COPYRIGHT: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von DeutschlandRadio / Funkhaus Berlin benutzt werden. Regie: Atmo 1 Auto innen Regie: Geräusch Funkcheck (Me recibes - cuatro por cuatro muy claro) Autor: Juan Sanz steckt die schwarze Sprechmuschel des Funkgeräts wieder an die Halterung an der Mittelkonsole des Geländewagens. Der Endvierziger mit dem kantigen Gesicht nickt zufrieden. Die Funkverbindung zur Kaserne klappt. Sie könnte wichtig werden bei der Streifenfahrt an der spanisch-französischen Grenze. Regie: O-Ton Juan Sanz: La persona que quiso atentar contra el rey en Mallorca había declarado que había pasado por aquí en bicicleta. Otra posibilidad, pues mira, paso clandestino de ilegales, que están irregularmente dentro de Schengen, posible paso de drogas tanto hacía el norte tanto al sur - no quiero decir que éste sea el lugar de paso pero puede estar un lugar de paso. Cosas ilegales? Lo normal de un cuerpo de policía que esté en cualquier lugar de Francia, de España o de Alemania. VO: Der Typ, der kürzlich den König in Mallorca umbringen wollte, ist hier irgendwo mit dem Fahrrad über die Grenze. Es kann hier eine ganze Menge passieren: Leute, die illegal im Schengenraum sind, machen hier rüber, Drogentransporte von Nord nach Süd und umgekehrt. Ansonsten machen wir das ganz normale Geschäft der Polizei, so wie in Frankreich, Spanien oder Deutschland. Ansage: Grenzpatrouille im Binnenraum 25 Jahre nach dem Schengener Abkommen Eine Reportage von Heiner Kiesel Autor: Juan Sanz ist Sargento Primero, also Hauptfeldwebel bei der spanischen Guardia Civil. Seit 28 Jahren ist er dabei. Eigentlich ist er aus Madrid, aber er kennt dieses Tal in den östlichen Pyrenäen in- und auswendig. Die Gegend heißt Cerdanya, liegt abseits der großen Fernstraßen, Barcelona ist nur zweieinhalb Stunden entfernt. Jede Menge Sträßchen und Schleichwege nach Frankreich. Mittendrin eine Kleinstadt mit 10.000 Einwohnern, Puigcerdá. Da steht die Kaserne. Neben Sanz, am Steuer, sitzt Leonardo Sarmiento. Der Guardia mit den buschigen Augenbrauen schiebt schon über 20 Jahre Dienst in der olivgrünen Uniform. Regie: Geräusch Auto stoppt Autor: Sarmiento hält am Straßenrand an. Mit den Händen am Lenkrad beugt er sich nach vorne. Er stammt von den kanarischen Inseln und der feuchtkalte Morgen da draußen gefällt ihm gar nicht. Um die schneebedeckten Gipfel ringsum ziehen dicke Wolken. Er dreht den Kopf zum Sargento. Der drückt sein Barett auf die schwarzen Haare. Dienst ist Dienst. Regie: Geräusch: Handbremse, Motor aus, Aussteigen, Schritte Regie: Atmo Draußen Regie: Geräusch: Kofferraum, Rascheln Autor: Sanz und Sarmiento holen sich gelbe Signalwesten aus dem Kofferraum und streifen sie über ihre Uniformpullover. Regie: Geräusch: Reißverschluss Autor: Dann stellen sie sich mitten auf die Fahrbahn. Regie: O-Ton Juan Sanz: Bastantes cosas van a salir (Leonardo lacht) Autor: Es riecht nach feuchter Erde. Ein dreieckiges Schild warnt vor Kühen. Ein paar hundert Meter weiter vorne beginnt Frankreich. Die Grenze ist nicht mehr sichtbar, so will es das Schengener Abkommen von 1985. 