COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Länderreport vom 24.3.2010 Stressfaktor Schule - das achtjährige Gymnasium in NRW utorin: Friederike Schulz Red.: Claudia Perez Atmo Unterricht "So, einen schönen guten Morgen." "Guten Morgen." Werner Alers steht vorn am Lehrerpult, ein Stück Kreide in der Hand. Die Schüler der 9c am Kölner Schiller-Gymnasium kramen ihre Mathematikhefte raus. Atmo 2 "Wir haben in der letzten Stunde den Satz von Pythagoras nicht nur kennen gelernt sondern auch schon erste Anwendungen. Zur ersten Wiederholung habe ich euch zwei kleine geometrische Figurenaufgaben an die Tafel gezeichnet und bitte euch jetzt mal zu überlegen, wie man die gesuchten Größen mit Hilfe des Satzes von Pythagoras berechnen kann." Die Schüler der 9c sind zwischen 14 und 15 Jahre alt. In drei Jahren werden sie zum ersten Jahrgang in Nordrhein-Westfalen gehören, der nach zwölf Schuljahren Abitur macht. Wirklich begeistert über die verkürzte Gymnasialzeit ist niemand in der Klasse. Wer am Nachmittag noch ein Hobby hat, sitzt oft bis 21 Uhr an den Hausaufgaben, kritisieren die Sitznachbarinnen Natascha und Jammy. O-Ton 1 "Ich find's nicht gut eigentlich. Ich fänd es besser, wenn wir in der Woche weniger Stunden hätten und dafür 13 Schuljahre. Das haben die bisher auch geschafft. Und so hat man keine Freizeit mehr." "Man wiederholt gar nichts mehr. Man macht das alles durch, und dann vergisst man das auch wieder." Bedenken, die auch viele Elternvertreter hatten, als die Reformpläne bekannt wurden. Die Schüler haben jetzt 34 bis 37 Stunden in der Woche. Das bedeutet für die 9c dreimal Ganztagsunterricht bis 16 Uhr - allerdings mit einer Stunde Mittagspause zwischendurch. Bisher müssen die Schüler sich noch eine Pizza am Imbiss um die Ecke holen, doch im Sommer wird eine Mensa auf dem Schulgelände gebaut, damit die Kinder ein gesundes Mittagessen bekommen. Bis zu 120.000 Euro stellt die Landesregierung jeder Schule für die Umstellung auf ein Ganztagsprogramm zur Verfügung. Bis Ende 2010 sollen immerhin 115 von 626 Gymnasien im ganzen Bundesland umgerüstet sein - hauptsächlich um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern. Der positive Nebeneffekt: Die Fülle des Unterrichtsstoffs wird entzerrt. Dennoch hätten viele Eltern noch immer Bedenken gegen das achtjährige Gymnasium, sagt Werner Alers, der als stellvertretender Schulleiter immer wieder besorgte Väter und Mütter am Telefon beruhigt. O-Ton 2 "Die Sorgen drücken sich auch immer noch in dem Wunsch der Eltern aus, dass möglichst niemals Unterricht vertreten wird, sondern dass aller Fachunterricht zu 100 Prozent gegeben wird. Das kann keine Schule leisten. Daher gibt es immer wieder Gespräche, dass Eltern Sorgen haben, wenn ein Kollege längere Zeit erkrankt ist, ob das denn für Nachteile bei ihren Schülern sorgt." Atmo 3 Die Tafel ist fast vollgeschrieben, Werner Alers notiert die Zwischenergebnisse der Schüler. Der Lehrer nickt zufrieden - alle haben mitgemacht, die Lösung ist schnell gefunden. Keiner in der Klasse hat das Gefühl, dass der Stoff zu schnell durchgepaukt wird. Der Lehrplan wurde vor der Umstellung auf das achtjährige Gymnasium verschlankt, nur manchmal fehlt die Zeit zum Wiederholen. Durch Schulstress begründete Kopfschmerzen oder gar psychische Symptome durch den erhöhten Stress sind nach Einschätzung des stellvertretenden Rektors bisher bei keiner der betroffenen Klassen zu verzeichnen. Die Schüler jammern gelegentlich über zu viele Hausaufgaben - aber das hätten auch die Jahrgänge vorher immer getan, sagt Werner Alers mit einem Augenzwinkern. O-Ton 4 "Ich habe das Gefühl, dass es in den Klassen keine Stimmungsverschlechterungen gibt, jedenfalls nicht merkbar im Unterricht. Die sind genauso fröhlich, unterrichtszugeneigt oder abgeneigt wie andere Klassen auch. Das kann ich als Veränderung nicht erkennen."