrannt wird und zu Kohlendioxyd wird aus einem Lebensraum, der unter dem Klimawandel ganz massiv leiden wird, möglichweise abbrechen wird und zerstört werden wird, wenn der Meeresspiegel so stark steigt wie es befürchtet wird. Deswegen sind wir als WWF auch so konsequent gegen die Fortsetzung dieser Ölförderung und auch gegen jedwede Erweiterung, die es da geben könnte. Musik II Titel: Minimalism Interpret: Ray Brown Komponist: Ray Brown Label: edel LC: 01666 Autorin: Die Paradoxe Allianz zwischen dem ökologisch wertvollen Wattenmeer und der Bohrinsel in der Nordsee besteht bereits seit 25 Jahren, aus einer Zeit als der Schutz des Gebietes noch nicht Gesetz war. Denn die Bohrinsel Mittelplate wurde 1985 genehmigt, kurz bevor das Wattenmeer als Nationalpark anerkannt wurde. Doch das sensible Umfeld und die damit einhergehenden Auflagen haben den Betreiber zum Vorbild gemacht: Denn die Mittelplate gilt unter Experten als ein Musterbeispiel dafür, wie auch in ökologisch sensiblen Regionen unter strengen Auflagen Erdöl gewonnen werden kann. Immer häufiger besuchen auch ausländische Bohrinselbetreiber die Insel. Atmo: Förderkeller Dirk Jalas sorgt dafür, dass das Öl kontinuierlich durch die Rohre sprudelt und dabei weder Mensch noch Natur Schaden nehmen. Der Fördermeister trägt einen gelben Helm, eine Schutzbrille und Handschuhe. Sein kantiges Gesicht ist braun gebrannt. Um seinen Hals baumelt ein Funkgerät. Der 49 Jährige ist im Förderkeller F der Bohrinsel unterwegs. Kein einziger Tropfen Öl, nicht die kleinste glänzende Schliere, der Keller sieht aus wie geleckt. Wie keine andere ihrer Art ist die Mittelplate von einer Wanne umgeben, die fest auf der Sandbank aufliegt, erklärt der Fördermeister. O-Ton 28, Dirk Jalas Die Wanne gewährleistet uns eben, dass die Insel nichts verlassen kann. Spundwände rund rum gerahmt, eine Betonwanne, also kann von der Insel nichts runter laufen, wenn wir es nicht wollen. Und wir wollen es nicht. Autorin: Gab es denn schon einen Unfall? O-Ton 29, Dirk Jalas Meines Wissens nein. Autorin: sagt er, ohne die Miene zu verziehen. Und in der Tat laufen die Arbeiten auf der Bohrinsel - soweit bekannt - seit 23 Jahren ohne Zwischenfall. Damit das so bleibt, wird penibel darauf geachtet, dass nichts in die Nordsee dringt. O-Ton 30, Dir Jalas Zum Beispiel ist unsere Bohrinsel so ausgerüstet, dass wir eine Null Einleitung haben. Wir leiten keine Flüssigkeiten, kein Regenwasser, kein sogenanntes Prozesswasser in die Nordsee ein. Was bei anderen ausländischen Plattformen Standard und üblich ist. Wir lassen das mit den Schiffen an Land fahren. Hier wird nichts der Nordsee übergeben. Autorin: Alles, was beim Arbeiten und Leben anfällt - Material- und Essensabfälle, Fäkalien, Brauchwasser, selbst das gesammelte Regenwasser - wird in speziellen Containern per Schiff zum Festland gebracht. Wenn Dirk Jalas nicht in seinem Büro sitzt und strategische Entscheidungen trifft, ist der Keller der Insel sein Hoheitsgebiet. Dort unten vergisst er schon mal, dass er sich mitten im Watt befindet. Ebbe und Flut spielen hier keine Rolle. Das plätschern der Wellen wird vom allgegenwärtigen Bohrlärm übertönt. Um ihn herum unzählige Rohre, Ventile und Kabel. Im Keller F herrscht höchste Sicherheitsstufe. Explosionsgefahr