KULTUR UND GESELLSCHAFT Organisationseinheit : 46 Reihe : Literatur Titel der Sendung : "Bei Buchung Bücher" Gedrucktes in Dörfern und Hotels Autor : Paul Stänner Redakteurin : Dorothea Westphal Sendetermin : 18.01.2015 Besetzung : Sprecher (Kommentar), Sprecherin (Kommentar), Sprecher 2 (Zitat und Voice Over) Regie : Klaus Michael Klingsporn Produktion : div. O-Töne, Musik Urheberrechtlicher Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in den §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig (c) Deutschlandradio Deutschlandradio Kultur Funkhaus Berlin Hans-Rosenthal-Platz 10825 Berlin Telefon (030) 8503- Bei Buchung Bücher Gedrucktes in Dörfern und Hotels Ansage Anfang der 1960er Jahre wurde im walisischen Dörfchen Hay-on-Wye das erste Bücherdorf der Welt geschaffen. Seitdem sind in vielen Ländern Bücherdörfer entstanden.Von Bücherdörfern und Bücherhotels erzählt unsere Sendung " Bei Buchung Bücher" von Paul Stänner Atmo Innen Essen 1. Oton Brock Das war gleich 1998-1999. Da haben wir damit angefangen. Es waren ursprünglich mal so etwa 5000 Bücher hier im Haus, und das ist daraus geworden, etwa 300.000 zur Zeit, und jetzt lässt es sich nicht mehr zählen. Sprecher Das kann man wahrscheinlich nicht in jedem Hotel so machen: Zwei junge Frauen, die erst vor zwei Stunden eingecheckt haben, sitzen beim Abendessen. Beide haben Teller und Gabeln zur Seite geschoben und stattdessen vor sich Bücher. Keine von beiden spricht. Was man als grobe Unhöflichkeit oder als Zeichen für ein tiefes Zerwürfnis ansehen könnte - wäre das nicht eine Szene im Gut Groß Breesen, dem - wie es sich selbst nennt - "1. Bücherhotel Deutschlands". Sprecherin Groß Breesen ist ein Örtchen in Mecklenburg-Vorpommern mit gerade einmal 54 Einwohnern, die in einigem Abstand voneinander wohnen. Es gibt noch ein Klein Breesen für Menschen, denen Groß Breesen zu trubelig ist. 2. Oton Brock Es gibt hier noch nicht einmal Wasser. Das ist das Allerschlimmste. Ich bin am Wasser groß geworden. Das fehlt mir auch bis heute hier. Ich kann es Ihnen nicht erklären. Den Sprung hat das Haus mit mir gemacht. Sprecher Connie Brock stammt aus Stralsund und studierte in Güstrow. Damals wollte sie aus dem Studentenheim raus und suchte eine Wohnung. Und fand sie im ehemaligen Gutshaus von Gut Breesen. Und sie blieb. 3. Oton Brock Ich habe 1992 als der Bürgermeister kam und mich fragte, ob ich das Haus kaufen will, ohne Geld, ohne Ziel, ohne Plan dieses Haus gekauft, obwohl ich nicht wusste, was ich damit will. Seitdem bin ich hier und denke mal, ich will hier auch nicht mehr weg. Sprecherin Rundum gibt es viel Wald und weite Wiesen. Gegenüber eine Töpferei mit einem gläsernen Pavillon im Vorgarten, wo man künstlerische Keramik bewundern und kaufen kann, die sich in dem abgelegenen Dorf recht exotisch ausnimmt. Güstrow liegt ca. 15 Autominuten entfernt, dort ist die wirklich große Welt. Sprecher Conny Brock hat Literaturwissenschaft und Philosophie studiert, dann aber doch als Reiseveranstalterin gearbeitet und anschließend ein Busunternehmen mit vier Bussen aufgezogen. Aber das war alles nicht das, was sie wirklich wollte in ihrem Gutshaus in Groß Breesen mit nichts als Natur drumherum. 4. Oton Brock Was macht man mit so einem Haus, wenn man es gekauft hat? Es ganz alleine zu bewohnen, dafür war es zu groß. Daraufhin habe ich gesagt: o.k., man könnte eine kleine Pension daraus machen und sich dann mit anderen Reisefreudigen hier treffen und solche Erlebnisse austauschen. Sprecher Der Kern des Hotels ist das alte Gutshaus, das einmal zum Kloster Dobbertin gehörte. Nach Süden wurde ein neuer Eingangsbereich vorgebaut. An Stapeln von Büchern vorbei, die wie Stalagmiten aus dem Boden wachsen, schlängelt sich der Gast zur Rezeption. Gleich hier kann er wie in einem Wunderland voll zahlloser Schätze die Außenwelt vergessen. Conny Brock hatte eine Vision: 5. Oton Brock ... dass es einen Raum gibt, in dem an allen Wänden Bücher stehen und zwei Ohrensessel drin stehen. Dann habe ich Hay-on-Wye besucht, und auf dem Rückweg wusste ich, dass das meine Manie sein wird, mich mit Büchern zu umgeben, ich aber nicht damit handeln möchte. Ich kann den Wert eines Buches in Geld bis heute nicht einschätzen. Der hat für mich immer so einen ganz anderen Wert. Sprecher Conny Brock hat einen sauberen Deal eingefädelt: Wer zwei Bücher herbringt, kann ein Buch seiner Wahl mit nach Hause nehmen. Das sorgt für einen unendlichen, ein wenig beängstigenden Zuwachs an Büchern. In den vier Häusern, aus denen das Hotel besteht, stapeln sich überall Bücher, manche verschwinden, andere kommen hinzu, die Keller sind überfüllt, und in der Scheune nebenan ist auch nicht mehr viel Platz. 6. Oton Brock Wir kriegen Bücher gebracht in einer Anzahl zwischen 2, die in eine Handtasche passen, weil der Tauschfaktor ja 2:1 ist, bis hin zu 7,8,9, 10 Bananenkartons, die dann mal im Gepäck mitkommen. Atmo Park Sprecher Im kleinen Park sitzt eine Besucherin aus Berlin. Das Wetter ist nicht gerade freundlich, der Himmel ist verhangen, es droht zu regnen. Sie rührt sich nicht, sie liest. Akzeptiert aber eine Störung. 7. Oton Requisiteurin Vor zwei Jahren führte mich mal ein Radweg hier vorbei. Da habe ich mir nur das Foyer angeguckt und war sofort verliebt in diesen Ort. Und jetzt war es endlich einmal so weit, dass es geklappt hat. Sprecher Es stellt sich heraus, die Dame hat eine Auszeit von drei Tagen genommen und ist in die Ruhe und die Bücher abgetaucht. 