COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur / Die Reportage Titel: Vorreiter wider Willen ? Leben ohne Atom in Stade Autor: Ernst Ludwig von Aster ______________________________________________________________________________ Skript: Atmo 1: Schritte / Deich / Elbe 21.08 Schritte. Deichverband der ersten Meile alten Landes...stapft hoch,. Hund bellt.. Sprecher: Mit kräftigem Schritt stapft Kersten Schröder- Dohms den Deich empor. Den Kopf gesenkt, das dichte grüne Gras fest im Blick. Kurz vor der Deichkrone, bleibt er stehen, geht in die Knie Take 1: Schröder-Dohms Länge: 0.19 ? das Gras ist kurz gehalten und man sieht keine Mäuse und Rattenlöcher. Insofern gehen wir davon aus, das der Deich auch Sturmfluten aushalten kann.. Sprecher: Vor ihm fließt breit und träge die Elbe. Ein großes Containerschiff schippert Richtung Hamburg. Dohms blickt prüfend nach rechts. Der Wind zaust kräftig an seinem schulterlangen grauen Haar. Take 2: Schröder-Dohms Länge: 23.29 Er sieht gut aus, er ist gut gewappnet für die bevorstehende Herbst und Frühjahrsfluten, wir sind damit sehr zufrieden, Sprecher: Dohms dreht sich nach links. In 300 Meter Entfernung drückt sich fahlgrau die Kuppel des Kernkraftwerks Stade an den Deich. Take 3: Schröder-Dohms 0.18 24.27.Während der Deichschau laufen wir auch über das Werksgelände, das ist immer sehr schwierig da rein zu kommen, wir müssen sozusagen unsere Personalien abgeben, damit auch sichergestellt ist, das alle wieder rauskommen und nicht ein Attentäter zurückbleibt und Ähnliches. Sprecher: Der 64jährige richtet sich auf, lächelt. Die Sicherheitsvorkehrungen gelten immer noch. Auch für ihn als Deichrichter, zuständig für den Abschnitt ?1. Meile alten Landes?. Obwohl der Reaktor schon seit acht Jahren keinen Strom mehr produziert, die Brennstäbe längst abtransportiert sind. Take 4: Schröder-Dohms 0.11 23.59 Es ist schon einiges dort beseitigt worden, aber das eigentliche Gebäude ist noch vorhanden, die Innereien sind schon weitgehend entfernt. So das in Kürze auch mit Abbrucharbeiten am Gebäude selbst begonnen werden kann. Sprecher: Schröder-Dohms blickt auf die Uhr. Er muss ins Rathaus. Die Zukunft nach der Kernkraft planen. Um die Deichsicherheit kümmert er sich nebenbei. Hauptberuflich koordiniert er die Raum-und Bauplanung in Stade. Als Stadtbaurat in der 50.000 Einwohnerstadt, die in Deutschland als erstes aus der Atomkraft ausstieg. Unfreiwillig. Vor zehn Jahren. Atmo: Autofahrt / Innen Sprecher: Schnurgerade führt die Straße am Zaun der Atomanlage entlang. In wenigen Monaten darf Deichrichter Dohms auch als Stadtbaurat aufs Gelände. Dann endet hier die Atomaufsicht. Take 5: Schröder-Dohms Länge: 16.51 Dann ist das voll unser Zuständigkeitsbereich, dann ist das eine schlichte Frage der Baugenehmigung das wird eine Premiere, aber ich erwarte da keine großen Probleme. Sprecher: Stades Stadtplaner lächelt. Eine Mini-Hafen-City hat er in der 50.000 Einwohnerstadt projektiert, eine Kaserne in ein begehrtes Wohnviertel umgewandelt. Demnächst wird er dafür sorgen, dass das Atomkraftwerk verschwindet. Atmo hochziehen Sprecher: Apfelbäume flankieren die Straße. Ziehen sich in langen Reihen