Deutschlandradio Kultur: Die Reportage Titel: Armut macht krank ? Besuch in einer mobilen Klinik im Süden der USA Autor: Tom Noga Regie Atmo 1 (Glasses1) startet Erzähler Donald Blankenbecker trägt speckige Blue Jeans und ein löchriges schwarzes T-Shirt. Eine Baseball-Kappe verdeckt seine Halbglatze, seine Füße stecken in ausgelatschten Stiefeln. Er wischt sich den Schweiß von der Stirn. Es ist neun Uhr morgens und bereits über 30 Grad heiß. O-Ton 1 Donald Blankenbecker ?They got broke and I couldn?t afford them, about three years ago. So came up here to try to get them. And I guess that going to happen.? Länge: 0:08min Sprecher 1 Voice Over Donald Blankenbecker ?Meine Brille ist kaputt gegangen, vor drei Jahren, eine neue konnte ich mir nicht leisten. Deshalb bin ich hier und stehe an.? Erzähler In einer Schlange mit 20, 30 Frauen und Männern vor einem pavillonartigen Zelt. Darunter ein halbes Dutzend Klapptische mit Brillengestellen in allen erdenklichen Farben und Formen. Ventilatoren surren gegen die schwüle Hitze an. Drei Jahre also hat Donald Blankenbecker keine Brille mehr gehabt. Regie Blende zu Atmo 2 (Glasses2) startet Mann: ?Okay, take this form, pick up a frame, the lady behind me measures your face and you are all set.? Frau: ?How can I help you?? Don: ?Give me a clue ?cause I don?t know..? Runter blenden Erzähler Donald ist unschlüssig. Er setzt ein silberfarbenes Gestell auf ? zu schwer. Ein schwarzes mit breiten Bügeln ist ihm zu klobig. Nach etlichen weiteren Versuchen, findet er die richtige Brille: randlos, schmal, die Bügel grau. Eine Helferin vermisst seine Pupillen ? dann ist alles erledigt. Nun ja, fast: Bis zu vier Wochen kann es dauern, bis die Gläser eingepasst sind, die Bille wird ihm dann per Post zugesandt. Donald Blankenbecker watschelt aus dem Zelt ? zum nächsten Arzttermin. Regie Blende zu Atmo 3 (Platz) startet O-Ton 3 Donald Blankenbecker ?This is the third time that I?d been here, a year ago and the year before that. Actually I came with someone else, he just wanted me to with him. And when I got here I fit around 20 teeth fixed here that weekend. They took eleven teeth out on one weekend. That kind of got me interested in coming back.? Länge: 0:08min Sprecher 1 Voice Over Donald Blankenbecker ?Das ist mein drittes Mal, vor drei und vor vier Jahren war ich schon mal hier. Beim ersten Mal bin ich mit einem Freund gekommen, er wollte, dass ich ihn begleite. Dann haben sie bei mir um die 20 Zähne in Ordnung gebracht und neun gezogen. Das fand ich gut, deshalb bin ich wieder hier.? Erzähler Hier, das sind die Fairgrounds von Wise, Virginia, einem Städtchen in den Appalachen mit etwas mehr als 3.000 Einwohnern. Wunderschön gelegen, umgeben von bewaldeten Hügeln. Leider bitterarm. Das Pro-Kopf-Einkommen in diesem Teil der Appalachen ist mit 18.700 Dollar zweieinhalb mal niedriger als der Landesschnitt, jeder sechste lebt unterhalb der Armutsgrenze. Deshalb baut die Hilfsorganisation Remote Area Medical, kurz: RAM, hier jedes Jahr im Juli eine mobile Klinik auf, nun schon zum zwölften Mal. An einem Wochenende, von Freitagmorgen um halb sechs bis Sonntagmittag um eins werden bis zu 3.000 Patienten versorgt. Menschen, die keine oder eine nicht ausreichende Krankenversicherung haben, Arbeitslose, Wohlfahrtsempfänger. Oder Frührentner wie Donald Blankenbecker. O-Ton 4 Donald Blankenbecker ?I was driving tractor-trailer when it hit me at one time. I was held up, it was on Interstate 77, down to West Virgina ? a real, real, real bad place to be and not being able to drive. The only thing I could do was holler for my girlfriend to stop the vehicle. She was asleep. She didn?t know what was going on. I didn?t know I was incoherent but she realized I was. And I argued with her not letting her