warnt ein rotes Schild. O-Ton 31, Dirk Jalas: Wenn wir nun ein Feuer in einem Keller haben sollten, dann gibt es auch eine sogenannte Feuerschleife, das bedeutet es sind Schmelzsicherungen installiert, die mit Druckluft unter Druck gehalten werden - diese Schmelzsicherung, bei 70 Grad würden die wegschmelzen, wenn eine wegschmilzt, fällt der Druck ab und alle Obertage Sicherheitsventile fallen zu. Automatisch. Da braucht keiner händisch eingreifen. Wir haben immer noch die zweite Möglichkeit, dass das natürlich von der Messwarte jederzeit komplett abgeschaltet werden kann. Autorin: Eben diesen Knopf würde dann seine Kollegin Daniela Preuss drücken. Das Öl wird regelmäßig untersucht, um die Bohrung optimal einstellen zu können. O-Ton 32, Dirk Jalas: Jeden Sonntag werden hier Ölproben gezogen, also von jeder Bohrung eine Probe und die geht dann ins Labor zur Untersuchung nach Wasser und Öl. Welches Verhältnis man dann noch hat. Und ob in der Probe auch Feststoffe sind, man fördert ja aus einem Sandstein. Autorin: Jalas greift nach seinem Funkgerät. Um die Ölprobe zu entnehmen, muss er bei Daniela in der Messwarte um Erlaubnis fragen, damit er keinen Alarm auslöst. Eine Vorsichtsmaßnahme, die eingehalten werden muss. Atmo/O-Ton 33 Messwarte, Messwarte. Du Danni kannst Du mal den Melder in Keller F rausnehmen, weil wir möchten hier gerne eine Ölprobe ziehen. Jo, einen Moment. Autorin: Für Dirk Jalas ist die Zusammenarbeit mit Daniela noch neu. O-Ton 34, Dirk Jalas Erfrischend würde ich sagen. In unserer Branche - das ist schon noch eine ziemliche Männerdomäne. Aber wir haben im Catering-Serivce Damen, wir haben in der Untertageabteilung im Förderbetrieb Holstein eine Dame beschäftigt. Es ist erfrischend. Es wirft ja ganz andere Dinge auf, die sag ich mal bei reinen Männerdomänen etwas anders gehandhabt würden. Nö, Ich möchte kein Beispiel nennen. Autorin: Er winkt mit der Hand ab und greift nach seinem Funkgerät. O-Ton 35, Daniela/Jalas: Die Melder sind raus in Keller F. Ja danke, ich melde mich gleich wieder. Atmo: Öl spritzt in den Behälter Autorin: Dirk Jalas kann nun seine Ölprobe ziehen. Er bewegt einen Hebel zur Seite. Es zischt als würde er die Milch für einen Latte Macchiato aufschäumen. Doch statt Kaffeehausduft steigt Gasgeruch in die Nase. Eine Masse, wie flüssiges Lakritz ergießt sich in eine durchsichtige Kunststoffflasche, die er bereit hält. O-Ton 36, Dirk Jalas: So sieht das aus, wenn das aus der Bohrung frisch raus kommt. Da ist jetzt eben noch ein Teil des Gases drin. Autorin: Es dampft. Rohöl aus Bohrloch A 23. Um die 50 Grad heiß. Bevor das Öl als Kraftstoff an der Tankstelle landet, muss es aufbereitet, Wasser, Salz und Gas herausgefiltert werden. Erst dann fließt das Öl durch eine Pipeline, die in 20 Meter Tiefe unter dem Watt gelegt wurde, zur Landstation Dieksand in Friedrichskoog. Und von dort aus geht's in die Raffinerie in Hemmingsted, einem der größten Arbeitgeber in Dithmarschen in Schleswig Holstein. Atmo: Bohrungen, Lärm etc. Autorin: Bei Wind und Wetter wuchten Männer schweres Gestänge in die Bohrlöcher. Mit 10.000 PS treibt die Bohranlage den Diamantmeißel in den Nordseeboden, durch die ölführenden Sandsteinschichten. Wochenende gibt es nicht. Hier wird zwei Wochen 12 