übers flache Land. Obstplantagen soweit das Auge reicht. Vom Reaktor bis zur Stadtgrenze. Take 6: Schröder Dohms: 0.21 11.53 Aus meiner Jugend kenne ich ja noch die großen Obstbäume, die großen Apfelbäume, das sind jetzt ja alles sehr kleine Bäume, die eine Lebensdauer von 10-15 Jahren haben und ohne Leitern gepflückt werden können. Sprecher: Damals, in den 60er Jahren, musste er sich bei der Apfelernte noch strecken. Stade ist zu der Zeit ein hübsch anzuschauendes aber verschnarchtes Beamtenstädtchen, sagt Schröder-Dohms schmunzelnd. Fachwerk und Fachbeamte. Viel Tradition, kaum Ambition. Viele Obstbäume, kein produzierendes Gewerbe. Wer kann, sucht das Weite. Auch Schröder-Dohms sieht zu, dass er wegkommt. Geht erst nach Bonn, studiert dann Architektur und Städtebau in Braunschweig. Take 7 Schröder-Dohms 0.11 3.30 Als ich Stade verließ, war Stade wirklich eine ganz arme Ecke Deutschlands und als ich wieder kam, gehörte Stade zu den reichen Städten in Niedersachsen. Sprecher: 1988 steht an der Elbe ein Kernkraftwerk, ein US- Chemiekonzern beschäftigt gleich daneben mehr als 1000 Mitarbeiter. Zwei Fabriken verdienen Geld mit Aluminiumprodukten, daneben arbeitet eine Saline. Stade kassiert Millionen an Gewerbesteuer. Paradiesische Zeiten. Auch für Stades Stadtplaner: Take: 8: Schröder-Dohms 0.11 7.39 In der Zeit als ich nach Stade kam, wurde gerade fertig unsere große Veranstaltungshalle das Stadeum, das ist eine Stadthalle wirklich vom Feinsten und in einer Größenordnung wie sie bei Kommunen üblicherweise nicht vorhanden. Atmo: Auto Innen / Kopfsteinpflaster Sprecher: Langsam steuert Schröder-Doms den Wagen durch die engen Gassen der Stader Innenstadt. Deutet mal nach links, mal nach rechts. Hübsche Fachwerkhäuser. Mal zweihundert, mal 300 Jahre alt. Alle aufwändig restauriert. Zeugen des atomaren Aufschwungs. Im Jahr 2000 ist der endgültig vorbei: Der Betreiber verkündet die Stilllegung des Reaktors. Aus wirtschaftlichen Gründen. 4000 Stader gehen auf die Straße. Demonstrieren für ihr Kernkraftwerk. Ohne Erfolg. Take 9: Schröder. Dohms 0.15 13.05 Da gab es dann Schlagzeilen in der regionalen und überregionalen Presse ?In Stade gehen die Lichter aus?. Das war auch die Gefühlslager für die Politiker der Stadt. Jetzt müssen wir aufpassen, jetzt ist sozusagen unsere Zukunft vorbei. Sprecher: Schröder-Dohms parkt den Wagen in der geräumige Tiefgarage unter dem Rathaus. Greift seine Jacke, verabschiedet sich. Er muss los. Atmo: Rathaus Innen /schritte Sprecher: Im Foyer des alten Rathauses erinnern mächtige Holzportale an vergangene Zeiten. Fast 400 Jahre alt, flankieren sie die Tür zum Standesamt. Zwei uralte Holztreppen führen nach oben. Dazwischen leuchtet ein Stadtmodell unter Glas. Take 10: Friedrichs 0.05 53.05 Da? oben im Sitzungszimmer dort werden die Geschicke geleitet durch den Rat der Stadt. Sprecher: Thomas Friedrichs lässt die alte Treppe links liegen. Er sorgt von hier unten dafür, dass es weitergeht mit Stade. Als Wirtschaftsfachmann. Take 11: Friedrichs 0.15 30.56 Ich habe dann irgendwann 1997 im Freundeskreis erzählt, dass ich nach Stade gehen würde. Und die einzige Assoziation, die im Freundeskreis hoch kam