bring me to the doctor.? Länge: 0:50min Sprecher 1 Voice Over Donald Blankenbecker ?Ich war mit meinem Sattelschlepper unterwegs als mich plötzlich eine Lähmung überfiel. Auf der Interstate 77 war das, dort, wo?s nach West Virginia runter geht ? ein verdammt schlechter Ort, um auf einem LKW zu sitzen und nicht mehr fahren zu können. Das einzige, was ich machen konnte, war nach meiner Freundin zu brüllen, sie schlief in der Koje. Ich war orientierungslos, ohne es zu wissen und stritt noch mit ihr, weil ich sie davon abhalten wollte, mich zum Arzt zu bringen.? Erzähler 2004 war das, Donald gerade 37 geworden. Der Arzt in der Notfallklinik diagnostizierte Osteoporose, Knochenschwund, und riet zu künstlichen Hüftgelenken. 14.000 Dollar soll die Zuzahlung für die Operation betragen ? Geld, das Donald Blankenbecker nicht hatte. Seitdem ist er arbeitsunfähig. Er kann kaum noch gehen, Knie und Knöchel schwellen immer wieder an. Sein linker Arm ist taub, er hat Probleme mit den Bandscheiben und seit einiger Zeit rasende Kopfschmerzen, so schlimm, dass er nächtelang wach liegt. Und die Zähne sind auch wieder fällig. Donald lächelt verlegen und entblößt dabei eine Reihe gelblich-brauner Stumpen. Regie Atmo 3 kurz hoch ziehen. Evtl Blende zu Atmo 4 (trucks); unter Stan Brock sind teils rangierende LKWs zu hören. Erzähler Für Stan Brock laufen Donald Blankenbeckers Zähne unter dem Begriff ?Mountain Dew mouth?. Mountain Dew ist ein extrem süßes, koffeinhaltiges Getränk. In großen Mengen getrunken, greift es den Zahnschmelz an. Und auch Donalds sonstige Krankengeschichte ist leider nur zu normal. O-Ton 5 Stan Brock ?You see a lot of people here who haven?t been to a doctor, a practitioner ? some of these people haven?t been to a practitioner ever. 80 percent of the patients that come here are looking for the dentist and about the same number are looking for the eye doctor. In other words: Most of the patients are here to see the dentist and the eye doctor. All of them need to see the medical doctor as well. You see a lot of people here that are extremely overweight, we see a lot of people that have diabetes and don?t know they have diabetes. And a lot of people have hypertension and don?t know it. And then there are serious problems that identify like cancer of the mouth from chewing tobacco or smoking or that sort of stuff.? Länge: 0:53min Sprecher 2 Voice Over Stan Brock ?Viele Leute hier waren seit Jahren bei keinem Arzt mehr, manche noch nie in ihrem Leben. 80 Prozent unserer Patienten kommen wegen Zahnproblemen, ungefähr genau so viele wollen zum Augenarzt. Die meisten kommen also wegen beidem. Aber alle sollten auch zum Allgemeinarzt. Viele Leute hier sind extrem übergewichtig, sie haben Diabetes, oft ohne es zu wissen. Viele haben hohen Blutdruck, auch das ohne es zu wissen. Und immer wieder werden sehr ernste Krankheiten festgestellt, Mundkrebs zum Beispiel vom Tabak kauen oder vom Rauchen.? Erzähler Stan Brock, ein Typ wie Clint Eastwood, trägt eine erdfarbene Uniform mit blauen Epauletten, auf dem Kopf eine Kappe mit dem Emblem von Remote Area Medical. Er war Cowboy in Südamerika, hat in einigen, wie er sagt, sehr schlechten Actionfilmen mitgewirkt, Abenteuerdokumentationen fürs Fernsehen gedreht. Und nebenbei RAM aufgezogen, eine nur mit Spendengeldern finanzierte Organisation: Fliegende Ärzten sollten durch regelmäßige Expeditionen die medizinische Versorgung im Amazonasgebiet verbessern. Als 1992 in seiner Nachbargemeinde im US-Staat Tennessee das lokale Krankenhaus schließt, bitten ihn die Stadtväter um Hilfe. Vom Bedarf überrascht konzentriert sich RAM seitdem auf die USA, vor allem auf unterversorgte ländliche Gebiete im Süden. Regie Atmo 3/4 als Trenner kurz hoch zieehen. Erzähler Die Expedition in Wise, Virgina