Deutschlandradio Kultur, Zeitfragen 08.Februar 2010, 19.30 Uhr "Normal ist das immer noch nicht" Vor neun Jahren wurde das Lebenspartnerschaftsgesetz verabschiedet Eine Sendung von Michael Meyer Musik: (darauf) O-Ton 1 a Die Homo-Ehe ist ein Beitrag zur Normalität für Lesben und Schwule in unserer Gesellschaft. Für mich war die Homo-Ehe ein Schritt hin zur Akzeptanz und Toleranz gegenüber Schwulen und Lesben, sicher auch in die sogenannte Normalität, aber auch vielleicht ein Schritt dahin, dass jeder sieht, wie divers, wie vielseitig einfach Menschen sind. Ansage: "Normal ist das immer noch nicht" Vor neun Jahren wurde das Lebenspartnerschaftsgesetz verabschiedet Eine Sendung von Michael Meyer. O-Ton 1b Und am Anfang konnte ich es mir gar nicht vorstellen, einfach weil dieses Traditionelle, was ich bei vielen Freunden in meinem Leben, wo ich Trauzeuge war, so eine Hochzeit, das konnte ich mir für mich nicht vorstellen, sodass wir gesagt haben am Anfang: Aber wir machen das nur für uns! Erst vier Wochen bevor der Termin ran war // dann haben wir gedacht, das können wir unseren Müttern nicht antun. // Und haben dann ein kleines Fest trotzdem draus gemacht. Musik (Tosca: Oscar, möglichst immer andere Passagen) Sprecher: Lieber schwul und lebensfroh als verheiratet und hetero. So hieß es früher ? doch der Spruch ist aus der Mode gekommen - seitdem Lesben und Schwule heiraten dürfen. Auch wenn diese Eheschließung offiziell noch immer nicht als "Ehe" bezeichnet wird: Was der Volksmund "Homo-Ehe" nennt, heißt im Bürokraten- Deutsch: Eingetragene Lebenspartnerschaft. Verabschiedet wurde das Gesetz am 16. Februar 2001, und ein knappes halbes Jahr später, Anfang August trauten sich die ersten fünfzehn schwulen und lesbischen Paare in Deutschland. Atmo: Ausschnitt// Hochzeitsglocken: Festlich gestimmt und stolz wie Oscar schwebten die 15 schwulen und lesbischen Paare ein, in den Innenhof des Rathauses Altona. Unter ihren Gästen auch die grüne Bundesvorsitzende Claudia Roth, denn die durfte heute Trauzeugin sein. ... Sprecher: Diese "Massenhochzeit" war ein historischer Meilenstein, wenn man bedenkt, dass erst 1994 der letzte Rest des sogenannten "Schwulenparagrafen" 175 abgeschafft wurde. Die Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes sollte endlich, so hofften Politiker und Bürgerrechtler, mehr gesellschaftliche Anerkennung und Gleichstellung bringen. Den ersten Schritt dazu hatte bereits zwei Jahre zuvor der rot-grüne Senat in Hamburg gemacht. Homosexuelle Paare konnten sich in ein Partnerschaftsbuch der Standesämter der Stadt eintragen lassen. Auch wenn die sogenannte "Hamburger Ehe" zunächst nur ein symbolischer Akt war, aus dem sich weder Rechte noch Pflichten ergaben, war sie ein Politikum. Verena Lappe, Politikerin der Grünen und die Musikjournalistin Angela Gobelin gehörten zu den Ersten, die sich im Mai 1999 in Hamburg das Ja-Wort gaben. Seit drei Jahren waren sie ein Paar, aber heiraten? Das wollten die beiden Feministinnen eigentlich nie. O-Ton 3a: Als wir anfingen, das Campaigning und die inhaltliche Vorbereitung dieser "Hamburger Ehe", wie wir das dann nachher genannt haben, zu machen, habe ich gemerkt, welch revolutionäres Potential in dieser Geschichte steckt. Wenn man schon nicht die Ehe abschaffen kann, woran ja schon viele vor uns gescheitert waren, dann sozusagen die gleichen Rechte zu bekommen, wie Heterosexuelle. // Ja, für uns war das nicht eine Entscheidung rein aus