Stunden am Tag durchmalocht, dafür gibt's dann 14 Tage am Stück frei. Das bedeutet Entbehrungen, auch für seine Frau und die beiden Kinder. O-Ton 37, Dirk Jalas: Den Beruf, den ich jetzt ausübe, dafür habe ich mich nicht entschieden. Gelernt habe ich Betriebsschlosser und wurde dann durch die Firma dahingehend entwickelt, das was ich heute eben tu. Also ich hab das nie bereut, die Schritte getan zu haben. Es gibt sicherlich Situationen oder sicherlich Kollegen die sagen, das war nicht der richtige Schritt. Ich sehe diesen Rhythmus als sehr angenehm, weil es egal ist, wo man in Deutschland lebt. Die zwei Wochen sind auch schon ganz schön fordernd und nach zwei Wochen ist es auch Zeit, dass es vorbei ist. Aber die zwei Wochen bin ich gerne hier. Autorin: An die Anfänge der Bohrinsel kann er sich noch erinnern. O-Ton 38, Dirk Jalas: Also gebaut worden, 1984 hat man hier angefangen. Wie lange das hier so aussieht. Das ist ja über die Jahrzehnte gewachsen. Also wer vor 10 Jahren hier war, der hat nicht mal die Hälfte von dem gesehen, was man hier heute sieht. Es war ja eine Pilotanlage, wo man ja zu Anfang gar nicht wusste, ob das hier wirtschaftlich förderbar ist das Öl. ... Autorin: Und die Wirtschaftlichkeit hat sich erwiesen. 24 Millionen Tonnen Erdöl wurden seit Förderbeginn 1987 aus den Tiefen hochgepumpt - sowohl von der Mittelplate als auch von der Landstation Dieksand in Friedrichskoog aus. Tag und Nacht wird gefördert. Die Bohrungen führen bis in 3.000 Meter Tiefe. Das Öl wird durch zum Teil bis zu neun Kilometer lange Schrägbohrungen unter dem Wattenmeer hindurch abgepumpt. Doch mittlerweile sinkt die Fördermenge. Nur noch zwischen 20 und 25 Millionen Tonnen Öl sind laut den Betreibern noch förderbar. Und eventuell noch etwa 14 Millionen Tonnen, je nachdem was weitere Probebohrungen ergeben. Denn unter bestimmten Teilgebieten des schleswig-holsteinischen und niedersächsischen Wattenmeeres vermutet RWE Dea noch mehr Öl-Potenzial. Das komplexe Antragsverfahren für die Probebohrungen in dem sensiblen Gebiet läuft und wird von den Umweltschutzorganisationen mit Argusaugen verfolgt. Auch wenn das Unternehmen lediglich knapp drei Prozent der in Deutschland verbrauchten Ölmenge pro Jahr fördert, für die Betreiber sind das dennoch satte Profite. So wie es aussieht gibt es jedenfalls für Daniela Preuss und Dirk Jalas auch in den nächsten Jahren noch einiges zu tun auf der Mittelplate. Wichtige Lehrjahre für Daniela Preuss, schließlich will sie in die Fußstapfen des Fördermeisters treten. Musik III Titel: The Eraser, (XLCD 200) Interpret: Thom Yorke Komponist: Thom Yorke Label: Xl/Beggars (Indigo) LC: 05667 XL RECORDINGS Atmo: Wattenmeer Autorin: Auf drei Seiten ist die Gemeinde Friedrichskoog im Südwesten Dithmarschens von der Nordsee umgeben. Gisela Deadler betreibt das Hotel Möwen-Kieker direkt hinter dem Deich. Die meisten ihrer Gäste wissen überhaupt nicht, dass es in deutschen Gewässern eine Ölbohrinsel gibt. O-Ton 39, Gisela Deadler: Sie sieht nicht so schön aus am Tag, aber wenn man abends guckt, dann sieht das für mich immer aus wie das Märchenschloss in Paris in dem Disneypark, weil nur die Silhouette beleuchtet ist. Ansonsten denke ich ist es ein Teil von uns, wir brauchen das Öl. Autorin: Auch Rolf