ist die 650. in den USA. Stan Brock blickt sich um. Auf den Fairgrounds ist eine Zeltstadt entstanden. Aber auch vorhandene Gebäude werden genutzt. Im Kuhstall finden Patientenaufnahme und Eingangsuntersuchung statt, im Hühnerstall sitzen die Augenärzte. Und die Tribünen der beiden Rodeo-Arenen dienen als Wartezimmer. O-Ton 6 Stan Brock ?This is health care in the fresh air, you might say. How much nicer being out here doing this than having to go somebody?s office and sit in a chair and wait and wait. Here you are in the open and it?s gonna rain? Welcome to the American health care system.? Länge: 0:19min Sprecher 2 Voice Over Stan Brock ?Das ist Gesundheitsversorgung an der frischen Luft. Viel schöner, als irgendwo in einem klimatisierten Wartezimmer zu sitzen. Hier sind die Leute draußen, vielleicht fängt es auch an zu regnen. Willkommen im amerikanischen Gesundheitswesen.? Regie Blende 5 (Don to medical). Dialog mit Helfer und Helferin soll frei stehen bzw immer mal wieder hoch gezogen werden. Evtl dann Blende zu Atmo 6 (Rundgang) Erzähler Für Don Blankenbecker ist dies der zweite Tag bei RAM. Gestern ist er um 6 Uhr morgens hier angekommen, eine halbe Stunde nach Öffnung der mobilen Klinik. Zu spät, wie er jetzt weiß. Die meisten Patienten hatten die Nacht auf dem Parkplatz der Fairgrounds kampiert, um morgens möglichst früh dran zu kommen, besonderes Clevere hatten sich bereits am Nachmittag zuvor registrieren lassen. Für Donald blieb nur die Nummer 1.427 ? maximal 1.500 Patienten werden pro Tag zugelassen. Immerhin, er will nicht klagen, die augenärztliche Untersuchung hat er geschafft, auch wenn es den ganzen Tag gedauert hat. Nun geht?s zu den Allgemeinmedizinern. O-Ton 7 Donald Blankenbecker ?I?m going to try to see one this weekend but I try to pick the worst of what I needed done first and then take advantage of what is going on here. Because it?s once a year here and they are willing to get you through, they are good about that.? Länge: 0:24min Sprecher 1 Voice Over Donald Blankenbecker ?Danach will ich noch zum Zahnarzt. Aber erst kommen die großen Probleme dran, später alles andere. Die Klinik ist ja nur einmal im Jahr hier, und sie versuchen wirklich, einen komplett durchzuchecken.? Erzähler Als Frührentner fällt Donald Blankenbecker unter Medicaid, die staatliche Grundversorgung für die Armen. Damit ist er besser dran als mancher Arbeitnehmer, der sich eine Krankenversicherung schlicht nicht leisten kann. Aber auch das soziale Netz, das Medicaid spannt, hat Lücken: Für Operationen wird nur gezahlt, wenn sie lebensnotwendig sind, für Zahn- und Augenärzte gar nicht. Nur Allgemeinmediziner sind abgedeckt, je nach Bedürftigkeit komplett oder teilweise. O-Ton 8 Donald Blankenbecker ?I?ve got 80 percent coverage which leaves 20 percent for me to pay the cash difference. And that?s hard to come up with. m going to try to see one this weekend but I try to pick the worst of what I needed done first and then take advantage of what is going on here. Because it?s once a year here and they are willing to get you through, they are good about that.? Länge: 0:12min Sprecher 1 Voice Over Donald Blankenbecker ?Bei mir sind?s 80 Prozent, 20 muss ich selbst tragen. Aber das ist nicht drin, nicht bei meinem Einkommen.? Erzähler Donalds Rente beträgt 1.300 Dollar im Monat. Damit liegt er oberhalb der Bemessungsgrenze für die komplette Abdeckung. Über den Betrag verfügt er aber nur theoretisch, denn er hat zwei schulpflichtige Kinder aus seiner geschiedenen Ehe. Pro Monat zahlt er 700 Dollar Alimente. Bleiben 600 ? viel zu wenig zum Leben. Seine Wohnung hat Donald längst aufgegeben, er ist bei einem Freund untergeschlüpft, das Auto hat er abgeschafft. O-Ton 9 Donald Blankenbecker ?I really budget everything