8. Oton Requisiteurin Es lädt sofort ein zum Lesen. Dazu ist mir noch aufgefallen dieser gelbe Salon, dieser wunderbare Frühstücksraum mit Fenstern so in alle Himmelsrichtungen. Das war sehr schön. Es war einfach auf Anhieb einladend der ganz Anblick und die ganze Atmosphäre auch. Sofort wurde man auch freundlich empfangen, obwohl wir nur gucken wollten. Das war einfach alles schön. Atmo Tür zu Oton/Atmo (der Text ist sehr lang, wird ab sondern zwischen jenen Unglücklichen herunter geblendet zur Atmo) Rau: Ich freu mich sehr auf Samtkleider und Frauen, die im Regen stehen. Wer mag denn lesen? Ja! - ... (läuft weiter...) Oton/Atmo (kurz frei, dann wieder herunterblenden) Frauenstimme: Am Nachmittag sah ich sie an der Bushaltestelle stehen. Nicht zwischen den Menschen, die sich frierend im Wartehäuschen drängten, sondern zwischen jenen Unglücklichen, die dafür zu spät waren und nun teils mit, teils ohne Schirm im strömenden Regen standen. Zu denen gehörte ich. Anders als wir, eine durch die misslichen Umstände verschworene Schar, blickte sie sich mit leuchtenden Augen um. (und weiter bis es reicht). Sprecherin In einem Anbau des Hotels mit jenen praktischen Tischen aus Holz und Metall, die in jedem Seminarraum zu finden sind, sitzen 17 Personen, 1 Mann und 16 Frauen, nahezu alle in ihren Fünfzigern und mit einem praktischen Kurzhaarschnitt. Alle 17 nehmen teil an einem mehrtätigen Seminar mit dem Titel "Lebe deinen Traum". Sprecher Eine Woche lang wird es um das Buchhandwerk gehen: um Kalligraphie, um Papierschöpfen und Buchdruck und Buchbinden und eine wenig bekannte Kunst, die Bookogamie - das Falten von Büchern. Und natürlich um das kreative Schreiben, angeleitet von Hannah Rau aus Lübeck, die sich eine "Wortwerkerin" nennt. Oton/Atmo endet 9. Oton Rau Das schönste Gefühl ist, wenn jemand auf seinen Text guckt und sagt: Boh, das habe ich geschrieben? Das ist wirklich von mir? Und dass die Menschen Freude haben am Schreiben. Sprecher Hannah Rau hatte in der Morgensession der Gruppe ein Thema gestellt: "Eine Frau steht in strömendem Regen mit einer Luftmatratze an einer Bushaltestelle." Aus dieser Szene sollten alle eine Kurzgeschichte entwickeln. 10. Oton Rau Es geht um einen Impuls, wo sie überhaupt wieder ins Schreiben kommen. Viele haben ja auch noch die Altlasten von irgendwelchen Lehrern, die gesagt haben, das war falsch oder im Deutschen eine 4 gegeben haben, obwohl es total unberechtigt war. Da so ein bisschen gegen zu arbeiten, über eine Hürde rüber zu springen und sich wirklich rein zu schmeißen in Worte. Sprecher Über die Mittagszeit strömten die Gedanken und Ideen, wohl auch einige persönliche Erinnerungen, und nun liegen die Texte auf den Seminartischen. Es wird vorgetragen. Atmo wieder drunter 11. Oton Rau Schreiben hat ganz viele unterschiedliche Bedeutungen. Das eine ist wirklich, einen Kraftort zu haben, wo man sich drauf zurückziehen kann, wo man sich in sich hinein ziehen kann und in sich forscht. Und eine Sache ist natürlich auch, etwas zu schreiben, um etwas, was man sagen möchte, was sonst vielleicht nicht zu Gehör kommt. Ein Innen und ein Außen. Die einen machen es professionell, die anderen für den Spaß. Es gibt auch Professionelle, die mit Spaß schreiben, das habe ich gehört. Atmo Geräusche aus dem Vorraum Sprecher Arbeitspause. Eine Teilnehmerin ist aus Münster angereist. Eine Tasse in der einen und einen Keks in der anderen Hand leuchtet sie gleichsam vor Enthusiasmus. Entweder liegt es am Zucker im Keks oder am Rausch der schöpferischen Arbeit. Sie schwärmt: 12. Oton Münster-Frau Dieses Aufgenommensein, hier sofort zur Familie zu gehören. Sie haben es gesehen. Wenn Sie ankommen, ist neben der Rezeption schon ein Bücherstapel, unsortiert. Hei, das ist Verführung pur, durch die Regale, dann nicht sortiert. Da sind dann Kinderbücher, da steht aber ein Ustinov davor. Sie machen die Tür auf. Auf ihrem Bett ein aufgeschlagenes Buch. Atmo endet, eventuell beginnt unter Sprecher schon die Musik Sprecherin Torsten Brock ist der Ehemann von Conny Brock, der Bücherhotelbesitzerin. In der Bücherscheune, in der früher einmal Landmaschinen standen, dreht er sich um die eigene Achse, blickt auf Regale am Rande ihrer Aufnahmefähigkeit und schwört Stein und Bein, er sei ein Nichtleser. Er blättert nicht, er schmökert nicht, er studiert nicht. Bücher sind für ihn nichts als schwere Kisten mit den Neuzugängen, die er durch die Räume und Flure des Hotels schleppt. Seine Arbeit, sagt er, sei für das Bestehen des Hotels überlebenswichtig, denn alle anderen würden sich sofort festlesen, wenn sie Bücher in die Hand nähmen. Und wer räumt dann die Wege frei, füllt die Regale auf und kümmert sich um zerbrochene Waschbecken? Er allein ist gegen die Anfeindungen der Geisteswelt gefeit. So funktioniert Groß Breesen. Musik frei, dann wieder unter Sprecher Sprecher Menschen brauchen Bücher. Bücher brauchen Orte. Dies ist eine Reise zu Orten, an denen die Bücher im Mittelpunkt stehen. Wir verlassen Groß Breesen auf schmalen, baumbestandenen Landwegen. Jetzt geht es nach Güstrow, dann auf die Autobahn. Richtung Belgien. Musik trennt, dann Oton 13. Oton Miep van Duin (holländ. gefärbtes Deutsch) Ich habe hier in Redu ein Buchladen ... Ich war Lehrerin in die Niederlande, und das hat mir sehr gefallen, aber nicht für immer. Und das hat mich sehr gefallen die Atmosphäre, und dann habe ich gedacht, ich kann schon in die Wochenende anfangen, hier Bücher zu verkaufen und das ist mir gelungen. Sprecher Wir sitzen in Miep van Duins gemütlicher Wohnküche. Auf dem schweren Aga-Herd bullert eine Porree-Suppe, im gusseisernen Ofen knacken die Holzscheite. 14. Oton Miep ... es war ein success! Die Ökonomie war noch sehr gut damals... vor 20 Jahren, wenn ich hier angefangen hab. Sprecherin Redu liegt in einem weich geschwungenen Tal, schmiegt sich ein zwischen die bewaldeten Höhenzüge der Ardennen und sattgrüne Weiden. In dem Dorf wirtschafteten einmal zehn Bauern, heute ist gerade noch einer aktiv. Stattdessen gibt es 16 Läden mit Second- hand-Büchern. Auch die alte Schule ist zu einem Buchladen umfunktioniert worden, gegenüber, da, wo die Schüler früher vielleicht Süßigkeiten gekauft haben, ist jetzt ein Comicbuch-Spezialist. Redu ist ein Bücherdorf in Belgien. 15. Oton Miep Ich denke, für viele Leute ist das Buch ein Luxusprodukt.... Und wenn die Leute von diese Region einen Spaziergang machen, dann spendieren sie Geld zum Essen oder Trinken und wenn sie noch Geld haben, dann kaufen sie Bücher. Aber Bücher sind keine Priorität. Aber Studenten, sie kaufen Bücher hier, weil sie viel billiger sind dann neue Bücher. Sprecherin Redu als Bücherdorf ist von Noel Anselot gegründet worden. Er war Journalist und später Manager des Ölkonzerns Elf. Er hatte sich in dem Ort seiner Vorfahren ein Haus gekauft. Redu war damals ein Nest für Rentner und Touristen mit ein paar kleinen Bauernhöfen. Anselot, der Richard Booth und die Bücherstadt Hay-on-Wye in Wales kennengelernt hatte, eröffnete nach diesem Vorbild 1984 das Projekt des Buchdorfes Redu. Über 200 000 Besucher kommen jedes Jahr. Sprecher Die Kundschaft kommt zum Teil auch - via Internet - aus entlegenen Ländern. Van Duin hat beispielsweise ein Buch in französischer Sprache an eine Universitätsbibliothek nach Korea verkauft oder eines auf Niederländisch nach Italien. Solche Exoten-Verkäufe bereichern die Erfahrungswelt, aber am wichtigsten für das Geschäft sind die Kunden, die vorbeischauen und auf drei Geschossen in den Regalen stöbern. 