war: ?Ach da, wo der Schrottreaktor? steht. Sprecher: Friedrichs kommt ursprünglich aus dem Ruhrgebiet. Hat dort lange die Stadt Gelsenkirchen beraten. Als Schluss war mit dem Bergbau in der Region. Erst Gelsenkirchen, dann Stade. Erst Kohle dann Kernkraft. Aber immer Krisenmanagement in der Kommune. Und jetzt plötzlich: postatomare Avantgarde. Neben der Tür zu seinem Büro in Zimmer Nr. 103 steht ?Wirtschaftsförderung?. Take 14: Friedrchs 0.13 35.36 Sehr sehr viele Kolleginnen und Kollegen fragen dann auch nach: wie habt ihr es gemacht, gibt es Anregungen? Habt ihr vielleicht sogar eine Kopiervorlage für das Programm? Sprecher: Friedrichs wiegt den Kopf. Im Jahr 2000 galt Stade als nukleares Bauernopfer. Heute, nach Fukushima und der geplanten Stilllegung aller deutschen Meiler bis 2022 ist die Stadt plötzlich Vorreiter im Atomausstieg. Mit zehn Jahren Ausstiegserfahrung. Der Wirtschaftsförderer lehnt sich zurück. Freundlich blicken die Augen durch die randlose Brille. Mitte 50, legeres Sakko, Jeans, bunte Krawatte. Ein umgänglicher Typ, dem man zutraut, das er zupackt. Klipp und klar auch bittere Botschaften ausspricht. Take 15: Friedrichs 0.15 2.51?. Ein Stückweit brach es schon zusammen. Die Aluminiumhütte ist Vergangenheit, 2006 machte sie ihre Tore zu. Wir hatten 130 Jahre lang eine Saline, die Saline machte 2005 auch zu. Sprecher: Friedrichs springt auf, holt einen Stapel DIN A 4 Seiten aus seinem Regal. Blättert sie auf den Besprechungstisch neben eine Schale mit Süßigkeiten. Die ersten Schreiben aus dem Jahr 2001. Dem Zeitraum, als Stade anfangen musste zu rechnen, mit einer Zukunft ohne Kernkraft. zu rechnen. Atmo: Blättern/Aufzählung Sprecher: Arbeitsplätze, Ausbildungsplätze, Lohnsteuer, Gewerbesteuer ? Punkt für Punkt , Spalte für Spalte aufgelistet. Das Stader Dilemma. Take 16: Friedrichs 0.19 14.56 Und wenn ich das so vor Augen habe, waren es so 35 Millionen DM jährlich an Steuereinnahmen, die letztendlich so in die Kassen geflossen sind .. für uns ganz entscheidend ist, das unter dem Strich ohne ein Kernkraftwerk diese Einnahmen nicht mehr da sind. Sprecher; Friedrichs legt den Papierstapel zur Seite. Beugt sich vor, faltet die Hände. Es war ein Schock für die Kommunalpolitiker, sagt er. Einerseits. Andererseits arbeiteten plötzlich alle Parteien zusammen. Land, Kreis, Stadt und Betreiber setzten sich an einen Tisch. Eine Art Notgemeinschaft - getrieben von einer Einsicht: Take 17: Friedrichs 0.22 21.30 Niemand ist nach Stade zu locken mit einer Nachricht: In Stade gehen die Lichter aus, Stade hat keine Zukunft, die Zukunft ist schwarz, damit wird man keinen Unternehmer bewegen irgendwie Euro zu investieren an einem Standort wo man nicht an die Zukunft glaubt. Sprecher: Standortvorteile erkennen. Und vermarkten. Eine ganz neue Perspektive für die Kleinstadt. Das ist Teil eins der Stade-Strategie. Teil zwei: Das Kernkraftwerk nutzen. Für den Übergang. Druck auf den Betreiber machen, dass die Anlage komplett zurückgebaut wird. Und am Ende nur noch grüne Wiese bleibt. Atmo : Apfel-Trecker/ Strasse Sprecher: Ein schweres weißes Gittertor trennt das Kernkraftwerks-Gelände von der Außenwelt. Ein kleiner Trecker mit