real close, that?s the reason why health care and stuff get ignored. The whole area is that way, a lot of people can?t afford to take care of their health care because of their low income. You can tell by the crowd that a lot of people need this.? Länge: 0: 02min Sprecher 1 Voice Over Donald Blankenbecker ?Ich muss mit allem haushalten, die Gesundheitspflege kommt halt zu kurz. Das ist normal in dieser Gegend, viele können sich Arztbesuche nicht leisten. Man sieht?s daran, wie voll es hier heute ist.? Regie Blende zu 7 (Blutdruck) Frau: ?148 over 90. The 90 part is a little bit higher than it should be.? Don: ?I hear that a lot.? Runter blenden Erzähler Zwei Stunden später: die ärztliche Untersuchung in einem blaugrauen Zelt. Es ist eng und stickig, die ?Behandlungsräume? sind winzig und nur durch Stoffbahnen abgetrennt. Donald Blankenbecker hat erhöhten Blutdruck ? 140:90. Nichts Dramatisches, aber er muss Medikamente nehmen. Das hätte er längst gemusst, aber das blutdrucksenkende Mittel hat er abgesetzt, weil er es sich nicht leisten konnte. Die Ärztin verschreibt ein Medikament, das bei Wal-Mart für nur vier Dollar erhältlich ist. Dann wird er gewogen. 120 Kilogramm bei einer Körpergröße von 1,75 Metern ? das ist zu viel. Bevor Donald an die Neurologie, Orthopädie und Kardiologie überwiesen wird, schickt ihn die Ärztin zur Ernährungsberatung. Regie Blende zu 8 (Food) Frau: ?Mr. Blankenbecker, looks like the doctor wants us to talk about stop smoking and about controlling your blood pressure...? Runter blenden Erzähler ... Und übers Abnehmen. Er soll auf fettarme Speisen achten, viel Obst und Gemüse essen. Bewegung wäre auch nicht schlecht, sagt die Ernährungsberaterin. Donald rollt die Augen, allein das Gehen fällt ihm schwer genug. Regie Blende zu 8 (Food) Frau: ?Have your ever tried to stop in the past?? Don: ?Nope. I am honest with you...? Runter blenden Erzähler Schließlich die Zigaretten. Eine Packung raucht Donald am Tag, ans Aufhören denkt er nicht. Sollten Sie aber, sagt die Beraterin. Oder zumindest reduzieren, abends zum Ausgehen nur zwei Zigaretten mitnehmen, es lieber mal mit Kaugummi versuchen. Donald nickt ergeben. Regie Blende zu Atmo 9 (lunch) Frau: ?Hi guys....We are out of lunch.? Runter blenden. Dann Blende zu Atmo 3 (Platz) Erzähler Halb zwei Uhr mittags. An der Essenausgabe für Patienten sind alle Gerichte aus. Kann man nichts machen, murmelt Donald Blankenbecker stoisch, greift sich zwei Müsliriegel und eine Flasche Wasser und lässt sich erschöpft auf eine Bank fallen. Ein paar Meter weiter zieht Stan Brock eine erste Bilanz der RAM-Expedition in Wise, Virgina. O-Ton 10 Stan Brock ?You know, it?s running on autopilot now ,so to speak. We had everybody in the gate, all 1.500 of them, by 10 o?clock in the morning. In fact in the first hour we had 300 of them, so it was going along with a fast rate.? Länge: 0:15min Sprecher 2 Voice Over Stan Brock ?Alles läuft sozusagen per Autopilot. Um zehn hatten wir alle 1.500 Patienten auf dem Gelände, in der ersten Stunde heute morgen waren es allein 300. Wir liegen also gut in der Zeit.? Erzähler Für ihn ist jede Expedition eine logistische Herausforderung. 1.700 Freiwillige sind hier tätig, Ärzte, Krankenschwestern, Sozialarbeiter, dazu die Helfer für Auf- und Abbau und die Betreuung der Patienten. Irgendetwas läuft da immer schief. Gestern zum Beispiel ging ein Gewitter nieder und das Zelt der Zahnärzte war eine Stunde ohne Strom ? der Rückstau ist bis heute spürbar. Regie Atmo 3 als Trenner kurz hoch ziehen. Erzähler Stan schaut auf die Uhr. In einer halben Stunde trifft er sich zur Lagebesprechung mit den Leitern der medizinischen Abteilungen. Dann wird geplant: wie lange die Klinik heute geöffnet bleibt, wie viele Patienten morgen wiederkommen