dem Privaten heraus, wie viele das jetzt machen, weil es schon seit vielen, vielen Jahren ihr Herzenswunsch einfach ist, sondern, wir waren in den Jahren davor, in der Zeit auch politisch aktiv, homopolitisch, wir waren beide im Vorstand des Magnus- Hirschfeld-Zentrums hier in Hamburg, und wie das immer so ist, haben sich nicht viele finden lassen, die in die Öffentlichkeit gehen, in die Presse und das publik machen wollen. Gerade auch unter den Lesben nicht und für uns war das einfach, weil wir Homo-Politik wichtig finden, dass das an die Öffentlichkeit gerät, haben wir uns auch entschlossen mitzumachen. Atmo: Hochzeitsmarsch ... ..Auf diesen Tag hatten homosexuelle Paare jahrelang gewartet: Das Modell der Hamburger Ehe gab auch ihnen endlich die Chance, sich standesamtlich das Ja-Wort zu geben und dabei durfte es natürlich an nichts fehlen: Eheringe, Brautstrauß - an alles hatte man gedacht. Das Interesse an der ersten Trauung der lesbischen und schwulen Paare war überwältigend. Einen solchen Ansturm verliebter und neugieriger Menschen hatte das Standesamt Almsbüttel wohl noch nicht gesehen. Sprecher: Seit den ersten Eheschließungen in Hamburg ist enorm viel passiert, meint Verena Lappe ? denn damals, noch vor dem Outing einiger Prominenter, wie beispielsweise des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Klaus Wowereit, war es durchaus ein gewagter Schritt, sich als schwul oder lesbisch in der Öffentlichkeit zu zeigen: O-Ton 4: Weil ganz viele damals gefürchtet haben: Was passiert mit mir, wenn wir in dieser Form öffentlich werden? Reden dann unsere Nachbarn noch mit uns, haben wir irgendwelche Schmierereien an der Haustür, wenn das bekannt wird? Also richtig öffentlich bekannt wird, dass wir ein lesbisches oder schwules Paar sind. Sprecher: Die beiden Frauen sind - auch wenn sie nicht immer Lust darauf hatten, stellvertretend für andere durch die Medien getingelt. Die breite mediale Berichterstattung habe aber, selbst wenn sie manchmal nervte, auch ihre guten Seiten gehabt, erzählt Angela Gobelin ? selbst die BILD-Zeitung, sonst immer gern zu haben für ein Vorurteil, berichtete überaus positiv: O-Ton 5: Ich glaube, dass das - auch eben durch diesen Presserummel in der Bevölkerung, ganz viel an Akzeptanz, an Toleranz so den Boden, den Nährboden geschaffen hat, damit das so schnell, in zwei Jahren auch bundesweit stattfinden konnte. Und da sind wir auch stolz drauf, dass wir das in Hamburg hier mitgemacht haben, dieses Event Hamburger Ehe. Sprecher: In ihrem Freundeskreis haben inzwischen viele geheiratet ? auch wenn manchmal die Sorgen um gemeinsames Eigentum und Erbschaftsfragen im Vordergrund stehen, meint Verena Lappe. Ihrer Erfahrung nach heiraten homosexuelle Paare tendenziell später, in höherem Alter, als heterosexuelle Paare: O-Ton 6: Also es spielt immer dann erst eine Rolle, wenn eine Beziehung sich als eine längerfristige darstellt und entwickelt, davor nicht, vielleicht sind die schwulen und lesbischen Paare da etwas vorsichtiger als heterosexuelle Paare, und nur weil sie vielleicht mal drei Monate zusammen sind, müssen sie nicht gleich heiraten, das nicht, aber in dem Moment, wo es auf eine Längerfristigkeit ausgelegt ist, auf gegenseitige Unterstützung und Sorge, in dem Moment wird es für alle, soweit ich das verfolgen kann, Thema. Sprecher: Mittlerweile gibt es in Deutschland über 20.000 schwul-lesbische Partnerschaften. Das ist nicht viel angesichts von geschätzt