COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Deutschlandrundfahrt 21. September 2013, 15.05 Uhr Von Geistern und verwunschenen Orten Glashütten im Bayerischen Wald Eine Sendung von Adama Ulrich und Vera Neumann Ton: Bernd Friebel Regie: Karena Lütge Redaktion: Margarete Wohlan Eine Produktion von Deutschlandradio Kultur 2013 01 O-Ton Steger Der Durandl ist natürlich rot, weil er aus dem Ofen kommt mit feuerroten Haaren, mit großer goldener Nase, mit großen Ohren, mit feurigem Gewand und meistens hat er auch Scherben an seinem Gewand, damit es schäppert, wenn er erscheint. 01 Autorin Die alten Glasmacher kennen ihn noch: den Glashüttengeist ,Durandl'. Er gehört zu den Sagen und Mythen, die bis heute die Identität der Menschen hier prägen. Und auch wenn in den Glashütten die Öfen nicht mehr brennen - der Geist von ,Durandl' geht weiter um. Musik (Kennmusik) Sprecher vom Dienst Von Geistern und verwunschenen Orten Glashütten im Bayerischen Wald Von Adama Ulrich und Vera Neumann 02 O-Ton Steger Und man sagt sogar, dass manche erfolgreiche Glasschmelzer vom Durandl das Goldrubinrezept bekommen haben oder andere Farbrezepte, denn die Farbrezepte, die waren früher sehr wichtig in einer Glashütte. Schöne Farben, das war eine Überlebensfrage in der Glashütte. Ganz besonders natürlich Goldrubin. Eine Glashütte, die Perlen hergestellt hat und die Goldrubin herstellen konnte, die wurde berühmt und die Perlen wurden Fassweise verkauft. 02 Autorin Willi Steger ist ein hagerer Mann mit einer jungenhaften Ausstrahlung, trotz seiner 79 Jahre. Er kennt nicht nur die vielen Geschichten und Sagen, die sich um den Glashüttengeist Durandl ranken. Er weiß auch bestens über die Glasherstellung Bescheid. In den 50er Jahren studierte er zuerst Glasdesign, ein paar Jahre später Glastechnik - und entwickelte eine ungeahnte Liebe zum Glas und zu den Menschen, die in den Glashütten arbeiten. Dabei hatte der gebürtige Oberpfälzer vorher absolut nichts damit am Hut. 03 O-Ton Steger Ich komme aus einer sehr kinderreichen Familie. ... Wir sind sehr arm aufgewachsen und 1948, als ich aus der Schule kam, gab es nirgends Arbeit, keine Lehrstelle war zu bekommen. Dann habe ich vorübergehend landwirtschaftliche Artikel verkauft, damit ich etwas Geld verdienen konnte und schließlich habe ich bei der Firma Nachtmannn in Neustadt eine Lehrstelle als Neuglasfeinschleifer bekommen. Dort habe ich dann 3 Jahre gelernt, habe die Berufsschule besucht, habe Glück gehabt, gute Lehrer gehabt und habe am Schluss den Staatspreis bekommen. 03 Autorin 1967 ist Willi Steger dann Werksleiter der Glafabrik Riedlhütte mit 250 Mitarbeitern geworden - und blieb es 37 Jahre bis zu seiner Pensionierung. Im Dezember 2009 wurde die Glashütte geschlossen und die 250 Beschäftigten verloren ihren Job. In Erinnerung an die harte Arbeit der Glasmacher und als Symbol für 580 Jahre Glastradition in Riedlhütte entwarf Willi Steger ein etwa zwei Meter hohes Glaskreuz, das seit 2010 auf einem großen Granit- Findling vor dem Gelände der Riedlhütte steht. 04 O-Ton Steger Glasmachen ist ein schwerer Beruf. Sie müssen immer vorm Arbeitsloch arbeiten. Das Glas muss bei einer Temperatur von zwölfhundert Grad mit der Pfeife aus dem Ofen geholt und dann verarbeitet werden. Aber dieser schwere Beruf prägt auch die Menschen und die Teamarbeit. ... Deshalb haben die Glasmacher auch ein Zusammengehörigkeitsgefühl. Die singen auch recht gerne zusammen in der Gruppe. Besonders im Fasching und vor hohen Festen wie Weihnachten und Neujahr. Man muss in der Hütte aufgewachsen sein, um das beschreiben zu können.Ein alter Spruch sagt: ,Wer einmal einen Hüttenstab zwischen den Zehen hat, der wird ihn nicht mehr los.' 01 Musik Hüttenlied 05 O-Ton Schreiner Wir kommen jetzt durch die Anfänge des Glases. Ägypten, Mesopotamien, man sieht es auch an den Mosaiken und den Gläsern, die vor 4000 Jahren hergestellt wurden. 04 Autorin Herbert Schreiner ist Bürgermeister von Frauenau - und stolz auf das Glasmuseum "seines" Ortes. 06 O-Ton Schreiner Frauenau hat eine ganz lange Glastradition. Wir haben heute noch drei Glashütten, die aktiv produzieren in Frauenau. Das gibt es sonst im Bayrischen Wald nirgends mehr. Zwei Mundglashütten, also die noch Handarbeit und mundgeblasenes Glas herstellen. Und einen so genannten "Eisernen Mann", so sagen wir dazu. Also diese Maschine, die das Glas maschinell, seriell herstellt. Das ist letztendlich Frauenau als Glasdorf. Auch das Glasmuseum in Frauenau hat eine ganz lange Tradition. Das ist 1975 eingeweiht worden. Es war, wo wir jetzt stehen, ein altes Sägewerk und dieses Sägewerk wurde von der Kommune gekauft und ist dann umgebaut worden zu einem Glasmuseum. 