grünem Anhängern zuckelt vorbei. Transportiert die letzten Äpfel der Herbst-Ernte. ?Campen und Übernachten auf dem Werksgelände verboten? mahnt ein Schild. Atmo hochziehen Sprecher: Das Gittertor steht weit offen, die Warnblinkanlage funktioniert nicht. Das Kontrollhäuschen ist verlassen, ein blauer Kugelschreiber verstaubt auf einem vergilbten Block. Atmo hochziehen Sprecher: 200 Meter weiter, ein Schild: ?Informationszentrum?. ?EON Kernkraft? steht über dem Eingang. Atmo: Infozentrum 1.57 Ich such die Firma Evantec, die finden sie hier nicht? und zwar fahren sie bitte mal Sprecher: Ein Lieferant im Blaumann irrt orientierungslos durchs Erdgeschoss. Vorbei an einer verwaisten Garderobe. Mit 40 leeren Bügeln. Und einer roten Tür mit der Aufschrift ?Nebelkammer?. Darunter steht Öffentlichkeitsarbeit. Atmo: Infozentrum 2.30 Strahlenmittel sind das, dann fahren sie mal da lang, ? hier vorne ist ein roter Wagen, und da links ist ein roter Wagen Sprecher: Burkhard Senkbeil kann helfen. Der große, sportliche Mann Ende vierzig erklärt geduldig den Weg. Im Kernkraftwerk hat er jahrelang Mitarbeiter auf Trab gebracht. Take 18: Senkbeil 18 5.16 Man wird älter und man wird etwas träger. Und man leidet darunter. Und dann hat man 1988 hier am Standort hier ein Konditionstraining eingerichtet für Mitarbeiter. Und in diesem Konditionstraining wurde unsere Mitarbeiter sozusagen körperlich auf Vordermann gebracht. Sprecher: Kondition für die Kernkraft. Ein Modell. Entwickelt von ihm, dem Sportlehrer. Ernst blickt Burkhard Senkbeil durch die randlose Brille. Irgendwann kurz vor der Jahrtausendwende haben sie mich dann in die Öffentlichkeitsarbeit versetzt, sagt er. Take 19: Senkbeil Länge: Und in dem gleichen Jahr, wo ich in der Öffentlichkeitsarbeit hier angefangen habe, haben wir hier ein großes Interview gehabt, eine Pressekonferenz, wo er dann die Abschaltung des Kernkraftwerks bekannt gegeben hat. Sprecher: Und seitdem ist wieder nichts wie es vorher war. Senkbeil zuckt mit den Schultern. Heute demonstriert er Schülern das Vorkommen natürlicher Radioaktivität, erläutert Schritt für Schritt den Rückbau des Reaktors. Erklärt, was es mit den drei silbern glänzenden Metallflügeln am Eingang auf sich hat. Take 20: Senkbeil 0.17 34.39 Kunst ist das nicht. Kunst ist das nicht, das ist Information.34.38 Und zwar sind das Teile der Turbine. Das sind die größten, die wir drin gehabt haben, eine wiegt ungefähr 160 Kilogramm. Atmo:36.57 Treppe hoch, Schritte ? Sprecher: Senkbeil eilt die Treppe empor. Vorbei an einem Brennstab-Modell. Schwingt sich auf seinen Bürostuhl, schiebt einen Stapel CDs beiseite, greift zur Tastatur. Atmo: 0.10 Computer / Maus, langsam auftunende Loungemusik , unsere Aufgabe ist es, Deutschland und Europa Sprecher: Eine Dokumentation des Rückbaus flimmert über den Bildschirm. Unterlegt mit Lounge-Musik. Senkbeils letztes Projekt. Auch das gehört zu seinem neuen Job. Schritt für Schritt festzuhalten, wie sein Arbeitsplatz verschwindet. Im Jahr 2015 soll hier nur noch Gras wachsen. Take 21: Senkbeil 0.27 24.43 Das wird mit Sicherheit kommen. Und dann ist die große Frage, was passiert mit den 125 Mitarbeitern. Ich bin ebenfalls