COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Länderreport 3.2.2012, 13.07 Uhr Ländersache Kultur (3a) Die Kulturpolitik der Bundesländer Sachsen-Anhalt Autorin Arlt, Susanne Redaktion Julius Stucke Sprecher Victor Neumann Regie Roman Neumann Sendung 03.02.12 - 13.07 Uhr - M A N U S K R I P T B E I T R A G - Magdeburg, im Oktober 2011. Ein verregneter Vormittag. Kultusminister Stephan Dorgerloh hat ins Theater geladen. Gekommen sind Kulturschaffende, Politiker, Kirchenvertreter, Verwaltungsbeamte und Mitglieder von Verbänden. Thema der Veranstaltung: die Kulturpolitik. Sie steht in Sachsen-Anhalt auf dem Prüfstand. An diesem Vormittag wird im Magdeburger Theater der Kulturkonvent gegründet. Das Gremium besteht aus 36 Mitgliedern. Moderator des Konvents ist der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann. Ihn reizt die Herausforderung: Weil es eine mission impossible ist, eine fast unmögliche Aufgabe. Bis Ende 2012 sollen die Konventmitglieder Empfehlungen entwickeln: für eine neue, eine andere Kulturpolitik in Sachsen-Anhalt. Es geht vor allem um eine Frage: Wie kann man in einem Flächenland mit weniger als drei Millionen Einwohnern auch künftig eine flächendeckende Kulturinfrastruktur sicherstellen. Bislang kümmerten sich die Landespolitiker um diese Frage eher wenig. Würde man die hiesige Kulturpolitik in einem Schlagwort zusammenfassen, müsste man sie wohl als Gießkannenpolitik bezeichnen. Ja es ist eigentlich kaum konzeptionell wirklich auch mit harten Schnitten beziehungsweise starken inhaltlichen Entscheidungen gearbeitet worden, sondern es ist alles irgendwie am Leben erhalten worden. Meint der neue Kultusminister Stephan Dorgerloh. Der SPD-Politiker ist seit April 2011 im Amt - das letzte Konzept über die Kultur- und Bildungseinrichtungen des Landes stammt aus dem Jahr 2004. Das Landeskulturkonzept habe aber lediglich den Ist-Zustand beschrieben, klagt Dorgerloh. Perspektiven: Fehlanzeige, Ein Versäumnis, das dem Landvielleicht noch teuer zu stehen kommt. Das Thema Demografie es jetzt auch kein neues, das ganze Thema Land- Umland-Problematik ist hier nicht wirklich angefasst worden. All das sind eigentlich Dinge, die nötig gewesen wären, um diese reiche Kulturlandschaft bei einem finanziell doch begrenzten Landeshaushalt zu diskutieren, zu profilieren. Sachsen-Anhalt ist - kulturell - ein Land der Superlative. Die größte Dichte an Weltkulturerbestätten. Dazu zählen das Gartenreich Dessau-Wörlitz, die Lutherstadt Wittenberg, das Bauhaus in Dessau und das Biosphärenreservat Mittelelbe. Außerdem: Über 250 Museen. Es ist das Land der Dome und Schlösser. Das alles kostet Geld. Und obwohl die Einwohnerzahl stetig sinkt - leistet sich das Land noch immer sechs Theater. Kurz nach dem Mauerfall habe man immerhin die beiden Theaterhäuser in Halberstadt und dem benachbarten Quedlinburg fusioniert, sagt Andreas Hilliger, Feuilletonist bei der Mitteldeutschen Zeitung. Diese Fusion habe man aber nicht zu Ende gedacht: Nur wenige Kilometer weiter - in Wernigerode - gibt es noch immer ein komplettes Kammerorchester. Man habe zwar finanzielle Planungssicherheit gegeben - aber keine strukturellen Entscheidungen getroffen, sagt Hilliger rückblickend. Falsch gelaufen ist, dass man den Status Quo immer wieder fortgeschrieben hat. Mit vielen vertraglichen Bindungen, die mittelfristig natürlich erst mal Sicherheit gewähren, das sieht dann auch erst mal gut aus, weil ein Theater dann für vier Jahre planen kann oder ne Stiftung. Aber das Problem ist natürlich, dass damit die perspektivischen Fragen nicht gelöst sind, weil der Status Quo ja de facto wieder eine Absenkung bedeutet durch Tarifaufwüchse, durch steigende Kosten und damit hat man im Grunde nach dem Gießkannenprinzip Sachen am Leben erhalten, aber versäumt, die notwendigen Konzentrationsmaßnahmen zu treffen. In Halle hat man das Opernhausorchester und die Philharmonie zusammengelegt. Mit dem widersinnigen Effekt, dass dort - in der Provinz - das zweitgrößte Profiorchester Deutschlands entstanden sei, moniert