05 Autorin 30 Jahre nach der Eröffnung wäre das Museum fast aus allen Nähten geplatzt. Es genügte einfach den hohen Ansprüchen an ein solches Haus nicht mehr. Deshalb beschloss die Gemeinde 2001, für 8,5 Millionen Euro ein größeres und schöneres Museum zu bauen. Der Einsatz hat sich gelohnt: ein imposanter zweigeschossiger Rundbau aus Glas, Beton und Holz, 1.300 Quadratmeter groß, mit ausschließlich Originalexponaten. 07aO-Ton Schreiner (beginnt mit Atmo Schritte) Wir kommen jetzt in das Licht der Renaissance. Hier haben wir noch die Gotik, die gotischen Fenster, Regensburg. Der Dom war so ein Vorbild für diese gotischen Darstellungen. ... 04.42 (Atmo - Schritte dann O-Ton) 07b Venedig war zu Zeiten der Renaissance das Nadelöhr des Glases. Venedig hat die Trends gesetzt, die Formen vorgegeben, Venedig hat gesagt, was schön ist. Das war dann einfach schön - auch wenn es keinem gefallen hat, das war einfach schön. Atmo 07c (...). Es war in den Schlössern ein großer Luxusbedarf vorhanden - auch an Gebrauchsglas. Es gab das prunkvolle Essen. ... Trinken aus Gläsern, Rotwein, Weißwein, es hat auch Bier gegeben. Es gab viele Prunkschlösser in ganz Europa. Atmo 07d Hier haben wir jetzt das Ende der napoleonischen Zeit und kommen zur Industrialisierung. Das sind jetzt Impressionen Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts. Dann haben wir den Übergang in die moderne Zeit. Hier symbolisiert eine Rolltreppe dieses Kaufhausdenken, das eingesetzt hat. Ich denke an das KaDeWe in Berlin. Das war ja das erste große Kaufhaus, das eine Glasabteilung gehabt hat. Aus der Glashütte Eisch und Poschinger aus Frauenau sind auch Gläser gestanden. Im KaDeWe war das käuflich zu erwerben. 01 Atmo - Schritte 06 Autorin Ein ganz besonderes Highlight hat Frauenau rund um das Glasmuseum herum zu bieten. 08 O-Ton Schreiner ... Sie gehen in Frauenau durch die herrlichen gläsernen Gärten, die wir 2010 gebaut haben, wo 20 Künstler ganz monumentale Glaskunst ausstellen, die im Freien steht, in dieser recht kühlen Region von Oktober bis März, April.Es ist alles letztendlich vom Glas geprägt. 02 Außenatmo: kleiner Park, ein paar Vögel zwitschern(Archiv) 07 Autorin Wie große Seifenblasen prangen 126 durchsichtige Glasrundkolben an der Museumsfassade. Ein paar Meter weiter liegt ein überdimensioniertes Herz im Gras - blutrot und aus dünnem Flachglas anatomisch perfekt zusammengefügt. Eine Spiegelinstallation dient als Labyrinth und neben dem Teich vorm Museum ankert eine gläserne Arche. Geradezu märchenhaft mutet dieser weltweit erste gläserne Skulpturenpark an, kreiert sowohl von international renommierten als auch regional prominenten Künstlern. 02 Musik Glasmusik 09 O-Ton Christa Steger Der Durandl in der Neuriedlhütte. Man schrieb das Jahr 1876. Der Bayrische Wald lag unter einer hohen dichten Schneedecke. Die kleinen Holzhäuser ächzten unter der Schneelast und das Schneien wollte kein Ende nehmen. ... An der Glashütte in Riedlhütte reichte der Schnee bis ans Hüttendach. 08 Autorin Willi Steger und seine Frau Christa sitzen in ihrem großen Wohnzimmer. Sämtliche Fensterbretter und Regale sind mit Gläsern in unterschiedlichen Formen und Farben belegt. Von der Decke hängen etliche Berg-, Wald- und sonstige Feen- und Hexenpuppen, die das Ehepaar seit Jahren sammelt. Und: sie sind Experten, wenn es um alte Durandl-Geschichten geht. Christa Steger hat sie gesammelt und aufgeschrieben. 10 O-Ton Christa Steger Das ergibt sich automatisch, wenn der Ehemann Jahrzehnte in der Glashütte ist und sich mit Glas befasst und praktisch Glas sein Leben ist. Das ergibt sich automatisch, dass man dann auch damit hineinwächst. Und es macht dann auch Spaß, darüber was niederzuschreiben. 11 O-Ton Willi Steger Diese Geschichten sind auch fast in Vergessenheit geraten. Die hatten meine Frau und ich wieder gesammelt. Vor allem auch deshalb, weil unsere Enkelkinder immer Geschichten hören wollten und schließlich haben wir dann ein Buch raus gegeben und dieses Buch ist dann sehr gut angekommen und daraus werden auch immer wieder Geschichten vorgelesen. 09 Autorin Darin steht auch geschrieben, warum der Durandl eigentlich Durandl heißt. 12 O-Ton Christa Steger ... Die Meinung der alten Glasmacher ist, beim Glashüttengeist Durandl handelt es sich um die Seelen der Glasmacher, die noch in der Glashütte geistern. ... d.h die Urahnen der Glasmacher. Und im bayrischen Dialekt ergibt sich daraus, der Urahne, der Urahndl, Durandl. Musikakzent Glasmusik (kurz Anspielen, dann unter O-Ton legen) 13 O-Ton Christa Steger Eines Nachts sah der Schmelzer Schwankl den Glashüttengeist Durandl. Ein kleines Männlein mit wallenden roten Haaren, einem roten Gesicht und einer Knollennase, einem Bauch wie eine Kugel, langen Armen und kurzen Beinen. Der Schmelzer hörte ein Raunen. Die Balken der Glashütte biegen sich schon unter der Last von Schnee und Eis, wenn der Glashüttenherr das Dach nicht abschaufeln lässt, passiert ein Unglück. Dem Schmelzer wurde ganz unheimlich zumute. Er schickte sofort seinen Schüler nach Riedlhütte zum Hüttenherrn Roscher. Er ließ dem Herrn ausrichten, dass dieser unbedingt ein paar Tagelöhner nach Neuriedlhütte zum Abschaufeln des Hüttendaches schicken müsste. 