16 Buchhändler in einem Dorf, das aus zwei Straßen besteht. 16. Oton Miep Man ist frei, um sich hier niederzulassen. Aber es ist sehr schwierig für ein Buchhändler, um hier in Redu seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Denn die Winter in Ardennen sind sehr lange. Und die Ökonomie ist nicht sehr günstig für uns. Sprecherin Die zumeist zweigeschossigen Häuser sind malerisch renoviert, aber immer noch kann man viele deutlich als ehemals landwirtschaftliche Gebäude ausmachen. Dazu gibt es mehrere Restaurants - zu viele für die vielleicht 450 Einwohner. Sprecher Jan Verhagen, Miep van Duins Mann, war früher Arbeits- und Organisationspsychologe mit eigener Firma. Der Holländer ist in Rente, hilft aber im Buchladen seiner Frau. Als Geschäftsmann sieht er die kleine Welt des idyllischen Redu mit nüchternem Blick: 17. Oton Jan (holländ. gefärbtes Deutsch) Wir sind schon über 30 Jahre ein Bücherdorf. Die Leute von Redu, die damals ihre Stallen und ihre leeren Häuser an die Librairie zur Verfügung gestellt haben, haben da auch gute Geschäfte gemacht. Sprecher Die Erfolgsgeschichte hat den Ort verändert. Landwirte verpachteten oder verkauften ihre Ställe und Scheunen an Buchhändler oder - noch gewinnbringender - an Restaurantbesitzer. 18. Oton Jan Man realisiert sehr gut, dass die Geschäfte z.B. die Cafés und Ristorante sehr gut laufen mit die Touristen usw. und dass die Leute auch ihr Geld verdient haben mit die Häuserbusiness z.B. Da ist ein kleiner Nachteil: Für junge Leute ist es unmöglich, ein Haus zu kaufen, weil Häuser unbezahlbar sind - fast. Sprecher Der Chef der Vereinigung der Buchhändler von Redu ist - ein Gastronom. Manu Hourgardy stammt aus Redu, hat früh in einem Café angefangen und leitet jetzt - auf der anderen Straßenseite - sein eigenes Restaurant mit ländlicher belgischer Küche und dem schweren, schwarzen, gehaltvollen Trappistenbier. Die Attraktionen von Redu sind die Bücher und - nur wenige Kilometer entfernt - das Space-Center mit Planetarium und Mondwanderungssimulator. Am Küchentisch erläutert Manu die Philosophie des Ortes: 19. Oton Manu Übersetzer Unser Dorf ist ein Themen-Dorf, zum einen die Bücher, und wir haben auch das Space-Center, die beiden sind wichtig. Das eine, die Bücher, geht nicht ohne das andere, die Restaurants. Die brauchen einander. Wenn die Bücher weg wären, dann haben wir auch kein Mittel, um die Touristen hier zu halten. Das sind zwei Dienstleistungen, eine kulturelle und eine familiäre: essen, trinken, ein wenig spazieren gehen und Bücher kaufen. Das ist wichtig, damit uns das Publikum erhalten bleibt. Sprecher Wenig später, als Manu schon wieder im Restaurant an seinem Herd steht und wir in Mieps Küche unsere Porreesuppe gegessen haben, kommt das Gespräch noch einmal auf die Einkommensstruktur des Ortes. Mit dem Raumfahrtzentrum in der Nähe und den Büchern vor Ort, fand Manu, Redu habe sein optimales Geschäftsmodell erreicht. Jan ist eher skeptisch. 20. Oton Jan Die Buchhändler sind arm und bleiben arm, die Leute mit Restaurants und Cafés, die haben wirklich Geld verdient. Wenn ich nicht übertreibe, gibt es kein Restaurateur, der sich keine Villa beschafft hat... schöne Häuser am Rande vom Dorf. Die Buchhändler haben aber den Raum nötig. Sprecherin Einige der Buchhändler - heißt es - haben noch Teilzeitjobs, um ihr Einkommen aufzubessern. Der Buchhändler, der sich auf Kochbücher spezialisiert hat, verkauft auch Küchenutensilien. Miep von Duin bietet in ihren dreigeschossigen Laden neben Büchern Büroartikel an. Die Bücher sind nur Attraktion und Dekoration für ein touristisches Ziel, aber sie sind nicht das wirtschaftliche Zentrum des Ortes. Was aber nicht heißen soll, Redu sei keine Reise wert - im Gegenteil: Wald und Wiesen, Bücher und Bistros - für Wanderer und Leser ist Redu unbedingt ein guter Name auf dem Navi. Musik als Trenner Sprecher Bücher sind auch Lebensbegleiter. Die Protagonisten, denen man bei der Lektüre begegnet, gehören zumindest eine Zeitlang zu unserem Bekanntenkreis, sie sind eine willkommene Bereicherung unserer alltäglichen Welt. Bücher gestalten Räume, in denen man sich wohlfühlen will, Bücher sind ein Lebens-Stil. Wir fahren nach Hamburg. Atmo Gemurmel vor einer Lesung Sprecherin Das Literaturhaus in Hamburg ist ein Ort, an dem großbürgerliche Bildungsvorstellungen in Architektur umgesetzt worden sind. Die Lesehalle war 1889 ein Saal für Feste und Konzerte, wurde im Verlaufe der Geschichte völlig heruntergewirtschaftet und erlebte vor einigen Jahren durch die Großzügigkeit von Geldgebern eine bibliophile Renaissance. Sprecher Halbsäulen aus rotem Marmor zieren die Wände, schillernde Lüster geben festliches Licht, und von den aufwändigen Friesen blicken pausbäckige Putten geduldig auf die vierzig bis fünfzig Besucher herab, die auf die Lesung mit Willi Winckler warten. Winckler hatte das Gelübde abgelegt, er werde, falls die FDP endlich aus dem Parlament fliegt, eine Pilgerreise von Hamburg nach Passau unternehmen. Auf dieser Reise entstand das Buch, aus dem er heute Abend lesen wird. Atmo Beifall Sprecher Winckler tritt im eleganten Sakko mit rotgestreiftem Hemd und schweren Wanderstiefeln an den Füßen auf, was eine gewisse Unentschlossenheit über seine Rolle an diesem Abend vermuten lässt. Gibt er den Wanderburschen oder den Reiseschriftsteller? Das Hamburger Literaturpublikum lässt sich nichts anmerken. Atmo Applaus frei, Begrüßung 21. Oton Reiter Nein. Das war ganz und gar nicht angedacht. Sprecher sagt Silvia Reiter, Österreicherin und seit 1992 in Hamburg. Sie ist die Geschäftsführerin im Hotel Wedina. 