10 Jahre später gibt es kein Grenzhäuschen mehr zwischen Spanien und Frankreich, genauso wenig wie an den meisten anderen Grenzen Europas. Sarmiento und Sanz patroullieren trotzdem noch - allerdings unauffällig, zurückgezogen. Regie: Atmo/Geräusch langsam ankommendes Fahrzeug. Regie: Geräusch Anhalten Bremse Autor: Die Arbeit der Grenzer unterscheidet sich wenig von normaler Polizeiarbeit: Sarmiento winkt zur Seite, grüßt militärisch zackig,... Regie: O-Ton Leonardo Sarmiento: Buenos días caballero.... Autor: ...verlangt die Papiere und guckt, was im Auto ist - der Guardia stöbert forsch und entschlossen im Kofferraum und im Gepäck. Regie: Geräusch: im Kofferraum Regie: O-Ton Leonardo Sarmiento: de acuerdo Autor: Die beiden lassen kein Auto aus auf der schwach befahrenen Straße. Regie: Geräusch: Entfernendes Auto Autor: Aber sie finden nichts. Vielleicht der falsche Ort? Aber nein! Sanz zieht die Augenbrauen hoch und Sarmiento beeilt sich die kriminalistische Bedeutung des Weges zu erklären. Regie: O-Ton Leonardo Sarmiento: Para allí corta el camino para Andorra. Lo pones en Google y te marca ese camino. VO: Hier geht's nach Andorra. Google gibt genau diesen Weg an. Regie: O-Ton Juan Sanz: Google-Maps! Te metes y ya verás cómo sale. VO: Tipp´s mal ein. Regie: O-Ton Leonardo Sarmiento: Para cortar el camino. VO: Als Abkürzung. Autor: Juan Sanz zeigt mit dem ausgestreckten Arm nach Westen. Da ragt ein mächtiges verschneites Bergmassiv auf. Dort oben liegt der Ministaat Andorra. Kein Schengenland, keine Steuern, ein Duty-Free-Laden neben dem anderen. Ein Dorn im Auge der Grenzer. Von dort werden ständig billige Zigaretten und unversteuerter Alkohol eingeschleust. Millionen Euro aus Frankreich und Spanien liegen dort vor dem Fiskus versteckt. Regie: O-Ton Juan Sanz: Éste es el camino típico de los contrabandistas , éste el del que estamos hablando, no? [...] Y con todo y eso muchas veces no se les localiza. VO: Die typische Schmugglerroute!. Jedes mal wenn die französischen Grenzer eine Tabakladung abfangen wollen, von Andorra runter, und die Schmuggler entwischen denen, dann kommen die hier vorbei. Autor: Tabak, Schnaps und Geld. Andorra, das ist ein Spezialproblem dieser Grenzregion. Aber es zeigt auch klar, warum viele Sicherheitsexperten das Schengener Abkommen einen Albtraum nennen: Sind Waren und Personen erstmal im Schengenraum, dann haben sie freie Fahrt. Fast jedenfalls, denn so wie Sanz und Sarmiento fahnden überall an den Binnengrenzen eifrige Polizisten. Regie: Atmo draußen Regie: Atmo: Ankommendes Fahrzeug II Regie: O-Ton Leonardo Sarmiento: Abre el maletero. (Fahrer grüßt) Regie: Geräusch: Schritte, Kofferraum. Autor: Ein sandfarbener Kleinwagen aus Frankreich fährt heran. Der Fahrer ist ein sportlicher älterer Herr mit Goldkettchen um den Hals. Der vermeintliche Schmuggler zeigt Sarmiento folgsam den Kofferraum. Er verhält sich kooperativ, auch wenn er fragt, warum die Spanier ihn an dieser Stelle überhaupt filzen. Regie: O-Ton Franzose: Aquí estoy, là je suis en France, je suis en France et on parle francais. VO: Ich bin in Frankreich, da spricht man Französisch Autor: 25 Jahre sind seit dem Vertrag von Schengen vergangen, seit 15 Jahren gibt es keine Grenzhäuschen mehr - heute wissen auch viele Ortsansässige nicht mehr so genau, wo die Grenze verläuft. Aber die Präsenz der Sicherheitskräfte wird deutlich registriert. Regie: O-Ton Franzose: Toujours des contrôles ici, à la frontière espagnole et française, il y a toujours des contrôles ici. C´est logique, c´est normal, quand toute que ci passe dans la monde avec le terrorisme et tout ça il est normal qu´ils fassent des contrôles - moi je suis pour le contrôle cent pour cent. VO: Es wird doch ständig hier an der Grenze von