Deutschlandradio Kultur Länderreport Die Kleine Sprachgeschichte. Plattdeutsch - Oder: Warum die da so anders sprechen - Autor Gerd Spiekermann Red. Claus Stephan Rehfeld Sdg. 19.07.2011 - 13.07 Uhr Länge 17.51 Minuten Spr. Gerd Spiekermann Jan Graf Moderation Störtebeker hat Platt gesnackt, Heidi Kabel natürlich auch, und wer heutzutage mal sagt "Platt is nich uncool", der kann damit schnell zitiert werden. Plattdüütsch also, jene Landstriche, die von der zweiten Lautverschiebung verschont blieben. Woher die Bezeichnung Plattdeutsch stammt, darüber schweigen die Wellen. Lange ist's her, da hieß es noch lingua Saxonica, sächsische Sprache! Im 17. Jahrhundert, so ist noch zu erfahren, drängelt die Bezeichnung Plattdeutsch die des saessesch weg. Ach ja, natürlich behauptet so ziemlich jeder an der Küste: "Plattdütsch - mehr als ein Dialekt." Wir sind gespannt und lauschen der Kleinen Sprachgeschichte. Plattdeutsch. Gerd Spiekermann verfasste sie für uns. -folgt Script Beitrag- Script Beitrag Autor Der gediegene Klare mit 32 oder 36 % heißt in meinem Platt ganz einfach Sluck. Graf Bi uns is dat'n Köm. Autor Un in Ostfreesland seggt se Kur. Graf Oder die Kartoffeln. Autor De heet Kartüffeln oder Kantüffeln, Tuffels oder Eerdnööt und zwischen Hamburg und Bremen, da sagen sie Pudel. Graf Wat't nich allens gifft! Autor An der Waterkant ist ein Mädchen aber überall eine Deern. Graf Nee! In Ostfriesland ist ein Mädchen een Wicht und in Mecklenburg, dor seggt se Mäken oder Mäten. Autor Und noch etwas: Nicht alle Plattsnacker snacken, denn manche proten oder sie küren. Graf Ein Platt gibt es eben nicht. Wir haben das Ostfriesenplatt, das Oldenburger, das Hannöversche, das Mecklenburger, das Westfälische, das Ostfälische und das Brandenburger Platt. Um nur einige Varianten zu nennen. Autor Un natürlich dat Hamborger Platt. Graf Dor seggt se scheun und greun. Autor Genau, aber für die Plattdeutschen ist eines klar und nicht verhandelbar: E 01 (Umfrage) Plattdeutsch ist eine eigene Sprache. Autor Hmmh? Ist Plattdeutsch wirklich eine eigene, selbständige Sprache? Wir fragen eine, die es wissen muss. Ingrid Schröder, Professorin für Niederdeutsch an der Hamburger Uni. E 02 (Schröder) Wenn wir uns die Sprachgeschichte ansehen, so werden wir feststellen, dass das Hochdeutsche und das Niederdeutsche als zwei unterschiedliche Sprachen nebeneinander her sich entwickelt haben und erst im 16. Jh. das Hochdeutsche in den Norden gekommen ist. Es gibt aber auch Argumente zu sagen, es handelt sich um einen Dialekt, und da sollte man wohl besser sagen, es handelt sich um eine Gruppe von Dialekten. Denn das Niederdeutsche zerfällt in eine Vielzahl von Varianten. Das hören wir, wenn wir über Land fahren, dass nicht nur große Regionen sich sprachlich unterscheiden, sondern von Dorf zu Dorf Unterschiede existieren. Und wenn man nun sagt, das Deutsche ist eine Sprache, dann muss man sagen, das Niederdeutsche existiert heute in einer Vielzahl von Dialekten, schauen wir aber sehr weit zurück in die Sprachgeschichte, so sehen wir dort, dass Niederdeutsch und Hochdeutsch sich als zwei eigenständige Sprachen entwickelt haben. Autor Historisch betrachtet ist das Niederdeutsche die ältere Sprachform. Bis zum 10. Jahrhundert sprechen wir vom Altsächsischen, aus dem dann das Mittelniederdeutsche hervorgegangen ist. Zu der Zeit sprach der Süden schon deutlich anders. Hier hatte nämlich eine Entwicklung eingesetzt, die die beiden Sprachformen endgültig voneinander trennt. E 03 (Schröder) Die zweite Lautverschiebung ist das sprachhistorische Kriterium, das das Hochdeutsche vom Plattdeutschen unterscheidet. Und zwar ist es eine Entwicklung im Hochdeutschen. Das Plattdeutsche oder das