über 2 Millionen Homosexuellen im Land. Diese Zahl ist aber nur ein ungefährer Wert ? es gibt keinerlei sichere Statistik darüber - schon aus Gründen des möglichen Missbrauchs solcher Daten. Viele Paare verzichten auf die Ehe, wenn sie erfahren, dass dann zwar Pflichten bestehen, wie etwa gegenseitige Unterhaltspflicht, nicht aber Vorteile wie zum Beispiel günstigere Steuerklassen, die für heterosexuelle Ehepartner selbstverständlich sind. Manuela Kay, lesbische Feministin und Chefredakteurin des Monatsmagazins L- Mag, hält grundsätzlich nicht viel vom Modell der Homo-Ehe, auch wenn das Thema für viele ihrer Leserinnen wichtig sei: O-Ton 7: Es ist ja ein gesamtgesellschaftliches Bedürfnis, sich anzupassen statt zu rebellieren, das ist die Zeit, in der wir leben. Und viele Lesben haben die Schnauze voll davon, anders zu sein, und möchten um jeden Preis angepasst sein, und die Sehnsucht nach Normalität ist ganz, ganz groß. Was immer man nun dafür hält, aber eben nicht dazu verhalten, anders zu sein, ist für viele ganz, ganz wichtig, weil das ein großer Stressfaktor ist. Das kann ich zwar verstehen, finde ich aber schade, weil ich denke, unsere Minderheitenposition birgt ja auch das Privileg in sich, die Gesellschaft anders zu sehen und zu hinterfragen, aber man muss natürlich sehr stark sein, sich immer abzusetzen und zu sagen: Ich bin anders und ich will auch anders sein, und ich lege auch nicht so großen Wert darauf, zur Masse dazuzugehören. Deswegen ist wie auch gesamtgesellschaftlich der Rückzug ins Private sehr stark ist, ist es bei Lesben genauso stark, dazugehören zu wollen, und wenn man das wie Ehe und Familie, mit Dingen, wie man das von seinen Eltern her kennt, imitieren kann, dann ist einem da endlich ein Vorbild gegeben, wo man ziemlich gedankenlos nachtapsen kann, habe ich bei vielen das Gefühl. Sprecher: Einer der politischen Vorkämpfer der Homo-Ehe, der grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck, sieht die Beweggründe vieler Paare zwar nicht unbedingt anders, aber: Die Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes sei rückblickend dennoch richtig und wichtig gewesen: O-Ton 8: Einmal müssen die Menschen selber entscheiden, wie sie leben wollen und ob man nach der Partnerschaftszeremonie auch den röhrenden Hirsch über das Sofa hängt, das bleibt den Leuten selbst überlassen, aber es gab schon schwule Spießigkeit vor der Einführung der Lebenspartnerschaft, und es wird sie auch danach geben. Und die Frage, wie man ein Rechtsinstitut mit Leben füllt, das ist eine Sache der Menschen, und wir Politiker sind nicht dafür zuständig, dass die Menschen richtig leben, sondern wir sind dafür zuständig, dass sie sich diskriminierungsfrei zwischen verschiedenen Modellen entscheiden können und das ist dann ihre Entscheidung. Sprecher: Im Übrigen, so Volker Beck, stecke im Lebenspartnerschaftsgesetz durchaus ein emanzipatorischer Anspruch, nämlich hin zu einer wirklichen Gleichstellung. Musik: O-Ton 9a Ja, das war schon ein Thema. Sprecher: Es geht um Kinder ? und hier wird es für die gleichgeschlechtlichen Paare kompliziert, auch weil der Gesetzgeber sich mit lebensnahen Bestimmungen schwer tut. In homosexuellen Beziehungen leben Kinder, die aus ehemaligen heterosexuellen Beziehungen stammen, adoptierte Kinder aus Deutschland oder aus dem Ausland und Kinder, die mittels einer Samenspende geboren wurden und bei lesbischen Paaren leben. Trotz der bürokratischen Hemmnisse