müssen. Morgen ist Sonntag, die Klinik schließt um eins, manche Ärzte reisen schon vorher ab. Ein paar Patienten, das sagt die Erfahrung, warten jedes Jahr vergebens. Sie werden an die nächste Expedition verwiesen, dort haben sie Priorität und kommen sofort dran. Wobei, Stan hält einen Moment inne, als nächstes geht RAM nach Chicago ? für die meisten ist das viel zu weit. O-Ton 11 Stan Brock ?Remote Area Medical, RAM, has become an organization in recent years that nit only deals with people in remote, rural areas but deals with people in urban areas on occasion. We?ve done this in Los Angeles, the second largest city in de US. The first time we went there we saw about 7.000 people, the second time too, over a full week. We were turning away thousands of people. Here in this area there is not that huge number of people that we can?t see.? Länge: 0:42min Sprecher 2 Voice Over Stan Brock ?In den letzten Jahren hat sich RAM von einer Organisation für das ländliche Amerika weg entwickelt. Wir führen auch gelegentliche Expeditionen in die großen Städte durch. Zweimal waren wir jeweils eine Woche in Los Angeles, der zweitgrößten Stadt der USA. Dort haben wir jeweils 7.000 Patienten behandelt, aber wir mussten Tausende abweisen. Hier in Wise ist das anders, wer kommt, wird auch behandelt.? Erzähler Außerdem war RAM in Oakland und Sacramento, auch eine Expedition nach New York ist geplant. Die Probleme sind überall gleich, sagt Stan Brock, und die Bedürfnisse der Menschen oft geradezu banal. Der Mann, der ohne Schneidezähne keinen Job findet, die Frau, die bei der Eignungsprüfung einer Näherei, dem Einfädeln einer Nadel, durchgefallen ist, weil sie so schlecht sieht. Menschen wie diese sind Produkte eines Gesundheitssystems, dass teure Spitzenleistungen begünstigt, die Grundversorgung aber vernachlässigt. Knapp 50 Millionen US-Amerikaner haben keine Krankenversicherung, bei noch einmal so vielen Menschen reicht der Schutz nicht aus ? zusammen ist das mehr als ein Viertel der Gesamtbevölkerung. Daran wird auch Obamacare nicht viel ändern. Natürlich erhalten durch die von Präsident Barrack Obama im letzten Jahr durchs Parlament gebrachte Reform des Gesundheitswesen mehr Menschen eine Krankenversicherung, sagt Stan Brock. Aber die Mängel im System bleiben bestehen. O-Ton 12 Stan Brock ? I haven?t heard that it really addressed the problem of dentistry and vision for adults. And we are going to see this problem going on for years and years and years to come. I would like to see that people in this country, the underserved, had a opportunity to get the care that they need for their teeth, for their vision as well as for their medical, so that I could take this organization and be helping people in places like Haiti, where we do, and South America where we do, instead of focusing 64% of our assets here in the US. But I really don?t see that happening in the near future.? Länge: 0:42min Sprecher 2 Voice Over Stan Brock ?Die beiden Hauptprobleme, die Zahn- und Augenmedizin, wurden gar nicht erst angepackt. Also werden wir Zustände wie hier noch viele, viele Jahre sehen. Mir wäre es lieber, wenn die Unterversorgten in diesem Land einen adäquaten Zugang zu Zahn, Augen- und auch Allgemeinmedizin hätten. Dann könnte unsere Organisation mehr als bisher für die Menschen in Haiti und Südamerika tun, statt 64 Prozent aller Ressourcen auf die USA zu konzentrieren. Aber das wird nicht so bald passieren.? Regie Blende zu Atmo 10 (neuro1) ?Hi, I?m Dr. Jones, I?m the resident neurologist. I am understanding you are having headaches?? Runter blenden Erzähler Nachmittags um halb fünf sitzt Donald Blankenbecker endlich einer Neurologin gegenüber. Das Thermometer ist mittlerweile auf knapp 40 Grad geklettert. Immerhin, in diesem Zelt ist es