10 Autorin (über folgenden O-Ton legen, der ab "Der Durandl" wieder im On zu hören sein sollte) Christa Steger sitzt an ihrem großen Wohnzimmertisch, vor sich ihr Buch, auf dem Cover eine Durandl-Figur. Die zierliche Frau mit den fröhlichen blauen Augen hat fast so rotes Haar wie der Glashüttengeist. 14 O-Ton Christa Steger Der Herr erwiderte jedoch: Es ist nicht der erste Winter mit sehr viel Schnee und Eis und noch nie wurde eine unserer Glashütten eingedrückt. ... Am nächsten Tag geschah das große Unglück. Gegen Ende der Glasschmelze war plötzlich im Hüttengebälk ein Knistern und Krachen zu hören. Der Durandl sprang aus der Schürgrube und lief in den tief verschneiten Wald. Der Schmelzer Schwankl sah den davoneilenden Hüttengeist, rief nach dem Schürer Hobler und beide rannten ins Freie. Die Glasmacher gingen gerade vom Hüttenwirtshaus Ziegler nach Hause, da schrie ihnen der Schmelzer zu: "Leute kommt schnell und schaufelt das Hüttendach ab". Aber bis die Glasmacher Schaufeln holen konnten, krachte das Hüttengebälk schon unter der gewaltigen Schneelast zusammen und drückte das Gewölbe des Schmelzofens ein. Das Dorf Neuriedlhütte mit seinen zwölf Häusern verfiel also bald. Und heute erinnern uns nur noch eine Wiese und eine Informationstafel an die einst blühende Glashütte. Hätte man den Warnungen des Glashüttengeistes Durandl folge geleistet, der Ort in dem schönen Tal würde wahrscheinlich heute noch bestehen und der Hüttenkamin sicher immer noch rauchen. 15 O-Ton Willi Steger ..... die Geschichte beruht auf Wahrheit. Die Hütte ist tatsächlich durch Schnee eingedrückt worden und dann abgebrannt und leider nicht wieder aufgebaut worden. Es war wirklich die schönste Glashütte im Glashüttengut Riedlhütte. 03 Musik Glasmusik 11 Autorin Unmittelbar neben dem Glasmuseum und den Gläsernen Gärten in Frauenau liegt die Glashütte der Familie Eisch. Die Familie ist seit 1712 im Glasproduzierenden Gewerbe tätig. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg haben sich Valentin und Therese Eisch selbständig gemacht und eine eigene Glashütte aufgebaut. Heute wird sie von Eberhard Eisch und seiner Cousine Julia geleitet. 16 O-Ton Eberhard Eisch Wir fertigen hier in Frauenau rein manuell. Das ist reines traditionelles Glashandwerk, wie es im Grunde genommen seit 2000 Jahren ausgeübt wird. Wir pflegen dieses Handwerk auch und wir sind bekannt für hohe Qualitätsstandards und somit ist uns hohes Niveau im Handwerk sehr wichtig. 12 Autorin Eberhard Eisch führt die Glashütte in der dritten Generation. War es für ihn selbstverständlich dieses Erbe anzutreten? 17 O-Ton Eberhard Eisch Man wächst da so rein, wenn man von Kindesbeinen an mit involviert ist und da die Ferienjobs verbringt und von Kindesbeinen an klar ist, dass man hier in die Fußstapfen tritt und das Unternehmen weiterführt. Das Ganze ist kein einfacher Schritt und die Verantwortung und alles was damit zusammenhängt, das wird einem erst in den späteren Jahren bewusst. Aber es ist eben auch eine positive Verantwortung. Hier eine familiäre Tradition weiter zu tragen. 13 Autorin Dennoch reicht es nicht aus, nur auf handwerkliche Tradition zu setzen. Dafür ist die Konkurrenz, gerade aus dem benachbarten Tschechien, aber zunehmend auch aus China zu groß. Die niederbayrischen Glashütten müssen sich da schon etwas Besonderes einfallen lassen. 18 O-Ton Eberhard Eisch Wir beschichten unsere Dekanter zum Beispiel so, dass sie einen No-Drop-Effekt haben, also nicht der letzte Rotweintropfen so außen am Dekanter runter läuft. Das geht hin bis zu modernen Farben oder Lacken, die man heute einsetzt, im Vergleich zu traditionellen Glasfarben, die wir über Jahrzehnte eingesetzt haben. So ist es eigentlich auch ganz spannend, was man heute Aktuelles diesem traditionellen Glashandwerk hinzufügen kann. 14 Autorin Eisch besitzt noch ein anderes Pfund, mit dem er wuchern kann. Er öffnet eine Flasche Wein und stellt zwei seiner langstieligen Rotweingläser auf den Tisch. 19 O-Ton Eberhard Eisch (Glasklappern) Es ist zweimal im Grunde das identische Glas. Gleiche Form, gleiche Größe, gleiche Fertigung. Nur eben dieses Sensis plus Glas durchläuft noch einen weiteren Schritt und ... bringt Aromen besonders zur Geltung. Die Flasche Wein ist gerade geöffnet, die gleiche Menge eingegossen und nun kann man ein paar Minuten warten und zunächst mal den Wein riechen, sehen wie er sich in den verschiedenen Gläsern entwickelt und dann eben probieren. 01.44 Mann kann es bereits in der Nase spüren, dass die Aromen hier intensiver zur Geltung kommen. Wir empfehlen dann häufig, erst aus dem Sensis Glas zu probieren, sich die Aromen einzuprägen, vielleicht dann noch ein zweites Mal probieren und dann das Vergleichsglas. Dann mag jeder selbst entscheiden. 