Spanien und Frankreich kontrolliert. Das ist doch ganz logisch, bei all dem was in der Welt passiert mit dem Terrorismus und so. Klar, dass die kontrollieren. Da bin ich auch hundertprozentig dafür. Autor: Wieder nichts, auch nicht unter dem Reserverad, aber wenigstens ein verständnisvoller Bürger. Sanz kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. Sarmiento kommentiert. O-Ton Leonardo Sarmiento: Mucha policía poca diversión (beide lachen). VO: Viel Polizei, wenig Spaß, oder? Regie: Geräusch: Starten, Wegfahren Autor: Die beiden Guardias Civiles stehen wieder allein im Nieselregen. Regie: Ende Atmo draußen/Blende Atmo Büro Autor: Unten im Tal, in ihrer Kaserne, bekommt ihr Chef wenig von der klammen Feuchte mit. Leutnant Oscar Rodríguez de la Iglesia, dunkelgrüne Krawatte zum lindgrünen Uniformhemd, sitzt in einem muffigen vollgestellten Büro mit dem Rücken zum Fenster. L-förmiger Schreibtisch, links Aktenstapel, rechts ein Bildschirm und Tastatur. An der Rückwand ein Bild des spanischen Königs. Vor Rodríguez hängt eine Landkarte mit feinen Höhenlinien und bunten Markierungen. Der Offizier kommt hinter seinem Tisch vor, erklärt das hochgelegene Einsatzgebiet. Regie: Geräusch Schritte im Raum Regie: O-Ton Oscar: Se puede ver en este mapa, lo que es la demarcación de la compañía de Puigcerdà, que está dentro de la provincia de Girona. Esto es el puesto de Puigcerdà, puesto de Ripoll y puesto de Camprodón. Todo esto serán, pues, unos 100-120 km de frontera VO: Auf dieser Karte sieht man den Bereich der Kompanie von Puigcerdà, der sich in der Provinz von Gerona befindet. Da ist der Posten Puigcerdà, der von Ripoll [ripolj], von Campodrón. Das sind insgesamt wohl 120 km Grenze. Regie: Geräusch Schritte im Raum, Bürorascheln Autor: Etwa 120 Kilometer Grenze, die die Guardia Civil längst nicht mehr so gut kontrollieren kann wie früher. Zurück hinter den Aktentürmen, bewertet er den Wandel durch das Schengener Abkommen. Regie: O-Ton Oscar Rodríguez: Para nosotros era mejor de la manera antigua, cuando existían fronteras físicas en un límite de un país a otro. Ahora mismo para nosotros es un handicap porque la frontera nos venía muy bien, era una manera de tener cerrado lo que es el país. VO: Früher war´s besser, mit echten Grenzen. Das ist jetzt für uns ein Handicap, denn mit der Grenze konnte man das Land dicht halten. Autor: Seit den 40er-Jahren - mit dem Beginn der Franco-Diktatur - schützt die Guardia Civil Spaniens Grenzen. Dann, 1995 nach dem Inkrafttreten des Schengener Abkommens, ändert sich alles. Der Leutnant zieht einen Ordner mit den aktuellen Vorgängen zu sich. Regie: Geräusch Rascheln Regie: O-Ton Oscar Rodríguez: Pues el cambio ha sido de la noche al día. De estar 24 horas fijo, la Guardia Civil y la Policía Nacional en la frontera, en todos los pasos fronterizos entre dos países [...] esto ha desaparecido. Todos los controles se hace fuera de la frontera, se hace en el territorio. VO: Das war wie ein Wechsel von der Nacht zum Tag. Statt 24 Stunden an einem Ort zu sein, an allen Grenzübergängen zwischen zwei Ländern - das ist verschwunden. Alle Kontrollen geschehen jetzt abseits der Grenze, im Territorium. Autor: Das ist für die Guardia Civil einfacher als zum Beispiel für einen deutschen Bundespolizisten. Der darf nur innerhalb eines 30 Kilometer breiten Streifens entlang der Grenze fahnden, der Rest liegt in der Hand der jeweiligen Landespolizei. Die