angenehm kühl ? dank einer Klimaanlage. Die Ärztin befragt Donald nach seiner Krankengeschichte: seit wann er die Kopfschmerzen hat, wie sie sich äußern, ob er deswegen schon mal beim Arzt war, Natürlich, antwortet Donald, zweimal im Emergency Room. Die Notaufnahmen der Krankenhäuser sind gesetzlich verpflichtet, jeden zu behandeln. Sind die Patienten nicht versichert oder nicht in der Lage, für die Behandlung zu zahlen, springt der Staat ein. Damit haben die USA eine Art Grundversorgung durch die Hintertür ? allerdings verbunden mit grotesken Wartezeiten in den hoffnungslos überfüllten Notaufnahmen. Regie Blende zu Atmo 11 (neuro2) Frau: ?Maybe it?s migrane...? Runter blenden Erzähler Die Ärztin ist ratlos. Donalds Kopfschmerzen klingen nach Migräne. Andererseits taucht Migräne selten bei Über-40jährigen auf. Sie sollten den Stress in ihrem Leben reduzieren, rät sie. Regie Atmo 11 bei 0:15min hoch ziehen Don: (lachend): ?I like your thinking?? Runter blenden Erzähler Donald Blankenbecker lacht. Gute Idee, aber für einen wie ihn, ist jeder Tag ein Kampf ums Überleben und damit Stress. Regie Blende zu Atmo 12 (neuro2) ?Can you bend your foot underneath the bed..?? Runter blenden Erzähler Seine Beine unter der Liege beugen? Schafft Donald Blankenbecker nicht. Schuhe und Socken auszuziehen gelingt ihm nur unter Schmerzen. Und auch bei den Koordinationstests fällt er durch: Auf einem Bein stehen kann er nicht, einen Fuß direkt vor den anderen setzen auch nicht. Die Neurologin runzelt die Stirn. Sie verschreibt Medikamente gegen Migräne, eins für tagsüber, ein anderes für nachts, ein weiteres zur Propyhlaxe. Dazu ein Mittel zur Entspannung der Muskeln und Physiotherapie. Dann wendet sie sich an den Patienten. O-Ton 13 Dr. Jones ?There is a way to determine whether this is a problem at which we can help or not and that is with an EMG. Program. I don?t know how expensive that would be for you but it is something that we can arrange at UMV in Charlottesville. What it does, electrmiographie, it test the coordinating of the nerves. What we do, we shock the nerves to stimulate the muscles and we time how long it takes for the signal to get back and forth. And if they are not there are different patters that show whether it is an acute problem or a chronic one. If it is an acute problem that means it is surgically treatable ,if it is a chronic problem it is not. Now, would you be open to surgery if that was neede? Länge: 0:46min Sprecherin 3 Voice Over Dr. Jones ?Es gibt eine Methode, um herauszufinden, ob wir Ihnen helfen können, mit einem EMG nämlich. Ich weiß nicht, was Sie das kosten würde, aber ich kann das für Sie an der Universitätsklinik in Charlottesville arrangieren. Mit der Elektromyografie testen wir die Koordination der Nerven. Wir geben ihnen mit Spezialnadeln ein Signal und messen, wie lange es bis in die Muskeln braucht. So lässt sich herausfinden, ob Ihr Problem akut und oder chronisch ist. Bei einem akuten Problem können wir operieren, bei einem chronischen nicht. Wie stehen Sie denn grundsätzlich zu einer Operation?? Erzähler Donald blickt gequält. Bei einer Zuzahlung von 20 Prozent könnte er sich die Operation sowieso nicht leisten. Nach Charlottesville sind es acht Fahrstunden ? wie kommt er dort hin ohne Auto, wo übernachtet er, sollten sich die Untersuchungen über mehrere Tage erstrecken? Auch dies ist eine Lücke im System: Medicaid und Medicare, die öffentlichen Krankenkassen für Arme und Rentner, tragen zwar alle medizinisch notwendigen Untersuchungen, allerdings nur in bestimmten Universitätskliniken. Und zu denen ist der Weg oft weit, vor allem auf dem Land. Regie Blende zu Atmo 13 (wire) Erzähler Nach der neurologischen Untersuchung pafft Donald Blankenbecker eine Zigarette, außerhalb des