Niederdeutsche hat eine alte Form der Konsonanten bewahrt, und das Hochdeutsche entwickelt sich weiter. Das geschieht ungefähr in einem Zeitraum zwischen dem zweiten und dem achten Jahrhundert, also ist es eine sehr alte Erscheinung. Und wir können es vielleicht an ein paar Beispielen sehr schön uns deutlich machen: Im Plattdeutschen heißt es Perd, im Hochdeutschen Pferd; im Plattdeutschen heißt es Dag, im Hochdeutschen heißt es Tag; im Plattdeutschen heißt es ik, im Hochdeutschen ich; also p wird zu pf, d wird zu t und k wird zu ch im Hochdeutschen.Es sind also Konsonantenverschiebungen entstanden, die dann systematisch sich verankert haben. Und das ist überhaupt das Merkmal, das das Hochdeutsche aus dem Verbund der westgermanischen Sprachen hervorhebt, denn das Niederländische und das Englische haben ja denselben Konsonantenstand wie das Niederdeutsche. Autor Wer zum ersten Mal einen echten Plattdüütschen snacken höört, der wird sofort einige Gemeinsamkeiten mit dem Englischen festellen. Vor allem bei den Substantiven. Graf Eine Gans ist auf Platt een Goos. Zwei Gänse sind twei Geus. Autor Nee, twee Göös. Graf In dien Platt. Goot. Autor Der Fuß heißt auf Platt Foot. Und zwei Füße ... Graf ... dat sünd twee Fööt. Autor Geht doch. Kommen wir zur Grammatik. Wir haben natürlich einen Nominativ, aber die anderen drei Fälle sind zum einem Kasus zusammengefallen. Wir drücken die Beziehungen mit Konjunktionen aus. Graf Vadder sien Hoot. Autor Vaters Hut. Graf Dit Book höört mi to. Autor Dieses Buch gehört mir. Graf Goh mi af. Autor Lass mich zufrieden. Eine Frage müssen wir aber jetzt unbedingt klären: Warum heißt das Niederdeutsche auch Platt-Deutsch? E 04 (Schröder) Platt ist eine Bezeichnung für diese Sprachform, die erst seit dem 17. Jahrhundert etwa existiert. Und Platt bedeutet nicht etwa niedrig oder schlecht angesehen, sondern bedeutet klar und deutlich. Autor Plattdeutsch besteht heute aus einer Vielzahl von Ortsmundarten, wie in anderen Dialektgebieten auch. Das war aber nicht immer so. In der Blütezeit der Hanse, also von der Mitte des 13. bis ins 16. Jahrhunderts, war Niederdeutsch die gebräuchliche Sprache in Norddeutschland - wie übrigens auch in den Hansekontoren von London, Bergen und Riga. Und zwar in Wort und Schrift. Mittelniederdeutsch -vor allem die Lübecker, die lübische Variante - war die Sprache des Rechts, des Handels und auch der Diplomatie. Die Hanserezesse, die Protokolle der großen Hansetage, wurden selbstverständlich auf Niederdeutsch abgefasst. Graf Doch mit dem Niedergang der Hanse verlor auch ihre Sprache, das Niederdeutsche, bald an Bedeutung. Im 17. Jahrhundert setzte sich in den Kontoren und Ämtern allmählich der hochdeutsche Einfluss immer mehr durch. Mit den Wirtschaftbeziehungen nach Süddeutschland, in den süddeutschen Sprachraum, kamen auch die neuen Begriffe, die neue, die andere Sprache. E 05 (Schröder) Mit dem Verfall der Hanse - und es kommen noch weitere Faktoren ins Spiel - haben wir nicht mehr die lübesche Norm, sondern wir haben die Situation dann, dass das Hochdeutsche sich im Norden des Sprachgebietes ausbreitet, also im niederdeutschen Sprachgebiet, und wird die alleinige Schriftsprache. Damit fehlt die Schreibnorm, und das heißt auch zugleich, dass sich dann immer stärker auch die mündlichen Dialektgebiete zeigen, so wie wir sie heute kennen, die vorher aber mehr oder weniger durch die Schreibung verdeckt waren. Wir können mit Sicherheit davon ausgehen, dass auch zur Zeit der Hanse in den einzelnen Regionen sehr unterschiedlich gesprochen worden ist, und dass dieses aber durch die Schreibung verdeckt wurde. Genauso wie wir heute auch in der hochdeutschen Standardsprache eine gemeinsame Schreibnorm