militärisch organisierte Guardia Civil untersteht zwar ebenfalls dem Innenministerium, aber sie operiert im ganzen Land, sucht nach Terroristen und Finanzbetrügern und sichert die Fernstraßen. Gemeinsam sind den Grenzhütern im Schengenraum aber die Pflicht zur internationalen Kooperation und der Zugriff auf große gemeinsame Datenbanken wie das Schengen-Informations-System, SIS. Hier sind gestohlene Waren, Autos, Fahndungen oder Einreisesperren gespeichert. So ist es im Schengener Durchführungsabkommen geregelt. Europas Grenzschutz entwickelt sich weiter. Der Leutnant richtet sich im Stuhl auf. Regie: O-Ton Oscar Rodríguez: Pero sigue siendo una competencia nuestra. Igual que antes la Guardia Civil - aparte de los puestos fijos que tenía en la frontera - recorría toda la frontera a pie, luego hemos tenido vehículos, ahora tenemos motos, helicópteros. La Guardia Civil ha evolucionado en su manera de vigilar la frontera, igual que ha evolucionado su actividad en otros aspectos. VO: Das ist unser Job, genau wie früher, als die Guardia Civil die festen Kontrollpunkte hatte, aber auch die ganze Grenze zu Fuß abgelaufen ist, später mit Fahrzeugen, Motorrädern, Helikoptern. Die Guardia Civil hat sich beim Grenzschutz weiterentwickelt, genau wie auch sonst. Autor: Spanien ist so sicher wie vor Schengen, sagt Rodríguez. Statistiken darüber gibt es nicht, aber es wäre auch schwer, dem Leutnant der Guardia Civil in Puigcerdà das Gegenteil zu beweisen. Niemand weiß wirklich, wer und was die Grenzen passiert. Er geht zum dunkelbraunen Schrank und holt sich eine neue Akte. Regie: Geräusch: Schritte, Schrank auf, Schrank zu, Blättern Autor: Rodríguez beschäftigen die Waren aus Andorra, baskische Terroristen, illegale Nordafrikaner auf dem Weg nach Paris, illegale Ukrainer auf dem Weg in die südspanischen Plantagen. Er setzt sich wieder, er hat noch einen langen Bürotag vor sich. Regie: Atmo Büro Ende/Atmo im Fahrzeug raue Strecke Autor: Draußen auf der Straße bei Sanz und Sarmiento drückt der Regen langsam auf die Stimmung. Sie haben sich ins Auto zurückgezogen. Jetzt probieren sie es mobil, patrouillieren auf löchrigen Pisten. Vom Massiv der Sierra de Moixeró kommen schwarze Wolken ins Tal. Und: kein Schmuggler, kein Verbrecher. Sarmiento, wieder am Steuer, wirkt angespannt, hat die Schultern hochgezogen. Regie: O-Ton Leonardo Sarmiento: Hay que parar, hay que parar coches y yo que sé, es muy complicado decir el perfil de la persona. ¿Hay una serie de perfíles? No lo hay. El delincuente no lleva la señal en la cabeza, diciendo, soy un delincuente. Hay que parar coches y registrarlos. VO: Man muss einfach Autos anhalten - einfach anhalten und sich nicht so viel um Verdachtsmomente und Täterprofile Gedanken machen. Kein Täter trägt ein Mal auf der Stirn, das ihn verrät. Man muss die Autos anhalten und durchsuchen. Autor: Sarmiento schaut kurz zu Sargento Sanz. Der will das aber nicht so einfach stehen lassen. Regie: O-Ton Juan Sanz: La mentalidad también ha cambiado. Antes se estructuraba más en que en el paso de la frontera no pasa nada sin encontrar, eso era mentira. Ahora se estructura más en que todos los estados tenemos que tener todo el servicio policial atendente a controlar un paso que ha habido en Francia o que ha habido en Alemania pero que llega aquí, porque llega aquí. Porque llegan en 24 horas. Un desembarco de hachís en Cádiz a lo mejor te llega en doce horas a alemania. VO: Die ganze Einstellung ist doch anders. Früher, da wollte man, dass nichts über die Grenze kommt, ohne entdeckt zu werden. Aber das hat doch nie geklappt, ein Witz. Heute sollen alle Sicherheitskräfte in allen Ländern aufpassen. Denn egal, ob in Deutschland oder Frankreich irgend etwas durchschlüpft, es dauert nur 24 Stunden, dann ist es schon hier. Und umgekehrt: Eine Ladung Haschisch, die in Cádiz ankommt ist in 12 Stunden in Deutschland. Autor: Und, fügt Sanz hinzu, das Verbrechen organisiert sich immer besser. Ein Katz-und-Maus-Spiel. Regie: O-Ton Juan Sanz (´03): Igual que vigilamos a ellos, ellos vigilan a nosotros. VO: Wie wir die, so bewachen die uns auch. Autor: Europaweite Schmugglernetze mit aufwändig umgebauten Fahrzeugen, Logistikzentralen, Spähern und Spionen. Sanz scheint dem einstigen, irgendwie folkloristischen Pyrenäenschmuggel nachzutrauern. Er deutet mit dem Zeigefinger unbestimmt über die Weidelandschaft, durch die der Geländewagen holpert. Regie: O-Ton Sanz ('28): El contrabando aquí no ha sido dedicarse a eso. Últimamente que sí por desgrácia. El contrabando aquí era gente que vivía de una cosa y completaba o ganaba más dinero, porque querían ganar más dinero con el contrabando. Actualmente no, por desgracia se metieron mafias. Y ya es más... es en plan mafia que el típico contrabando que hubo aquí. VO: Der Schmuggel hier, das waren Leute, die haben sich einfach was dazuverdient damit. Jetzt nicht mehr, das sind jetzt leider Mafias und es ist viel..., viel mafiöser als der typische Schmuggel, den es gab. Regie: Geräusch: Abbremsen Beschleunigen Autor: Sarmiento wiegt den Kopf leicht, steigt aber nicht auf den Anflug von Nostalgie seines Sargento ein. Auf einer Landstraße blinkt er nach ein paar Hundert Metern rechts und hält kurz darauf auf einer partyzeltgroßen, geschotterten Fläche, neben der Fahrbahn. Regie: Geräusch: Anhalten Aussteigen, Türen Regie: Atmo 5: Draußen 2/Landstraße Autor: Am Rand ein paar Büsche, von jenseits der der Straße starren vier braune Kühe her. Sanz läuft ein paar Schritte in die Schotterfläche hinein, dann bleibt er stehen und dreht sich um. Genau dort!, sagt Sarmiento Regie: O-Ton Leonardo Sarmiento (´06 hochziehen bei Zwischenruf Juan La casilla (Das Häuschen!), davor als Atmo) Aquí existía antiguamente la casilla. Estábamos aquí 24 horas, 365 horas al año y, - más o menos aquí, tenía unos viente metros cuadrados - allí hacíamos por la vida. En mí época eran ocho horas de servicio, pero en la época antigua se estaba 24 horas la misma persona. VO: Da war früher das Grenzhäuschen. Es war vielleicht 20 Quadratmeter groß. Da waren wir 24 Stunden, 365 Tage im Jahr. Ich hatte acht Stunden Dienst, aber noch früher, da war da 24 Stunden lang der gleiche Mann. Autor: Der Guardia fährt sich mit der Linken über den Nacken. Stumpfer Dienst. Jetzt ist es für ihn interessanter. Regie: O-Ton Leonardo Sarmiento: Tu has visto que hay muchos puntos fronterizos que se puede cruzar. Ahora la patrulla es más móvil. Es decir la patrulla es más móvil, el contrabandista no sabe dónde vamos a estar. Podemos controlar mejor todos los caminos. Falta personal pero eso es lo de siempre. VO: Da gibt es eine ganze Menge kleiner Übergänge. Die kontrollieren wir jetzt besser - die Schmuggler wissen nicht, wo wir sind. Na ja, es fehlt Personal, aber das ist ja immer so. Regie: Geräusch Einsteigen Starten, Anfahren Regie: Atmo Fahrzeug innen Autor: Die