Mantay sieht die Sache pragmatisch. Mit ein paar Kumpels sitzt er nach getaner Arbeit gegen 1.00 Uhr mittags in einem alten Imbiss am Hafen von Friedrichskoog. Für den öffentlichen Publikumsverkehr ist der Laden in diesem Moment geschlossen. Der Geruch von diversen Schachteln Zigaretten hängt im Raum. Der 52- Jährige arbeitet als Gärtner, legt Fliesen, dies und das halt. Seine Firma hat einen Service-Vertrag mit der Mittelplate. Regelmäßig arbeitet er als Dienstleister auf der zur Mittelplate gehörigen Landstation Dieksand. Dort mäht er mal den Rasen oder verlegt Steine. O-Ton 40, Rolf Mantay: Die machen auch viel für den Ort hier. Die sponsoren hier viele Sachen. Da brauch man bloß hinzugehen, da wird alles bezahlt, was weiß ich. Der Feuerwehr haben die glaube ich auch das Auto bezahlt, oder nicht? Kindergarten geben die was zu, die beteiligen sich überall, alle Vereine. Sie werden hier im Dorf keinen finden, der gegen diese Landstation ist. Die haben da alle nur gut von und in meinen Augen so wie ich das sehe und ich bin da fast jede Woche ein zwei Mal. Ich behaupte mal das ist verhältnismäßig ziemlich sicher. Da steht auch vorn eine Schild in Dingens. Wie viel 100 Tage die schon unfallfrei sind. Autorin: Vor der Landstation Dieksand gibt es ein Schild. Sieben Tage unfallfrei - steht da drauf. Denn genau vor 8 Tagen gab es den letzten Arbeitsunfall, allerdings in der Küche. O-Ton 41, Rolf Mantay Früher war es einfacher. Jetzt sag ich mal, die Grünen die übertreiben die ganze Sache. Früher sind wir selber ins Watt gegangen und haben selber Butt gepadd. Heute darf ich keinen Kilometer hinter dem Deich raus, weil das dann Schutzzone 1 ist, wie das heißt und denn gibt's Strafe. Ne das ist nicht richtig. Da macht kein Mensch was kaputt. Genauso mit den Schafen, die dürfen auch nur noch zum Heinemanngraben da raus, weil angeblich die Schafe die Kiebitznester kaputt treten und sowat und dat ist einfach nicht wahr. Autorin: Aber deswegen Friedrichskoog verlassen? O-Ton 42, Rolf Mantay: Ich möchte hier nicht weg. Ich bin hier in Friedrichskoog geboren, das ist meine Heimat und ich werde hier auch nie wegziehen, glaube ich nicht, kann ich mir jedenfalls nicht vorstellen, irgendwo anders zu wohnen. Ganz ehrlich nicht. Wie soll ich sagen, das gehört eben für uns dazu, das Wattlaufen und Butt pedden und Aalreusen aufstellen und Aale fangen und so wat, das gehört einfach dazu. Weil irgendwo da unten in Bayern da gibt es keine Aale, Krabben sowas wie hier. Atmo Wattenmeer Autorin: Die Bewohner von Friedrichskoog leben überwiegend vom Tourismus. Sie hoffen durch die Auszeichnung des Wattenmeeres zum Weltnaturerbe vor allen Dingen auf einen neuen Besucher-Boom. Im letzten Jahr hat sich das noch nicht so bemerkbar gemacht, aber vielleicht in diesem Sommer, wünscht sich Astrid Lahrsen-Loges. Sie arbeitet beim örtlichen Tourismus-Service. Die gebürtige Friedrichskoogerin ist auch ein bisschen stolz auf das Stück Natur, das vor ihrer Haustür liegt. O-Ton 43, Astrid Larsen Loges: Auf jeden Fall! Wir werden jetzt in einem Atemzug mit dem Grand Canyon genannt. Alle Weltnaturerbedenkmäler werden zusammen mit Friedrichskoog in einem oder mit der ganzen Nordsee in einem Atemzug genannt, das ist für uns auf jeden Fall wichtig. Autorin: Neben Prospekten über ihre Angebote für Touristen, liegen auch Prospekte über die Landstation Dieksand und die Ölbohrinsel Mittelplate aus, die haben ihr die Betreiber zum Verteilen gegeben. An eine Ölkatastrophe wagt sie gar nicht zu denken. O-Ton 44, Astrid Lahrsen-Loges: Das wäre natürlich ganz schlecht, klar, also vor Amrum als der Tanker damals sank, das war für Amrum auch nicht einfach. Aber das passiert halt nicht. Autorin: Also Schwamm drüber. Anfang April wurde im Wattenmeer bei Wind und Wetter bereits "Angebadet" - die Schwimmsaison eröffnet. Nichts für Warmduscher. Mit dem Ranger des Nationalparks Wattenmeer hat Astrid Lahrsen-Loges noch viel vor. Michael Beverungen will im Sommer Sternwanderungen durch das Watt anbieten. Im Herzen zwar ein Umweltschützer sieht der Ranger auch den wirtschaftlichen Aspekt im Weltnaturerbe. Er setzt auf nachhaltigen Tourismus. Einen, der der Natur nicht schadet. O-Ton 45, Michael Beverungen: Es ist auch ne Chance für erhöhtes Interesse vielleicht jetzt an dem Gebiet auch nochmal die Verantwortung für die Natur ins Bewusstsein zu holen. Ob da nun jetzt verstärkt ausländische Touristen kommen, die sich hier für das interessieren, weil es ja ein weltweites Prädikat ist, das lässt sich vermuten, aber im Moment noch nicht sagen, dafür ist es auch noch zu jung. Es könnte aber sein. Wir wären gut beraten auch darauf vorbereitet zu sein. Womit das im Einzelnen konkret verbunden ist, ob wir da jetzt in Zukunft alle Schilder in drei Sprachen aufstellen müssen, das weiß ich nicht. Es ist natürlich sicherlich auch ne Perspektive für den Tourismus. Die Westküste ist ja auch strukturschwache Region. Das muss man einfach auch so sagen und das bringt sicherlich auch neue wirtschaftliche Perspektiven. Musik IV Titel: In't Watt vör Interpret: Liederjahn Komponist: Jörg Ermisch Label: Liederjan LC: 00972 O-Ton 46 Dialog: Mahlzeit. Hallo Stefan. Guten Appetit, lasst Euch das schmecken. Hast Du gut gebacken (Daniela lacht). Das sieht ja schon wieder viel zu gut aus. (Olaf) Atmo: Messwarte Autorin: Zurück in der Messwarte auf der Ölbohrinsel. Es ist Nachmittag. Ein Kollege bringt ein großes Tablett beladen mit Kirschplunder herein. Sechs Augenpaare sind auf das Tablett gerichtet. Daniela Preuss, Olaf Rath und ein weiterer Kollege sind sichtlich erfreut. Essen, das ist eine der Hauptbeschäftigungen auf der Mittelplate, neben Arbeiten und Schlafen. O-Ton 47, Daniela Preuss: Wer da verhungert hat selber schuld, der hat was falsch gemacht. Es erinnert mich irgendwie auch an Hotel irgendwie. So vom Frühstück her. Also das ist schon sehr cool da. Manchmal auch leider richtig gut. Also mitunter wünscht man sich auch Essen, was nicht so schmeckt. Autorin: Die schlanke junge Frau klopft sich auf den Bauch. Das Telefon klingelt. Daniela Preuss nimmt ab. Ihre Augen gucken müde auf den Bildschirm. Es ist Nachmittag. Ein neunstündiger Arbeitstag liegt bereits hinter ihr. Einige Stunden muss sie noch aushalten. O-Ton 48, Daniela Preuss Hi hier ist Danni. darauf(Wir haben jetzt noch 11,1 im Tank. Wie viel nimmt der Kutter mit. Ich frage Olaf mal kurz. Können wir auch aufhören mit dem Fäkalien Verpumpen? Das ist gut. Ja wir können auch aufhören. Ok Tschüü.) Autorin: Der Nautiker ruft zur Eile. Er