15 Autorin Man muss sicher ein einigermaßen geübter Weinverkoster sein, um einen Unterschied zu schmecken. 03 Atmo Weingläser klappern, Kreuzblende 04 Atmo Glashütte 16 Autorin In der Glashütte Eisch arbeiten 60 Leute. Sie produzieren jährlich etwa 500.000 Gläser, vom normalen Trinkglas bis hin zu kleinen Kunstobjekten. Etwa die Hälfte der Produktion exportieren sie heute ins Ausland. 20 O-Ton Eberhard Eisch Wir haben Kunden in den arabischen Ländern, wir haben Kunden in Kanada, Nord-Amerika allgemein und liefern heute auch noch nach Asien, z.B. auch nach China und so hat sich das heute eingependelt auf einen Exportanteil von etwa 50 Prozent. 17 Autorin Und dann gibt es noch einen ganz speziellen Kunden. 21 O-Ton Eberhard Eisch Es gibt nicht sehr viele Glasmusiker, aber einer der wichtigsten ist Sascha Reckert und er baut seit Jahrzehnten bei uns seine Instrumente. Ich kann ja mal versuchen, ob ich einen Ton raus bringe. --- Das ist jetzt eher laienhaft. Aber wenn man das kann, der hat da komplette Instrumente und kann da wirklich komplette Melodien spielen. 18 Autorin Man nennt sie Glasharfe oder Glasharmonika - empfindliche Instrumente aus mundgeblasenen Kristallschalen, die hier am Glasofen hergestellt werden. 22 O-Ton Eberhard Eisch Das sind dann vielleicht 30, 40 Gläser nebeneinander, die müssen alle die gleiche Höhe haben. Und dann geht es natürlich darum, dass sie die richtigen Töne haben. ... Wir können dem Glasmacher natürlich nicht sagen, jetzt blas da mal ein Fis oder ein Cis ein. Der macht seine Form in gewisser Wandstärke, die ist ja nicht exakt definierbar und insofern muss der Glasmusiker dann hinterher tricksen und schleift hier z.B. Teile der Gläser weg, ... und stimmt in dieser Weise sein Instrument. Wir hatten da zum Teil wirklich komplette Glasopern aufgeführt hier am Glasofen, schöne Kulisse mit verschiedensten Glastinstrumenten und auch Opernsängern, die Sascha Reckert dann ermittelt hat. Es waren wirklich tolle Aufführungen. 04 Musik Glasmusik (mit Gesang) 19 Autorin Wir bleiben noch einen Moment beim musikalischen Teil der Glasproduktion und unternehmen einen Abstecher nach Riedlhütte. Vor Willi Steger auf dem Wohnzimmertisch stehen fünf glockenförmige, farbige Weingläser. Vorsichtig stösst er sie gegeneinander. 05 Atmo Glockenspiel (kurz hoch und unter O-Ton liegen lassen) 23 O-Ton Willi Steger Mein Bestreben im Betrieb war immer die Zusammenarbeit der Mitarbeiter, die Mitarbeiter zu motivieren und mit den Mitarbeitern zu feiern. Deshalb habe ich sehr viele alte Traditionen wieder eingeführt, z.B. das Glockenspiel. 06 Atmo Glockenspiel hoch 24 O-Ton Willi Steger Diese Gläser klingen deshalb so gut, weil sie großvolumig sind und es ist Bleikristall. Bleikristall ist ein sehr dichtes Glas mit Bleioxid und Pottasche und daher hat es auch eine hohe Klangfähigkeit, wenn es glockenförmig oder als Kelch geblasen wird. 07 Atmo Glockenspiel hoch 20 Autorin Zurück nach Frauenau. Das 2700-Einwohner-Dorf kann getrost als das gläserne Herz des Bayrischen Waldes bezeichnet werden. Es liegt an der so genannten Glasstraße. Die führt quer durch den Bayrischen Wald zu Orten, an denen die Glastradition lebendig geblieben ist. Außerdem gibt es in Frauenau neben dem Glasmuseum, dem Gläsernen Garten und der Glashütte Eisch auch noch die Glasmanufaktur Freiherr von Poschinger. 25 O-Ton Benedikt von Poschinger Wir sind die älteste Glasmanufaktur in der Welt mit der längsten Familientradition. Seit 1568 macht die Familie das jetzt in ununterbrochenem Familienbesitz. 21 Autorin Der Betriebswirt Freiherr Benedikt von Poschinger gehört zur 15. Generation der Glashüttenbetreiber seiner Familie. 2007 hat er die Leitung von seinem Vater übernommen. Von seinen Angestellten kennt er noch die Väter und Großväter, die auch alle hier gearbeitet haben. 26 O-Ton Benedikt von Poschinger ... Mich hat hier immer schon das Glas und der Forst, also der Wald, interessiert. Und mein Bruder war immer der, der raus wollte. Dem war die Region hier zu klein, er wollte einfach weg. Und so hat sich das einfach entwickelt. Ich bin quasi hineingewachsen und bin nach wie vor mit Spaß und Mut, der auch dazu gehört, bei einer nicht ganz leichten Art des Handwerks, immer noch gern dabei. 22 Autorin Früher schmückten die eleganten Poschinger-Kelche die Tafeln der deutschen und französischen Königshäuser. Heute werden sie hauptsächlich ins Ausland verkauft. Wie viele andere musste auch diese berühmte Glasmanufaktur Ende der 90er Jahre ums Überleben kämpfen - und hat sich auf Sonder- und Spezialanfertigungen spezialisiert. 27 O-Ton Benedikt von Poschinger Wir versuchen alle gläsernen Probleme oder Wünsche zu realisieren oder zu lösen, dann wenn es um Reparaturen, Neuanfertigung geht. ...Na, wenn ein Architekt, der im Denkmalschutz tätig ist, der braucht vielleicht wieder ne Lampe, wie sie schon dort mal hing oder dort hängt und braucht eine zweite. Oder der Architekt sagt, für dieses Gebäude brauch ich einen Beleuchtungskörper, den ich nicht von der Stange kaufe, sondern ich stelle mir das und das Design vor. Oder wir machen auch viel für Designer oder für Künstler und setzen gern diese Ideen um in Glas. 23 Autorin Auch Touristen - also "Nicht-Fach-Leute" - können sich hier ausprobieren... 