22. Oton Reiter Herr Schlatter hat sich einfach erst mal nach einer guten Lage umgesehen und wollte einfach hier ein schönes Produkt für seine Gäste machen. Sprecher Dann ging die Anfrage an Felix Schlatter, dass das Literaturhotel in seiner Nähe ein Hotel suchte, wo es seine Gäste unterbringen könne. Das Wedina hatte die Ausstrahlung, die passte. Sprecherin Das Wedina liegt im Stadtteil St. Georg, ein Szene-Viertel mit außergewöhnlicher und alternativer Kultur. Es sind nur wenige Schritte bis zur Außenalster, wo die Hotels mit den vielen Sternen und den hohen Preisen liegen. Atmo St. Georg 23. Oton Reiter Früher war es halt ein bisschen schmuddeliger, die eine oder andere Ecke. Aber das hat ja auch so seinen Charme. ... Ich finde, gerade Hamburg liebe ich als Nicht-Hamburgerin deshalb so sehr, weil es so viele bunte Stadtteile gibt und jeder Stadtteil für sich spricht. Sprecherin Bis zum Literaturhaus an der Alster sind es gerade einmal 15 Minuten Fußweg. Das Wedina ist ein eigenwilliges Hotel. Es begann mit einem der schmalen Häuser in der Gurlittstraße, das jetzt das Rote Haus genannt wird. Dann kam ein zweites Haus hinzu, das Blaue Haus, dann ein drittes, das gelbe - und schließlich noch das grüne. Die Gäste sind also immer unterwegs auf der schmalen Straße, im oft verregneten Hamburg ist das für manche eine Herausforderung. Atmo Wedina innen Sprecher Wir wandern umher: Im Roten Haus, wo auch die Rezeption ist, stehen in Regalen die Bücher der Autorinnen und Autoren, die hier übernachtet haben. Gerade eben ist auf dem Tresen ein Buchständer aufgebaut mit dem Band "Gebrauchsanweisung für Los Angeles" von Rainer Strecker, daneben der Hinweis: Sprecher 2 (Zitat) Dieser Autor ist derzeit im Hotel Wedina zu Gast. Sprecher Wer ihn erkennt, sagt der Subtext, darf ihn ansprechen. Im Blauen Haus sind 14 Zimmer jeweils einer Autorin oder einem Autor gewidmet. An den Wänden hängen die Faksimiles von Zitaten oder es steht eine Gesamtausgabe der Namensgeber griffbereit. Im Grünen Haus wird die Lyrik einziehen. Sprecherin Im 18 Meter langen Flur des Blauen Hauses, eines sehr modernen Gebäudes mit Sichtbetonwänden, sind Illustrationen der in Berlin lebenden Künstlerin Barbara Steppe aufgetragen. Die Motive beschreiben die Hauptaktivitäten von Hamburg-Reisenden, gegliedert nach statistischen Erhebungen. Mit 29,82% der Aktivitäten hat das Schlafen die höchst Wertigkeit. Noch vor der Hafenrundfahrt. Sex hat nur für 1,55% eine Bedeutung, Frühstücken und Zeitung lesen dagegen für 4,88%. Sprecher Schlafen, frühstücken, Zeitung lesen - man könnte zusammenrechnen, dass die Kundschaft des Literaturhotels Hamburg ausgeschlafen, genussfreudig und belesen ist. Sprecherin Die Liebe zu Büchern mag ein Grund für den Hotelier sein, sich die Literatur zum Zentrum seines Geschäfts zu wählen. Aber es gibt auch handfeste ökonomische Gründe: So, wie andere ihre Hotels für Skifahrer, Tauchurlauber oder Heiratswillige ausrichten, annonciert ein Literaturhotel einer bestimmten Kundenschicht, dass hier ein Haus auf ihre Wünsche ausgerichtet ist. Ganz oder doch zumindest teilweise. 24. Oton Reiter Vor 20 Jahren, als das Ganze begonnen hat, da hatte man noch nicht die Überlegung: Wie muss man sich platzieren marketingmäßig. Heutzutage würde man das wahrscheinlich schon ganz anders angehen. Wenn man ein Haus eröffnet, hat man schon ein Marketingkonzept in der Tasche. Vor 20 Jahren war das noch eine ganz andere Geschichte. Da war mehr die Nostalgie und eben den Gast nett beherbergen. Das waren andere Motivationen, würde ich's mal nennen. Atmo Frühstück Sprecher Beim Frühstück findet sich auch Rainer Strecker, der Autor, dessen Buch über Los Angeles an der Rezeption ausgestellt wird. Strecker ist außerdem Schauspieler und Sprecher und zur Zeit in Hamburg, um ein neues Hörbuch von Cornelia Funke einzulesen. 25. Oton Rainer Strecker In diesem Hotel bin ich, weil ich sehr, sehr lange schon fürs Hamburger Literaturhaus lese. Da sind jedes Jahr die nordischen Literaturtage, zu denen ich eingeladen werde, und dann fremdsprachige Autoren, den deutschen Part dieser Bücher übernehme ich, die vorgestellt werden. Und die ganzen Autoren, die dort lesen und eingeladen werden, werden hier im Hotel Wedina untergebracht unter der Bedingung, dass sie ein signiertes Exemplar ihrer Bücher hierlassen, und deswegen hat das Hotel Wedina eine ausgezeichnete Bibliothek. Sprecher Strecker schwärmt vom Patchworkhaften des Hotels mit seinen verschiedenen Häusern und erläutert seine kleine Hommage an das Hotel. 26. Oton Strecker Jetzt gleich lese ich Kurzgeschichten, die Autoren, die hier untergebracht wurden, fürs Wedina geschrieben haben. Wie aus einem Gästebuch. Sprecher Eine kleine Broschüre sammelt Texte von Schriftstellern, die im Wedina übernachtet haben: Alexa Henning von Lange, Michael Krüger, Michael Lentz und andere. Einige von ihnen hat Rainer Strecker eingesprochen, jetzt hört man die Texte in der Warteschleife des Telefons - wenn man mal warten muss: Oton Lesung - entweder von Datei, die das Hotel uns gibt, oder über ANG im Original Musik zur Trennung Sprecher (über der Musik) Wir verlassen Hamburg und fahren nach Süden, an Berlin vorbei nach Wünsdorf. Musik zur Trennung, abblenden Sprecherin In Wünsdorf sind gewisse West-Ost-Spannungen immer noch zu spüren: 27. Oton Borchert Die ganze Anlage stand ja 2002, 2003 kurz vor der Schließung. 1998 gerade gegründet und dann schließen, weil unsere Geschäftsführer aus dem freien Teil Deutschlands haben ja, als kein Geld mehr floss von der Landesregierung, dieses Areal fluchtartig verlassen. Sprecher Werner Borchert ist Geschäftsführer der Bücherstadt Tourismus GmbH in Wünsdorf, einem Ortsteil von Zossen. Er räkelt sich im Sessel in einem langgestreckten, flachen Gebäude. Früher war dies ein Wachhaus für die Kaserne. Jetzt ist hier die Kasse für die Bunkerführungen untergebracht, und auf langen Regalen stehen gebrauchte Bücher zum Verkauf. Sprecherin In Wünsdorf bei Zossen sollte nach den Vorstellungen der brandenburgischen Landesregierung eine große Bücherstadt entstehen. Sprecher Und die Idee schien anfangs ganz fantastisch. Sagt der frühere Journalist Werner Borchert. 