einer davon. Wir haben hier die Zusage, bzw. eine Betriebsvereinbarung, das Betrieb uns hier entsprechend eine Stelle nachweisen wird, die unseren Fähigkeiten entspricht. Sprecher: Senkbeil zuckt mit den Schultern. Auch die anderen Kernkraftwerke werden stillgelegt. Er weiß noch nicht, wo er demnächst arbeiten wird... abnehmen ? Atmo: Schritte draussen / Werksgelände: Sprecher: Draußen, vor dem Infozentrum, eilt Werner Hecker durch den Nieselregen. Einen schwarzen Regenschirm der Firma EON in der rechten Hand. ?Mein Trauerschirm?, witzelt der Rentner. Mehr als drei Jahrzehnte hat er im Kernkraftwerk gearbeitet. take 22: Hecker 0.13 4.06 Ne gewisse Wehmütigkeit bleibt, weil ich immer noch der Meinung bin, das wir die Anlage nicht hätten abschalten müssen. Ich habe einen guten Job gehabt, ich habe ´nen sicheren Job gehabt und ich habe ´ne Menge Spaß gehabt. Sprecher: Verschmitzt blickt Hecker durch die Brille. Spaß hat er auch jetzt als Rentner. Spielt Golf, segelt, backt Brot im Heimatverein. Manchmal aber zieht es ihn raus. Zu seinem alten Arbeitsplatz. ?Fußweg KKS? steht immer noch auf den Schildern. KKS ? das heißt ?Kernkraftwerk Stade?. Atmo hochziehen Sprecher: Gras wächst zwischen den Gehwegplatten, Äste ragen über den Weg. Werner Hecker will zum großen Werksparkplatz. Als Schichtleiter steuert er mehr als ein Jahrzehnt die Anlage. Als Betriebsrat bringt er Belegschaft und Bevölkerung für die Atomkraft auf die Straße. Als Techniker plant er dann Schritt für Schritt den Rückbau. Als Betriebsratschef kämpft er schließlich für die Zukunft der Belegschaft. Take 23: Hecker 0.19 10.07 Das war schon ne harte Zeit, da wir wirklich sehen mussten, das wir irgendwo die Leute unterbringen, wir hatten durchgezogen und hinbekommen. So das hieß entweder Brokdorf, Unterweser, Hannover oder eben auch weiter südlicher, Grohnde? Sprecher: Oder eben in Stade. Beim Reaktorrückbau. Hecker bleibt auf dem großen Parkplatz stehen. PKW parken dicht an dicht. Kennzeichen aus ganz Norddeutschland. Dazwischen immer wieder Wohnmobile. Viele Abbrucharbeiter kommen von außerhalb, sagt der alte Kerntechniker. Sie sparen mit dem Wohnmobil Übernachtungskosten. take 24: Hecker 0.19 Ich denke, lassen wir erst einmal die Kollegen durch. ?Moin?. Die Leute haben sich mit der Arbeit, die sie hier machen arrangiert. Und die Zukunftsaussichten für die Rückbauer sind ja unter Umständen nicht schlecht. Sprecher: 125 ehemalige Kollegen zerlegen derzeit den Reaktor-Rest, unterstützt von fast 400 Mitarbeitern von außerhalb. Unterm Strich sind das genauso viele Arbeitsplätze wie während des Betriebes. Hecker nickt zufrieden. Bisher ist seine Rechnung aufgegangen. Für Belegschaft und Kommune lohnt sich der Rückbau. Er garantiert Geld und Arbeit für ein Jahrzehnt. 