ist dafür verantwortlich, dass das Versorgungsschiff Sara Maatje pünktlich zum Hochwasser von der Mittelplate ablegt. Das Schmutzwasser soll an diesem Tag abtransportiert werden. Ein Schlauch verbindet den Tank, in dem das Abwasser auf der Mittelplate aufbewahrt wird, mit einem Container auf dem Schiff. Es soll zur Versorgungsstation in Cuxhaven transportiert und dort entsorgt werden. Ganz nach dem Null-Einleitungsprinzip - kein Tropfen Schmutzwasser geht ins Wattenmeer. Die Schichtführerin veranlasst, dass der Prozess unterbrochen wird, damit das Schiff rechtzeitig auslaufen kann. Dann meldet sich Daniela Preuss beim Nautiker zurück. O-Ton 49, Daniela Preuss-Telefon: 19 Kubikmeter Schmutzwasser verladen. Ok danke. Autorin: Daniela und ihre Kollegen machen eine Kaffeepause und verzehren den Kirschplunder. Auf kleinstem Raum arbeiten und leben sie zusammen. In kurzer Zeit hat sie die Launen der anderen kennengelernt. Die aber auch ihre. O-Ton 50, Daniela Preuss: Na ja, es gibt ja immer mal Momente, wo man mit dem falschen Fuß aufgestanden ist, da passiert es mal, dass ich sicher mal ne Aussage gebe, die nicht so freundlich ist, aber eigentlich kann man das unterscheiden und wechseln. Autorin: Frank Bruder, dunkles Bärtchen und Brille, arbeitet seit vier Jahren auf der Bohrinsel. O-Ton 51, Kollege Die Anspannung wird gegen Ende größer unter den Kollegen. Weil man hängt ja rund um die Uhr zusammen, (Big Brothermäßig - Daniela) aber man lernt mit der Zeit damit umzugehen. Natürlich kriegt man mal gesagt so wie Du mit dem geredet hast, so geht das nicht. O-Ton 52, Olaf Rath: Der Zusammenhalt muss schon stimmen, man muss sich da schon zusammenreißen, aber wir sind alle nur Menschen und jeder hat mal einen schlechten Tag und dass es da mal Reibereien gibt, das ist völlig klar. Nö, das ist dann ein zwei Tage spricht man dann mit dem ein oder anderen nicht, aber dann geht es auch wieder. Autorin: meint Olaf Rath. Er muss es wissen, er hat bereits mehr als ein Jahrzehnt Mittelplate-Leben auf dem Buckel. Abends nach der Schicht ist Daniela Preuss oft völlig erledigt. Selbst zum Telefonieren mit ihrem Freund kann sie sich dann nicht mehr aufraffen, sie chattet lieber. Geredet hat sie schließlich genug am Tag, erklärt sie. O-Ton 53, Daniela Preuss: Ja klar, wenn man abends mit dem kommuniziert natürlich, ja klar vermisst man ihn, wäre ja schlimm wenn nicht, dann würde ich ja etwas falsch machen. Autorin: Ihre Entscheidung bereut sie dennoch nicht. O-Ton 54, Daniela Preuss Das gehört zu mir dazu die Bohrinsel. Ohne die gibt's mich nicht. Für ihn natürlich auch neu und komisch. Autorin: In der wenigen Freizeit auf der Insel gibt es kaum Abwechslung: Sauna, Fernsehen, Internet und ein Fitnessraum mit Geräten. Dort war sie letztens mit ihrem Kollegen Olaf Rath Fahrrad fahren, erzählt sie grinsend. O-Ton 55, Daniela Preuss: Sonst sieht man sich eigentlich auch kaum. Die gehen z.B. Abendbrot essen, ich nicht. Ich bin oben in meiner Kammer stöpsel meinen Rechner an, geh noch eine Rauchen, hüpf unter die Dusche. Das Läuft manchmal auch ein bisschen schräg zueinander. O-Ton 56, Kollege: Mal Skat spielen, oder Tischtennis, nicht unbedingt oft. Autorin: wirft Kollege Frank Bruder ein. Der Arbeitsalltag ist stressig. Dennoch gibt