28. Oton Borchert Die Situation war wirklich so, dass über die Landesentwicklungsgesellschaft unerhört viele Fördermittel hierher geflossen sind. Einer der Landesbeauftragten, der hier mit dem Umbau nach dem Abzug der Russen beschäftigt war, hatte von dieser Bücherstadtidee gelesen und war der Meinung, so etwas siedeln wir hier an. Dann kam das Ganze in Schieflage, trotz massiver Förderung, Landesregierung, Landesentwicklungsgesellschaft. Woher die Schieflage nach der ersten Gründungseuphorie entstanden ist, kann ich auch nicht so genau sagen. Aber es stand hier eben alles kurz vor der Schließung. Sprecherin Zossen hat eine sehr besondere Geschichte. Schon zu Kaisers Zeiten wurden hier Kanonen getestet, ab 1910 kam eine Infanterie-Kaserne dazu. Richtig groß wurde die Anlage im Dritten Reich, als das Oberkommando der Wehrmacht hier über und unter der Erde seine Führungseinrichtungen baute. Nach dem Krieg übernahm die Rote Armee die unzerstörte Kommandozentrale und besetzte sie mit nahezu 40 000 Rotarmisten und deren Angehörigen. 1994 zog die Rote Armee ab. Dem ehemaligen Militärgelände sollte nach dem Willen der Landesregierung eine zivile Nutzung folgen, mit Behörden und Beamtenwohnungen. 10 000 Menschen sollten in Wünsdorf angesiedelt werden, es wurde saniert und umgebaut. Sprecher Was in Wünsdorf ein eigenartiges Bild erschuf. Einige wenige Häuser sind noch Bauruinen, aber die meisten Gebäude sind durchsaniert, mit hell gestrichenen Fassaden und Balkonen auf Stahlständern. Dazwischen verteilen sich aufrecht stehend spitze, zigarrenähnliche Betonbauten in drohend-dunklem Grau - ehemalige Schutzräume für die Militärangehörigen, die sich nicht im verbunkerten Sperrgebiet aufhielten. Wie das so geht bei großen Vorhaben in der Region Berlin- Brandenburg: Da wird so manches in den märkischen Sand gesetzt. 120 Millionen, andere Quellen sprechen von 250 Millionen, wurden in die Konversion der alten Militäranlagen gesteckt. 17 Antiquare hatten ihre Buchhandlungen eingerichtet, als im September 1998 die "Bücher- und Bunkerstadt Wünsdorf" eröffnet wurde. Allein im ehemaligen Badehaus der Roten Armee gab es sieben Geschäfte. Musik endet Sprecherin 2003 war die Landesentwicklungsanstalt, die das Unternehmen "Bücherstadt" betreute und subventionierte, pleite. Von den Antiquariaten, die hier mal waren, sind noch vier übrig geblieben. 29. Oton Borchert Die Antiquare, die hier tätig waren, 16, 17 Antiquare, die hatten in Berlin ihr Hauptgeschäft. Das hier war eine Dependance. Sie haben hier ihre Bücher reingestellt, und man hat ihnen versprochen: Ihr gebt uns eure Bücher, wir beschäftigen hier ABM-Kräfte, und am Monatsende holt ihr euch euer Geld ab. Das konnte natürlich nicht funktionieren. Sprecher Die Antiquare, die beispielsweise aus Berlin gekommen waren, um an der guten Idee zu partizipieren, sind wieder nach Berlin zurückgekehrt. Die Geschäfte laufen dort besser, da sind sie am Puls der Zeit, dorthin kommt die Kundschaft, die bestimmte Bücher sucht. 30. Oton Borchert Wir leben ja von Büchern und Bunkern, das ist ein Synergieeffekt. Eigentlicher Magnet für unsere Anlage sind die Bunker, ist die Militärgeschichte. Erstaunlicherweise, viele Menschen, die gerade in der Saison April bis Ende Oktober zu uns kommen, die die Bunker angucken wollen, die sich mit der Militärgeschichte beschäftigen würden, können auch lesen. Sprecher Und kaufen Bücher - will sagen, das eigentliche Konzept, dass Wünsdorf ein antiquarisches Mekka für tausende von Bücherfreunden wird, die sich bei der Gelegenheit noch die Antiquitäten der Unkultur, nämlich die Hauptquartiere imperialistischer Armeen, anschauen, hat sich ins Gegenteil verkehrt: Die Touristen in Wünsdorf suchen nach den alten Bunkern, und die Bücherkäufer sind nur Beifang. Atmo Bunkerlandschaft außen 31. Oton Schmalenberger (ab 6. Armee Stalingrad zur Atmo abblenden) Haus A3, Oberkommando des deutschen Heeres, Fremde Heere Ost. Chef dieses Hauses war bis zum Kriegsende General Major Gehlen. Ende 1940 sitzt hier der Oberquartiermeister des deutschen Heeres, ein gewisser General Paulus, später bekannter als Generalfeldmarschall, 6. Armee Stalingrad, und der 1A der Operationsabteilung, auch ein bekannter Name, Herr Heusinger, zum Kriegsende Generalleutnant Heusinger, und die arbeiten in diesem Haus für das deutsche Heer den Überfallplan auf die Sowjetunion, Fall Barbarossa, aus. Sprecher Jens Schmalenberger führt durch die Bunkerwelt von Wünsdorf. Wir sind nur drei Besucher an diesem sonnigen Tag. Mitten in der Woche ist die Nachfrage nicht so groß. Schon zu Beginn der Führung können wir die zerstörten Bunker sehen, die sich ganz eigentümlich in die wuchernde Natur einfügen. Sprecherin Eine gewisse historische Kontinuität tut sich auf: General Heusinger war der erste Generalinspekteur der Bundeswehr, und besagter Major Gehlen hat den Bundesnachrichtendienst aufgebaut - beide konnten an das anknüpfen, was sie in Wünsdorf gelernt hatten. Sprecher Jens Schmalenberger, einst Zahntechniker, dann Bunkerführer und Bücherantiquar, hat sich auf militärische Themen spezialisiert, eben solche Themen, wie man sie in der bunkergeprägten Region am ehesten erwarten würde. Seine Ware bekommt er oft von Spezialisten des Faches. 32. Oton Schmalenberger Das habe ich auch schon gehabt, das ist immer mein größter Wunsch, dass ich von Professoren vom militärgeschichtlichen Forschungsamt oder so Bücher bekomme. Oftmals ist es wirklich die bunte Mischung. Ich sortiere dann aus. Dann sind es mal 5000 Bücher, die man holt, und davon sind dann vielleicht 400 Militär, und die anderen verteilen wir dann schön hier in der Bücherstadt. 