500 Millionen Euro müssen die Betreiber allein in Stade investieren, damit der Reaktor verschwindet. take 25 Hecker 0.12 16.26 Den direkten Rückbau zu machen, das ist für mich eine Sache, die eigentlich zwingend erforderlich ist, wenn man so eine Anlage 30 Jahre lang einmottet ist keiner mehr da, der so eine Anlage kennt. Sprecher Hecker blickt über den Zaun. Auf die Anlage. Die Energiekonzerne rechnen zur Zeit, , kalkulieren die Kosten des verordneten Atomausstiegs. Ein sogenannter ?sicherer Einschluss? ist für sie billiger als der direkte Rückbau, sagt Hecker. Kernbrennstäbe entsorgen und die Kraftwerke einfach einmotten - Hecker schüttelt missbilligend den Kopf. Sein ältester Sohn arbeitet im Kernkraftwerk Unterweser. Als Schichtleiter, so wie er damals in Stade. Seit acht Monaten steht die Anlage still. Der Ausstieg ist beschlossen. Take 26: Hecker Länge: 31.41 Ich kann ihm nicht raten, da sitzen zu bleiben, ich sag, guck dich um und guck auch mal übern Zaun. Es gibt mit Sicherheit auch in anderen Unternehmungen Bereiche, die Spaß machen. Sprecher: Mittlerweile auch in Stade. Atmo: Rathaus Take 27:Friedrichs 0.05 49.27 Schritte, ? das ist eigentlich ein Kohlefasterstoffaden auf einer Rolle,?, Sprecher: Im Rathaus hält Thomas Friedrichs einen gold schimmernden Faden gegen das Licht. Take 28: Friedrichs 0.13 Das ist ein Faden, ein Zehntel eines Menschenhaares, der dann erst in Form kommt, wenn man ihn webt. Sprecher: Stades Wirtschaftsförderer schwenkt den feinen Faden. Daraus entstehen in Stade seit mehr als 20 Jahren Leitwerke für den Airbus: Take 29: Friedrich 0.15 50.32 ? das wird gebacken. und dann ist das hart und kann dann letztendlich zum Einsatz kommen als kleines Plättchen, das ist 30 Prozent als so was leichtes wie Aluminium und dafür stabiler als Stahl. Sprecher: CFK - Ein Hightech-Werkstoff. Leicht und langlebig. Knowhow vor der Stader Haustür ? über Jahre unbeachtet. Das ändert sich erst mit dem angekündigten Atomausstieg im Jahr 2000. Friedrichs Idee damals: Ein Technologie- und Dienstleistungszentrum rund um den neuen Werkstoff. Vier Millionen verspricht das Land Niedersachsen. Nochmal dieselbe Summe leiht sich Stade bei der Bank. Gleich nach der Eröffnung im Jahr 2004 stehen die Interessenten Schlange: Take 30 Friedirchs 0.21 26.39 Das gab uns noch einmal so einen richtigen Schub. Denn in diesem Technologiezentrum CFK Leichtbau, waren auf einmal, erstmalig in Stade Forschungseinrichtungen, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, die Frauenhofergesellschaft, `nen britischer Hersteller, `nen amerikanischer Hersteller, Spanier waren da. Sprecher: Die Idee, sie kommt genau zur richtigen Zeit. Weil die Energiepreise steigen, alle Hersteller nach leichten, energiesparenden Bau- und Konstruktionsmaterialen suchen. 2006 dann siedelt sich noch eine private Hochschule an. Bietet Ingenieursstudiengänge rund um die Verbundwerkstoffe. take 31: Friedrichs 21 28.26 Und ganz frisch, Ende 2010 haben wir europaweit einmalig, ein CFK Forschungszentrum errichten dürfen, Mit einem Investitionsvolumen von 30 Millionen Euro. Das Land Niedersachsen gab 20 Millionen. Den Rest hat sich die Stadt Stade geliehen und hat in die Zukunft investiert? Sprecher: Lächelnd legt Friedrichs Faden und Plättchen wieder zurück ins Regal. Technologie-Dienstleistungs-, und Forschunsgzentrum. Dazu noch eine private Hochschule. Alles an einem Ort. Neben dem Airbus-Werk. Dafür haben sich die Stader schon einen neuen Namen zurechtgelegt: CFK-Valley. Take 32: Friedrichs 0.16 28.52 Insoweit: Wenn ich zehn Jahre vor und zehn Jahre zurück