haben, aber wir immer noch Menschen identifizieren können, die aus Bayern kommen, die aus Schwaben kommen, die aus Norddeutschland kommen oder die aus Sachsen kommen, und sehr gut hören können, aber alle dieselbe Schreibnorm haben. Autor Die Hanse geht unter - und mit ihr ihre Sprache. Das Niederdeutsche - als Schriftsprache - muss weichen für das neue, stärkere Hochdeutsch. Der plattdeutsche Autor Johann Diedrich Bellmann sieht darin mehr als einen wirtschaftlichen Verdrängungsprozess. Graf Die Norddeutschen sind die geborenen Mitläufer der Geschichte, sie sind unfähig zu einer eigenen politischen Willensbildung und deshalb auch unfähig zur Sprache und umgekehrt. Die Tatsache, dass sie es nicht vermochten, ihre eigene Sprache, das Sassische, über die Reformation und über die Aufklärung hinaus zu einer europäischen Hochsprache fortzuentwickeln, zeigt hinlänglich, dass sie im eigentlichen Sinne gar keine Geschichte haben. Autor Das Volk spricht natürlich im Alltag weiter Platt, auch die Bürgersleute. Das ändert sich grundlegend erst im 19. Jahrhundert. Platt ist nicht mehr chic, nicht mehr in. Zwar mussten damals noch alle, die Bürger der Freien und Hansestadt Hamburg werden wollten, den plattdeutsch verfassten Eid ablegen, aber die moderne Industriegesellschaft löst allmählich die traditionellen Großfamilien und Lebensgewohnheiten auf und macht Niederdeutsch zu einem Ballast, den alle, die auf Erfolg aus sind, abwerfen müssen. Plattdeutsch verschwindet in den großen Städten nach und nach aus der Öffentlichkeit, wird Sprache der Familie und der Nachbarschaft- vor allem auf dem Lande. Graf Doch es lebt in den Häfen und auf den Schiffen. Die Seeleute bringen immer wieder neue Begriffe mit, die erst Eingang ins Plattdeutsche, dann auch in die Hochdeutsche Umgangssprache finden. Ein paar Beispiele. Autor Fast alles, was zu einem Schiff gehört, ist plattdüütsch: Bug, Heck, Kiel und Steven. Graf Ebbe und Flut sind plattdeutsche Begriffe, die Möwe auch, schmuggeln, verrotten, das Laken, die Mettwurst und der Spuk. Autor Der Schrubber ist plattdüütsch, der Schmacht ... Graf ...der Janker, der Jieper, äh, die Gier, das Verlangen nach der nächsten Zigarette zum Beispiel. E 06 (Schröder) Das Niederdeutsche ist im Laufe der Zeit einer Vielzahl von Einflüssen ausgesetzt gewesen. Wir haben beispielsweise im Mittelniederdeutschen, also in der mittelalterlichen und von der neuzeitlichen Variante des Niederdeutschen, haben wir haben wir Einflüsse natürlich aus dem Lateinischen, als die Kultur- und Wissenschaftssprache, wir haben Einflüsse aus dem Französischen, wir haben bereits Einflüsse aus dem Niederländischen. Hier spielen Handelsbeziehungen eine große Rolle. Und wir haben auch Einflüsse, die aus den skandinavischen Sprachen kommen. Auch hier spielt eine Rolle, dass die Hanse mit ihren guten Kontakten nach Skandinavien immer wieder Anlass gab, in mehrsprachigen Kontexten sich zu bewegen und über den Handel dann eben auch Bezeichnungen für die die Handelswaren ins Niederdeutsche kamen. Später spielt dann auch das Englische - ebenfalls über die Seefahrt eine große Rolle. Also, Niederdeutsch ist eine Sprache wie alle Sprachen auch, die Formen aus den Nachbarsprachen aufnehmen und integriert haben. Autor Für das Selbstbewusstsein der Niederdeutschen ist die Literatur bis heute ganz entscheidend. Die Carl-Töpfer-Stiftung in Hamburg lädt alljährlich zur plattdeutschen Buchmesse ein, auf der die Verlage ihr Programm präsentieren. In den Räumen der Stiftung ist auch die einzige niederdeutsche Bibliothek untergebracht - mit mehr als 20 000 Büchern, Schallplatten und CDs. Graf Es begann im Jahre 1852. Da veröffentlicht ein Lehrer in Dithmarschen einen kleinen Band mit