33. Oton Borchert Wir wollen diese Einheit von Bunker, Militärgeschichte und Bücherkultur so lange wie möglich erhalten. Es funktioniert auch leidlich gut. Natürlich leben wir in Zeiten des Internets, der asozialen Medien, wie ich immer sage, und der sozialen Medien und in Zeiten des ebooks. Aber selbst ebook-Vertreter, wir hatten ja Leute hier, um mal zu überlegen, was können wir mit ebook und Bücherstadt machen, sagen, in bestimmten Bereichen, Fachbücher, ältere Bücher, die Wissen vermitteln, hat das antiquarische Buch durchaus auch in Zukunft eine Chance. Wir spüren das ja hier auch selbst. Es gibt immer noch Menschen, und wir hoffen auch, dass noch viele nachwachsen, die nicht Knöpfchen drücken wollen, wenn sie lesen, sondern die etwas anfassen wollen, die etwas riechen wollen. Und das ist eigentlich auch vom Klientel her auch die Zukunftsgarantie für Bücherstädte. Sprecher Am Ende muss man einräumen, die Idee, mit gewaltigen Steuergeldern eine Bücherstadt aus dem Boden zu stampfen, funktioniert nicht unbedingt. Bücher sind für Wünsdorf nur ein Standbein von mehreren, und zwar das schwächste. Aber - es gibt auch andere Beispiele. Musik Sprecher Von Wünsdorf geht es quer durch die Republik nach Iserlohn im Sauerland. Nicht eben das Epizentrum des literarischen Deutschland. Der Ort nennt sich Waldstadt Iserlohn. Eine Waldstadt war schon Wünsdorf bei Zossen, tief im Wald der Ardennen lag Redu, auf dem Waldweg nach Groß Breesen hätten wir uns fast einen Achsbruch geholt. Jetzt also Iserlohn. Sprecherin Man ist schnell wieder aus der Stadt heraus, kommt in den Wald und folgt einer Asphaltstraße den Berg hinauf. Linker Hand das Literaturhotel Franzosenhohl. Franzosenhohl heißt das Tal, weil hier zu napoleonischen Zeiten französische Truppen gelagert und dabei den Wald gerodet haben sollen. Der ist aber inzwischen kraftvoll nachgewachsen zu einer zutiefst sauerländischen Naturkulisse. 34. Oton Reichart Wir haben durch Zufall das Gebäude Franzosenhohl gefunden im Internet, das war zum Verkauf als das Konzept entstand 2006, als Doktor Holzhauer einen Ort suchte, wo er etwas machen kann, was in Anlehnung an meine Buchhandlung vielleicht noch ein bisschen weiterführt, dass man nicht abends um halb 7 die Gäste nach Hause schicken muss bzw. die Kunden, und wir haben das dann hier ausgearbeitet. Sprecher Andrea Reichart hatte in Essen eine Buchhandlung. Jetzt ist sie diejenige, die im Hotel für die Literatur sorgt. Sprecherin Als Ausflugslokal gab es das Franzosenhohl schon im 19. Jahrhundert. Nach mehreren Besitzerwechseln und Umbauten betreibt das Franzosenhohl das klassische Hotel-, Tagungs-, und Hochzeitsgeschäft, hat aber auch eine besondere Wellness- und Literatursparte. Wellness, weil der Besitzer ein Mediziner ist, Literatur, weil es gut dazu passt. Die linke Wand des Foyers beispielsweise besteht aus einem langen Bücherregal, in dem sich gut ausgeleuchtet die Neuerscheinungen der Saison präsentieren. Zusammengestellt von Andrea Reichart. 35. Oton Reichart Die Gäste machen sich Notizen, das ist wirklich so, man sieht ständig Leute im Foyer sitzen und Bücherberge durcharbeiten, sich Notizen machen, und die gehen dann hoffentlich in den lokalen Buchhandel. Das Motto im Literaturhotel ist immer noch "Blättern statt Scrollen". Atmo Harfenmusik Sprecher Der Stuhl im Wellnessbereich erscheint wie eine Mischung aus Ohrensessel und Klangkörper. Er ist aus hellem Holz, die Rückenlehne reicht über den Kopf hinaus. Über die Rückseite des Sessels sind Harfensaiten gespannt. Die Therapeutin Martina Geck schlägt die Saiten. Atmo Harfe frei 36. Oton Geck Das war ein Harfenstuhl, ein Monochord, der ist auf einen Ton gestimmt, in einer Oktave. Man sitzt in diesem Stuhl, legt die Hände auf zwei Holzkugeln, und die Vibration dieses Geräuschs, dieser Musik, überträgt sich auf den Köper. Man hört den Sound im Körper. Und wenn man sich jetzt vorstellt, dass unser Körper zu einem großen Teil aus Wasser besteht, dass Wasser durch Schallwellen angeregt wird, kann man sich vorstellen, dass man dadurch in eine bestimmte Harmonie kommt, das Zellwasser schwingt in dieser Klangfrequenz. Sprecherin Die Grundidee dieser Therapie durch Entspannung besteht darin, immer wiederkehrende negative Erinnerungen durch neue, positive Bilder, Gedanken und Gefühle gleichsam zu überschreiben wie eine unnütz gewordene Computerdatei. Dann kommt die Literatur ins Spiel und damit Andrea Reichart. Manche Gäste wollen in diesem Zustand der Entspanntheit Bücher aus einem bestimmten Genre lesen oder selbst schreiben. 37. Oton Reichart Man kann mit mir Workshops machen, ich biete Blitzworkshops an ... wenn jemand mit seinem Manuskript nicht zurechtkommt, ich bin ja selbst auch Autorin und arbeite auch als Lektorin, dann kann ich mich um solche Sachen kümmern - stimmt der Plot nicht und so. Das ist so Handwerkliches. Und in dem Entspannungsbereich werde ich dazu geholt, wenn Gäste sehr viel Kreativität entwickeln und etwas zu Papier bringen wollen, aber nicht genau wissen wie. Sprecher Andrea Reichart bietet - wenn gewünscht - die Mitarbeit am entstehenden Text an. 38. Oton Reichart Dann komm ich dazu, setz mich daneben, hör zu, mach mir Notizen, mach eine beispielhafte Kurzgeschichte, die diesen Gast dann in den Mittelpunkt rückt und bringe ihm, wenn er es möchte, das auch bei bis hin zum vollkommenen Buch. Sprecher Damit das alles nicht in Arbeit ausartet, gibt es Buchparties. 39. Oton Reichart Sie könne sich ne Buchparty tatsächlich wie ne Tupperparty vorstellen. Es ist so, dass ich vor einer ausgewählten Gästeschar eben Bücher vorstelle, die mir im Laufe der Saison aufgefallen sind, die ich für besonders empfehlenswert halte, und dann mach ich das sehr unterhaltsam. Ich hab also immer Tipps für wenn Sie mal irgendwo eingeladen sind, Sie kennen den Gastgeber nicht, möchten `nen guten Eindruck machen: Nehmen Sie dieses Buch mit, erzähl was dazu oder wenn Sie eingeladen sind bei Tante XY und möchten da nie wieder hin, dann nehmen Sie dieses Buch mit, das gefällt ihr bestimmt nicht, die fragt nicht nochmal und so. Sprecherin Das Franzosenhohl ist als Hotel Mitglied im Börsenverein des deutschen Buchhandels. Das Hotel kooperiert mit Verlagen, gelegentlich stehen die Neuerscheinungen hier schon auf den Zimmern, bevor die Bücher in die Buchhandlungen kommen. Es gibt keinen Second-hand-Markt, die ca. 2700 Bücher, die das Haus bereit hält, sind Neuerscheinungen oder junge Titel. Und die Bücher bleiben auch hier. Gekauft wird im örtlichen Buchhandel. 40. Oton Reichart Ich lade Autoren ein, ich betreue die Lesungen, das ist meine Hauptaufgabe hier. Ich achte aber vor allem darauf, dass wir als Kulturveranstalter, der wir geworden sind mit über 600 Lesungen im Laufe der Jahre mit sehr namhaften Autoren, dass dieses Programm aktuell immer wieder ordentlich für Aufsehen sorgt. Sprecherin Auf den Zimmern findet sich eine Palette von Romanen und Sachbüchern. An den Betten sind perfekte, langstielige Leselampen angebracht, die das endlose Schmökern geradezu herausfordern. Wer will, kann sich schon bei der Buchung eine Auswahl von Titeln aus dem Genre seines Geschmacks - Liebesroman, Krimi, historische Biografie - für seine Zimmerbibliothek zusammenstellen lassen. Andrea Reichart kann als gelernte Buchhändlerin professionell beraten. 