28 O-Ton Benedikt von Poschinger Die Leute können selbst versuchen, Glas zu machen, sich selbst eine Kugel am Ofen mit dem Glasmacher zu blasen. Das dient auch dazu, den Menschen zu zeigen und zu erklären, nachdem der Hauptanteil an Glas in der Welt maschinell hergestellt worden ist, denen zu erklären, warum ein handgemachtes, mundgeblasenes Glas auch teuerer ist, wie andere Gläser, und auch eine andere Wertigkeit hat. 24 Autorin Das teuerste Glas aus der Poschinger-Produktion gehört zur Serie "Anna Amalie" und kostet stolze 250 Euro. Es ist nach der Herzogin von Weimar benannt, die die feinen Gläser mit geometrischem Schliff bereits besessen und geschätzt haben soll. Die preiswertesten Weingläser sind für etwa 30 Euro zu haben. 29 O-Ton Benedikt von Poschinger Es hat eine Handschrift, wie alles, was Manufakturware ist. Es ist nicht perfekt, kann es nicht sein. Es ist nicht wie ein Ei das andere, dass alles sich gleicht, wie es bei einer maschinellen Fertigung ist. Es gibt handwerkliche Techniken und Kniffe, die kann die Maschine nicht ausführen. Also ganz viele Sachen sind an der Maschine nicht machbar, vor allem in der Stückzahl. Und es ist Glas, das auch ne Seele hat. Es lebt eher, es steckt der Hände Arbeit dahinter, vieler Leute. 08 Atmo (Natur, Vögel) Archiv 25 Autorin Frauenau liegt inmitten einer sanften Mittelgebirgslandschaft, eingebettet ins Tal des Baches Flanitz. Die Schachten, wie die Almen des Bayrischen Waldes hier heißen, sitzen wie kleine Augen in den endlosen Wäldern. Alte Ahornbäume wohin man blickt. Jede Jahreszeit hat ihre eigene Stimmung. Im Herbst, wenn sich Tau und Nebel über die Landschaft legen, ist sie geradezu magisch. Dann ist sich auch Benedikt von Poschinger nicht sicher, ob der Glashüttengeist nicht doch hier sein Unwesen getrieben hat. 30 O-Ton Benedikt von Poschinger Die Stimmung in der Glashütte in der Nacht, ... man kann sich vorstellen, ganz früher, als das alles autarke Inseln im Wald waren, diese Siedlungen, das ist ne eigene Stimmung. Man hört den Ofen, man sagt, der brummt irgendwie. Also man hört das Feuer, den Lichtschein, der irgendwo an den Decken und Wänden da rumtanzt der Feuerschein. Dann ist das schon eine Atmosphäre, wo man sich das gut vorstellen kann. Und die kriegen es hier sowieso, diese ganzen Sagen, ob Glashütten oder andere Sachen, die sich im Wald zugetragen haben, sowieso immer als Kind mit. Das war immer ganz furchtbar erschreckend und Angst einflößend. Da kann ich mich schon gut dran erinnern. Musikakzent Glasmusik (unter O-Ton belassen) 31 O-Ton Christa Steger Der Durandl von der Lusenhütte. Vor über 400 Jahren stand unter dem Lusen eine kleine Waldglashütte. Was dort gefertigt wurde, wusste kein Mensch, da über diese Hütte auf 900 Metern Höhe keine Archivalien vorhanden sind. Auch wusste man nicht, ob der Glashüttengeist Durandl seine Späße und Schabernacks mit den Glasmachern dort getrieben hat. In den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts erzählte ein alter Glasmachermeister aus Riedlhütte desöfteren von dieser verschwundenen Waldglashütte am Hall´sch Tor. Und dass es an dieser Stelle auch manchmal geisterte.... 03.22 Die einhellige Meinung der Waldler und Glasmacher war, der Glashüttengeist Durandl war sicherlich im Schürkanal und ist heute freigekommen. Der Durandl, nach 400 Jahren. Wie ist das möglich? Aber bei Geistern ist alles möglich. 05 Musik Glasmusik hoch und ca 1' stehen lassen 32 O-Ton Schmid Das hier ist unser Rauhnachtsraum. Da geht es um Hexen und Geister. Geister gibt es keine mehr, das elektrische Licht hat sie vertrieben und die Hexen aus dem Bayrischen Wald wurden in den Rachelsee verbannt. ... Wenn Sie da mal hinkommen und sich ruhig verhalten, kann es sein, dass Sie hören, wie sie da unten rummachen. (lachen) 26 Autorin Rudolf Schmid steht mitten in seinem wahr gewordenen Lebenstraum: Der "Gläsernen Scheune". Sie ist nicht aus Glas - aber auch nicht aus Holz. Die Gläserne Scheune sieht eher aus wie ein Hexenhaus mit einem Turm - an dessen Fassade das Antlitz des Erbauers prangt, also des Herrn Schmid - samt stets präsentem Cowboyhut, versteht sich. 1980 hat der gelernte Glasmaler gemeinsam mit seiner Familie damit begonnen, die alte Scheune in ein Gesamtkunstwerk zu verwandeln. Drinnen stehen große Holzskulpturen, an den Wänden hängen riesige, phantasievolle Glasgemälde. 