und einer Gesetzgebung, die es schwul-lesbischen Paaren sehr schwer macht, ein Kind zu adoptieren, beschäftigt viele Paare das Thema Kinderwunsch, auch Verena Lappe und Angela Gobelin. O-Ton 9 b: Das Thema Adoption kam aber erst auf, als zumindest ich schon viel zu alt war, um jemals noch ein Kind, also wir haben uns kennengelernt, da war ich schon 40 und ab 42 bist du raus der Thematik Angela war ja noch jünger, aber für Angela kam Adoption nicht so in Frage. Und eine gemeinschaftliche Adoption war ja sowieso oder ist bis heute nicht möglich. Dafür haben wir dann andere Dinge überlegt. // Ja, wobei in meinem ganzen Leben war es nicht so mein Herzenswunsch, Kinder zu haben. Ich konnte zwar gut mit Kindern, habe aber gedacht, eigentlich ist es nichts für mich. Und dann kam glaube ich ein bisschen so dieser Dreh und Wendepunkt, als mein Vater starb, und ich mich so komischen Themen wie Genealogie ? ist vielleicht zu weit gegriffen, oder mein Bruder hat, dessen Kinder haben kleine Kinder gekriegt, da sieht man plötzlich Verhaltensweisen von Vätern oder Großvätern in den kleinen Kindern, das bedeutet schon alles was. Und wir haben dann mit einem schwulen Freund zusammen, was übrigens sehr schwer war, zu finden, weil: Wenn es dann doch in medias res geht, dann denken sie doch: Bin ich wirklich nicht finanziell verantwortlich, und wie ist das rechtlich, oder muss ich dann mit dem Kind oder es gibt Leute, die wollen dann doch zuviel haben, an dem Kind manipulieren oder Zeit haben. Also es ist wirklich nicht einfach, einen geeigneten biologischen Vater zu finden. Wir hatten dann einen, haben es dann zwei, dreimal probiert, Samenspende, hier zu Hause Spritze aufziehen und all das, meine Wahrscheinlichkeit, schwanger zu werden ist wahrscheinlich unter fünf Prozent mittlerweile, und dann war mir das Trallala einfach zu groß und der Herzenswunsch nicht so groß genug, und ich hab dann gesagt: Nee, das Procedere ist mit einfach zu schwierig, so basta! Sprecher: 2005 hatte die damalige rot- grüne Bundesregierung die "Stiefkindadoption" eingeführt, also die Adoption eines Kindes aus einer vorherigen heterosexuellen Beziehung durch den neuen Partner. Jetzt müsse beim Thema Adoptionsrecht weiter nachgebessert werden, fordert Volker Beck: O-Ton 10: Bei den Neuadoptionen, wo ein fremdes Kind in eine Lebenspartnerschaft gegeben wird vom Familiengericht, ist die Adoption ja nicht verboten, sondern nur die gemeinschaftliche Adoption, was eine Absurdität ist, das Kind lebt da, hat aber dann nur einen Elternteil, rechtlich gesehen, obwohl es sozial gesehen zwei hat, und die Rechte von niemandem negativ belastet wären, wenn es auch die Rechte und Pflichten von zwei Elternteilen hätte, und insofern ist das einfach Politik des Vorurteils, dass man das noch nicht vollzogen hat. Sprecher: Alleine der Lesben und Schwulenverband LSVD führt jedes Jahr 400 Beratungen zum Thema Kindesadoption durch. Constanze Körner, Vorsitzende der Initiative Lesbisch-schwuler Eltern, hält die jetzige Rechtslage für diskriminierend. Zwar hätten die Anfragen bezüglich Adoption in letzter Zeit etwas abgenommen, aber: O-Ton 11: Die Anfragen kommen trotzdem auch immer wieder und wenn man dann die Optionen aufmacht, wie denn die Möglichkeiten sind, ist es für viele auch abschreckend. Da man im Inland so gut wie keine Chance hat, ein Kind zu bekommen, eben diese Auslandsadoption in Frage kommt, da braucht man sehr viel Geduld, Nerven, viel