41. Oton Reichart Hier muss man keine Angst vor dem Buch haben. Also es liegt mir sehr viel daran, dass ich die Hemmschwelle senke; dass ich den Gästen, mit denen ich zu tun bekomme, das Gefühl vermittele, auch wenn du die Bestenliste nicht rauf und runter gelesen hast und nicht jede Woche mit Günter Grass frühstückst, bist Du hier herzlich willkommen. Sprecher Fehlt noch was zum Thema Literaturhotel Franzosenhohl? 42. Oton Reichart Nö Atmo Flugzeug startet Sprecher Aus dem Sauerland geht die Reise weiter an die schottische Westküste. Von Glasgow aus erreicht man nach einer zweistündigen, kurvenreichen Fahrt durch die Wälder von Galloway den Ort Wigtown. Die Gegend hier ist einsam und vergessen. Fragt man in Wigtown, was hier bedeutend ist, heißt es: Die Belties! Sprecherin Die Belties, das ist eine Rasse von Kühen, die um den Bauch einen weißen Streifen wie einen Gürtel tragen. Sprecher Die Belties also. Was noch? Sprecherin Die Bücher! Atmo Zelt Sprecher In Wigtown ist gerade richtig was los. Das jährliche Literaturfestival ist in vollem Gang. Morgens, mittags und abends treffen Autoren ein zu Lesungen, die Prunkhalle im Rathaus ist proppenvoll, die beiden Zelte auf dem lang gestreckten Oval in der Ortsmitte sind ebenfalls gut gefüllt. Sprecherin Wigtown liegt an der Küste. Bei gutem Wetter sieht man Irland auf der anderen Seite des Wassers. Man ist mit der Fähre schneller in Belfast als mit dem Auto in Glasgow. Früher einmal war der kleine Hafen für die afrikanischen Sklaven, die hier umgeschlagen wurden, das Tor zur Hölle. Jahre später wurde es für die schottischen und irischen Auswanderer das Tor zur Neuen Welt. Heute ist der Hafen kaum noch zu erkennen. Atmo Café Reading Lassies Sprecher Finn, Ted und wir Besucher sitzen im Café der Reading Lassies, der lesenden Mädels. Bücher an den Wänden, noch mehr Bücher im Lager. Tee auf dem Tisch, feiner Kuchen in der Auslage. Finn ist Farmer, Herr über 300 Rinder. Gelegentlich veranstaltet er auch kulinarische Events in seinem Kuhstall. Dann werden lange Tische aufgestellt, ein Meisterkoch bereitet das Essen zu, und dann wird in original-schottischer Landatmosphäre groß getafelt. Jetzt, während des Literaturfestivals, moderiert er im großen Rathaussaal Autoren- lesungen. Wigtown, sagt er, hat durch die Ernennung zur National Booktown of Scotland eine große Veränderung erfahren. 43. Oton Finn Sprecher 2 (Voice Over) Bevor Wigtown seinen Status als Bücherstadt erhielt, gab es wirklich keinen Grund, hierher zu kommen. Hier gab es nichts. Aber nachdem die Buchhändler sich etabliert hatten mit ihren Läden und den Cafés, eröffneten auch andere Tearooms und Restaurants, und plötzlich machte es Spaß, hierher zu kommen oder Besucher hierher zu bringen. Lesezirkel haben sich gegründet und besondere Büchergruppen haben sich gefunden, und im Ergebnis sind wir ein Ort geworden, der viel stärker von Kultur geprägt ist. Sprecher Ted ist aus Barcelona zum Festival angereist. Er arbeitet als Autor und Übersetzer, aber er ist nicht aus beruflichen Gründen hier, sondern um Freunde zu besuchen, die er selten sieht. Immer für einen Spaß zu haben, hat er während des Festivals einen Job übernommen. 44. Oton Ted Sprecher 2 (Voice Over) Finn hat mich eingeladen und gesagt: Jeder, der immer schon mal Lust hatte, einen Buchladen zu betreiben, kann den Festival- Buchladen übernehmen. Einen Vormittag lang oder einen Nachmittag. Ich hab zugesagt und fand mich eines Sonntagmorgens im Buchladen wieder, und plötzlich strömten Besucher herein und suchten Bücher. Am Ende war ich sehr erfolgreich, ich habe dutzendweise Bücher verkauft. Sprecher Jerita ist die Besitzerin des Cafés Reading Lassies. Sie hat Buchladen und Café von der Vorbesitzerin übernommen, die ausgerechnet in dieser abgelegenen, ländlich geprägten Region von Schottland einen kämpferisch-feministischen Buchladen eröffnet hatte. 45. Oton Jerita Sprecherin (Voice Over) Der Buchladen wurde 1998 als Frauenbuchladen eröffnet, und ich glaube, er ist einer der letzten in Großbritannien. Als wir vor vier Jahren das Geschäft übernahmen, war der größte Teil der Bücher hier über Frauen. Wir haben jetzt ein etwas ausgewogeneres Angebot mit akademischen Titeln, mit Politik, Sozialwissenschaften - aber das Wichtigste ist: Wir haben guten Kaffee und Tee. Sprecher Dann stammt die beeindruckende Reihe von lesbischen Krimis wohl noch von ihrer Vorgängerin. Sprecherin Auf unser Erstaunen, dass dieses Genre im Englischen so viele Titel ausweise, schaut Jerita nur kurz und skeptisch und antwortet: Dann fahrt mal nach Hamburg. Sprecher Da waren wir schon. Jerita und ihre Partnerin haben noch einen weiteren Beruf: Sie führen nicht-religiöse Zeremonien durch bei Beerdigungen und Hochzeiten. Die schottischen Gesetze machen es möglich. Sex and death sei ihr Geschäft, fasst Jerita knackig zusammen. Auf die Frage, warum sie mit ihrer Partnerin das Reading Lassies gekauft hat, erzählt sie, was ihr wichtig war: 46. Oton Jerita Sprecherin (Voice Over) Lebensqualität und - einfach leben! Ich kann mir nichts Wundervolleres vorstellen als eine gute Tasse Kaffee oder ein gutes Glas Wein in der einen Hand und ein Buch in der anderen, einfach nur da zu sitzen und da zu sein und Leute zu beobachten. Sprecher Das Festival von Wigtown ist nicht nur ein Autoren-treten-auf-und-ab- Ereignis. Es ist ein regionaler Spaß mit Literatur. Aus der ehemaligen Gefängniszelle des Rathauses sendet eine improvisierte Radiostation das Festivalprogramm mit Lesungen und Gesprächen. Wer will, spielt einen Tag lang Buchhändler. In der Zukunft wird es einen writer in residence geben, einen Autor oder eine Autorin, die eingeladen werden, in der Ruhe des idyllischen Städtchens, ausgestattet mit den Vorzügen bester Luft von der irischen See, gehaltvoller Milch und Käse von glücklichen Belties, - die also eingeladen werden, hier zu schreiben. Und klar - zu trinken gibt es auch was im örtlichen Pub. Atmo Pub Sprecherin Adrian war früher Journalist und ist nun Festivalleiter und Kopf und Herz der Bücherstadt Wigtown. 