33 O-Ton Schmid Und da habe ich noch eine Glashüttenszene gemalt als Wandbild. ... Eine Gruppe Glasmacher unten. Darüber, oben im Giebel, den Geist, der in den Glashütten sein Unwesen trieb, den Durandl. Aber ich glaube die Glasmacher haben ihn immer erst gesehen, wenn sie schon einige Maß Bier intus hatten. Wissens, wir machen uns heute gerne lustig über solche Sachen. Aber die Leute früher, die haben ernsthaft an solche Hexen und Geister geglaubt. Und ich sage oft, heute ist alles beleuchtet bei der Nacht. Ich habe es zweimal in meinem Leben erlebt, dass wirklich stockfinstere Nacht war. Wenn dann irgendwo eine Eule krächzt, dann geht es einem kalt den Buckel runter, dann fängt man an, an Geister zu glauben. 27 Autorin Schmid bewohnt mit seiner Frau Margarete ein rustikal ausgebautes Nebengelass der "Gläsernen Scheune". Ihre drei erwachsenen Kinder arbeiten auch allesamt in der Glasmalerei. Tochter Barbara und ihr Mann Franz haben die Geschäfte im Jahr 2000 übernommen. Seitdem kümmern sich Schmid und seine Frau hauptsächlich um ihre Gäste - und die kommen immer zahlreicher in das Wunder-Haus, das etwa 40 km westlich von Frauenau liegt. 34 O-Ton Schmid Wir sind nicht die, denen es egal ist, welche Leute da kommen, - Hauptsache Geld. Wir wollen, dass die Besucher auch etwas mitkriegen. Selbst mit zwei Leuten gehen wir mit und machen eine Führung oder wir haben eine Tafel, wo wir das anschreiben, wann eine Führung wieder ist, dass da ein paar Leute zusammenkommen, so wie in einer ruhigen Zeit wie jetzt. Wir wollen wir bleiben. 28 Autorin Der 75jährige kennt gute und schlechte Zeiten. Der "Schwindelbaum" könnte davon erzählen! Ein acht Meter hoher Baumstamm, der auf einer nachgebildeten Erdkugel thront. Sie scheint jeden Moment unter der Schwere der Last zu zerspringen. 35 O-Ton Schmid Ich komme aus sehr armen Verhältnissen. Wir waren zehn Kinder. Läuse und Flöhe, sage ich mal, haben wir gehabt. Und selbst die waren unterernährt. Aber meine Mutter, die war immer gut drauf. Ich habe die nie jammern gehört und sie hatte ja auch immer passende Sprüche. Und wenn dann mal wieder irgendwo ein Schwindel aufgedeckt wurde, was es früher auch schon gab, nicht nur heut´, dann sagte sie immer: Kinder, wenn der Schwindel einen Körper hätte, also Gewicht hätte, hätte er schon lange die Erdkugel erdrückt. 29 Autorin Schmid begann Anfang der 1950er Jahre eine Lehre als Glasmaler an der Glasfachschule in Zwiesel. Bis jetzt hat er über 50 großformatige Glasgemälde geschaffen, von denen einige in der "Gläsernen Scheune" hängen. Auf vielen behandelt er mythische Themen. 09 Atmo Schritte 36 O-Ton Das hier ist eine symbolische Glaswand. ... Sehen Sie, ich habe hier einen riesigen Baumstumpf herein gemalt, aus dem dann die verschiedenen Dinge herauswachsen, hier z.B. ein Gerippe mit einer Sense, da oben die schwarzen Vögel, darunter, der steht da auf `nem Ast und ich wollte damit die schlimmen Visionen symbolisieren. Hinter dem Sarg, der auch nur noch ein Felsklotz ist, betende Hände, damit wollte ich sagen, dass immer schon, seit Menschen die Welt bevölkern, auch Menschen da waren, die solche Visionen unter das Volk brachten. Die ersten Schamanen, egal in welchen Völkern, in welchen Stämmen, die hatten immer so eine Position, wo sie die Leute mehr oder weniger auch ein bisschen erziehen wollten mit diesen Visionen, damit sie nicht über die Stränge schlagen. (Lachen) Musik: Glasmusik O-Ton Büchler 130723_10, 11.08 Geschnittene Linien, zwingen zur Ordnung. Die Unruhe des Alltags wird in Bahnen gelenkt. Leben kann gelingen. Autorin Das kurze Gedicht ist einem Glasobjekt des Künstlers Klaus Büchler gewidmet: Einer 40 mal 40 Zentimeter großen, dickwandigen Linse mit drei eingravierten, geraden Linien. Büchler lebt in Spiegelau. Bis zu seiner Pensionierung arbeitete der heute 66jährige in der dortigen Glasfabrik als Designer. Der Umgang mit diesem zerbrechlichen Werkstoff ist ihm anfänglich nicht leicht gefallen. O-Ton Büchler 130723_10, 02.04 Glas kann sehr gemein sein. Es ist oft sehr empfindlich und man denkt, man hat das Stück fertig und dann kann immer noch beim letzten Arbeitsgang etwas passieren. Wenn ich etwas dickwandigere Gefäße habe, ist die Gefahr nicht so. Je dünnwandiger und filigraner die Gefäße werden, desto schwieriger ist es. Aber ich habe jetzt seit 50 Jahren die Erfahrung und weiß, was man mit Glas machen darf und kann. Es kann trotzdem immer wieder was passieren. Autorin Büchler lernte sein Handwerk an der Glasfachschule im benachbarten Zwiesel. O-Ton Büchler 130723_10, 03.00 Da kriegt man erstmal die Grundbegriffe vom Glasschliff und Glasgravur auch andere Abteilungen von der Malerei bis zum Glasmacher vermittelt. Man muss sich halt für einen Beruf entscheiden. Atmo Landstraße 30 Autorin Etwa 20 Kilometer sind es von Spiegelau bis nach Zwiesel. Die dortige Glasfachschule, in der Büchler sein Handwerk gelernt hat, ist die erste dieser Art in Deutschland. Sie wurde 1904 gegründet, als die Glasmacher mit dem alten Brauch ihrer Wanderschaft Schluss gemacht hatten. Heute werden hier über 300 Studenten und Lehrlinge ausgebildet. Ihre Berufe reichen vom Glastechniker über den Glasveredler bis hin zum Brillen- und Feinoptiker, erzählt Leiter der Hans Wudy. 37 O-Ton Wudy Glas hat von Hause aus einen unwahrscheinlich ästhetischen Wert und Reiz. Also das Material an sich reizt. Wir brauchen die Schüler eigentlich gar nicht so begeistern dafür, natürlich ist es unsere Aufgabe, wer es noch nicht hat, das Glas in die Gene unserer Schüler zu pflanzen sozusagen. Unser Slogan ist ja auch: "Wir haben Glas in den Genen". Also wir leben Glas sozusagen. Und Glas hat ja in der Region nicht nur eine Vergangenheit. Glas hat auch eine Zukunft. 