plattdeutschen Gedichten. Der Mann heißt Klaus Groth und sein Buch "Quickborn". Auf hochdeutsch: Sprudelnde Quelle. Das Buch ist sofort vergriffen, wird immer wieder neu aufgelegt und erweitert - eine kleine literarische Sensation. Autor Da dichtet einer in niederdeutscher Sprache, in dithmarscher Mundart - und bekommt Lob von allen Seiten. Alexander von Humboldt würdigt Groths Lyrik, und Johannes Brahms vertont sogar einige seiner Gedichte. Graf Nur ein Jahr später bringt ein Mecklenburger Privatlehrer auch einen kleinen Gedichtband heraus. Fritz Reuter veröffentlicht seine "Läuschen un Rimels". Auch sie verbreiten sich schnell und werden immer wieder neu aufgelegt. Reuter schreibt auch dicke Romane wie Ut de Franzosentid, Ut mine Stromtid und Ut mine Festungstid ... Autor ...Reuter war sieben Jahre als revolutionärer 48er Burschenschaftler inhaftiert ... Graf ... und ist nun ein gemachter Mann. Seine Bücher verkaufen sich hundertausendfach - in ganz Deutschland. Er ist der erfolgreichste Autor des 19.Jahrhunderts. Autor Und schrieb nur auf Platt. Graf Ähnlich erfolgreich ist nur noch einer: Der Finkenwerder Rudolf Kinau, jüngerer Bruder von Gorch Fock, dem Autor von "Seefahrt ist not". Autor Kinau wird vor allem durch seine Präsenz im neuen Medium Rundfunk und durch seine unermüdliche Vortragstätigkeit zum populärsten niederdeutschen Autor des 20. Jahrhunderts. Auch seine Bücher werden hunderttausendfach gedruckt. Und er prägt durch seine kleinen Alltagsgeschichten das Image des Niederdeutschen als heimelige, nostalgische und harmlose Literatursprache. E 07 (Kinau) Ick sitt in de Iesenbohn, snack mit mien Lüüd Plattdüütsch, dor sitt dor in de Eck, so schreeg gegenöver, so'n betern Keerl, de kickt mi al so'n ganze Tiet an, un toletzt seggt he: Ach, Sie sprechen Plattdeutsch? Ick sä: Jo, ick snack Platt. To kickt he'n ganze Tiet, un denn seggt he: Immer? Nee, segg ick, blots, wenn ick mol wat seggen will. To kickt he wedder 'n ganze Tiet un to seggt he: Aus Prinzip? Nee, segg ick: Ut Finkwarder! Autor Gegen diese Heimeligkeit regt sich mit der Rückbesinnung auf das Regionale in der späten 70er Jahren lauter Widerstand. Der Dichter Oswald Andrae aus Jever : E 08 (Andrae) Riet dien Muul op! Schree doch ut wat du glöövst, wat du meenst, wat du denkst, wat dien Angst is! Schree doch ut, wenn du Courage hest, op de Gefahr, dat dor annern sünd, de di seggt: Dat stimmt nich! Dat dor annern sünd, anner Menen, dat dor annern sünd, de geern hisst. Schree doch ut! Noderhand kann well komen, Kann di sehn, Man kickt weg un will di nich. Riet dien Muul op! Autor Aber natürlich können auch die plattdeutschen Autoren - gleich welcher Couleur -den stetigen Rückgang des Plattdeutschen im Alltag nicht aufhalten. Graf Nach dem Zweiten Weltkrieg geben immer mehr Eltern das Niederdeutsche nicht mehr als erste Sprache an ihre Kinder weiter. Auch die Schulen empfehlen den Eltern, das angeblich bildungsverhindernde Platt gegenüber ihren Kindern zu meiden. Plattdeutsch wird von der Muttersprache zur Zweit- oder gar Drittsprache. Autor In der Öffentlichkeit trauen sich junge Leute kaum noch, die heimische Mundart zu gebrauchen. Zu ihnen gehört auch die Entertainerin Ina Müller. E 09 (Müller) Ick muss domols sogor al hoochdüütsch schrieven lehren, as ick noch nich mol snacken kunn in de School. Wi worrn in de School richtig opdeelt in de Hogen un in de Platten. Un richtig pienlich un richtig slimm wurd Plattdüütsch denn ja eerst, as wi in de Pubertät weern. In de Pubertät, dor will man ja cool ween. Dat weer so uncool. Dat weer ja nich genoog, datt een von'n Buurnhoff keem, nu muss dat ook noch jedereen höörn. Wat heff ick mi schoomt, wenn ick mit Mama dör de Stadt lopen