Geld, und das dann durchzustehen, das wissen viele dann doch, dass das für sie nicht in Frage kommt, auch wenn sie das gerne wollten. Sprecher: Die Politik tat sich jahrelang schwer mit der Homo-Ehe, und tut es noch immer beim Thema Kindesadoption. Bayern klagte vergeblich gegen die sogenannte Stiefkindadoption. Jahre zuvor, 2002, scheiterten Bayern und Sachsen vor dem Bundesverfassungsgericht mit einer Klage gegen die Homo-Ehe. 2001 sagte der damalige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber am politischen Aschermittwoch zur Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes durch Rot-Grün: O-Ton 12: Das ist der gemischte flotte Dreier mit dem Segen des Gesetzgebers, in welchem Staat leben wir denn eigentlich? Sprecher: Anfangs weigerte sich Bayern gar, die Homo-Ehen vor dem Standesamt vollziehen zu lassen, die bayerischen Lesben und Schwulen mussten zunächst zum Notar gehen ? bis schließlich auch diese Regelung abgeschafft wurde. Kaum eine andere politische Strömung hadert so stark mit dem Thema Homo-Ehe wie die Unionsparteien CDU und CSU. Im aktuellen Koalitionsvertrag der schwarz- gelben Bundesregierung stehen zwar eine ganze Reihe von Nachbesserungen bei der gleichgeschlechtlichen Ehe, etwa bei steuerlichen Fragen ? nicht aber beim Thema Adoptionsrecht. Elisabeth Winkelmeier-Becker, CDU-Abgeordnete aus dem Rhein-Sieg-Kreis und Mitglied im Familienausschuss des Bundestages, sieht auch keinen Handlungsbedarf im Adoptionsrecht, denn: O-Ton 13: Unsere gemeinsame Entscheidung jetzt in der Koalition mit der FDP, ist, dass wir es an der Stelle auch beim bisherigen Stand lassen, der ja immerhin auch die Stiefkindadoption vorsieht und zulässt, aber jetzt eben nicht den weiteren Schritt gehen, eben jetzt fremde Kinder adoptieren zu lassen. Dass hier auch wirklich nicht die großen Zahlen anstehen von Paaren, die Kinder adoptieren wollen, sondern dass es hier manchmal auch ein Stück weit um einen prinzipiellen Fight geht, hier auch jede Gleichstellung durchzusetzen, und an der Stelle ist das nicht aus Sicht der Erwachsenen sondern der Kinder zu beurteilen. Sprecher: Das Bundesverfassungsgericht hat im Sommer letzten Jahres geurteilt, dass die Homo-Ehe in allen Bereichen der heterosexuellen Ehe gleichzustellen sei? das Adoptionsrecht klammerten die Richter dabei allerdings aus. Vereinfacht ausgedrückt heißt das: Die Politik könnte sich nunmehr das ganze "Lebenspartnerschaftsgesetz" schenken ? alle Bereiche müssen in den nächsten Jahren der klassischen Ehe angepasst werden. Wie gesagt: Nur beim Kindschaftsrecht dürfen die Unterschiede bestehen bleiben. Und das trotz einer im letzten Jahr noch unter der Großen Koalition vorgestellten Studie, nach der Kinder in homosexuellen Beziehungen es keineswegs schlechter haben, wie Volker Beck betont: O-Ton 14: Es gibt eine Studie des Bundesjustizministeriums, die zu den bekannten Ergebnissen geführt hat, dass Kinder, die in schwulen oder lesbischen Familien groß geworden sind, nicht irgendwie abweichen von anderen Kindern, sie werden nicht häufiger homosexuell als andere Kinder, sie sind nicht dümmer, sie sind nicht sozial auffälliger, sie sind nicht erfolgreicher oder weniger erfolgreich als andere Kinder, dann darf der Gesetzgeber nicht mehr länger diskriminieren Musik Sprecher: Noch schwerer als lesbische Paare haben es schwule Männer, die sich mit dem Gedanken an ein Kind beschäftigen. Hagen Bönigk und Stefan Dürschmid sind seit sieben Jahren