31 Autorin Darauf hat sich die Schule eingestellt - nicht nur aus egoistischen Gründen, sondern auch, um das Glashandwerk in der Region nicht gänzlich aussterben zu lassen 38 O-Ton O-Ton Wudy Wir brauchen Designer, die diese Produkte gestalten für den Weltmarkt, wir brauchen sehr gute Verfahrensmechaniker da drin, die Werkstoffwissen haben, gleichzeitig mit Maschinen umgehen können. Wir brauchen natürlich Techniker, die dafür sorgen, dass die Glasqualität stimmt. ... Das alles ergibt ein Bild, das am Ende dafür sorgt, dass die Glasindustrie in der Region Bayrischer Wald lebensfähig bleibt. Autorin Doch nicht jeder könne Glasmacher oder Glasveredler werden, betont der Fachmann. Die Bewerber müssen bestimmte Voraussetzungen mitbringen. O-Ton O-Ton Wudy, 130724_03, 16.05. Im Handwerk und in der Gestaltung machen wir einen Aufnahmetest. Wir wollen da einfach Grundtalente abfragen, ob die Sensorik in den Händen z.B. für die Glasapparatebauer vorhanden ist oder ausreicht oder eine gewisse Kreativität da ist, ob eine Vorstellungskraft da ist, ob ein dreidimensionales Vorstellungsvermögen vorhanden ist. Diese Dinge fragen wir dann in einem Aufnahmetest ab und entscheiden dann, ok, wir glauben daran, dass wir diese Leute hier lebensfähig kriegen, und dann können sie bei uns eine Ausbildung anfangen. 32 Autorin Zwiesel hat übrigens eine Weltattraktion zu bieten. Auf dem Parkplatz vor dem Werksverkauf der Zwieseler Kristallglas AG steht die mit über acht Metern Höhe weltgrößte Pyramide aus Kelchgläsern. Zwei Wochen lang hat ein Team von fünfzehn Mitarbeitern des Unternehmens Gläser gestapelt. Exakt 93.665 Weißweinkelche wurden millimetergenau aufeinander gestellt, und das völlig ohne Klebstoff oder Spucke. 11 Außenatmo (Archiv) Kleinstadt, wenige Autos Etwa drei Kilometer entfernt, am Stadtrand von Zwiesel, steht ein weiterer Superlativ: Die Kristallmanufaktur Theresienthal. 39(2) O-Ton Schnurbein Die Hütte wurde 1836 gegründet von zwei tschechischen Brüdern..Sie wurden ins Land gerufen und mit Privilegien ausgestattet, um diese Manufaktur zu gründen vom König Ludwig I, der zum Beispiel auch das Oktoberfest gegründet hat. Nach dessen Frau wurde die Hütte benannt. Also das war die Königin Therese, die eine unglückliche Ehe führen musste mit ihm, weil er, wie er selbst sagte, ein sehr poetisches Gemüt hat, was ihn dazu verleitete, viele Zwiegespräche mit jungen Damen zu führen, in Abwesenheit von Textilien, z.B. Das hat die Königin sehr verdrossen, aber sie war trotzdem treu, hat zu ihm gehalten und durfte ihren Namen geben für diese Glasmanufaktur. Deshalb heißen wir Theresienthal. 33 Autorin Max Freiherr von Schnurbein ist Geschäftsführer der Kristallmanufaktur. Hier werden die wohl exklusivsten Gläser Niederbayerns hergestellt, wie er meint. 40 O-Ton Schnurbein Das Design ist nicht nur Avantgarde oder schick oder neu, sondern es muss, gerade wenn es um Luxusprodukte geht, nah am Menschen sein. Das heißt, die Stile und die Glasformen etc., sind eher an die Hand angepasst als an irgendwelche Erscheinungsformen des gedeckten Tisches. Es muss alles perfekt sein. Wir vergleichen das immer mit einem Rolls Royce, wo nicht nur die Sitze schön aussehen, sondern sie müssen auch bequem sein. Mann muss also nach vier Stunden Fahrt keine Rückenschmerzen kriegen, und sie müssen auch nach 20 Jahren noch ansehnlich sein. Und in dieser Art unterstellen wir unseren Kunden, dass sie erwarten, dass unsere Produkte so durchstrukturiert sind, dass sie wirklich das Leben bereichern. 34 Autorin Schnurbein stammt auch aus Niederbayern. Bevor er sich mit Gläsern befasste, war er Banker in London. Die Entscheidung, das Leben in der quirligen englischen Metropole mit der gesunden bayerischen Bergluft zu tauschen, hatte vor allem einen Grund. 