Blicke: Hätten wir das Kernkraftwerk nach wie vor, hätten wir gar nicht den Leidensdruck gehabt, etwas in neue Zukunftstechnologien zu investieren. Sprecher: Hoffnung für die kleine Hansestadt. Neuer Schwung für Stade. Den kann die Kommune gut gebrauchen, sagt Friedrichs. Denn an manchen Orten muss Stade immer noch für die Sünden der Vergangenheit zahlen. Geräusch-take: Oper Sprecher: Am selben Abend im Stadeum, der großen Veranstaltungs-Halle der kleinen Hansestadt. Auf roten Ledersesseln lauschen meist Rentner der Einführung in die Oper ?Nabucco?. Atmo: ?Arie des Zacharia ?Warum klagt ihr ? Und seit so verzweifelt ? Euer Kleinmut beleidigt die Gottheit? Sprecher: Gleich wird der Chor der Staatsoper Kharkov aus der Ukraine den Gefangenenchor auf der großen Bühne geben. Hochkultur in der Provinz. Atmo: draussen / vor Stadeum Sprecher: Draußen vor der Tür, steht Uwe Merckens, seit 14 Jahren für die Grünen im Stadtrat. Merckens ist einer der wenigen Atomkraftgegner in Stade. Take 33: Merckens Länge 15.29 Stade hat auch schon mal ein bisschen Glück gehabt.14.29 Ganz viel Energie ist in diesen Standort gesteckt worden, Stade ist in aller Munde, wir haben Fördermittel gekriegt ausm Land, ausm Bund, und konnten neu anfangen, für uns war das damals auf jeden Fall ein Vorteil. Sprecher: Meckens mustert das grell erleuchtete Foyer der Veranstaltungshalle. Das Stader Opernpublikum. Lächelt, schüttelt den Kopf: Take 34: Merckens 0.07 2.59 Man könnte die Leute hier einzeln mit dem Taxi nach Hamburg fahren, und das würde noch günstiger sein, als dieses Stadeum zu unterhalten? Sprecher: Zu groß, zu luxuriös, zu teuer ? das sagen heute alle im Stadtrat. Manche leiser, Merckens lauter. Ein Vergnügungsort aus dem Atomzeitalter. Für mehr als 60 Millionen Mark. Take:35 Merckens 0.15 3.42 Das passt total. Die Großkotzigkeit von damals, das passt total. Das Geld floss, das Geld musste ausgegeben werden, es wurde sich keine Gedanken über die Zukunft gemacht, es wurde einfach gebaut und ausgegeben. Sprecher: Merckens schüttelt den Kopf. Damals rechnete niemand, sagt er. Schon gar nicht mit Folgekosten. Heute muss die Stadt dafür zahlen. Mit Geld, das sie schon lange nicht mehr hat. Der Reaktor verschwindet, das Stadeum bleibt. Die Kosten laufen weiter. Weit mehr als eine Millionen Euro muss die Stadtkasse pro Jahr überweisen. Geld, was auch das CFK-Valley nicht wieder reinspült. Take 36 Merckens Länge: 10.35 Das ist ja das Problem, das sich unsere Ausgaben mit den Einnahmen nicht mehr decken, wir haben jedes Jahr, die nächsten 5 Jahre 5 Millionen an Defizit, also 25 Millionen, die wir vor uns herschleppen müssen, ?., das werden wir mit den Einnahmen und den Kürzungen, die wir hier noch machen, nicht schaffen, wir haben schon, zehn Jahre konsolidieren wir schon, wir können nicht sagen, Kindergarten zu, das sind gesetzliche Aufhaben, Schule zu geht auch nicht, da ist nichts mehr drin? Sprecher: Merckens geht Richtung Innenstadt. Durch die Fußgängerzone, vorbei an gepflegten Fachwerkhäusern. Über Gullydeckel auf denen großflächig das Stadtwappen prangt. Der Glanz der alten Zeit, er strahlt noch. Blenden lässt sich davon in Stade aber niemand mehr. 3 1