Guardia Civiles wollen weiter. Da wo das Grenzhäuschen war, haben sie nichts mehr verloren. Die beiden wollen auf die andere Seite des Tals. Dafür müssen sie quer durch Puigcerdà. Regie: Blende Atmo Fahrzeug innen/Atmo Museum-Straße Regie: Geräusch Tür Museum Autor: In der katalanischen Kleinstadt kommt gerade Oriol Mercader auf die steile Hauptstraße. Direkt vor dem Sandsteinbau des Regionalmuseums, das der rundliche Historiker leitet. Er ist auf dem Weg in eine Eckbar, 50 Meter weiter unten. Es geht ihm nicht nur um ein spätes Frühstück: Mercader erforscht die Geschichte der Grenzregion. Seit 20 Jahren lebt er hier und für die Zeit davor hat er eine ergiebige Quelle. Regie: O-Ton Oriol Mercader: Ahora veremos a un señor que tiene novienta y cuatro años pero es una história viviente de aquí. ¡Ya verás! Que ha vivido la guerra, el contrabando, la frontera. Le encontraremos aquí en éste bar. VO: Hier gibt's einen Herrn, der ist fast 94 - praktisch lebende Geschichte. Echt! Der hat den Krieg erlebt, den Schmuggel, die Grenze. Der sitzt da in der Kneipe. Regie: Geräusch Tür zur Bar, Regie: Atmo Bar (6'00) Autor: Zigarettenrauch wabert durch den hellen langgestreckten Raum. Regie: Geräusch: Husten Autor: Zwei Gäste am Edelstahltresen, ein gutes Dutzend beim Frühstück an den Tischen mit grau gemaserten Marmorplatten. Ein Kellner im Poloshirt an der Espressomaschine. Der Fernseher in der Ecke zeigt Fußball. Ein zerkratzter Kicker. Leere aufgerissene Zuckertütchen auf dem Boden. Regie: Geräusch: Kicker Autor: Von der Wand drüben winkt lebhaft ein rundlicher Greis mit braunem Cordhut auf dem Kopf. Stemmt sich vom Tisch hoch und kommt zur Begrüßung näher. Es ist Joaquim Bosom. Regie: O-Ton Joaquim Bosom: Hola Buenos días. Autor: Er hat einen festen Händedruck. Regie: Geräusch Stuhlrücken Autor: Mercader setzt sich, Bosom bestellt auch einen Kaffee... Regie: O-Ton Joaquim Bosom: Un descafeinat! Autor: ...entkoffeiniert! - das will sein Arzt so! Er kommt aus dem Dorf Guyls etwas nördlich. Bosom war früher Wagenbauer und hat sein ganzes Leben in der Cerdanya verbracht. Der Kellner stellt einen tiefschwarzen Kaffee im Glas ab. Der Alte erzählt: Regie: Geräusch Klappern Schlürfen Regie: O-Ton Joaquim Bosom: Yo estaba en la frontera, yo me he movido bastante. Con contrabando no, eso que sí que no ha sido lo mío VO: Ich war an der Grenze, ich bin ziemlich rumgekommen. Aber Schmuggel..., nee nee, das war nicht meins. Autor: Mercader grinst ihn an. Das sagen hier alle, in der Cerdanya, in den Pyrenäen. Dabei war Schmuggel früher eine Art Volkssport. Stimmt schon, erzählt Bosom, dass - andere natürlich - Vieh und Cognac über die Grenze gebracht haben. Er hat höchstens mal Pilze heimlich drüben verkauft. Regie: O-Ton Joaquim Bosom: Fue un año que llovía mucho en julio y salieron setas, ceps, que es un bolet muy estimado, sobre todo por los franceses. El pueblo de Guyls, Mujeres y Hombres se iba a la montaña y había quién tenía cuarenta quilos. Y allí en La Tour de Carol había dos furgonetas de Toulouse. Y decían que, Bueno, ¿Qué quieres tú? Había quiénes preferían melocotón, y le daban - a más de pagar - una caja de melocotón o bien uva o otra fruta. VO: Da hat es einmal im Juli ziemlich geregnet und überall sind Pilze rausgeschossen, Fichtensteinpilze, die lieben die Franzosen. Das ganze Dorf, Frauen und Männer sind in die Berge hoch und manche haben 40 Kilo eingesammelt. Und drüben in La