ein Paar. Kennengelernt haben sie sich in einer Disco. Hagen Bönigk ist Kardiologe an der Uniklinik in Magdeburg, Stefan Dürschmid ist Psychologe und derzeit Doktorand an der Universität Oldenburg. Die Entscheidung, zu heiraten, kam eher spontan: O-Ton 15: Wir sind relativ früh zusammengezogen nach einem halben Jahr. Es war dann auch immer klar, dass wir zusammenbleiben wollen, aber es war jetzt für die meiste Zeit, dass wir gesagt haben, das müssen wir nicht unbedingt noch durch eine Lebenspartnerschaft begründen. Und das kam jetzt im letzten Jahr, dass wir gesagt haben: Eigentlich wäre das auch ganz schön, wenn wir uns offiziell noch mal füreinander entscheiden würden. Sprecher: Für Hagen Bönigk und Stefan Dürschmid hat sich seit der Hochzeit im Sommer 2009 nicht viel verändert, sie leben ein, wie sie sagen, doch recht normales Leben. O-Ton 16: Unser Freundeskreis besteht hauptsächlich nur aus heterosexuellen Freunden und wir gehen zwar auch in Kneipen, aber nicht, dass wir sagen, wir müssen unbedingt in eine schwule Kneipe gehen. // Deswegen vermissen wir es in der Stadt auch nicht, wo es eben nur zwei, drei solche Locations gibt, wir suchen das nicht auf, und haben deswegen keinen Bedarf daran und deswegen vermissen wir es auch nicht, was vielleicht in Köln, in Hamburg oder in Berlin anders wäre. Das schwule Leben heißt für uns eigentlich, dass man uns wahrnimmt, oder man auch mal küssend im Straßenbild erscheint, ohne dass das auffällt. // Das ist eben eine Frage, wie man damit umgeht, eine Freundin von uns hat mal gesagt: Naja, ihr macht es uns aber auch leicht, Euch zu mögen. Wir gehen damit auch nicht offensiv um, wir stellen uns vor, das ist Hagen, mit dem lebe ich zusammen, und von daher verstecken wir uns nicht, von daher glaube ich, so ein ganz ungezwungener Umgang damit ist das einfachere Rezept. Sprecher: Auch im Beruf, im Krankenhaus, an der Uni leben die beiden offen schwul ? noch nie habe es deswegen Anfeindungen gegeben. Eine ganz normale Familie - mit dem Wunsch, ein Kind großzuziehen. O-Ton 17: Die Adoption wäre die einzige Möglichkeit. Leihmutterschaft gibt es bei uns nicht, sicher auch aus guten Gründen. Und da wäre die Adoption das Einzige und das würden wir auch gerne machen. Im Moment ist es so, dass nur einer von uns adoptieren könnte, wir könnten es eben nicht als Paar machen. Was eigentlich sehr schade ist, weil, wenn einem etwas passiert, vielleicht dem, der das Kind adoptiert hat, dann fängt die ganze Situation für das Kind schon wieder an, dass es sehr viel Unsicherheiten mit sich bringt. // Und wir haben, muss man schon sagen auch einen starken Wunsch zu einer Adoption, wir haben viel versucht uns darüber zu informieren, und haben auch ? wie wahrscheinlich jedes Paar auf dieser Welt - uns auch die Fragen gestellt, die eigentlich selbstverständlich sind, warum will man eigentlich adoptieren? Was ist die Idee dahinter und wir haben für uns festgestellt, dass wir eigentlich ein schönes Leben haben, abgesichert sind, und wir vielleicht besser als andere Mitmenschen die Möglichkeit haben, so einem Kind eine Chance zu geben. Also wir sehen es weniger so, dass wir ein Kuschelkind zu Hause haben, sondern es geht darum, so einem Wesen eine Chance zu geben, was vielleicht, wenn es dort bleibt, wo es lebt, weniger Chancen hätte. Das betrifft auch die Vorstellung die wir haben, ein Kind auch aus dem Ausland zu adoptieren, weil es nicht nur darum geht, dass es ein