es Momente, da halten sie inne und genießen das Weltnaturerbe, auch wenn sie ansonsten mit dem Thema Umweltschutz nicht viel am Hut haben. Für sie ist die Ölförderung ihr Job. Oft ist die Verlockung groß, wenn die Mittelplate bei Ebbe auf dem Trockenen liegt, einfach runter ins Watt zu steigen, wenn sie kurz vorm Inselkoller sind. Das ist jedoch ein absolutes Tabu, denn derartige Aktionen verbietet das Nationalparkgesetz. Atmo: Wattenmeer - paar Sekunden stehen lassen Wenn aber die Sonne untergeht, lehnt sich so mancher zumindest mal über die Brüstung der Bohrinsel und blickt Richtung Vogelinsel Trischen. O-Ton 57, Kollege: Dann geht man dann seine Runde, so dass man mal so 5 Minuten stehen kann und zuguckt wie die Sonne da hinter Trischen verschwindet. Das ist Faszination. Dafür müssen andere viel zahlen und müssen dafür losgehen. Man teilt sich die Arbeit so ein, dass man das unterwegs genießen kann. O-Ton 58, Daniela Preuss: Die Sonnenuntergänge sehr schön. Hier werden alle zu Romantikern, ne nicht alle - also ich selbst auch, obwohl das nicht so mein Ding ist. Irgendwie erwischt man sich dann schon mal, wenn man dann am Geländer steht und den Sonnenuntergang anguckt und denkt Mensch das ist ja schön. Musik V Titel: Love will tear us apart Interpret: Nouvelle Vague Komponist: Jan Curtis u.a. Label: Ariola LC: 00116 Autorin: Vier Wochen später. Daniela Preuss zu Hause in Elpersbüttlerdonn. Einem kleinen Ort in Dithmarschen in Schleswig-Holstein, nicht weit von Friedrichskoog entfernt. Sie packt ihren Seesack für die Bohrinsel. Wenn sie nicht auf der Insel arbeitet, wohnt sie hier zur Untermiete bei Freunden. In den letzten zwei Wochen, hat sie an ihrem eigenen Haus gewerkelt, das sie erst vor kurzem gekauft hat. Und natürlich viel Zeit mit ihrem Freund verbracht, der ist Freiberufler und recht flexibel. O-Ton 59, Freund: Ich komme gut damit zurecht. Schmerzlich ist es natürlich schon, aber es ist ja auch immer absehbar. Gewöhnungsbedürftig, aber gut, kann man auch mit leben. Autorin: Nun geht für Daniela Preuss alles wieder von vorne los: Sachen packen für das Inseldasein. Sie steht vor lauter kleinen Häufchen: Kleidung, Bücher und Kleinkram, den sie mit zur Bohrinsel nehmen will. Auf der Dachschräge steht in großen Lettern "Nimm dir die Zeit zum Träumen, es ist der Weg zu den Sternen", sie winkt ab, der Spruch passt ins Schlafzimmer, sagt sie trocken und betont erneut, sie sei ja eigentlich nicht so romantisch veranlagt. Sie trägt Jeans, einen blauen Fleecepulli und die blonden langen Haare offen. Daniela Preuss öffnet ihren schwarzen Seesack, um ihre Klamotten zu verstauen. O-Ton 60, Daniela Preuss: Das ist mein cooler Seesack, den wir von der Firma bekommen, das ist ein ziemlich großes Gebilde, wo man seine Klamotten reinpackt mit Gurten, ja so Rucksackgurten, würde ich die beschreiben, damit man halt zum Schiff betreten, damit man beide Hände benutzen kann, um den Handlauf anzufassen, mindestens eine, weil es ja meistens ein bisschen wackelig ist. Das dient der Sicherheit, dass wir da vernünftig hin und her kommen. Autorin: Sie greift nach einer Hose, die auf einem Kleiderstapel gefaltet liegt. Daniela Preuss hat noch viel vor. O-Ton 61, Daniela Preuss: Ich würde z.B. gerne auch nochmal gerne zur