47. Oton Adrian Sprecher 2 (Voice Over) Wigtown ist eine sehr typische schottische Stadt. Sehr ruhig im Winter, im Sommer etwas belebter. Aber weil es die national booktown of Scotland geworden ist, gibt es jetzt etwas obendrauf. Wir haben zwölf Buchläden, das Festival ist einer der Höhepunkte, die Stadt bekommt die Aufmerksamkeit der Medien, und dieses Jahr hatten wir acht- bis neuntausend Besucher, in einer Stadt von 980 Einwohnern. Sprecherin Nachdem Anfang der 90er Jahre eine wissenschaftliche Studie die wirtschaftlichen Effekte einer Bücherstadt untersucht hatte, wurde von der schottischen Regierung ein Wettbewerb ausgeschrieben um den Titel - und die damit verbundenen Fördermittel - der National booktown of Scotland. 48. Oton Adrian Sprecher 2 (Voice Over) Eines der wichtigsten Kriterien war die Bedürftigkeit. Wenn man sich Fotos von Wigtown anschaut aus den Jahren 1996/97, als es zur Bücherstadt ernannt wurde, sah man mit Brettern vernagelte Fenster. Es gab nicht einmal Autos auf der Straße; das war wirklich kein schöner Ort. Es hatte eine Molkerei gegeben, eine Whisky-Destillerie, aber all das war über Nacht zugemacht worden und dabei waren 200 Arbeitsplätze verloren gegangen - also ein Grund, warum Wigtown Bücherstadt wurde, war, dass es die Stadt war, die am meisten Hilfe brauchte. Sprecherin Regierungs- und Lotteriegelder in Höhe von zwei Millionen Pfund flossen in die Stadt, das Rathaus wurde restauriert, noch einige historische Gebäude - das war`s auch schon. Dann kamen nach und nach 16 Buchhändler, die sich hier niederließen. Ehemalige Lehrer, Archivare, Menschen mit einem ganz anderen Hintergrund. Etliche der Buchläden sind gleich eine Verbindung mit einem anderen Gewerbe eingegangen und haben zum Buchladen ein Café eröffnet. Sprecher Noch während des diesjährigen Festivals hieß es, nun endlich habe auch die örtliche Whisky-Destillerie einen neuen Käufer gefunden, der das Unternehmen weiterbetreiben wolle. Es wird wieder Whisky hergestellt in Wigtown - die Stadt ist nach schottischen Maßstäben unbestreitbar auf dem Pfad des Erfolges. Liegt das womöglich an den Büchern? Adrian meint, der Erfolg von Wigtown beruhe mehr auf der Kraft der Vision als auf der der Fördergelder. 49. Oton Adrian Sprecher 2 (Voice Over) Wir haben in diesem Jahr mehr als 100 Freiwillige. Sie machen alles Mögliche, sie fahren die Schriftsteller zur Bahn oder zum Flughafen, sie organisieren den Ticketverkauf und so weiter. Man sagt, eine Bücherstadt zu installieren, sei ein wirtschaftliches Wiederaufbau- Programm, aber noch wichtiger ist das soziale Wiederaufbau- Programm. Die Bücherstadt sorgt dafür, dass sich die Gemeinschaft untereinander verbindet, sie gibt den Menschen einen Fokus. Ob man nun auf Rente ist oder ob man jung ist: diejenigen, die hier aufgewachsen sind, können jetzt sagen, das ist ein besonderer Ort - und ich finde, das ist wirklich wichtig. Sprecherin 10 Prozent der Einwohner von Wigtown stellen sich als freiwillige Helfer zur Verfügung. Das Festival ist die gemeinsame Sache des Ortes, nicht das Event irgendeiner Institution. Sprecher Das ist beeindruckend, hat aber auch Nachteile: Wir wurden von einem ehemaligen Soldaten vom Flugplatz abgeholt, der seine Fahrkünste - wie er sagte - während seiner Einsätze in Bosnien und im Irak perfektioniert hatte. Die Belties auf den Weiden flogen nur so vorüber. Atmo The bookshop Sprecher Im Zentrum von Wigtown liegt Shawns Buchladen The bookshop. Im Erdgeschoss hängt an einem der Regale ein hölzernes Wappenschild in der Art der Holzplatten, auf denen Jäger ihre Geweihtrophäen befestigen. Shawn präsentiert kein Geweih, sondern ein zerschossenes kindle. Darunter ist auf einer Messingplatte festgehalten, wann und wo er die elektronische Lesehilfe erlegt hat. Shawn stammt aus der Gegend um Wigtown, hat aber lange im englischen Birmingham gearbeitet. 50. Oton Shawn Sprecher 2 (Voice Over) Ich wollte immer hierher zurückkehren, und der Buchladen bot mir die perfekte Chance. Heute Morgen war ich Lachsfischen, ich gehe schwimmen, ich steige auf die Berge. Und ich liebe Bücher. Ich habe keine akademische Ausbildung im Buchhandel, aber meine Kenntnis von allem, was mit Büchern zusammen hängt, ist im Lauf der Zeit enorm gewachsen. Sprecherin Shawn muss wie alle anderen auch den Gegebenheiten der Zeit folgen und sein Geschäft im Internet betreiben. 51. Oton Shawn Sprecher 2 (Voice Over) Wir sind mit 10 000 Büchern im Netz, aber Amazon ist die schlimmste Organisation, mit der ich arbeiten muss. Ich hasse sie wirklich. Die Leute von Amazon interessieren sich nicht für dich als Verkäufer, alles was sie interessiert, sind die Käufer. Sprecher Und weil sich dieses Geschäft so unattraktiv anlässt, ist Shawn lieber mit den lebenden Kunden zusammen, die durch seinen Laden streifen. 52. Oton Shawn Sprecher 2 (Voice Over) Das meiste verkaufe ich an Leute, die in den Ferien hierher kommen. Aber man hat auch seine Fanatiker. Bücher zu Eisenbahnthemen gehen am besten. Dann regnet es jedes Mal Goldstaub für mich. Sprecher Das Bücherdorf Wigtown ist ein kollektives Ereignis. Und damit das so bleibt, gibt es am Ende das in Schottland unvermeidbare Ceilidh, den großen Tanz im Festzelt. Seit zwei Tagen fiebert das Literaturfestival diesem Ereignis entgegen. Wir werden gewarnt: Am Morgen nach dem Tanz wird es still sein in Wigtown. Vom Singen werden die Kehlen schmerzen, vom Tanzen die Knie und die Köpfe vom ... egal, es wird still sein. Also noch schnell ein letztes Wort mit Adrian, dem Kopf des Bücherdorfs. Atmo Musik beim Tanz 53. Oton Adrian Sprecher 2 (Voice Over) Ich glaube, die Zukunft der Bücherstädte dreht sich um Ideen. Dass man Kurse in kreativem Schreiben anbietet, dass man einen writer in residence hat, ein kleines Festival im Frühling und ein großes im Herbst, und dass es dann ein Programm gibt mit Lesungen und Diskussionen und Sachen, bei denen man mitmachen kann: Das zieht die Leute an. Und dann sagen sie: An einem Ort mit so viel Lebensqualität - da möchte ich leben. Atmo Tanzmusik 2