deutsches Kind sein muss, sondern überhaupt einem Kind Entwicklungschancen zu geben. Musisch und in den Vorstellungen, in denen wir leben, weiterzugeben. Sprecher: Die enormen Schwierigkeiten sind für viele Paare dennoch kein Hinderungsgrund, ein Kind zu adoptieren ? oder über Insemination ein Kind zu zeugen. Oft stammen die Kinder aber auch aus ehemaligen Heterobeziehungen, so wie bei Anne und Sabine Arfsten. Anne arbeitet als Hebamme, Sabine als Frauenärztin in Betzdorf, einem kleinen Ort in Rheinland-Pfalz. Sie sind so etwas wie eine typische Regenbogenfamilie. Die beiden waren 2001 eines der ersten Homo-Paare in Rheinland-Pfalz, das den Weg zum Standesamt ging. Für die seit 1996 zusammenlebenden Frauen war die bundesweite Einführung der Homo-Ehe die Erfüllung eines Traumes. Auch deshalb, weil Anne Arfsten zwei Kinder aus ihrer vorherigen Beziehung mitbrachte: Felix, heute 17 und Antonia, 15 Jahre alt. Anne und Sabine Arfsten zögerten nicht lange. O-Ton 18: Wir wollten es machen hauptsächlich auch für unsere Kinder, dass sie sehen, es ist in Ordnung, dass wir zusammenleben, dass unsere Liebe Ok ist und wir wollten für sie und mit unseren Freunden ein Fest feiern, das mit den Rechten und Pflichten, da hoffen wir, dass die Zeit für uns arbeitet. // Dazu muss man sagen, dass die Verpartnerung gerade auch für die Stiefkindadoption eine Voraussetzung war, und das hat uns ja schon sehr auch geholfen dann auch, natürlich. Sprecher: Trotz aller Offenheit der beiden - vorurteilsfrei begegne man einem Homo-Paar in der Kleinstadt nicht ? besonders wenn Kinder dazugehören, meint Anne Arfsten: O-Ton 19: Man wird immer wieder komisch angeguckt und muss sich erklären, es ist kein Alltag. Gerade vorgestern hat mich jemand angerufen, weil wir ein Probe-Abo haben und das lief auf ihren Namen und dann meldet sich einfach eine andere Frau mit dem gleichen Nachnamen ? bis ich dieser Person klargemacht habe, dass ich die Frau bin, das musste ich dreimal sagen und dann: Ach so, und dann ist eine Pause, Ups, es ist einfach nicht normal. // Aber es ist durchaus auch in der Familie, dass man so manchmal das Gefühl hat, es ist schon etwas anderes, ob jetzt da die lesbische Tochter mit angeheirateter Familie kommt, oder die eigenen Enkelkinder, das muss man lange üben auch mit der eigenen Familie, damit da wirklich eine Gleichbehandlung ist. Ich glaube, es erstreckt sich in alle Lebensbereiche. Dass man merkt, es ist zwar OK, aber es ist nicht das Gleiche, wie eine "normale Familie". Sprecher: Für die Kinder, Felix und Antonia, ist die Tatsache, dass sie zwei Mütter haben, nicht immer einfach gewesen, vor allem nicht in einer kleinstädtischen Umgebung wie Betzdorf, aber, heute gebe es keine Probleme mehr: O-Ton 20: Jetzt gibt es gar keine Diskriminierung, wir sind ganz normal an der Schule wie alle anderen Kinder auch, da spricht uns keiner drauf an irgendwie negativ, manchmal positiv, manchmal kommen interessierte Fragen. Man merkt dann schon, dass sie keine Ahnung darüber haben, manche, die lachen, weil sie nicht wissen, was es ist oder wie es aussieht in so einer Familie. Andere, die fragen dann wirklich interessiert darüber nach, wie es denn so für einen ist, so zu leben, wie es aussieht in so einer Familie, was anders ist, ob wir uns anders fühlen und so Fragen. // Ja jetzt kommt fast keine Diskriminierung mehr wie gesagt, aber früher in der Grundschule da kamen schon ein paar Sprüche wie "Schwuler" als