bün. Un Mama snack so luut platt mit mi. Ick harr dat Geföhl, Mama snack extra luut platt. Dormit ook jeder höörn kunn: Huhu, wi koomt von'n Dörp, wi koomt von'n Buurnhoff un dat is mien Dochder Ina, de is in de Pubertät un de kummt ook von'n Buurnhoff. Man wull in de Pubertät nich von'n Buurnhoff komen. Dat weer uncool, un disse komische Sprook weer ook uncool. Autor Eine plattdeutsche Institution überlebt all diese Anfechtungen unbeschadet: das Hamburger Ohnsorg-Theater mit ihrer populärsten Schauspielerin Heidi Kabel. E 10 (Tratsch im Treppenhaus) Meta Boldt: Guten Morgen, Herr Brummer, na, hab'n Sie ausgeschlafen? Brummer: Ja, ja... Meta Boldt: Ach, Herr Brummer, ich wollt nur eben fragen, ob ich für Sie die Treppe mit machen soll. Ich mein, nich, dass ich mich aufdräng'n will, aber Sie können sich als Mann ja nich gut herstellen un hier die Treppe machen. Und mir macht das wirklich nichts aus. Graf Aber das ist doch Hochdeutsch, oder besser: Hamburger Missingsch, Hamburger Mundart. Autor Ja, nur im Theater selbst sprechen die Ohnsorgs Platt, im Fernsehen müssen sie hochdeutsch reden. Die Verantwortlichen beim NDR wissen, dass man mit Plattdüütsch im größten Teil des ARD-Gebietes nicht landen kann. Graf Aber heute heisst es doch: Platt ist cool. Autor Mit der schon erwähnten Wiederentdeckung des Regionalen in den späten siebziger und achtziger Jahren beginnt eine öffentliche Neubewertung des Plattdeutschen. Ingrid Schröder: E 11 (Schröder) Wir sehen einerseits, dass die Sprecherzahlen zurückgehen und die Kompetenz innerhalb der Gesellschaft sinkt, wir sehen andererseits aber auch, dass das Prestige des Plattdeutschen wieder zugenommen hat und sich verbessert hat. Bis zur Mitte des zwanzigsten Jh. Hinein war das Niederdeutsche schlecht angesehen, es war stigmatisiert. Das ist eine Entwicklung, die seit dem 18. Jh. Eingesetzt hat, seit der Zeit der Aufklärung, in der man versucht hat, möglichst eine einheitliche Sprache auch als Bildungssprache den Menschen näher zu bringen und seit Mitte des 20. Jahrhunderts schlägt quasi das Pendel zurück, und insbesondere seitdem man auch über Globalisierung diskutiert, diskutiert man gleichzeitig auch über Regionalisierung, und das bedeutet auch, dass Regionalsprachen neu bewertet worden sind - und Regionalsprachen auch als ein Identitätsfaktor angesehen werden - und ein Stück von regionaler und sozialer Identität beim Reden. Graf Okay. Aber was hat es denn nun mit dem Plattdeutschen auf sich, warum ist es trotz aller Unkenrufe nicht totzukriegen und rangiert in der Beliebtheit deutscher Dialekte auf Platz zwei - nach dem Bairischen? Gibt es doch so etwas wie norddeutsche Lebensart, norddeutsches Temperament, das sich in der Mundart ausdrückt? Autor Ich zitiere bei dieser Frage immer gerne Kurt Tucholsky. Er sagte: Manchen Leuten erscheint die plattdeutsche Sprache grob, und sie mögen sie nicht. Ich habe diese Sprache immer geliebt. (...) Es ist die Sprache des Meeres. Das Plattdeutsche kann alles sein: zart und grob, humorvoll und herzlich, klar und nüchtern und vor allem, wenn man will, herrlich besoffen ... Es ist jener Weg, den die deutsche Sprache nicht gegangen ist, wieviel kraftvoller ist da alles, wieviel bildhafter, einfacher, klarer - und die schönste Liebesgedichte, die der Deutsche hat, stehen auf diesen Blättern. Vieles davon ist nun in die Hände dummer Heimatdichter qefallen, die der Teufel holen möge - scheinbar gutmütige Bürger, unter deren rauchgeschwängerten Bärten der Grog dampft und die die kraftvolle Männlichkeit ihrer alten Sprache in einen fatalen Brei von Gemütlichkeit umgelogen haben - Oberförster des Meeres. Das ist nicht unser Plattdeutsch, das nicht. -ENDE Script Beitrag- 1 1