Tour de Carol standen zwei Lieferwagen aus Toulouse. Da hast du außer Geld auch noch eine Kiste Pfirsiche, Trauben oder anderes Obst für die Pilze gekriegt. Autor: Also haben doch alle was mit der Schmuggelei gehabt. Der alte Herr winkt ab. Regie: O-Ton Joaquim Bosom: Sí pero era un contrabando inofensivo. También había un contrabando que era de mujeres. En Francia era más fácil y explotabas al máximo y después te movías pra casa y no pasaba nada, no había compromisos de ningúna clase. Yo había ido muchos veces a bailar a Francia. VO: Ja aber das war doch ganz harmlos. Außerdem sind wir auch wegen der Mädchen nach Frankreich gegangen, das war einfacher dort und das haben wir voll ausgenutzt. Autor: Bosom bewegt das Thema mit den französischen Mädchen, die Augen leuchten. Mercader unterbricht und beginnt ein paar Fakten zur hiesigen Grenze aufzuzählen. Er zieht eine Linie mit dem Fingernagel auf der Steinplatte. Die Grenze durch diesen Teil der Pyrenäen, erklärt er, stammt aus dem Dreißigjährigen Krieg und teilt die alte Region mittendurch. Auf beiden Seiten wird katalanisch gesprochen. Wie in vielen Teilen Europas mildert der Vertrag von Schengen in der Cerdanya historische Brüche. Die Leute kommen einfacher zusammen, das hat Tradition. Regie: O-Ton Oriol Mercader: Una frontera tan cerca sin obstaculos ha provocado que por ejemplo cuando ha habido guerras la gente ha cambiado dentro de la Cerdanya misma. Cuando hubo la primera guerra mundial, algunos franceses vienieron a España, porque no estaba implicada. Y cuando hubo la guerra civil española muchos republicanos emigraron. Bueno en realidad fueron a campos de concentración franceses - no estuvieron muy bien acogidos tampoco. VO: Die Grenze war nie eine große Barriere. Zum Beispiel in Kriegszeiten ist die Bevölkerung stark innerhalb der Cerdanye migriert. Im ersten Weltkrieg sind Franzosen nach Spanien gekommen, das hat niemand verhindert. Und während des spanischen Bürgerkiegs sind viele Republikaner ausgewandert. Naja, eigentlich landeten sie in französischen Konzentrationslagern. Kein so toller Empfang Autor: Es ist jetzt noch einfacher aber geworden, was besonders Regionalpatrioten freut. Aber so ganz freizügig geht es auch wieder nicht. Regie: O-Ton Oriol Mercader: La verdad es que Schengen ha mejorado cosas [...]. Evidentemente el Tratado se nota. La aduana ha desaparecido. La verdad es que en la Cerdanya vivimos un poco - un estado de sitio no, eso sería exagerado, pero tenemos los Mossos d´Esquadrà, que es la policía catalana autonómica, la Guardia Civil, la Policía Nacional, la Policía de Frontera, los Gendarmes franceses, la policía francesa. Hay como siete, ocho cuerpos de que te los puedes ir encontrando en diferentes sitios. VO: Schengen hat die Situation verbessert. Das spürt man. Aber die Wahrheit ist: Wir leben in der Cerdanya ein bisschen - nicht gerade im Belagerungszustand, das wäre übertrieben, aber wir haben hier die katalanische Autonomiepolizei, die Guardia Civil, die Nationalpolizei, die Grenzpolizei, die französischen Gendarmen. Es gibt sieben, oder acht verschiedene Polizeien, die man ständig irgendwo antrifft. Autor: Bosom streckt ruckartig die knorrigen Finger in die Höhe. Kein Vergleich mit früher! Regie: O-Ton Bosom: Cuando la guerra, en la época aquella los alemanes estaban aquí (hustet) La frontera estaba cerrada. VO: Im Krieg, da waren die Deutschen hier... und die Grenze war dicht! Autor: In den ersten Jahren des Francoregimes auch. Da hat Bosom erlebt, wie rabiat die Guardia Civil mit den Leuten im Grenzgebiet umgegangen ist. Regie: O-Ton: Bosom: Hubo un tiempo que era muy rigoroso, my rigoroso. A veces si cogían alguno suelto los Guardias - a lo mejor le pegaban una paliza. Eso sí, eso sí. VO: Eine Zeit lang war es ziemlich strikt. Manchmal, wenn die Guardias einen allein erwischt haben, ist der ganz schön verprügelt worden. Regie: Geräusch: Husten Autor: Bosom drückt der herbe Zigarettenrauch im Raum langsam auf die Lunge. Er braucht frische Luft. So gern er auch in der Bar hockt. Es ist Zeit für ihn zu gehen. Regie: Geräusch Stuhl, Geräusch Geld Autor: Mercader bezahlt und begleitet ihn nach draußen. Regie: Geräusch Stuhl, Geld, Tür zu Regie: Ende Atmo Bar/Blende Atmo draußen Autor: Von frischer Luft haben Juan Sanz und Leonardo Sarmiento langsam genug. Sie stehen auf der schmalen Straße, die von Puigcerdà zum französischen Dorf Osseja ansteigt. Ihr Wagen parkt rückwärts in einem Feldweg, die Kotflügel sind mit hellem Schlamm bespritzt. Die beiden Uniformierten schauen mürrisch über die nassen Felder. Es ist Mittag. Seit sechs Stunden haben sie Dienst, halten Autos an, prüfen Ausweise und schauen in Kofferräume - ohne Ergebnis. Aber bei jedem neuen Auto machen sie sich wieder Gedanken, was nicht stimmen könnte. Ein weißer Kleinbus aus spanischer Richtung, dunkle Scheiben. Sanz strafft sich. Regie: Geräusch ankommendes Fahrzeug Regie: O-Ton Juan Sanz: Ese vehículo - es un poco tarde - pero puede ser que lleve mano de obra ilegal para trabajar en Francia. Es un poco tarde. Sería más interesante para la Gendarmeria francesa que para nosotros. VO: Dieses Fahrzeug - naja es ist schon ein bisschen spät dafür - aber da könnten illegale Arbeitskräfte zur Arbeit nach Frankreich fahren. Eigentlich interessanter für die französische Gendarmerie als für uns. Autor: Sarmiento winkt, das Auto hält an. Sanz geht zum Fahrer. Wirft einen kurzen Blick ins Innere. Niemand sonst, also auch keine Marokkaner, die heimlich in Frankreich auf dem Bau arbeiten. Regie: Geräusch /Atmo Kontrolle Autor: Der Sargento schickt den Wagen gleich weiter. Regie: Geräusch Auto entfernt sich Autor: Sanz schaut hinterher. Wieder nichts. Dabei wurde zwei Täler weiter kürzlich ein ETA-Terrorist geschnappt; im Osten der Provinz, an der Küstenautobahn ist ein internationaler Koks-Transport aufgeflogen. Das Verbrechen kann auch hier vorbeikommen. Es hat schon seinen Grund, dass er und Sarmiento hier stehen. Der schaut seinen Sargento beinahe mitfühlend an, die Augenbrauen ernst zusammengezogen. Regie: O-Ton Leonardo Sarmiento: Es Lunes. En esta época baja, no ha mucho movimiento. En la época de esquí hay más movimiento para este camino. Los fines de semana también. VO: Es ist Montag. Um die Zeit passiert nicht mehr viel. In der Skisaison ist mehr los. Am Wochenende auch. Autor: Juan Sanz reibt sich sein Kinn, stockt, dann zieht er sein Barret vom Kopf und rollt es zusammen. Regie: O-Ton Juan Sanz: Ya llevamos mucho tiempo aquí en este camino. Nos vamos a Palau y a ver que pasa por ahí. (Sarmiento) Vale. VO: Wir stehen hier lange genug rum, gehen wir nach Palau und schauen was dort läuft (Sarmiento:Vale) Regie: Geräusch: Schritte, Türenschlagen, Anlasser, Abfahrt Regie: Absage auf Atmo Grenzpatrouille im Binnenraum 25 Jahre nach dem Schengener Abkommen Eine Reportage von Heiner Kiesel Ende 2