Schimpfwort, aber das ist eigentlich auch alles vorbei. // Früher habe ich oft halt noch vermieden den Leuten das zu sagen, weil ich da war ich mir noch nicht so im Klaren, dass das ganz normal ist, weil halt in der Grundschule schon öfter mal einem eingeredet wurde, dass es nicht normal ist, weil man dieses Bild bekommen hatte, dass es nichts Gutes ist oder nichts Normales ist, aber, irgendwann habe ich dann festgestellt, dass es ganz normal ist, und dann bin auch offen auf die Leute zugegangen und habe dann direkt, wenn ich die kennengelernt habe dann gesagt, dass ich zwei Mütter habe, aber mittlerweile sage ich es mit Stolz dabei, anstatt , dass es einem peinlich ist. Sprecher: Eines der häufig geäußerten Vorurteile lautet, dass Kinder in homosexuellen Beziehungen nicht "normal" aufwachsen, weil ihnen der weibliche oder männliche Beziehungspart fehlt. Felix und Antonia wirken nicht so, als würden ihnen etwas fehlen oder als sei irgendetwas nicht richtig verlaufen in ihrem Leben. Was allerdings anders ist, ist ihre Einstellung zum Thema Sexualität und Homosexualität: Sie ist eine offenere, als es vielleicht bei manchem Kind aus einer heterosexuellen Beziehung der Fall ist. O-Ton 21: Man nimmt das eher in Erwähnung, als wenn man von heterosexuellen Eltern erzogen wird, weil da kommt die Möglichkeit nicht in Frage, weil darüber wird ja nicht geredet, das erfahren die ja erst viel, viel später, aber jetzt denkt man darüber nach und könnte das sein oder. // Ja man denkt natürlich drüber nach, aber das ist für mich klar, dass ich nicht homosexuell bin. Ich habe eine Freundin und bin mir da auch ziemlich sicher. Sprecher: So fügt sich am Ende das Bild einer Familie ? die zwar anders ist, als bei heterosexuellen Paaren ? aber dennoch intakt und stabil. Anne und Sabine Arfsten würden ihren Weg, ein offenes Leben in einer homosexuellen Beziehung jederzeit wieder gehen: O-Ton 22: Ich denke, dass das ganz, ganz wichtig ist, das in die Öffentlichkeit zu tragen, um auch als Vorbild vielleicht auch wirken zu können, damit andere nicht wieder wie alle wieder bei null anfangen müssen und da wieder rauskrabbeln müssen, sondern das man sagt: Die so und so kenne ich schon, dass man jemanden hat, die auch so Schritte in die Öffentlichkeit machen, damit die Öffentlichkeit sich damit auseinandersetzen muss. // Das ist der richtige Weg, er ist immer wieder anstrengend, natürlich würde ich mich lieber in eine Ecke setzen und nicht sagen müssen, ich bin auch die Frau Arfsten, und ich müsste mich nicht auf dem Elternabend outen, leichter wäre das, aber es ist nun mal so, ich bin lesbisch und deswegen muss ich dazu stehen und ich finde auch, dass wir eine Vorbildfunktion gerade in unserer Kleinstadt haben, wo kein Netzwerk ist, wo keine Jugendgruppen sind. Zu uns kommen schon mal Freunde der Kinder, die sich dann durch unsere lesbische Literatur arbeiten, Videos sehen, nicht mit uns, aber mit unseren Kindern reden, weil sie sich überlegen, bin ich jetzt homosexuell oder nicht. // Und unseren persönlichen, privaten Weg, das steht sowieso nicht zur Debatte, der ist gut gewesen, das hat uns allen sehr gut getan und es geht uns allen sehr gut so. Musik Absage: "Normal ist das immer noch nicht" Vor neun Jahren wurde das Lebenspartnerschaftsgesetz verabschiedet Eine Sendung von Michael Meyer. Sprecher: Victor Neumann Ton: Ralf Perz Regie: Gabriele Brennecke Redaktion: Constanze Lehmann Produktion: Deutschlandradio Kultur 2010 1