41 O-Ton Schnurbein Also das Essen ist sehr viel besser hier, muss ich mal sagen. LACHEN 35 Autorin Dabei war die Manufaktur im Jahr 2000 pleite. Die Produktion ruhte für vier Jahre. Erst mit Hilfe einer Stiftung wurde ein Neustart möglich. Heute beliefert Theresienthal gut betuchte Kunden aus aller Welt. 42 O-Ton Schnurbein Wir haben in den USA eine ganze Reihe von sehr eleganten Geschäften. Wir beliefern auch direkt Familien, die sich entsprechend neu ausstatten wollen. Die Kunden sind natürlich - sie brauchen eine gewisse Kultur, sie brauchen eine gewisse Freude daran. Der Nutzen, den ein besonderes und gut handhabbares Glas bringt, das bringt es jedem, der die Gelegenheit hat, es zu benutzen. Das heißt, es gibt auch Leute, die sich ein, zwei Gläser kaufen und sich ein ganzes Leben lang daran erfreuen, weil sie wirklich auch wunderschön sind. 36 Autorin Trotz der sehr hohen Preise - ab 50 Euro aufwärts für ein Glas - kommen Touristen zur Glashütte. Einige wollen sich die filigranen, zum Teil farbigen Kelche nur anschauen, andere hoffen, im Werkverkauf ein heruntergesetztes Exemplar zu ergattern. Dort gibt es manchmal auch Gläser zweiter Wahl. Die Besucher kommen von weit her. So auch George-Ann und ihre Familie. 43 O-Ton George-Ann Voice Over Wir leben in Amsterdam. Ich komme aus Texas in den USA, mein Mann ist Engländer und unsere beiden Adoptivkinder kommen aus Guatemala. Mein Mann wollte schon immer diesen Teil Deutschlands sehen - vor allem wegen der Natur hier, der schönen Landschaft, und zum Radwandern. Aber ich habe auch einen ganz persönlichen Bezug zu Gläsern. Mein Vater war ein leidenschaftlicher Glassammler. Als Kind hat er mich oft zu Auktionen mitgenommen. Jetzt besitze ich selbst viele Gläser, die mir mein Vater überlassen hat. 06 Musik Glasmusik 37 Autorin Wieder in Riedlhütte, wo die Reise begonnen hat. Hier steht eine ungewöhnliche Schauglashütte: Das Schild über dem Eingang gibt einen Hinweis darauf, warum! 44 O-Ton Köck Wir schmelzen ja Glasscherben. Deshalb heißen wir auch "Glasscherben Köck". Das heißt, wir holen uns von den großen Fabriken transparente Scherben und das ist dann eben unser Rohstoff. 12 Raum-Atmo (vorn am O-Ton) 45 O-Ton Köck Falls jemand frieren sollte, wir haben hier oben am Ofen zwischen 80-90 Grad, also wirklich Saunatemperaturen. Sie können gerne hochkommen zu uns, sich aufwärmen. Also es ist wirklich so, wenn wir hier arbeiten, dann schwitzen wir am Tag so zwischen 5 und 7 Liter. Diese Menge müssen wir natürlich während der Arbeit durch Trinken wieder reinholen, sonst bekommt man es mit den Nieren. ...Wenn uns jemand jetzt hier behilflich sein möchte, damit uns wirklich nichts an den Nieren fehlt, dann können sie uns natürlich eine Halbe ausgeben. ... Es ist selten, aber es kommt manchmal vor, ich habe rechts ein leichtes Ziepen. Man ist sich nicht sicher, sind es die Nieren oder ist es die Bandscheibe. Der Mann, der versteht es! 38 Autorin ... Und gibt einen halben Liter Bier aus. Florian und sein Vater Erhard Köck arbeiten an ihrem Schauglasofen, der in einem geräumigen, hellen Wirtsraum steht. Drum herum sitzen Besucher an langen Holztischen bei einer kühlen Maß Bier und schauen den Männern bei ihrer schweißtreibenden Arbeit zu. 46 O-Ton Köck Das Schwierigste am Anfang, wenn man diesen Beruf erlernt, ist dieses gleichmäßige Drehen. Es sieht sehr einfach aus, ist am Anfang aber wirklich das schwierigste, immer gleichmäßig drehen, nach links, nach rechts mit einer Hand, mit zwei Händen. Man braucht da schon gut ein halbes Jahr. Erst dann, indem man gleichmäßig drehen kann, kann man auch etwas rund aufblasen. 39 Autorin 1994 hat Vater Köck die Miniatur-Glashütte in seiner Garage aufgebaut. Fünf Jahre später stieß Sohn Florian dazu. Mittlerweile gehören ein Wirtsraum dazu, ein Laden, in dem es ihre gläsernen Waren zu kaufen gibt und sogar ein Waldglasgarten. 47 O-Ton Köck In der Mitte des Gartens sind die größten Glasbäume der Welt versammelt. Wir haben wirklich über 1000 Glasscheiben verarbeitet, wo jeder einzelne von uns gemacht wurde. In dem Garten, wenn man sich jetzt umschaut, findet man verschiedene Tiere: einen Rehbock sieht man oben schon stehen. Wenn man ein Stück weiter rauf geht, dann kommt das Hochzeitstor. Hier lassen sich auch wirklich schon Hochzeitspaare photographieren. ... Und böse Zungen sagen, wenn man weiter geht, dann kommt man später durch ein Tor zurück, das wäre dann das Scheidungstor. Ich weiß nicht, ob das stimmt. 40 Autorin Man könnte es sich durchaus vorstellen, in dieser gläsernen Sagen- und Mythen umwobenen Welt. Christa Steger, die Sammlerin dieser Geschichten, würde das wohl bejahen. Es ist eben die magische Welt von Geistern, Kobolden und mysteriösen Geschehnissen. 48 O-Ton Christa Steger So ging das Geistern des umtriebigen Durandl weiter. Man sah ihn mit einer Glasmacherpfeife, mit einem Goldrubinkelch, mit einem blinkenden Krug und hörte Glas klirren. (...) Der Glashüttengeist Durandl ist auch heute noch nachts immer wieder zu hören, wenn er durch den Wald ruft: Wo ist meine Hütte? Wo ist mein Schmelzofen? Kennmelodie Von Geistern und verwunschenen Orten Glashütten im Bayerischen Wald Sie hörten eine Deutschlandrundfahrt von Adama Ulrich und Vera Neumann Ton: Bernd Friebel Regie: Karena Lütge Redaktion: Margarete Wohlan Eine Produktion von Deutschlandradio Kultur 2013 Manuskript und das audio der Sendung finden Sie im Internet unter dradio.de 2