Schule gehen und den Techniker machen, hätte ich jetzt Interesse dran, dann wird sich halt zeigen was noch passiert und was noch gesucht wird in der Firma. Ja und man wird da sehr offen eigentlich aufgenommen, total. Da gibt es jetzt nicht einen blöden Kommentar, gar nichts, das passt einfach. Autorin: Daniela Preuss guckt sich noch einmal kurz um und verschließt den Rucksack. Der Kühlschrank in der Küche ist bereits leer. Lediglich Ketchup, Essig, Öl und Senf bleiben zurück. Ein paar Äpfel sind übrig, die nimmt sie runter zu den Freunden, bei denen sie sich noch verabschieden will. Michel begrüßt sie an der Tür. O-Ton 62, Michel/Daniela Preuss: Du sollst wieder auf die Insel Danni? Hast Du dir denn ein paar lange Unterhosen eingepackt für die Nordsee? Selbstverständlich! Autorin: Daniela betritt die Wohnung und wartet darauf, dass ihre Freundin kommt. In der Küche sitzen die Kinder. Der Hund streift um ihre Beine. Der Nachbar könnte sich einen Job auf der Insel nicht vorstellen, obwohl er aus der Branche kommt. Auch das gute Gehalt würde ihn nicht locken. O-Ton 63, Michel: Mineralölindustrie aber auf dem Lande in der Raffinerie in Hemmingsted. Die holen das Rohöl aus der Nordsee und wir verarbeiten das. Ich mein für ein jungen Mädchen zwei Wochen weg, ist hartes Brot. Ich selber möchte es nicht, nein. Ich habe Familie. Zwei Wochen weg von der Familie, das ist nicht so angenehm. Autorin: Dann erscheint ihre beste Freundin, mit der sie klar kommt, obwohl sie eine Frau ist. Denn ansonsten findet sie den Umgang mit Männern unkomplizierter. Für Tanja passt der Job auf der Bohrinsel gut zu ihrer Freundin. O-Ton 64, Tanja: Ich könnte mir jetzt nicht vorstellen, dass Danni Friseurin gelernt hätte. Also das meine ich so mit typisch weiblich. Das ist mehr so ein Kumpel-Typ und nicht so eine Etepetete-Dame. Wenn wir zusammen sind, dann ist sie der Mann. (Lachen) Autorin: Während der nächsten zwei Wochen wird sie Daniela vermissen. Die Freundin macht ein schiefes Gesicht. O-Ton 65, Tanja: Aber es gibt ja Internet. Also ohne Internet wären wir aufgeschmissen. Das geht gar nicht, das stimmt schon. So die ersten Male war man schon auch am Schlucken als sie weggegangen ist. Das stimmt. Da fehlt was. Autorin: Die Nähe zu den Freunden weiß Daniela Preuss zu schätzen. Gerade, weil sie so häufig weg ist. O-Ton 66, Daniela Ist schon cooles Wohnen mit Familienanschluss. O-Ton 67, Michel Ab und zu läuft der Briefkasten ja über, dann müssen wir den leeren. O-Ton /Atmo: Tschüss, pass auf Dich auf. Wie immer, ich werde mich bemühen. Autorin: Daniela verabschiedet sich. Die letzte Nacht verbringt sie bei ihrem Freund. Am nächsten morgen gegen 5.00 geht's los - Richtung Cuxhaven. Musik IV: Linkin Park, What I've done Wie immer hört sie dann ihre Liebingsband Linkin Park. Pünktlich um 10.00 Uhr bei Hochwasser legt die Sara Maatje im Hafen von Cuxhaven ab. Mit Kurs auf Mittelplate und Daniela Preuss an Board. Titel: What I've done Interpret: Linkin Park Komponist: , Chester Bennington, Rob Bourdon, Brad Delson, Joseph Hahn, Mike Shinoda, Phönix Label: Warner Bros. Records LC: 00392 Musik hoch SPvD: Idylle mit Ölfeld Deutschlands einzige Bohrinsel liegt in der Nordsee Das war eine Deutschlandrundfahrt mit Anne Demmer Musik hoch - ENDE - 1