Geländes, wie vorgeschrieben. Die vierte heute, hebt Donald hervor, als wollte er sich selbst bestätigen, dass er schon angefangen hat, seinen Zigarettenkonsum zu reduzieren. In der anderen Hand hat er neun Verschreibungen, acht Medikamente und einmal Physiotherapie. Er schüttelt den Kopf O-Ton 14 Donald Blankenbecker ?It?s kind of disturbing in a way but have to learn what?s wrong with you and how to deal with it. And maybe they find it, maybe nio, I don?t know. At least you get an opportunity for somebody who knows to look.? Länge: 0: 19min Sprecher 1 Voice Over Donald Blankenbecker ?Das ist alles so verwirrend, aber ich will wissen, was mit mir los ist. Ich hoffe, sie finden das heraus. Na ja, wenigstens gucken hier Leute nach, die wissen, worum?s geht.? Erzähler Ein kräftiger Lungenzug. Natürlich schlagen die körperlichen Probleme auch aufs Gemüt. O-Ton 15 Donald Blankenbecker (mit brüchiger Stimme) ?Just general, being a parent and being a dad. I?m not able to do it. It?s hard to deal with? Länge: 0: 17min Sprecher 1 Voice Over Donald Blankenbecker ?Allgemein, ein Elternteil sein, Vater sein. Ich pack? das einfach nicht. Und damit werde ich nicht fertig.? Regie Blende zu Atmo 14 (Ortho1). Soll kurz frei stehen. Wenn nicht lang genug Atmo 15 (Ortho2) verwenden Erzähler Beim Orthopäden. Mittlerweile ist es halb sechs, seit neun Stunden ist Donald Blankenbecker auf dem Gelände. Der Arzt beugt Knie und Hüftgelenk ? Donald schreit auf vor Schmerzen. Er muss geröntgt werden. Ein kurzer Anruf ? keiner mehr da. Hilft alles nichts, Doanld muss morgen wieder kommen. Am besten gleich um sieben. Regie Blende zu Atmo 13 (wire). Regie Blende zu Atmo 16 (Abbau). Soll kurz frei stehen Erzähler Am Sonntagmorgen herrscht Aufbruchstimmung auf den Fairgrounds von Wise, Virginia, überall wird abgebaut und verstaut. Donald Blankenbeckers Geduld hat sich wohl über Nacht erschöpft, zu seinen Terminen heute ist er jedenfalls nicht erschienen. Für Stan Brock, den Gründer von RAM, ist das keine Überraschung O-Ton 17 Stan Brock ?Sometimes the number of people who don?t come back, who had been asked to come back, can be as high as 30 percent. So there are a lot of no-shows, for one reason or another. It is not for us to judge that but we do calculate that as much as 30 percent of the people we had asked to come back don?t necessarily show up.? Länge: 0:22min Sprecher 2 Voice Over Stan Brock ?Die Anzahl der Leute, die der Folgeuntersuchung am folgenden Tag fernbleiben, kann bis zu 30 Prozent betragen. Sie bleiben aus verschiedenen Gründen weg, und ich maße mir kein Urteil darüber an. Aber wir kalkulieren natürlich ein, dass ein knappes Drittel unter Umständen nicht mehr auftaucht. ? Erzähler Stan Brock wirkt erschöpft. Drei Tage war er von morgens um fünf bis abends um acht oder neun auf den Beinen. Ein stressiger Job. Und trotzdem: O-Ton 18 Stan Brock ?There is a certain feeling of satisfaction that we were able to help these people But this is certainly an imperfect solution to the problems of these individuals But when it gets back to the bottom line: if you need the help: It?s free but the wait is long.? Länge: 0:20min Sprecher 2 Voice Over Stan Brock ?Es ist natürlich befriedigend, den Menschen hier geholfen zu haben, auch wenn dies keine perfekte Lösung ist. Aber hier bekommen Bedürftige die Hilfe, die sie brauchen, und zwar umsonst. Dafür müssen sie leider warten.? Erzähler Zwei Stunden noch, dann ist die 650. RAM-Expedition in den USA, die 12. in Wise, Virginia vorbei. Nächsten Sommer wird Stan Brock mit seinen Helfern hier wieder seine mobile Klinik aufbauen. Und wahrscheinlich wird auch Donald Blankenbecker wieder unter den Patienten sein, wenn nicht 2012, dann im Jahr darauf. Er ist schwer krank ? wo sollte er sonst hingehen? 16