der Journalist. Also man hat nie gefragt, was brauchen wir eigentlich und dann über die Strukturen diskutiert. Sondern hat immer geguckt, was haben wir und wie gehen wir jetzt damit um. Und das ist natürlich so ein faktisches Schrumpfen, aber es ist kein strategisches. Und so gibt es bis heute in Sachsen-Anhalt auch kein so genanntes Kulturraumgesetz. Ein solches würde die die umliegenden Gemeinden verpflichten, sich an den kulturellen Aufgaben der Städte finanziell zu beteiligen. Die Gemeinden unterstützen zwar derzeit die Städte. Sie können sich aber aussuchen, welcher Institution sie ihr Geld geben. Das habe dazu geführt, dass es in Sachsen-Anhalt 29 Tierparks gebe, glaubt Stefan Gebhardt, kulturpolitischer Sprecher der Linkspartei. Wir müssen das Stadtumlandproblem im Land lösen. Also dass ist für mich eine der größten Herausforderungen. Wir haben eine völlig ungleiche Lastenverteilung von großen überregional bedeutenden Kultureinrichtungen. Mir schwebt da so eine Art Kulturraumgesetz, wie auch in Sachsen vor. Dass das Land den Mut hat, gesetzlich Kulturräume zu definieren und diese Räume sind gemeinsam dafür verantwortlich, diese Kultureinrichtungen, die es für diese Kulturräume auch gibt, so zu finanzieren. Lutz Trümper, Oberbürgermeister der Stadt Magdeburg, hält das sächsische Gesetz für verfassungsrechtlich anfechtbar- und somit für keine Lösung. Hätten es die Kultusminister in Sachsen-Anhalt vor fünf Jahren eingeführt, als es den Kommunen finanziell noch besser ging, hätte es vielleicht funktioniert - glaubt SPD-Politiker Lutz Trümper. Inzwischen jedoch haben über 80 Prozent der Gemeinden keinen ausgeglichenen Haushalt mehr. Sollte ein Kulturraumgesetz eingeführt werden, würden viele von ihnen klagen, vermutet Magdeburgs Oberbürgermeister. Er hofft stattdessen auf eine vernünftige Novelle des Finanzausgleichsgesetzes. Dieses regelt die Verteilung der Landesgelder auf die Kommunen. Das Geld so zu verteilen, das aufgabenbezogen die Städte, die Theater vorhalten, dafür auch eine vernünftige Finanzierung bekommen. Dann brauche ich auch keine Umlagesysteme, die immer zu Streitigkeiten führen, zu Klagen führen und dazu führen, dass man am Ende eine schöne Vision hat, aber das Geld trotzdem nicht kriegt. Trümper bemängelt: die Regierung habe sich in den vergangenen Jahren immer mehr aus der Kulturförderung zurückgezogen. Früher habe sich das Land zu 50 Prozent an der Theaterfinanzierung beteiligt - heute sei es nur noch ein Drittel. Die kostenintensivsten Kultureinrichtungen sind aber die Theater. Die schwarz- rote Landesregierung müsse jetzt endlich Farbe bekennen, fordert Lutz Trümper: Welche Kultureinrichtungen seien aus Sicht der Landespolitiker ein Muss in den drei Großstädten, welche verzichtbar. Die Haushaltsberatungen verraten dazu nichts Gutes. Geht es nach dem Willen der Haushälter aller Parteien, dann wird das Land ab 2013 seine Ausgaben für Kultur um zehn Prozent reduzieren. Was die Stringenz angeht, habe ich festgestellt, dass die Politik in Sachsen- Anhalt ganz Allgemein und die Kulturpolitik im Besonderen sehr sehr personengebunden ist. Ragna Schirmer, bekannte Pianistin und Mitglied im Kulturkonvent. Was die Landespolitiker bislang versäumt haben, soll der Kulturkonvent nun richten. Das können wir aber nur, betont die Künstlerin, wenn sich das Land endlich darüber klar wird, was es kulturpolitisch will. Ein Land braucht Leuchttürme! Und Sachsen-Anhalt sollte sich unbedingt mal entscheiden und fokussieren, auf die Dinge, die hier besonders sind. Sachsen-Anhalts Kulturpolitiker haben in den vergangenen zehn Jahren viel versäumt. Bislang fehlt ein klares Kulturkonzept. Die Zeit drängt. Künftig geht es bei der Kultur nicht mehr um die Frage, ob man sich etwas leisten will, sondern, ob man es sich noch leisten kann. Ist eine flächendeckende Kulturinfrastruktur in einem so dünn besiedelten Landstrich überhaupt noch möglich? Der Kulturkonvent darf dazu nur Empfehlungen aussprechen, klar bekennen sollten sich endlich die Landespolitiker. - E N D E B E I T R A G -